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wird der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf – Insolvenzgericht – vom 27. August 2014 betreffend die Versagung der Restschuldbefreiung aufgehoben.
Das Amt des Treuhänders lebt wieder auf; ebenso die Wirkungen der Abtretungserklärung sowie die Obliegenheiten des Schuldners.
Der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf – Insolvenzgericht – vom 9. Dezember 2013 betreffend die Zurückweisung des Antrags auf Stundung der Verfahrenskosten für das sog. Restschuldbefreiungsverfahren entfaltet keine Wirkung.
G r ü n d e:
2A.
3Nachdem das am 30.08.2011 eröffnete Insolvenzverfahren abschlussreif war, erfolgte nach Durchführung des Schlusstermins die Ankündigung der Restschuldbefreiung und mit Beschluss vom 18.05.2012 die Aufhebung des Verfahrens. Mit selbigem Beschluss wurden dem Schuldner die weiteren Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens betreffend die Restschuldbefreiung gestundet.
4Mit Schreiben vom 15.07.2013 teilte der Treuhänder mit, ihm sei die momentane Einkommenssituation des Schuldners nicht bekannt; einer an ihn gerichteten Aufforderung einen Einkommensnachweis einzureichen, sei er nicht nachgekommen.
5Das Gericht forderte den Schuldner mit Schreiben vom 18.07.2013 auf, gegenüber dem Treuhänder die entsprechenden Angaben zu machen und setzte ihm hierzu eine Frist von zwei Wochen. Zugleich erging der Hinweis, dass die Auskunftserteilung eine Obliegenheit darstelle und ein Verstoß gegen diese Obliegenheit die Restschuldbefreiung gefährden könne, des Weiteren käme in Betracht die Kostenstundung aufzuheben.
6Da der Schuldner auf diese Aufforderung hin nicht reagierte, erließ das Gericht einen Beschluss, dem zufolge der Antrag auf Gewährung der Kostenstundung für das Restschuldbefreiungsverfahren zurückgewiesen wird.
7Dieser Beschluss wurde dem Schuldner ausweislich der Zustellungsurkunde am 13.12.2013 zugestellt.
8Mit Schriftsatz vom 07.07.2014 beantragte der Treuhänder die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 298 Abs. 1 InsO. Er begründete den Antrag damit, nicht über entsprechende Mittel der Masse zur Deckung der Vergütung zu verfügen, des Weiteren sei die Aufforderung an den Schuldner, die Mindestvergütung für das letzte vergangene Jahr der Treuhänderschaft zu zahlen, mit dem Vermerk „Empfänger nicht zu ermitteln“ zurückgekommen.
9Eine an das zuständige Amt für Einwohnerwesen gerichtete Meldeanfrage ergab, dass der Schuldner noch unter der bisher bekannten Anschrift wohnhaft sein sollte.
10Eine zweifach versuchte telefonische Kontaktaufnahme mit dem Schuldner durch das Gericht scheiterte. Mit weiterer Meldeanfrage vom 28.07.2014 bat das Gericht um die Durchführung örtlicher Ermittlungen. Durch die Meldebehörde wurde sodann mitgeteilt der Schuldner sei von Amts wegen abgemeldet.
11Mit Beschluss vom 27.08.2014 versagte das Amtsgericht - Insolvenzgericht – dem Schuldner gemäß § 298 InsO die Restschuldbefreiung. Die Begründung wurde darauf gestützt, dass die Vorschrift des § 298 InsO im Falle des unbekannten Aufenthalts des Schuldners tatbestandlich einzuschränken sei, und zwar dahingehend, dass es der Aufforderung zur Zahlung der Vergütung durch den Treuhänder sowie der Anhörung des Schuldners zum Versagungsantrag nicht mehr bedarf.
12Die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses erfolgte durch Einrückung im Internet am 28.08.2014.
13Mit Schreiben vom 21.07.2015 teilte der Treuhänder mit, es sei inzwischen eine Zahlung des Schuldners i.H.v. 238 € auf das Anderkonto erfolgt. Der Treuhänder wurde gerichtlicherseits um Mitteilung gebeten, ob ihm eine aktuelle Anschrift des Schuldners bekannt sei. Daraufhin teilte der Treuhänder mit, ihm läge ein Bewilligungsbescheid des Jobcenters aus Dezember 2014 vor, der die bisher bekannte Anschrift des Schuldners ausweise. Er werde jedoch die Adresse beim Sozialdienst x, (welcher seinerzeit den Verbraucherinsolvenzantrag vorbereitet hat,) erfragen.
