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Allein das mangelnde Einräumen der Rechtsverletzugn durch den einzig in ernsthaft Betracht kommenden Täter der streitigen Rechtsverletzung, einen benannten Zeugen, lässt einen Rückschluss auf die zwingende Täterschaft des Beklagten als Anschlussinhaber nicht zu, wenn das Gericht gem. § 286 ZPO im Gegenteil davon überzeug ist, dass eine Täterschaft des Beklagten höchstwahrscheinlich ausscheidet.
In dem Rechtsstreit
der T GmbH, Vertr. d. d. GF,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G,
gegen
Herrn Q,
Beklagten,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L,
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 20.10.2022
durch den Richter am Amtsgericht N
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
I. Tatbestand
2Die Parteien streiten um Ansprüche auf Schadensersatz und Abmahnkosten im Zusammenhang mit einer streitigen Urheberrechtsverletzung.
3Die Klägerin gehört zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern.
4Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses mit W-LAN-Verbindung in seinem Haus. Das WLAN war zum Tatzeitpunkt individuell passwortgeschützt.
5Zum Zwecke der Verfolgung widerrechtlicher Verbreitung von geschützten Werken im Internet hat die Klägerin das Unternehmen „E-GmbH“ mit der Überwachung bestimmter Peer-to-Peer-Netzwerke, wie z.B. Tauschbörsen, beauftragt. Die „E-GmbH“ teilte der Klägerin im Rahmen ihrer Ermittlungen mit, dass streitgegenständliche Musikalbum von der Künstlergruppe X mit 16 einzelnen Musiktiteln am 18.05.2010 um 11:53:49 Uhr und um 12:22:27 der Öffentlichkeit in der Internettauschbörse Z zum Download angeboten wurde.
6Die Klägerin ließ daraufhin beim Landgericht Köln (LG Köln 226 O 193/10) ein Auskunftsverfahren bezüglich des Namens und der Anschrift der von der „E-GmbH“ der Klägerin mitgeteilten IP-Adresse durchführen, woraufhin der Beklagte als Inhaber des fraglichen Internetanschlusses ermittelt wurde.
7Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mahnten den Beklagten aufgrund dieses Vorgangs mit Schreiben vom 16.11.2010 erstmalig ab und forderten ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Zahlung von Schadensersatz und zur Erstattung der Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung auf. Hierauf reagiert der Beklagte nicht. Auch auf nachfolgende Schreiben der Klägervertreter, u.a. vom 06.12.2010, 26.11.2012, 06.12.2012, 11.01.2013 und 17.06.2019, reagierte der Beklagte nicht.
8Die Klägerin behauptet, dass ihr an dem streitgegenständlichen Musikalbum die ausschließlichen Rechte zur Verbreitung zustünden. Die Verbreitung des streitgegenständlichen Musikalbums auf der Tauschbörse Z sei durch den Internetanschluss des Beklagten erfolgt. Die von der Klägerin beauftragte „E-GmbH“ habe die Rechtsverletzung fehlerfrei der IP-Adresse ##.##.##.## zugeordnet, welche zum Tatzeitpunkt, am 18.05.2010 um 11:53:49 Uhr und um 12:22:27 Uhr, zweifelsfrei dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet gewesen sei. Zudem sei die Rechtsverletzung durch den Beklagten selbst, oder zumindest mit seinem Wissen oder Wollen durch einen Dritten, begangen worden.
9Die Klägerin beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an sie einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1.000,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 09.07.2019 zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin über ausschließliche Verwertungsrechte an dem streitgegenständlichen Musikalbum verfüge.
14Der Beklagte behauptet, er habe das streitgegenständliche Musikalbum bis zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht gekannt. Nach Erhalt des Abmahnschreibens habe der Beklagte auf seinem Computer weder eine Tauschbörsen-Software noch das streitgegenständliche Musikalbum entdecken können. Zur Tatzeit habe er über einen Computer verfügt, den er sich mit seiner Frau, der Zeugin Q, geteilt habe und welchen beide regelmäßig zu Informationszwecken, Versendung von E-Mails oder Online-Shopping benutzt habe.
