Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
In dem Verfahren zur Erteilung der Restschuldbefreiung
der Frau T, handelnd unter Firma Fernseh-T
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte X & Partner,
weitere Beteiligte:
B-Krankenkasse,
wird der Antrag der weiteren Beteiligten vom 23.11.2021 auf Berichtigung der Insolvenztabelle, gerichtet auf Löschung des Widerspruchs der Schuldnerin zurückgewiesen.
Gründe:
2A.
3Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf – Insolvenzgericht - vom 1.10.2019 ist unter Ankündigung der Erteilung der Restschuldbefreiung vom selben Tage das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
4Die weitere Beteiligte meldete eine Forderung aus Sozialversicherungspflicht an, hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile wurde die Forderung zugleich als Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung geltend gemacht sowie die Feststellung begehrt, dass die Forderung gem. § 302 Nr. 1, 1. Var. InsO von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei. Der Anmeldung beigeschlossen war ein Ausdruck des von der Schuldnerin an die weitere Beteiligte übermittelten Beitragsnachweises zur Sozialversicherung i.S.v. § 28f Abs. 3 S. 1 SGB IV (sog. softcopy) nebst einer Vollstreckbarkeitserklärung, diese datierend auf den 10.10.2019.
5Die in Gemäßheit des § 175 Abs. 2 InsO ordnungsgemäß belehrte Schuldnerin erhob rechtzeitig Widerspruch gegen die Forderung der weiteren Beteiligten (insgesamt).
6Mit bei Gericht am 26.11.2021 eingegangener Schrift vom 23.11.2021 beantragte die weitere Beteiligte die Löschung des Widerspruchs der Schuldnerin soweit diese sich gegen die sozialversicherungsrechtliche Forderung als solche richtet. Zur Begründung trug sie vor, dass die Beitragsnachweisung, da sie arbeitgeberseitig per DFÜ übermittelt wurden, gem. § 28f Abs. 3 S.3 SGB IV als Leistungsbescheid der Einzugsstelle gelte und einem rechtsverbindlichen Titel gleichstünde. Die Schuldnerin habe daher gem. § 184 Abs. 2 InsO deren Widerspruch zu verfolgen, was nicht fristgerecht erfolgt sei.
7B.
8I.
9Die Voraussetzungen der Löschung des Widerspruchs der Schuldnerin liegen nicht vor.
10Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben (§ 179 Abs. 1 InsO). Diese Betreibungslast der Forderung kehrt sich unter den Voraussetzungen des § 179 Abs. 2 InsO in die Verfolgungslast des Widerspruchs um, wenn für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt.
11Widerspricht der Schuldner der Feststellung einer Forderung, und liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. (§ 184 Abs. 2 S. InsO). Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben (§ 184 Abs. 2 S. 2 InsO). Damit ist die Verfolgungslast des Widerspruchs fristgebunden und gem. § 184 Abs. 2 S. 4 InsO mit einer Nachweispflicht des Schuldners verbunden, wobei eine Frist, binnen derer der Nachweis zu führen ist, gesetzlich nicht vorgesehen ist, weshalb der Schuldner zu einem zulässigen Löschungsantrag anzuhören wäre.
12Voraussetzung für die Verfolgungslast des Widerspruchs bezüglich sämtlicher Widersprechenden ist das Vorliegen eines vollstreckbaren Schuldtitels oder Endurteils ((§ 179 Abs. 2 InsO) und zwar in der Prüfungsverhandlung (hierzu AG Düsseldorf, B. v. 08. Februar 2006 – 514 IK 8/04; ZInsO 2006, 332-334).
13II.
14Gem. § 28f Abs. 3 S. 3 SGB IV gilt der Beitragsnachweis den der Arbeitgeber gem. § 28f Abs. 3 S. 1 SGB IV übermittelt hat, für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle und im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderungen der Einzugsstelle.