14Mit bei Gericht am 18.01.2016 eingegangener Schrift vom 13.01.2016 legt der Schuldner gegen die Versagung der Restschuldbefreiung sofortige Beschwerde ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor, er habe die ganze Zeit unter der bisher bekannten Anschrift gewohnt, die Führung im Melderegister als „unbekannt“ sei unrichtig und mittlerweile auch entsprechend korrigiert worden, er trägt weiterhin vor, dass ihn das Aufforderungsschreiben des vormaligen Treuhänders vom 08.06.2015 erreicht habe, woraufhin er die 238 € an den vormaligen Treuhänder gezahlt hat. Kenntnis von der Versagung der Restschuldbefreiung erhielt der Schuldner über die Schuldnerberatungsstelle, der Mitte Dezember 2015 der entsprechende Beschluss auf telefonische Anfrage hin durch das Gericht übermittelt wurde.
15B.
16I.
17Der sofortigen Beschwerde war abzuhelfen und der die Restschuldbefreiung versagende Beschluss aufzuheben.
18Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 27.8. 2014 ist verspätet.
19Die angegangene Entscheidung ist am 28. August 2014 öffentlich bekanntgemacht worden i.S.v. § 9 Abs. 1 InsO. Die öffentliche Bekanntmachung wurde gem. § 9 Abs. 1 S. 3 InsO am 1. September 2014 um 00:00 Uhr wirksam, gem. § 9 Abs. 3 InsO trat damit zu diesem Zeitpunkt die Zustellungswirkung ein. Daher ist die sofortige Beschwerde verspätet eingelegt worden. Gleichwohl ist ihr abzuhelfen, da sie begründet ist.
20II.
21Gem. § 572 Abs. 1 S.1 ZPO hat das Ausgangsgericht, dessen Entscheidung angefochten wird, der begründeten Beschwerde abzuhelfen
22Die Fassung des § 572 Abs. 1 ZPO folgt aus einer Zusammenführung der seinerzeit unbefristeten Beschwerde (mit Abhilfebefugnis) und der sofortigen Beschwerde (grds. ohne Abhilfebefugnis) durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozessreformgesetz - ZPO-RG) vom 27.07.2001.
23Umstritten ist, ob eine Abhilfebefugnis oder sogar Abhilfeverpflichtung bei einem zwar begründeten, aber unzulässigem Rechtsbehelf besteht (vgl. zum Streitstand: MüKO/ZPO – Lipp § 572 Rn. 7 m.w.N.). Zum Teil wird davon ausgegangen, bei der Abhilfeentscheidung habe das Ausgangsgericht keinerlei Zulässigkeitserwägungen anzustellen (so Ball in Musieliak/Voit, ZPO, 13. Auf. § 572 Rdn. 4). Nach anderer Auffassung kommt eine Abhilfe nur insoweit in Betracht, als dass das Ausgangsgericht zu einer Selbstkorrektur berechtigt sei (vgl. MüKO/ZPO – Lipp § 572 Rn.7 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 13. 7. 2006 - IX ZB 117/04 ).
24Nach der erstgenannten Auffassung wäre der begründeten Beschwerde unabhängig von ihrer Verfristung abzuhelfen, nach der letztgenannten Auffassung nicht, da die angefochtene Entscheidung bereits in formeller Rechtskraft erwachsen ist. Der BGH hat in der in Bezug genommen Entscheidung festgestellt, dass Beschlüssen Bindungswirkung i.S.v. § 318 ZPO im Zweifel nur zukommt, wenn formelle Rechtskraft eingetreten ist
25Nach Auffassung des vorliegend zur Entscheidung über die Abhilfe berufenen Gerichts ist einer begründeten Beschwerde dann abzuhelfen, wenn sie zwar verfristet, - und damit unzulässig – ist, jedoch die angefochtene Entscheidung nicht in materieller Rechtskraft erwächst.
26III.
27Eine Versagungsentscheidung nach § 298 InsO weist keine materielle Rechtskraft auf.
