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Ein Gaskunde kann auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gasversorgers gegen dessen Zahlungsanspruch wegen Gaslieferung mit seinem Schadenersatzanspruch wegen vorzeitiger Beendigung der Gaslieferung aufrechnen, wenn der Zeitraum der geschuldeten und nicht erfolgten Lieferung überwiegend vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, weder § 95 Abs. 1 S.1 in Verbindung mit § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, noch § 95 Abs. 1 S.3 InsO stehen dem entgegen.
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 14.09.2023
durch den Richter am Amtsgericht R.
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 74,68 EUR (in Worten: vierundsiebzig Euro und achtundsechzig Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.06.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 79% und der Beklagte zu 21%.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand (abgekürzt):
2Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Gaslieferungsvertrag zwischen dem Beklagten und der inzwischen insolventen P. GmbH, nachfolgend P. genannt. Das Insolvenzverfahren ist am 16.10.2019 eröffnet worden und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
3Gemäß Endabrechnung vom 22.07.2019 besteht für den Lieferzeitraum vom 24.10.2018 bis zum 29.01.2019 eine Nachzahlung des Beklagten in Höhe von 247,49 Euro. Nach dem 29.01.2019 erfolgte ein Lieferstopp der P., obwohl mit dem Beklagten ein bis zum 23.10.2019 befristeter Liefervertrag zu einer festen Preisregelung bestand. Damit die Gasversorgung sichergestellt bleibt, wechselte der Kläger zunächst in die Grundversorgung der V. und schloss ab dem 20.03.2019 einen neuen Gaslieferungsvertrag mit der T. GmbH & Co. KG. Die Leistungsbedingungen der neuen Verträge waren ungünstiger als der Vertrag mit der P.. Dem Beklagten entstanden Mehrkosten in Höhe von 172,81 Euro. Hiermit erklärt der Beklagte die Aufrechnung. Seine behauptete Gegenforderung machte der Beklagte zeitanteilig bereits mit Schreiben vom 05.08.2019 in Höhe von 147,05 Euro gegenüber der P. geltend. Mit Schreiben vom 02.10.2019 ließ die P. über ein Inkassobüro den Beklagten zur Zahlung des Rechnungsbetrags auffordern, hierdurch entstanden Inkassokosten in Höhe von 70,20 Euro. Zudem werden weitere Mahn- und Auskunftskosten in Höhe von 40 Euro geltend gemacht.
4Der Kläger beantragt,
5den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 317,69 € nebst Verzugszinsen i. H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 247,49 € seit dem 01.09.2019 und aus 70,20 € seit dem 11.08.2021 sowie 40,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
6Der Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen
8Das Gericht hat mit Beschluss vom 14.07.2023 das vereinfachte Verfahren nach § 495a ZPO eingeleitet.
9Entscheidungsgründe:
10A.
11I.
12Die Klage ist zulässig, der Insolvenzverwalter insbesondere als Partei kraft Amtes gemäß § 80 Abs. 1 InsO in eigenem Namen klageberechtigt.
13II.
14Die Klage ist nur in Höhe von 74,68 Euro begründet.
151)
16Der Anspruch aus dem Gaslieferungsvertrag steht dem Kläger in geltend gemachter Höhe zu, der diesbezügliche klägerische Sachvortrag ist durch den Beklagten nicht bestritten.
172)
18Der Anspruch ist jedoch in Höhe von 172,81 Euro durch Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen.
