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In der Strafsache
gegen Frau R.,
Verteidiger: Rechtsanwalt L.,
wegen Volksverhetzung
hat das Amtsgericht Düsseldorf
aufgrund der Hauptverhandlung vom 06.12.2024,
an der teilgenommen haben:
Richter I.
als Richter
Amtsanwalt H.
als Vertreter der Staatsanwaltschaft Düsseldorf
Rechtsanwalt L.
als Verteidiger der Angeklagten R.
Justizsekretär W.
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Die Angeklagte wird wegen Volksverhetzung kostenpflichtig zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 53 Euro verurteilt.
Angewandte Vorschrift: § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Gründe:
2I.
3Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen:
4Die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 74jährige Angeklagte ist geschieden und hat früher als Verwaltungsangestellte im öffentlichen Dienst gearbeitet, Sei 2014 ist sie Rentnerin und bezieht derzeit eine monatliche Rente von 1.600 Euro.
5Die Angeklagte ist strafrechtlich bislang einmal in Erscheinung getreten. Sie wurde am 18.07.2022 vom Amtsgericht Düsseldorf wegen gegen Personen des politischen Lebens gerichteter übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.
6II.
7Das Gericht hat folgende Feststellungen getroffen:
8Die Angeklagte veröffentlichte am 08.10.2023 gegen 16:59 Uhr unter Nutzung des Profils "U." in dem sozialen Netzwerk Facebook öffentlich einsehbar in Bezug auf ein Statement des Bundesministers Robert Habeck mit dem Wortlaut "Deutschland ist auf Zuwanderung angewiesen, um den Arbeitskräftebedarf zu decken" folgenden Kommentar: "Blablabla. Wir brauchen Fachkräfte und keine Asylanten, die sich hier nur ein schönes Leben machen wollen, ohne unsere Werte und Kultur zu respektieren. Schickt die, die hier sind mal zum Arbeiten. Wir sind nicht auf Faulenzer und Schmarotzer angewiesen und schon gar nicht auf Messerkünstler und Vergewaltiger".
9Zu den weiteren Einzelheiten des Posts wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 2 StPO auf Bl. 11 d.A. verwiesen.
10III.
11Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf ihren diesbezüglichen eigenen Angaben und dem auszugsweise verlesenen Strafbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 18.07.2022.
12Die Feststellungen zu der Tat beruhen auf den Angaben der Angeklagten sowie die im Übrigen geführte Beweisaufnahme, deren Inhalt und Umfang sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt.
13Die Angeklagte hat eingeräumt, dass sie den hier gegenständlichen und im Rahmen der Hauptverhandlung verlesenen Post auf Facebook veröffentlicht hat. Hiermit habe sie ihre Wut darüber zum Ausdruck bringen wollen, dass es bereits 2,1 Millionen Arbeitslose in Deutschland geben würde und sie nicht verstünde, warum noch mehr Arbeitslose dazukommen sollten. Dies sei eine politische Stellungnahme und nicht auf Ausländer gerichtet gewesen.
14IV.
15Durch die Veröffentlichung des Posts hat sich die Angeklagte einer Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
16Insoweit hat das Gericht auch berücksichtigt, dass es sich bei der Veröffentlichung des Posts grundsätzlich um eine Meinungsäußerung gehandelt hat, so dass die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG zu berücksichtigen ist.
17Meinungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG sind durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend. Unerheblich ist, ob die Äußerung „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist. Die Meinungsfreiheit ist indes nicht schrankenlos gewährleistet. Beschränkungen der Freiheit, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern, bedürfen einer Rechtfertigung anhand der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG, auch wenn die Äußerung in einer oder durch eine Versammlung erfolgt. Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen kommt daher, soweit sie nicht dem Schutze der Jugend oder dem Recht der persönlichen Ehre dient, nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht. In den allgemeinen Gesetzen, insbesondere den Strafgesetzen, hat der Gesetzgeber Beschränkungen des Inhalts von Meinungsäußerungen an konkrete tatbestandliche Voraussetzungen gebunden. Die Strafrechtsordnung ermöglicht die Bekämpfung solcher Rechtsgutverletzungen, die etwa durch antisemitische oder rassistische Äußerungen erfolgen.