28Beschlüsse können der materiellen Rechtskraft fähig sein, „wenn sie einen rechtskraftfähigen Inhalt aufweisen, dh. wenn sich ihr Inhalt nicht lediglich auf das anhängige Verfahren bezieht, sondern „eine Wirkung über den Prozess hinaus entfaltet“ (Musielak in MüKo-ZPO, § 329 Rdn. Rdn 10-12). Dies ist für Beschlüsse, die eine Restschuldbefreiung versagen, grundsätzlich zu bejahen.
29Ob eine Entscheidung der materiellen Rechtskraft fähig ist, hat sich laut BGH an den Zwecksetzungen „ des in den §§ ZPO § 322, ZPO § 325 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens zu messen. Dessen Sinn liegt nach der heute vorherrschenden prozessualen Betrachtungsweise hauptsächlich in der endgültigen Befriedung eines kontradiktorischen Parteienstreits, der über denselben Streitgegenstand nicht wiederholt werden soll“ (vgl. BGH NJW 2004, 1805.
30Mit einer rechtskräftigen Versagung der Restschuldbefreiung ist entschieden, dass der Schuldner die Einrede der Restschuldbefreiung gegenüber den Forderungen der Insolvenzgläubiger in dem betreffenden Verfahren nicht erhält. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bzw. nach vorzeitiger Beendigung der Laufzeit der Abtretungserklärung durch die Versagung können Insolvenzgläubiger wieder in das Vermögen des Schuldners vollstrecken.
31Erfolgt die Versagung nach den in § 287a Abs. 2 InsO genannten Fällen, wäre ein von Amts wegen zu beachtender Grund für die Unzulässigkeit eines neuen Antrags auf Erteilung für die Dauer von 5 bzw. 3 Jahren gegeben.
32Diese Sperrwirkung tritt nicht nur hinsichtlich des die Versagung beantragenden Gläubigers ein, sondern gegenüber allen Insolvenzgläubigern des betreffenden Verfahrens sowie etwaigen Neugläubigern.
33Vor diesem Hintergrund erwachsen die entsprechenden Versagungsentscheidungen in materieller Rechtskraft, da den Zulässigkeitsvorschriften des § 287a InsO ein „Neubefassungsverbot“ – wenn auch in zeitlichen Grenzen – entnommen werden kann. Das „Neubefassungsverbot“ ist nach der „ne bis in idem – Lehre“ – welche sich der BGH in der Entscheidung BGH NJW 2004, 1805 angeschlossen hat, wesentliche Folge materieller Rechtskraft. Das „Neubefassungsverbot“ besteht indes nur bei Identität des Streitgegenstandes. Als Streitgegenstand lässt sich das Restschuldbefreiungsverfahren nur so auffassen, ob der redliche Schuldner einen Anspruch auf Erteilung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzverfahren hat.
34IV.
35Vorstehendes trifft jedoch nicht auf die Versagungsentscheidung nach § 298 InsO zu. Die Versagung nach § 298 InsO findet sich weder in dem Katalog der auf Gläubigerantrag zu berücksichtigenden Versagungsgründe des § 290 InsO a.F. noch im Katalog der Gründe der Unzulässigkeit eines erneuten Antrags auf Restschuldbefreiung des § 287a InsO n.F.).
36Die Vorschrift des § 298 InsO dient einzig der Durchsetzung des Vergütungsanspruchs des Treuhänders i.S.v. § 287 InsO. Sie will vermeiden, dass der Treuhänder seine Tätigkeit unentgeltlich führen muss. Selbst bei einer verspätet i.S.v. § 298 Abs.1 S.1 InsO erfolgten Zahlung entfällt das Rechtschutzbedürfnis des Treuhänders an der Aufrechterhaltung seines Antrags nicht (vgl. LG Göttingen, NZI 2011, 292-293). Dies deshalb nicht, damit er auch während einer sonst weiteren Dauer des sog. Restschuldbefreiungsverfahrens nicht das Risiko unentgeltlicher Tätigkeit eingehen muss.