15Zur Tatzeit hätten seine Ehefrau, die Zeugin Q, sowie sein Sohn, der Zeuge Q2, mit dem Beklagten in einem Haushalt gelebt und unabhängig voneinander Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte deshalb seine Familienangehörigen zu dem Vorfall befragt. Diese hätten ihm gegenüber angegeben, das streitgegenständliche Album nicht heruntergeladen zu haben bzw. zu kennen und zu keinem Zeitpunkt eine Tauschbörsen-Software auf einem Rechner im Haushalt des Beklagten heruntergeladen oder verwendet zu haben.
16Der Beklagte behauptet weiter, sein Sohn, der Zeuge Q2, habe zur Tatzeit seinen eigenen Computer sowie einen weiteren Laptop über den Internetanschluss des Beklagten genutzt. Diesen habe er zu Kommunikationszwecken, zum Online-Shopping, sowie zur Nutzung von Büro-Anwendungsprogrammen verwendet. Auch der Zeuge Q2 habe nach dem Vorwurf keine Tauschbörsen-Software bzw. streitgegenständliche Musikalbum auf seinen Endgeräten entdecken können. Die Computerkenntnisse des Zeugen Q2 hätten zum Zeitpunkt der angeblichen Rechtsverletzung zur Installation und Deinstallation von Computerprogrammen gereicht. Der Zeuge Q2 kenne sich deutlich besser mit Computern aus als der Beklagte. Dem Beklagten sei bekannt, dass sich der Zeuge Q2 sehr für Musik interessiere und sich früh eine Sammlung physikalischer Tonträger zugelegt habe.
17Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17.06.2021 (Bl. 216 ff. d. GA.) durch Vernehmung der Zeugin Q und des Zeugen Q2. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2022 (Bl. 250 ff. d. GA.) verwiesen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
19II. Entscheidungsgründe
20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
21Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG oder auf Ersatz von Abmahnkosten gem. § 97a Abs. 3 UrhG. Der Beklagte haftet weder als Täter oder Teilnehmer noch als Störer für die behauptete Rechtsverletzung, denn es steht nicht fest, dass der Beklagte die behauptete Rechtsverletzung begangen hat.
22Insoweit konnte letztlich dahinstehen, ob die Klägerin hinsichtlich der hier geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert ist. Denn jedenfalls fehlt es vorliegend an einer Passivlegitimation des Beklagten.
23Nach § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG ist derjenige, der ein Urheberrecht, oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht, widerrechtlich verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des aus der Verletzung entstehenden Schadens verpflichtet. Die Geltendmachung des Anspruchs gem. § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG setzt voraus, dass feststeht, dass die Urheberrechtsverletzung vom Beklagten begangen wurde.
24Soweit der Beklagte pauschal bestreitet, das streitgegenständliche Musikalbum sei nicht über eine seinem Internetanschluss zugeordnete IP-Adresse zum Download angeboten worden, da die IP-Adresse und/oder das Ermittlungsergebnis fehlerhaft seien, ist dies unbeachtlich. Die Klägerin hat detailliert unter Beweisangebot zu den Ermittlungen „E-GmbH“ vorgetragen. Substantiierte Anhaltspunkte, die etwa für eine Fehlzuordnung oder fehlerhafte Ermittlungen sprächen, zeigt der Beklagte nicht auf.
25Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 – Morpheus; BGH, GRUR 2014, 657 – BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 – Tauschbörse III; BGH, GRUR 2016, 1280 – Everytime we touch). Nach der Rechtsprechung des BGH besteht zwar die tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber des Internetanschlusses die Tat begangen hat, wenn er der alleinige Anschlussnutzer ist (BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 – Tauschbörse III; BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 14 – Afterlife; BGH, GRUR 2017, 1233 Rn. 14 – Loud). Überwiegend wird eine tatsächliche Vermutung aber dann nicht angenommen, bzw. eine solche „erschüttert“, wenn der Anschluss zum konkreten Verletzungzeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH, GRUR 2016, 1280, Rn. 33 – Everytime we touch; BGH, GRUR 2013, 511, Rn. 34 – Morpheus).