15Im Verhältnis zum Schuldner mag die Eigenerklärung als Leistungsbescheid und damit auch als Grundlage der Vollstreckung gegen den Schuldner im Wege der Verwaltungsvollstreckung dienen, es mangelt jedoch an der Ausfertigung des Leistungsbescheides und zum anderen an der Vollstreckbarkeitserklärung oder einer Vollstreckungsanordnung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Einer Nachholung nach Insolvenzeröffnung zum Zwecke der Titulierung kommt eine Wirkung nicht zu.
16Die nach Verfahrenseröffnung und in Kenntnis der Verfahrenseröffnung angeordnete Vollstreckbarkeitserklärung ist unbeachtlich. Gem. § 87 InsO sind Insolvenzgläubiger auf die Verfolgung der Ansprüche im Insolvenzverfahren verwiesen, mithin auf die Forderungsanmeldung. Gem. § 240 ZPO werden anhängige Verfahren, sofern sie die Insolvenzmasse betreffen, unterbrochen. Etwaig trotz einer Unterbrechung ergehende Entscheidungen sind zwar unzulässig, aber nicht nichtig (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 249 ZPO, Rz.10). Dies betrifft gerichtliche Entscheidungen. Ob dies auch für andere Entscheidungen greift, kann dahinstehen, da jedenfalls die in Kenntnis der Insolvenzeröffnung ergehende Vollstreckbarkeitserklärung/Vollstreckungsanordnung eine Wirkung nicht entfalten kann. Die Insolvenzeröffnung war der weiteren Beteiligten bekannt, daher hätte eine Titulierung nur noch gegenüber dem Insolvenzverwalter erfolgen dürfen.
17Dies wird auch durch den Normtext des § 28f Abs. 3 S. 3 SGB IV bestätigt, demzufolge im Insolvenzverfahren dem Beitragsnachweis im Insolvenzverfahren nur die Funktion einer Glaubhaftmachung zukommt. Der entsprechenden Änderung des § 28f Abs. 3, S.3 SGB IV durch das Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberforderungen vom 22. 12. 2005 (BGBl I, 3686) hätte es nicht bedurft, wenn bereits durch die Arbeitgebermitteilung die Sozialversicherungsansprüche tituliert wären, wofür Gründe aber weder ersichtlich waren, noch sind. Der Gesetzgeber hat durch die Ergänzung der Vorschrift eine Vereinfachung der Glaubhaftmachung für die Insolvenzantragsverfahren geschaffen, mehr aber nicht.
18Da der Eigenerklärung der Schuldnerin zwar die Geltung eines Leistungsbescheides zukommt, diese aber nicht ohne weiteres als Vollstreckungstitel dient, bedarf es zur Vollstreckbarkeit der entsprechenden Vollstreckbarkeitserklärung, genauer der Vollstreckungsanordnung. Die Vollstreckungsanordnung ist die Einleitung der Vollstreckung. Sie ist der formelle Auftrag der Anordnungsbehörde (§ 3 Abs. 4 VwVG) an die Vollstreckungsbehörde, die Vollstreckung durchzuführen (vgl. Danker in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, VwVG § 3 Rdn. 1.). Eine solche Vollstreckungseinleitung gegenüber dem Schuldner ist nach Insolvenzeröffnung jedoch unzulässig, dies folgt bereits aus dem Rechtsgedanken des § 240 ZPO, der eine Titulierung nach Insolvenzeröffnung außerhalb der insolvenzrechtlichen Voraussetzungen bei Massebezug vermeiden will. Unabhängig davon hätte die Vollstreckungsanordnung nach Insolvenzeröffnung nur unter Umschreibung der als Leistungsbescheid fungierenden Eigenerklärung des Schuldners gegen den Insolvenzverwalter fungieren können. Eine solche wäre jedoch unzulässig, da selbst im Falle eines Verwalterwiderspruchs gegen die Feststellung der Forderung eine nachgängige Titulierung außerhalb des Feststellungsklageverfahrens, oder des möglicherweise eröffneten behördlichen Feststellungsverfahrens nach § 185 S. 1, 3. Var. InsO nicht angängig wäre.
