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In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 20.10.2023
durch die Richterin am Amtsgericht Dr. E.
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T A T B E S T A N D :
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistung aus einer Vollkaskoversicherung für das – finanzierte und an die Bank sicherungsübereignete – Fahrzeug der Klägerin Audi, amtliches Kennzeichen N01 anlässlich eines Verkehrsunfalls vom 28.04.2023, bei dem sie einen vorfahrtsberechtigten Pkw übersehen hatte und mit diesem kollidiert war. Das Auto der Klägerin erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden.
3Für das Fahrzeug bestand bei Schadenseintritt eine Vollkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von 500,00 Euro.
4Die auf den Vertrag anwendbaren Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015) lauten auszugsweise:
5„[…]
6A.2.2.2 Welche Ereignisse sind in der Vollkaskoversicherung versichert?
7Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalschaden des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse:
8[…]
9A.2.2.2.2 Unfall
10Versichert sind Schäden am Fahrzeug durch Unfall. Ein Unfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis.
11[…]
12A.2.5.4 Mehrwertsteuer
13Mehrwertsteuer erstatten wir nur, wenn und soweit diese für Sie bei der von Ihnen gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist. Die Mehrwertsteuer erstatten wir nicht, soweit Vorsteuerabzugsberechtigung besteht.
14[…]“
15Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 2 (Bl. 90 ff. [100 ff.] d.A.) Bezug genommen.
16Die Beklagte rechnete wie folgt ab:
17Wiederbeschaffungswert netto: 18.067,23 Euro
18Restwert: ./. 12.410,00 Euro
19Selbstbehalt: ./. 500,00 Euro
20Zahlung: 5.157,23 Euro.
21Das Abrechnungsschreiben vom 12.06.2023 lautet auszugsweise: „Wir zahlen zunächst den Wiederbeschaffungswert netto. Sie haben allerdings Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), wenn sie tatsächlich angefallen ist. Dies gilt, sofern sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, also wenn Sie die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt nicht verrechnen können.
22Reichen Sie uns in diesem Fall die Rechnung eines Ersatzfahrzeugs ein, in der die Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Dann erstatten wir den Betrag.“ Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K-3 (Bl. 39 d.A.) Bezug genommen.
23Die Klägerin reichte eine Rechnung vom 12.05.2023 über einen Autokauf ein, aus dem sich ein Umsatzsteuerbetrag von 6.922,96 Euro ergab und forderte die Zahlung der auf den Wiederbeschaffungswert entfallenden Mehrwertsteuer in Höhe von 3.432,77 Euro. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit der Begründung, dass der Wagen bereits vor dem Unfallschaden verbindlich bestellt worden war, ab.
24Die Klägerin hatte den neuen Pkw im September 2022 bestellt, da die Finanzierung des späteren Unfall-Pkws zum 11.12.2022 ausgelaufen wäre. Das Ersatzfahrzeug sollte zunächst im Dezember 2022 geliefert werden. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten wurde der Neuwagen sodann erst für Juni 2023 angekündigt. Die Klägerin verlängerte den Finanzierungsvertrag für das spätere Unfallfahrzeug bis zum 11.06.2023 und nutzte das Fahrzeug weiter.
25Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.06.2023 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 06.07.2023 erneut erfolglos zur Zahlung auf.
26Die Klägerin beantragt,
27die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.432,77 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 07.07.2023 zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf die Akten des Gerichts Bezug genommen.
31E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
32A.
33Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Düsseldorf örtlich zuständig gemäß § 215 VVG.
34B.
35Die Klage ist jedoch nicht begründet.
36I.
37Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von 3.432,77 Euro zu. In Betracht kommt insoweit nur ein Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis.
381.
39Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
402.
41Mit der Zahlung eines Betrages von 5.157,23 Euro hat die Beklagte ihre Verpflichtung jedoch erfüllt. Sie hat den Netto-Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts und der Selbstbeteiligung erstattet.
42Eine darüberhinausgehende Verpflichtung zur Zahlung der Mehrwertsteuer auf den Wiederbeschaffungswert besteht nicht.
43Dabei kann dahinstehen, ob einer Erstattung der Mehrwertsteuer eine eventuelle Vorsteuerabzugsberechtigung der finanzierenden Bank und Sicherungseigentümerin entgegenstünde.
44Denn bereits aus anderen Gründen scheidet eine Erstattungspflicht insoweit aus.
45Nach Ziff. A.2.5.4 der AKB 2015 ist die Mehrwertsteuer nur zu erstatten, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist.
46Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Denn die Mehrwertsteuer ist nicht „bei der […] Schadenbeseitigung“ angefallen. Die AKB sind nach ihrem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass ein Anfall „bei der […] Schadenbeseitigung“ nur dann angenommen werden kann, wenn der Anfall der Mehrwertsteuer kausal durch das versicherte Ereignis – den Unfall – verursacht worden ist. Dass zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit einem versicherten Ereignis Mehrwertsteuer anfällt, kann nicht ausreichen.
47An der Kausalität fehlt es vorliegend. Eine Ursache ist als condicio sine qua non dann für einen Schaden kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele (vgl. nur Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Auflage, Vorb v § 249 Rdnr. 25 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
48Die Mehrwertsteuer für das neuerworbene Fahrzeug wäre jedoch in jedem Fall angefallen, auch wenn es nicht zu dem versicherten Unfallereignis gekommen wäre. Die Klägerin hat das Ersatzfahrzeug bereits im September 2022 – vor dem Unfall – bestellt. Auch die Verschiebung des Auslieferungstermins im Dezember 2022 auf das Jahr 2023 erfolgte bereits vor dem Unfall. Auch ohne den Unfall wäre das neue Auto im Mai 2023 ausgeliefert worden.
49Dahinstehen kann dabei, ob die Klägerin zum Unfallzeitpunkt von der Bestellung noch hätte zurücktreten können. Denn auch dies würde nicht dazu führen, dass die Bestellung und der Anfall der Mehrwertsteuer kausal durch den Unfall verursacht worden wären. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich zurücktreten wollte, aufgrund des Unfalls dann doch an der Bestellung festgehalten hat. Eine bloß hypothetische Fallgestaltung dahingehend, dass die Klägerin theoretisch von der Bestellung hätte zurücktreten und diese Entscheidung aufgrund des Unfalls revidieren können, genügt nicht für eine Haftung der Beklagten. Denn zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs darf zwar das streitige Ereignis weggedacht, nicht jedoch ein weiteres hinzugedacht werden (vgl. Grüneberg/Grüneberg, a.a.O. m.w.N.). Es ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin ohne den Unfall eine Stornierung der Bestellung auch nur in Erwägung gezogen hätte. Dieses Ereignis müsste also hinzugedacht werden, um von einer fehlenden Verbindlichkeit der Bestellung zum Unfallzeitpunkt ausgehen zu können.
50Unbeachtlich ist ebenfalls, zu welchem Zeitpunkt die Mehrwertsteuer angefallen ist. Den nach den vorstehenden Ausführungen ist ihr Anfall jedenfalls nicht kausal durch das versicherte Schadensereignis verursacht worden.
513.
52Besteht die Hauptforderung nicht, besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen.
53II.
54Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
55III.
56Der Streitwert wird auf 3.432,77 Euro festgesetzt.
57Rechtsbehelfsbelehrung:
58A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
591. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
602. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
61Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
62Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
63Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
64Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
65B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Düsseldorf statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
66Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
67Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
68Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
69Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
70Dr. E.
71Richterin am Amtsgericht