19a)
20Die Aufrechnungserklärung gemäß § 388 BGB ist vom Beklagten im Prozess abgegeben, auch besteht eine Aufrechnungslage gemäß § 387 BGB, denn dem Beklagten steht ein fälliger Gegenanspruch aus vertraglicher Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 251 Abs. 2 BGB in geltend gemachter Höhe zu, weil die P. entgegen ihrer vertraglicher Verpflichtung die Gaslieferung vorzeitig einstellte. Es ist adäquat-kausale Folge dieser Pflichtverletzung, dass der Gaskunde andere Versorger mit der Gaslieferung beauftragt, bei den hieraus resultierenden Mehrkosten handelt es sich um den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden, den der Kläger zu tragen hat. Soweit dieser die Schadenhöhe pauschal bestreitet, ist dieses Bestreiten nicht wirksam. Der Beklagte hat hinsichtlich der Schadenhöhe eine Berechnung der Mehrkosten vorgelegt und diese mit Abrechnungen der Ersatzversorger belegt. Angesichts dieser substantiierten Darlegung ist das einfache Bestreiten der Klägerseite nicht zulässig, vielmehr hätte es einer Darlegung bedurft, inwiefern die Berechnung fehlerhaft sein soll, denn gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat die Partei sich zu den gegnerisch behaupteten Tatsachen zu erklären, wobei der Umfang der Erklärungslast sich nach dem Detailgrad des Vortrags richtet (vgl. (BGH Beschl. v. 8.2.2023 – IV ZR 9/22, BeckRS 2023, 3921 Rn. 12, beck-online). Dies ist trotz Hinweises nicht erfolgt, auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten gemäß § 254 Abs. 1 BGB ein Mitverschulden dadurch vorzuwerfen ist, dass er unangemessen teure Ersatzangebote wählte.
21b)
22Die Aufrechnung ist auch nicht aus Besonderheiten des Insolvenzverfahrens heraus ausgeschlossen:
23aa)
24Ein Ausschluss nach § 95 Abs. 1 S.1 in Verbindung mit § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegt nicht vor, weil es nicht darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die Gegenforderung berechenbar war - dies war erst der Fall nach Kenntnis von der Endabrechnung der Ersatzversorger, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist - sondern ein Ausschluss greift nur, wenn die Forderung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht im Kern begründet war (Andres/Leithaus/Leithaus, 4. Aufl. 2018, InsO § 96 Rn. 3). Die Kernbegründung der Forderung ist die Verletzung der Leistungspflicht der Klägerin und die hierdurch begründete Notwendigkeit, eine Ersatzversorgung zu organisieren, nicht aber die Frage, wann durch Abrechnung der Ersatzversorger die Forderung beziffert werden kann. Da die Verletzung der Leistungspflicht bis auf wenige Tage einen Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft, war die Forderung bereits zuvor im Kern begründet.
25bb)
26Die Aufrechnung ist auch nicht nach § 95 Abs. 1 S.3 InsO ausgeschlossen. Dem Wortlaut nach mag es zwar so sein, dass die Vergütungsforderung der P. vor der Schadenersatzforderung des Beklagten fällig geworden ist, jedoch findet die Regelung dem Sinn und Zweck nach hier keine Anwendung. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass § 95 Abs. 1 S.3 InsO bezweckt die Aufrechnung auszuschließen, wenn ein Gläubiger eine fällige und durchsetzbare Forderung nicht bezahlt, sondern die Erfüllung hinauszögert und es infolge dessen später zu einer Aufrechnungslage kommt. Daher sei die Aufrechnung von nach Insolvenzeröffnung entstandenen Mängelbeseitigungskosten gegen einen Werklohnanspruch nicht ausgeschlossen, weil die Regelung den vor Insolvenzeröffnung schlecht leistenden Insolvenzschuldner nicht besserstellen soll (BGH NZI 2005, 672). Nichts anderes hat zu gelten, wenn sich Ansprüche daraus ergeben, dass der Insolvenzschuldner - wie hier - gar nicht leistet, denn die Interessenlage ist vergleichbar.
273)
28Ein Anspruch auf Erstattung der Inkassokosten besteht nicht. Zwar mag sich der Beklagte im Zeitpunkt der Beauftragung mit dem die Aufrechnung überschießenden Teil der Klageforderung gemäß § 286 Abs. 1 BGB in Schuldnerverzug befunden haben, jedoch ist die Beauftragung des Inkassobüros hier keine adäquat-kausale Folge des Schuldnerverzugs. Der P. war durch das vorhergehende Schreiben des Beklagten bekannt, dass dieser einen erheblichen Teil der Leistung verweigert wegen seines Gegenanspruchs auf Schadenersatz. Die P. war daher nach Treu und Glauben gehalten gewesen, auf den berechtigten Einwand der Beklagten einzugehen anstatt standardmäßig ohne individuelles Eingehen auf den Vortrag des Beklagten ein Inkassoverfahren zu betreiben. Auch betragsmäßig liegt die beigetriebene und die tatsächlich durchsetzbare Forderung derart weit auseinander, dass von einer wirksamen Mahnung nicht mehr ausgegangen werden kann.