26In diesem Fall trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Einzelheiten der Nutzung seines Internetanschlusses (GRUR 2010, 633, Rn. 12 - Sommer unseres Lebens; GRUR 2017, 386 Rn. 15 – Afterlife.; BGH GRUR 2014, 657 – BearShare; MMR 2017, 101 (103) Rn. 28 – Silver Linings Playbook). Der Anschlussinhaber genügt dieser Darlegungslast indem er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Der Beklagte muss konkrete Anhaltspunkte vortragen, die ernsthaft darauf schließen lassen, dass allein ein Dritter für die Rechtsverletzung verantwortlich sein kann (BGH, GRUR 2016, 191 – Tauschbörse III). Eine mögliche Rechtsverletzung durch einen anderen Nutzer muss im Hinblick auf das Nutzerverhalten, die Kenntnisse und Fähigkeiten sowie den zeitlichen Zusammenhang plausibel erscheinen (BGH, GRUR 2016 – Everytime we touch; BGH, GRUR 2017, 1233 - Loud). Der Umfang der sekundären Darlegungslast hat sich daher auf diejenigen Informationen zu beschränken, die in der Sphäre des Anschlussinhabers zugänglich sind und zumutbar vorgetragen werden können. Der in häuslicher Gemeinschaft lebende, in Anspruch genommenen Beklagte, muss daher Umstände vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit der Nutzung seines Internetanschlusses durch Dritte ergibt, und in diesem Zusammenhang auch das Ergebnis von ihm durchgeführter Befragungen mitzuteilen (vgl. BGH, ZUM 2016, 173 – Tauschbörse I; BGH GRUR 2016, 191 Rn. 37 – Tauschbörse III). Es kann vom Anschlussinhaber jedoch nicht die Untersuchung des Computers seiner Familienmitglieder im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software verlangt werden (BGH GRUR 2017, 386 Rn. 26 – Afterlife; BGH NJW 2018, 68 Rn. 18 – Ego-Shooter). Im Rahmen des Vortrags zu Umständen, die seine eigene Internetnutzung betreffen, kann der Anschlussinhaber aber zu der Angabe verpflichtet sein, ob auf dem von ihm genutzten Computer Filesharing-Software vorhanden war (BGH GRUR 2017, 386 Rn. 27 – Afterlife).
27Diese Darlegungslast führt aber weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.
28Der Beklagte hat hier dargelegt, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen und auch nach der Abmahnung auf seinem Computer weder eine Tauschbörsen-Software noch das streitgegenständliche Musikalbum entdecken können. Zur Tatzeit hätten seine Ehefrau, die Zeugin Q, sowie sein schon damals volljähriger Sohn, der Zeuge Q2, mit dem Beklagten in einem Haushalt gelebt und unbegrenzten und unbeaufsichtigten Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt. Nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte deshalb die Zeugen Q zu dem Vorfall befragt. Diese hätten ihm gegenüber angegeben, das streitgegenständliche Album nicht heruntergeladen zu haben, das streitgegenständliche Musikalbum nicht zu kennen und zu keinem Zeitpunkt eine Tauschbörsen-Software auf einem Rechner im Haushalt des Beklagten heruntergeladen, verwendet oder nach dem Vorfall auf einem Rechner entdeckt zu haben. Die Ehefrau des Beklagten, die Zeugin Q, habe den vom Beklagten genutzten Computer im selben Umfang bzw. zu denselben Zwecken wie der Beklagte verwendet. Der Beklagte hat auch dargelegt, dass sein Sohn, der Zeuge Q2, zur Tatzeit seinen eigenen Computer sowie einen weiteren Laptop über den Internetanschluss des Beklagten genutzt habe. Diesen habe der Zeuge zu Kommunikationszwecken, zum Online-Shopping, sowie zur Nutzung von Büro-Anwendungsprogrammen (Word, Excel etc.) verwendet. Die Computerkenntnisse des Zeugen Q2 hätten zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung zur Installation und Deinstallation von Computerprogrammen gereicht, denn der Zeuge Q2 kenne sich besser mit Computern aus als der Beklagte und dessen Ehefrau. Dem Beklagten sei bekannt, dass sich der Zeuge Q3 sehr für Musik interessiere und sich früh eine Sammlung physikalischer Tonträger zugelegt habe.
29Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beklagte damit der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nachgekommen, denn er hat vorliegend nicht nur die theoretische Möglichkeit der Nutzung durch seine Familienmitglieder vorgetragen, sondern dezidiert zu den Interessen, Kenntnissen und Fähigkeiten der Familienmitglieder, die unbeaufsichtigten Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten hatte, vorgetragen.
30Damit oblag der Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast für die Täterschaft des Beklagten.
31Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Dabei setzt die Überzeugung von der Wahrheit einer beweisbedürftigen Tatsache keine absolute oder unumstößliche Gewissheit voraus, da eine solche nicht zu erreichen ist. Es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, NJW-RR 1994, 567, 568; BGH, GRUR 2016, 1280, 1281 Rn. 23 – Everytime we touch). Der Tatrichter ist grundsätzlich darin frei, welche Beweiskraft er Indizien, aus denen Rückschlüsse auf den unmittelbaren Beweistatbestand gezogen werden können, im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst, solange er alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.
32Die Klägerin konnte das angerufene Gericht nicht nach den Anforderungen gem. §286 ZPO überzeugen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Beklagte für die streitgegenständliche Rechtsverletzung verantwortlich war.
33Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme vermochte das Gericht zunächst zu der Überzeugung gelangen, dass die streitige Behauptung, der Beklagte habe zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung mit seiner Frau und seinem Sohn in einem Haushalt gelebt und beide Zeugen hätten zum Verletzungszeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten, als bewiesen anzusehen ist. Sowohl die Zeugin Q als auch der Zeuge Q2 haben übereinstimmend und überzeugend bekundet, dass sie zum Tatzeitpunkt mit dem Beklagten in einer häuslichen Gemeinschaft lebten und den Internetanschluss des Beklagten regelmäßig und unbeaufsichtigt nutzten. Beide Zeugen haben ihre Nutzung insoweit detailreich und nachvollziehbar geschildert.
34Die Zeugin Q hat insoweit glaubhaft geschildert, dass sie den Anschluss des Beklagten generell wenig genutzt habe, wenn aber dann vor allem zum „Googlen“, vor allem von Kochrezepten. Der Zeuge Q2 hat glaubhaft geschildert den Internetanschluss des Beklagten im Rahmen einer „normalen“ Nutzung verwendet zu haben, also vor allem zum Versenden von Mails und zum „Googlen“. Diese Aussagen sind ersichtlich erinnerungsbasiert und nachvollziehbar.
35Da somit entgegen der Auffassung der Klägerin bewiesen ist, dass zur Zeit der behaupteten Rechtsverletzung auch die Zeugen Q den auf diesen registrierten Internetanschluss selbstständig zugreifen konnten, liegt keine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten vor. Es oblag somit der Klägerin der Nachweis der Täterschaft des Beklagten (BGH ZUM 2013, 493 Rn. 34, 35 – Morpheus; BGH ZUM 2014, 707 Rn. 19, 20 – BearShare). Dieser ist der Klägerin nicht gelungen.
36Aus der Aussage der Zeugin Q lassen sich keine Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass der Beklagte, oder die Zeugin Q selbst, ernsthaft als Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, dass sie nicht wisse, was eine Tauschbörse sei, zum relevanten Zeitpunkt keine Musik über das Internet gehört bzw. heruntergeladen habe und sich mit Computern nur „etwas“ auskenne. Sie höre die Musik der Interpreten des streitgegenständlichen Albums nicht und kenne das streitgegenständliche Album auch nicht. Auf den Vorhalt, dass es sich bei der Musik um Rapmusik handele, konnte die Beklagte, die Balladen à la Amy McDonald oder James Blunt hört, nur „Oh Gott“ erwidern. Der Beklagte, höre eine solche Musik „schon gar nicht“.
