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Der in der Versammlung vom 14.02.2019 gefasste Beschluss zu TOP 5, Beschlussfassung über die Verteilung der KfW-Zuschüsse (35.000,00 EUR + 1.000,00 EUR), wird für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
82 C 809/19 |
Verkündet am 16.10.2020 Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
Amtsgericht Neuss
3IM NAMEN DES VOLKES
4Urteil
5hat das Amtsgericht Neuss
6auf die mündliche Verhandlung vom 01.07.2020
7durch den Richter am Amtsgericht X
8für Recht erkannt:
9Der in der Versammlung vom 14.02.2019 gefasste Beschluss zu TOP 5, Beschlussfassung über die Verteilung der KfW-Zuschüsse (35.000,00 EUR + 1.000,00 EUR), wird für ungültig erklärt.
10Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
11Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
12Tatbestand
13Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümerschaft in ….., wobei die Kläger ihre Miteigentumsanteile gewerblich nutzen.
14Die Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft enthält unter § 12 unter der Überschrift „Lasten und Kosten“ unter Absatz 2 c) folgende Regelung: „Die Bewirtschaftungskosten bestehen insbesondere aus den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung, soweit diese den Wohnungs-/Teileigentümern gemeinschaftlich obliegen, einschließlich eines Betrages für die Bildung einer angemessenen Instandsetzungsrücklage.“ Die Teilungserklärung enthält unter § 12 unter der Überschrift „Lasten und Kosten“ unter Absatz 3 folgende weitere Regelung: “Der auf einzelne Wohnungs-/Teileigentümer entfallende Anteil an den vorgenannten Bewirtschaftungskosten richtet sich grundsätzlich nach dem Miteigentumsanteil des jeweiligen Sondereigentümers, es sei denn, dass diese Kosten im Einzelfall von den Berechtigten gegenüber den Wohnungs-/Teileigentümern getrennt erhoben werden. […] Im Übrigen kann für alle vorgenannten Fälle ein anderer Verteilungsschlüssel für einzelne Kosten durch die Wohnungs- und Teileigentümerversammlung mit zweidrittel Mehrheit aller Stimmen der Wohnungs- und Teileigentümer beschlossen werden, falls der Nutzungsanteil einzelner oder mehrerer Miteigentümer größer und dadurch eine andere Kostenumlage gerechtfertigt ist.“
15Im Jahr 2017 fand eine Fassadensanierung und Fassadendämmung statt. Im Rahmen dieser Sanierungsmaßnahme wurde für die Gemeinschaft ein Zuschuss der Kreditanstalt für Wiederaufbau (im Folgenden: KfW) beantragt.
16Insgesamt beantragte die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Zuschuss von 35.000,00 EUR für die Fassade einerseits und 1.000,00 EUR für die Haustüre andererseits. Der Zuschuss für die energetische Sanierungsmaßnahme wurde gewährt. Zur Finanzierung der Maßnahme zahlten die Mit- beziehungsweise Teileigentümer eine Sonderumlage, zusätzlich sollte der KfW-Zuschuss zur Finanzierung der Maßnahme verwendet werden. Die Fassadensanierung wurde anschließend durchgeführt. Die finanziellen Mittel, die für die Fassadensanierung bereit standen, wurden nicht vollständig ausgeschöpft.
17Mit Schreiben vom 29.01.2019 berief die Verwalterin zur Eigentümerversammlung am 14.02.2019 ein.
18Zu TOP 5 wurde am 14.02.2019 ein Beschluss gefasst, dass die KfW-Zuschüsse in Höhe von 35.000,00 EUR und 1.000,00 EUR nach Miteigentumsanteilen an alle Wohneinheiten verteilt werden sollen.