29Gleiches gilt für die Mahnkosten. Ebenso sind die Auskunftskosten nicht erstattungsfähig. Es ist schon fraglich, ob solche schon generell als Teil des Verzugsschadens nach § 286 Abs. 1 in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB erstattungsfähig sind, da es in Betracht kommt, diese als Teil des dem Gläubiger obliegenden allgemeinen Einziehungsaufwands zu betrachten. Keinesfalls können Auskunftskosten geltend gemacht werden, wenn der Schuldner - wie hier - dem Gläubiger nachvollziehbar dargelegt hat, aus welchen Gründen gegen einen erheblichen Teil der Forderung begründete Einwände bestehen.
304)
31Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB ab Rechtshängigkeit. Dies ist der Tag nach Eingang der Akte beim Streitgericht am 05.06.2023, denn die Vorverlagerung nach § 696 Abs. 3 ZPO greift nicht, weil bei Mitteilung des Widerspruchs an den Kläger am 13.08.2021 und Einzahlung der weiteren Kosten des streitigen Verfahrens in 2023 liegt keine alsbaldige Abgabe mehr vor. Ebenso ist zuvor kein Verzug eingetreten. Die Mahnungen sind wegen des erheblich überschießenden Betrags nicht wirksam, auch § 286 Abs. 3 BGB führt gegenüber dem Beklagten als Verbraucher nicht zu Verzugseintritt, weil in die Information in der Rechnung, der Verzug trete binnen 14 Tagen nach Zugang ein, unzutreffend ist.
325)
33Der verbleibende Anspruch ist nicht verjährt. Die Forderung verjährt nach § 195, § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des dritten Jahres nach ihrer Entstehung. Da die Forderung in 2019 entstanden ist, tritt Verjährung mit Ablauf des 31.12.2022 ein. Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist am 07.08.2021 mit Zustellung des Mahnbescheid eingetreten. Am 12.08.2021 ist die Klägerseite informiert worden über den Gesamtwiderspruch, die Zustellung gilt 3 Werktage später am 16.08.2021 als bewirkt, letzter Tag der Hemmung ist somit der 15.02.2022 gemäß § 204 Abs. 2 S. 3 ZPO, sodass der Rest der Verjährungsfrist (Tage im Zeitraum 08.08.2021 bis 31.12.2022) ab dem 16.02.2022 wieder läuft. Erneute Hemmung nach § 204 Abs. 2 S.4 ZPO ist eingetreten mit der Zahlung der weiteren Kosten des Rechtsstreits am 24.05.2023. Das ist noch rechtzeitig.
34B.
35Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO nach dem Gewinn- und Verlustanteil unter Einbeziehung der Inkassokosten und Mahn- und Auskunftskosten, weil diese wegen der geringen Höhe der Hauptforderung nicht verhältnismäßig geringfügig gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 ZPO.
36C.
37Anlass, die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen besteht nicht. Die Entscheidung beruht auf der Auslegung anerkannter Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung. Der Vortrag des Klägers zur Unzulässigkeit der Aufrechnung beschränkt sich auf einen pauschalen Verweis darauf, diese sei angesichts der insolvenzrechtlichen Vorschriften - die nicht einmal konkret genannt werden - ausgeschlossen. Grundsätzliche Bedeutung oder ein sonstiger Berufungsgrund kann angesichts dieses knappen Vortrags nicht erkannt werden.
38Der Streitwert wird auf bis 500 EUR festgesetzt.
39Rechtsbehelfsbelehrung:
40Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
411. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
422. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
43Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
44Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
45Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
46Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
47R.