37Die Aussage der Zeugin Q ist glaubhaft. Sie hat plausibel unter Bezugnahme auf ihren eigenen Musikgeschmack und ihre Internetnutzung vorgetragen, warum sie nicht als Täterin der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt. Das Gericht vermag keine Anhaltspunkte zu erkennen, die dieser Einschätzung entgegenstehen. Auch hat sie glaubhaft bekundet, warum sie nicht davon ausgehe, dass der Beklagte die Urheberrechtsverletzung begangen habe. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Zeugin Q die Urheberrechtverletzung selbst nicht begangen hat.
38Der Sohn des Beklagten, der Zeuge Q2, hat sich dahingehend eingelassen, dass er den Interpreten des streitgegenständlichen Musikalbums kenne, dies aber nicht seine Musikrichtung sei. Der Begriff Tauschbörse sage ihm etwas, er verbinde damit z.B. den Begriff „Napstar“. Er sei aber auch jemand, der für CDs eigentlich immer Geld ausgegeben habe. Er hätte sich damals zugetraut, eine Tauschbörse zu nutzen, aber auch nur nach Anleitung, er wisse nicht, wie kompliziert das sei. Jedenfalls sei sich der Zeuge keiner Schuld bewusst. Er glaube auch nicht, dass seine Eltern „so etwas“ (die streitgegenständliche Verletzungshandlung) gemacht hätten.
39Die Aussage des Zeugen, er glaube nicht, dass seine Eltern eine Tauschbörse verwendet hätten, erscheint nachvollziehbar und glaubhaft. Die erheblichen Zweifel an einer Täterschaft haben hier eine tatsächliche Grundlage in dem von dem Zeugen selbst vorgetragenen, und von der Zeugin Q und dem informatorisch angehörten Beklagten bestätigten Bild, dass sich das Internetnutzungsverhalten des Beklagten und dessen Ehefrau auf Grundlagen beschränkte. Das Herunterladen und Verwenden einer Tauschbörsensoftware bzw. eines Albums aus einer solchen Börse scheint weder im Hinblick auf die Fähigkeiten noch im Hinblick auf die vorgetragenen Interessen und den Musikgeschmack des Beklagten, bzw. dessen Ehefrau, wahrscheinlich.
40Die Aussagen bezüglich der eigenen Täterschaft des Zeugen Q2 erscheinen dem Gericht jedoch nicht plausibel. Zwar hat der Zeuge Q2, der Sohn des Beklagten, in der mündlichen Verhandlung angegeben, selbst keine Filesharing-Software benutzt zu haben. Das Gericht ist jedoch nicht hinreichend von der Wahrheit dieser Angaben überzeugt. Wenn der Zeuge Q2 tatsächlich Täter der behaupteten Rechtsverletzungen gewesen wäre, hätte dieser dies höchstwahrscheinlich entweder nicht eingeräumt oder er konnte sich aufgrund des mehr als zehn Jahre zurückliegenden Vorfalls tatsächlich nicht an einen solchen Download erinnern. Es ist möglich, dass er die eigene Rechtsverletzung im Hinblick auf eine drohende Inanspruchnahme verleugnet. Insoweit besteht nach Auffassung des Gerichts kein Grund, der Aussage des Sohnes des Beklagten, soweit diese die Begehung der Rechtsverletzung geleugnet hat, mehr Glauben zu schenken als der Aussage des Beklagten, der die Rechtsverletzung seinerseits ebenfalls in Abrede nimmt und dabei für das Gericht nachvollziehbar und glaubhaft auf seine begrenzten Internetkenntnisse und den Umstand verweist, dass er keine Filesharing-Software auf den Rechnern installiert habe. Auch die generellen Kenntnisse des Zeugen in Bezug auf das Internet und der Umstand, dass der Zeuge sich die Nutzung einer Tauschbörse prinzipiell zugetraut habe, sprechen deutlich dafür, dass von allen in Betracht kommenden Nutzern lediglich der Zeuge als potenzieller Täter in Erwägung zu ziehen ist. Daran ändert auch nichts, dass der Zeuge – aus Sicht des Gerichts mehr als verständlich, denn wer braucht schon Limonade, wenn er auch Zigaretten und Alkohol haben kann – angab, eher Bands wie Oasis oder den Boss, Bruce Springsteen, als die Fantastischen Vier zu hören. Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge gerade bei Musik, die ihn primär nicht so sehr interessiert, anstatt zu einem physikalischen Tonträger zu einem Download greift.