18Dabei muss berücksichtigt werden, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe etwa BVerfG, Bes. v. 07.04.2001 – 1 BvQ 17/01 u.a.) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, dass ihr Sinn – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums – zutreffend erfasst worden ist. Entscheidungen, die den Sinn einer umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zu Grunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen zu haben. Dabei müssen ausgehend vom Wortlaut auch der Kontext und die sonstigen Begleitumstände einer Äußerung beachtet werden. Diese insbesondere für die Anwendung der §§ 185 ff. StGB entwickelten Grundsätze gelten entsprechend, wenn es um die Subsumtion einer Äußerung oder eines Verhaltens unter die Tatbestandsmerkmale des § 130 StGB geht. (LG München, Bes. v. 03.01.2024 – 29 Qs 27/23 m.w.N.)
19Nach diesen Grundsätzen handelt es sich ausschließlich hinsichtlich der folgenden Passage des Posts der Angeklagten um eine von der Meinungsfreiheit geschützten Beitrag zur politischen Meinungsbildung: „Blablabla. Wir brauchen Fachkräfte und keine Asylanten, die sich hier nur ein schönes Leben machen wollen, ohne unsere Werte und Kultur zu respektieren. Schickt die, die hier sind mal zum Arbeiten.“
20Soweit abschließend die Angeklagte geäußert hat „Wir sind nicht auf Faulenzer und Schmarotzer angewiesen und schon gar nicht auf Messerkünstler und Vergewaltiger“ ist dies aus Sicht eines objektiven Dritten im Kontext des übrigens Posts aber ausschließlich so zu verstehen, dass die Angeklagte hiermit pauschal sämtliche Asylbewerber in Deutschland unter den Generalverdacht stellt, Faulenzer, Schmarotzer, Messerkünstler und Vergewaltiger zu sein.
21Dabei handelt es sich bei den in Deutschland lebenden Asylbewerben um einen abgrenzbaren Teil der Bevölkerung im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
22Mit der Veröffentlichung ihres Posts hat die Angeklagte zum Hass gegen Asylbewerber aufgestachelt. Ausreichend hierfür ist die abstrakte Eignung aus Sicht der Angeklagten, dass mit dem Post Hass erzeugt wird. (Fischer- StGB, § 130 Rn. 8) Vorliegend ist die Verunglimpfung der Asylbewerber offensichtlich dazu geeignet, in der Bevölkerung vorhandene Vorbehalte und Ängste gegenüber den bei uns lebenden Migranten in Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass zu verwandeln. Die Darstellung der Asylbewerber als Faulenzer, Schmarotzer, Messerkünstler und Vergewaltiger ist eine Sichtweise, die bei unkritisch eingestellten Menschen den Nährboden für Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit schafft. (vgl. bereits OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.1994 – 2 Ss 413/93)
23Die Veröffentlichung des Posts auf der Plattform Facebook war auch im Sinne des § 130 StGB geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, da dies konkret dazu geeignet war, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern, da die Angeklagte ihren Post im Internet für eine unüberschaubare Personenzahl frei verfügbar veröffentlicht hat. (vgl. Fischer- StGB, § 130 Rn. 13a, 14)
24Der Angeklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft, da weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe ersichtlich sind.
25V.
26Bei der Strafzumessung ist das Gericht vom Strafrahmen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgegangen, der Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vorsieht.
27Bei der Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hat sich das Gericht jeweils an den Kriterien des § 46 StGB orientiert.
28Für die Angeklagte sprach, dass sie die Veröffentlichung des Posts eingeräumt hat. Auch hat sie sich insoweit reuig eingelassen, dass sie mit der Veröffentlichung wahrscheinlich über das Ziel hinausgeschossen sei und sie das heute so nicht mehr schreiben würde.
29Zu ihren Lasten war zu berücksichtigen, dass sie bereits vorbestraft war, wobei es sich bei der Vorstrafe um eine Tat von ähnlicher Deliktsnatur gehandelt hat.
30Vor diesem Hintergrund hat das Gericht nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände daher auf eine
31für die Einzeltat auf eine
32Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 53 Euro
33als tat- und schuldangemessen erkannt.
34Dabei war nach § 47 Abs. 2 S. 1 StGB eine Geldstrafe zu verhängen, da die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht aufgrund besonderer Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit der Angeklagten liegen, zur Einwirkung auf die Angeklagte oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich war.
35Die Tagessatzhöhe entspricht den Einkommensverhältnisses der Angeklagten.
36VI.
37Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 Abs. 1 StPO.
38I.