37Bei der Versagung der Restschuldbefreiung nach § 298 InsO handelt es sich um eine rein innerprozessuale Entscheidung, welche lediglich das Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Treuhänder berührt. Der materielle Gehalt der Entscheidung liegt darin, dass die Sanktion ausgesprochen wird, weil der Treuhänder nicht vergütungslos tätig werden soll bzw. nicht mit dem Risiko vergütungsloser Tätigkeit belastet wird. Ein Neubefassungsverbot des Gerichts zugunsten des Treuhänders ist mit der Entscheidung nicht verbunden.
38Der Umstand, dass die Insolvenzgläubiger wieder vollstrecken können, ist lediglich ein mittelbarer Reflex der Entscheidung, eine materiell-rechtliche Regelungsfolge tritt damit nicht ein.
39Auch der Treuhänder hat keinen Anspruch auf ein Festhalten an der Versagungsentscheidung, sofern sein Rechtschutzbedürfnis nicht berührt wird, da sie ein Neubefassungsverbot nicht enthält.
40Der Versagungsentscheidung kommt daher eine materielle Rechtskraft nicht zu, weshalb einer begründeten Beschwerde auch bei Verfristung abzuhelfen ist.
41V.
42Die sofortige Beschwerde ist begründet.
43Die Voraussetzungen der Versagung der Restschuldbefreiung haben nicht vorgelegen. Der Schuldner war, – was zur Überzeugung des Gerichts feststeht , – seit Antragstellung unter rubrizierter Anschrift wohnhaft. Warum Schreiben den Schuldner mal erreichen und mal nicht, liegt für das Gericht auf der Hand. Seit die Postzustellung privatisiert wurde, hat das Gericht einen erheblichen, früher nie dagewesenen vermehrten Arbeitsaufwand. Selbst bei Ortsermittlungen durch die jeweiligen Einwohnermeldeämter laufen Ortsermittler an außerhäusigen Briefkästen vorbei und teilen dem Gericht mit, der betreffende Zustellungsadressat sei nicht vor Ort zu ermitteln. Der Schuldner domiziliert in einer Wohnlage, die einen zuverlässigen Zugang von Postsendungen nicht unbedingt erwarten lassen können.
44Der Schuldner befand sich die gesamte Zeit im Leistungsbezug der ARGE.
45Die Anhörung zum Antrag des Treuhänders nach § 298 InsO ist aufgrund der Annahme einer falschen Tatsache unterblieben, daher haben die Voraussetzungen der tatbestandlichen Einschränkung des § 298 InsO nicht vorgelegen. Dies lag zwar nicht in der Sphäre des Gerichts, da dieses aufgrund amtlicher Auskunft davon ausgehen durfte, der Schuldner sei „abgetaucht“. Auch lag dies nicht in der Sphäre des Schuldners, da er nicht „abgetaucht“ war und auch nicht den entsprechenden Eindruck hat vertreten müssen.
46Wegen der Ermangelung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 298 InsO – genauer dem Vorliegen der tatbestandlichen Einschränkung – greift der Rechtsbehelf zur Abhilfe durch.
47VI.
48Hinsichtlich des Beschlusses betreffend die Zurückweisung der Kostenstundung war festzustellen, dass dieser keine Wirkung entfaltet. Die Kostenstundung war bereits gewährt, mithin war über den Antrag bereits entschieden. Damit konnte er nicht mehr der Zurückweisung unterliegen. Auch haben die Voraussetzungen eine Aufhebung der Kostenstundung nach Überzeugung des Gerichts nicht vorgelegen; der Schuldner befand sich die gesamte Zeit in einer wirtschaftlichen Situation, die die Aufrechterhaltung der Kostenstundung rechtfertigen. Die vermeintliche Untätigkeit des Schuldners ist diesem nicht zuzurechnen.
49Über den Wiedereinsetzungsantrag und über die Frage der Verfristung des Wiedereinsetzungsantrags nach § 233 Abs. 3 ZPO ist vorliegend nicht zu befinden, da der Beschwerde abzuhelfen war.
50Rechtsbehelfsbelehrung:
51Dieser Beschluss kann mit der Erinnerung angefochten werden. Die Erinnerung ist bei dem Amtsgericht, welches die Entscheidung erlassen hat - vorliegend dem Amtsgericht Düsseldorf -, einzulegen. Die Erinnerung ist innerhalb einer Frist von 2 Wochen schriftlich einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Tag der Zustellung der Entscheidung; ist die Entscheidung verkündet worden, beginnt die Frist mit dem Tag der Verkündung.