19Das Verfahren der Erteilung einer Vollstreckungsklausel ist nach h.M. nicht durch § 240 ZPO unterbrochen, (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – VII ZB 108/06 –, juris), jedoch setzt die Vollstreckungsklausel einen vollstreckbaren Titel voraus. Die Eigenerklärung der Schuldnerin schafft aber insolvenzrechtlich keinen Vollstreckungstitel, weshalb die Vollstreckbarkeitserklärung nicht mit der Klauselerteilung gleichzusetzen ist.
20III.
21Auch Wertungsgesichtspunkte führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar mag die weitere Beteiligte ein Interesse daran haben, auch nach etwaiger Erteilung einer Restschuldbefreiung zumindest hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs ein vollstreckbarer Auszug aus der Tabelle zu erhalten, (vgl. hierzu BGH B. v. 18. Juni 2020 – IX ZB 46/18), aber dies allein vermag nicht zu einer anderen Sichtweise durzugreifen. Hinsichtlich der Titulierungsbehauptung der weiteren Beteiligten ist auch der Blick auf andere zum Widerspruch befugte Verfahrensbeteiligte zu lenken. Eine andere Sicht müsste den Insolvenzverwalter oder andere Gläubiger im Bestreitensfalle in die Verfolgung des Widerspruchs treiben, und dies nur auf einer möglicherweise unzutreffenden Eigenerklärung des Schuldners und einer nach Verfahrenseröffnung einfachen „Titulierungserklärung“ der Gläubigerin, die sie jederzeit vornehmen könnte und im Rahme der ergänzenden Forderungsanmeldung nach § 177 Abs. 1 S. 3 InsO in die Prüfungsverhandlung einführen. Die insolvenzrechtliche Struktur zwischen Betreibungslast bei nicht titulierter Forderung und Verfolgungslast bei titulierter Forderung, die Unterbrechung nach § 240 ZPO sowie die Voraussetzungen der (positiven) Tabellenfeststellungsklage sowie eines an deren Stelle tretenden Verwaltungsfeststellungsverfahrens wiese keinerlei Kontur mehr auf, wäre es dem Sozialversicherungsträger auch nach Verfahrenseröffnung jederzeit möglich, aus einem Vehikel zur Glaubhaftmachung seiner Forderung durch bloße Vollstreckbarkeitserklärung/Vollstreckungsanordnung einen vollstreckbaren Schuldtitel i.S.d. § 179 Abs.2 InsO für seine Insolvenzforderung zu schaffen. Unberührt bleibt die Feststellung der Forderung im Verwaltungsverfahren, dessen Weg nach § 185 InsO auch für Sozialversicherungsträger eröffnet sein könnte (vgl. hierzu auch zum Streitstand: Schumacher, MüKo-InsO, 4. Auflage 2019, § 185, Rn. 4.)
22Sowohl nach Auslegungs- als auch nach Wertungsgesichtspunkten kommt eine für die Auffassung der weiteren Beteiligten durchgreifende Sicht nicht in Betracht.
23Der Antrag der weiteren Beteiligten war somit zurückzuweisen.
24Rechtsbehelfsbelehrung:
25Gegen diesen Beschluss ist der Rechtsbehelf der Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 RPflG gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch die Entscheidung beeinträchtigt sind.
26Die Erinnerung ist schriftlich in deutscher Sprache bei dem Amtsgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf einzulegen. Die Erinnerung kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben werden.
27Die Erinnerung muss binnen einer Frist von zwei Wochen bei dem zuständigen Amtsgericht Düsseldorf eingegangen sein. Das gilt auch dann, wenn die Erinnerung zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen als dem nach dieser Belehrung zuständigen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung.
28Die Erinnerung muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Erinnerung gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
29Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
30Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
31Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
32Düsseldorf, 10.01.2022
33Amtsgericht
34F
35Rechtspfleger