19Die Klägerseite trägt vor, dass der angefochtene Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Nach den Förderungsbedingungen der KfW sei die Förderung nicht an einzelne Wohnungseigentümer, sondern der Gemeinschaft auf der Basis der zu erwartenden Kosten gewährt worden. Die Maßnahme sei außerdem von der gesamten Gemeinschaft nach Miteigentumsanteilen durch eine Sonderumlage sowie den KfW-Zuschuss finanziert worden, unabhängig von der Frage, ob es sich um Wohnungseigentum oder Gewerbeeigentum gehandelt habe. Die Sonderumlage sei weiter nach Miteieigentumsanteilen gezahlt. Soweit Überschüsse vorhanden seien, die für die Sanierungsmaßnahmen nicht benötigt worden seien, seien die Überschüsse – entsprechend der erhobenen Sonderumlage – nach Miteigentumsanteilen an alle Wohnungseigentümer zurückzuzahlen. Soweit auf dem Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Überschuss von 36.000,00 EUR vorhanden sei, handele es sich um den verblieben KfW-Zuschuss, sondern um die verbliebene Sonderumlage. Im Übrigen sei als Zuschussempfänger die Wohnungseigentümergemeinschaft von der KfW benannt, so dass eine etwaige Auskehr des KfW-Zuschusses auch an alle Wohnungseigentümer erfolgen müsse. Die verbleibenden Überschüsse seien daher nach § 12 Abs. 3 der Teilungserklärung an die Wohnungseigentümer nach dem dort vorgesehenen Verteilungsschlüssel auszubezahlen.
20Die Kläger beantragen,
21den in der Versammlung vom 14.02.2019 gefassten Beschluss zu TOP 5, Beschlussfassung über die Verteilung der KfW-Zuschüsse (35.000,00 EUR + 1.000,00 EUR), für ungültig zu erklären.
22Die Beklagten beantragen,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagtenseite trägt vor, dass ausweislich der Förderungsbestimmungen der KfW nur eine natürliche Person als Eigentümer oder Ersterwerber einer selbstgenutzten oder vermieteten Eigentumswohnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft Antragsteller sein könne. Die gewerblich genutzten Einheiten seien daher nicht förderfähig, so dass der KfW-Zuschuss auch nicht den gewerblichen Einheiten zugutekommen könne. Der verbliebene Überschuss sei daher an die Wohneigentümer auszukehren.
25Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
26Entscheidungsgründe
27Die zulässige Klage ist begründet.
28A.
29Die Klage ist zulässig.
30I.
31Die Klage eines oder mehrerer Wohnungseigentümer auf Erklärung der Ungültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG).
32Für die Fristberechnung findet § 46 Abs. 1 S. 3 WEG in Verbindung mit §§ 233 bis 238 ZPO in Verbindung mit §§ 186 ff. BGB Anwendung. Fristbeginn im Sinne des § 187 BGB ist der Tag der jeweiligen Beschlussfassung, sofern diese in der Versammlung gem. § 23 Abs. 1 erfolgt. Der Fristbeginn hängt nicht davon ab, ob der Anfechtende in der Versammlung anwesend war und wann er von der Beschlussfassung Kenntnis erlangt hat; dies kann allenfalls bei der Frage nach einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand relevant werden (Karkmann in: BeckOGK, WEG, 01.12.2019, § 46 Rn. 53).
33II.
34Fristbeginn war hier der 14.02.2019. Mithin lief die einmonatige Einlegungsfrist am 14.03.2019 ab. Die Klage ist am 11.03.2019 bei Gericht eingegangen, sodass die Klageerhebungsfrist gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 WEG eingehalten ist.
35III.
36Die zweimonatige Begründungsfrist lief am 15.09.2019 ab. Die Klage ist bereits mit der Einlegung begründet worden, sodass die Klagebegründungsfrist gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 WEG eingehalten ist.
37B.
38Die Klage ist begründet.
39Der Beschluss entspricht nicht ordnungs-gemäßer Verwaltung und ist daher für ungültig zu erklären.
401.
41Ein Beschluss, ist auf die Anfechtung eines Eigentümers hin vom Gericht für ungültig zu erklären, wenn die Beschlussfassung oder der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.
42a.