41Der Beklagte wurde informatorisch angehört. Die Ausführungen des Beklagten im Rahmen der informatorischen Anhörung gemäß § 141 ZPO sind als Streit und nicht als Beweisstoff zu werten. Das Gericht ist nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 I 1 ZPO aber gehalten, im Rahmen der Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme bei der Bildung seiner Überzeugung auch die Parteierklärung, auch wenn sie außerhalb einer förmlichen Parteivernehmung erfolgt, zu berücksichtigen.
42Der informatorisch angehörte Beklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er grundsätzlich schon Computerkenntnisse habe und sich auch im Internet bewege, aber sich nicht vorstellen könne, „so etwas“ (in Bezug auf eine Tauschbörsen-Software) herunterzuladen zu können. Er habe immer CDs gekauft, Streaming würde er nicht „machen“. Zwar kenne er die Interpreten des streitgegenständlichen Musikalbums, allerdings sei ihm das Album selbst unbekannt. Er höre Klassik und Pop. Zudem hat er bekundet, dass er Tauschbörsen nicht kenne, mit diesen auch nie etwas zu tun gehabt hätte und dies auch gar nicht wolle.
43Der angehörte Beklagte bemühte sich ersichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass er betonte, möglicherweise Erinnerungslücken hinsichtlich des mehrere Jahre zurückliegenden Geschehens zu haben. Dem Gericht erscheinen die Aussagen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung sowie seine vehementen Bekundung, Tauschbörsen nicht zu kennen und mit diesen auch nichts zu tun zu haben bzw. haben zu wollen und noch nie etwas am Computer heruntergeladen zu haben, durchaus nachvollziehbar und glaubhaft.
44Allein das mangelnde Einräumen der Rechtsverletzung durch den hier einzig in ernsthaft Betracht kommenden Täter der streitigen Rechtsverletzung, den Zeugen Q2, lässt einen Rückschluss auf die zwingende Täterschaft des Beklagten als Anschlussinhaber nicht zu, wenn das Gericht gem. § 286 ZPO im Gegenteil davon überzeugt ist, dass eine Täterschaft des Beklagten höchstwahrscheinlich ausscheidet (vgl. LG Braunschweig, U. v. 1. Juli 2015 – 9 S 433/14). Die Vermutung einer Täterschaft lebt hier auch nicht dadurch wieder auf, dass kein Dritter mit Sicherheit als Täter ermittelt werden konnte. Zwar sind solche Fälle, in denen der Beklagte als Anschlussinhaber aufgrund des Ausschlussprinzips möglicher anderer Täter und Zeugen haftet, durchaus denkbar (LG Köln, U. v. 21. Juli 2022 – 14 O 152/19; LG Köln, U. v. 19. Mai 2022 – 14 O 244/20). Allerdings kann eine Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers nicht die in der Beweisaufnahme gewonnenen Überzeugung des Gerichts, dass der Anschlussinhaber als Täter ausscheidet, erschüttern.
45Auch eine Störerhaftung des Beklagten aus § 97 Abs. 1 UrhG besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH müssen erwachsene Familienmitglieder, wie die Zeugen Q, vom Inhaber des Internetanschlusses nicht separat über das Verhalten im Internet belehrt werden (BGH GRUR 2014, 657 – BearShare; OLG Düsseldorf, ZUM 2014, 406). Deshalb scheidet eine Störerhaftung dem Grunde nach aus.
46In Ermangelung eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 3 UrhG oder Zinsanspruch zu.
47Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
48Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
49Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
50Rechtsbehelfsbelehrung:
51Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
521. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
532. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
54Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
55Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
56Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
57Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
58Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
59Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
60Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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