43Der Beschluss über die Auskehr der KfW-Zuschüsse ist im Ergebnis ein Beschluss, mit dem über die Kostentragung der Sanierungsmaßnahme entschieden wurde, da insofern über die verbliebenen Überschüsse abgerechnet wurde und diese nach der in dem Beschluss bestimmten Regelung ausbezahlt wurden. Insofern wurde letztlich beschlossen, dass die Kosten der Sanierung entsprechend der erhobenen Sonderumlage nach Miteigentumsanteilen von Wohnungseigentümern beziehungsweise Teileigentümern zu tragen seien und die Wohnungseigentümer insofern anteilig in Höhe des KfW-Zuschusses entlastet werden sollten und eine Rückzahlung an die Wohnungseigentümer in Höhe des Zuschusses erfolgen solle.
44b.
45Die so in dem Beschluss so geregelte Kostentragung zur kostenmäßigen Entlastung der Wohnungseigentümer entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
46aa.
47Die Kosten einer Instandsetzungsmaßnahme sind von den Wohnungseigentümern, gemäß § 16 Abs. 2 WEG grundsätzlich nach Miteigentumsanteilen zu tragen. Die Wohnungseigentümer können jedoch gemäß § 16 Abs. 4 WEG im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG oder zu baulichen Veränderungen oder Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 und 2 WEG durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend von § 16 Abs. 2 WEG regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Der Beschluss zur Regelung der Kostenverteilung bedarf einer Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile.
48Der Umstand, dass insofern in der Teilungserklärung abweichend geregelt ist, dass die Änderung der Kostenverteilung einer Zweidrittelmehrheit bedarf ist unerheblich, dann gemäß § 16 Abs. 5 WEG darf eine Beschlussfassung gemäß § 16 Abs. 4 WEG weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden, sodass jegliches Anheben der formellen oder materiellen Voraussetzung – hier das Anheben des Mehrheitserfordernisses auf Zweidrittel unzulässig ist (Falkner in: BeckOGK, WEG, 1.3.2020, § 16 Rn. 243).
49bb.
50Nach den vorstehenden Grundsätzen kann eine abweichende Kostenverteilung erfolgen, sofern der abweichende Maßstab dem unterschiedlichen Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Der Gesetzgeber wollte damit ermöglichen, dass etwa die Kosten für eine Balkonsanierung denjenigen Wohnungseigentümern auferlegt werden können, zu deren Wohnung ein Balkon gehört.
51Wenn jedoch – wie hier – die Fassade saniert wird, kann nicht davon gesprochen werden, dass einzelne Eigentümer diese in unterschiedlichem Maße gebrauchen. Gleiches gilt etwa für eine Sanierung am Dach des Gebäudes, denn daran haben alle Wohnungseigentümer gleichen Gebrauchsanteil, so dass § 16 Abs. 4 WEG insofern unanwendbar ist (vgl. Bartholome in: BeckOK, WEG, 42. Ed. 1.8.2020, § 16 Rn. 195, 196; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 16 Rn. 109).
52Hier ist die Differenzierung des Beschlusses darin begründet, dass der KfW-Vorschuss wegen der Wohnnutzung bewilligt worden sei, sodass auch insofern bei der Kostenlast eine Entlastung der Wohneinheiten erfolgen solle. Insofern fehlt es jedoch an einer gesteigerten Gebrauchsmöglichkeit der gewerblichen Teileigentümer mit der die Mehrbelastung der gewerblichen Teileigentümer beziehungsweise die geringere Belastung der Wohneigentümer an den Gesamtkosten im Sinne von § 16 Abs. 4 WEG begründet werden kann (vgl. Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 16 Rn. 109)
53Der Umstand, dass der KfW-Zuschuss letztlich deswegen gewährt worden ist, weil die Miteigentumsanteile überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden ist insofern im Rahmen des § 16 Abs. 4 WQEG unerheblich.
54C.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
56D.
57Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO
58Der Streitwert wird auf 18.000,00 EUR festgesetzt.
59Rechtsbehelfsbelehrung:
60A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
611. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
622. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
63Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
64Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
65Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
66Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
67B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Neuss statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Neuss, Breite Straße 48, 41460 Neuss, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
68Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
69Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
70Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
71X
72Richter am Amtsgericht