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wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen
hat das Amtsgericht Düsseldorf
aufgrund der Hauptverhandlungen vom 7.9., 28.9., 05.10. und 26.10.2009,
an denen teilgenommen haben:
Richter am Amtsgericht X
als Vorsitzender
XXX
XXX
als Schöffen
Staatsanwalt Dr. X
als Vertreter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt XXX aus X
als Verteidiger des Angeklagten F
Rechtsanwalt XXX aus X
als Verteidiger der Angeklagten G
JHS XXX (07.09. und 28.09.2009)
Justizbeschäftigter XXX (05.10.09)
Justizbeschäftigter XXX (26.10.09)
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Die Angeklagte G wird wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahme zu einer Geldstrafe von
50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro
verurteilt.
Das Handy Sony Ericsson XXX der Angeklagten wird eingezogen.
Der Angeklagte F wird wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird,
verurteilt.
Dem Angeklagten F wird für die Dauer von 2 Jahren verboten, als Kranken- oder Altenpfleger tätig zu werden.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens und ihre eigenen Auslagen.
Angewandte Vorschriften:
bzgl. G: §§ 201 a I, II, IV, 52, 74 a StGB,
bzgl. F: §§ 225 I Nr. 1, 53 StGB.
Gründe
2I.
3Der Angeklagte ist kaufmännischer Angestellter und verdient ca 1600 € im Monat. Er hat drei Kinder, eine Tochter aus erster Ehe und zwei Kinder aus der jetzigen Ehe im Alter von 4 und 6 Jahren.
4Die Angeklagte G ist zurzeit arbeitslos und bezieht ALG II. Sie ist Mutter von 2 Kindern im Alter von 9 Monaten und 7 Jahren.
5Beide Angeklagte sind nicht vorbestraft.
6II.
7Der Angeklagte F war beim Seniorenzentrum X beschäftig und als Mitglied des Betriebsrats zunächst freigestellt. Im Tatzeitraum war er stellvertretender Pflegedienstleiter auf der Station 3/ 3 a. Die Angeklagte G war zu dieser Zeit als Pflegehelferin auf der Abteilung tätig.
81. Am 29. 10. 2006 griff der Angeschuldigte F ohne therapeutischen Zweck an die linke Wange der an Gesichtskrebs erkrankten Bewohnerin W. Dabei drückte er mit dem Finger gezielt und mit festem Druck mehrfach in die Gesichtswunde der Patientin, so dass diese vor Schmerzen laut aufschrie. Die Angeklagte G filmte das Geschehen im Zimmer der Geschädigten mit ihrer Handykamera und gab das Video später auch an andere, u.a. den Zeugen U, weiter.
92. Am 19. Januar 2007 hatte sich der 81- jährige Bewohner N wegen seiner Inkontinenz völlig eingekotet. Daraufhin duschte der Angeschuldigte F den Geschädigten mit einem Wasserschlauch ohne Brausekopf kalt ab. Während
10des Abduschens rief der Geschädigte die ganze Zeit aufgeregt, dass es zu kalt sei. Daraufhin äußerte sich der Angeschuldigte sinngemäß:,,..wer sich so einkotet, der hat es nicht besser verdient...".
113. Im März 2007 zog sich die 95- jährigen Bewohnerin Frau R durch einen Sturz mehrere Hämatome zu, weshalb sie nachts nicht mehr ohne Aufsicht aufstehen sollte. Die Patientin widersetzte sich der Anweisung mehrfach, so dass der Hausarzt eine dreitägige Fixierung mittels Bauchgurt zum eigenen Schutz anwies. Um den Fixiergurt ohne fremde Hilfe zwischen Matratze und Rahmen durchzuziehen, drehte der Angeschuldigte F die ganze Matratze mitsamt der Geschädigten gegen die Wand, so dass diese schreiend um Hilfe rief.
12Nachdem die Vorfälle im Pflegezentrum bekannt geworden waren, wurden die Angeklagten entlassen.
13Hinsichtlich der weiteren Taten der Anklage, soweit sie zugelassen worden ist, ist das Verfahren gern § 154 II StPO vorläufig eingestellt worden.
14III.
15Diese Feststellungen beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, und den Aussagen der vernommenen Zeugen, den in Augenschein genommenen Lichtbildern und Videos, auf die wegen der Einzelheiten gern § 267 I Satz 3 StPO Bezug genommen wird, den laut Protokoll verlesenen Urkunden, dem Gutachten des Sachverständigen H und den aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung herrührenden Umständen.
16Die Angeklagte G hat sich dahingehend eingelassen, dass die Arbeit auf der Station wegen des Personalmangels sehr stressig gewesen sei, sie hätte auf 2 Stationen arbeiten müssen und teilweise 36 Menschen pflegen und versorgen müssen.
17Mit dem Mitangeklagten F sei sie sehr gut zurechtgekommen, es habe keine Probleme gegeben. Dass er andere misshandelt habe, habe sie nicht gesehen.
18Der Zeuge U sei als letzte erzieherische Maßnahme auf die Station strafversetzt worden, er habe sehr langsam gearbeitet, man habe immer hinter ihm herräumen müssen und er sei auch ständig krank gewesen.
19Zum Vorwurf der Misshandlung der Geschädigten W hat die Angeklagte G sich dahingehend eingelassen, sie könne sich nicht genau erinnern. Sie hätte, als sie das Handy neu bekommen hätte, auf der Station Videos von den Bewohnern gedreht. Ziel sei es nicht gewesen, die Leute zu demütigen, sie und auch die anderen Mitglieder des Pflegepersonals hätten die gedrehten Videos als lustig angesehen. Im Nachhinein könne sie ihr Verhalten auch nicht mehr erklären.
20Sie habe auch die Geschädigte W gefilmt. Die Geschädigte sei demenzkrank gewesen und hätte schon bei geringsten Anlässen geschrien. Dies sei schon passiert, wenn man ins Zimmer gekommen sei und ihr die Decke weggezogen habe. Sie hätten damals ein bisschen Spaß gemacht, sonst sei nichts gewesen. Warum sie dies gefilmt habe, wisse sie nicht mehr.
21Der Angeklagte F hat sich zunächst nicht zur Sache eingelassen und erst am letzten Verhandlungstag Angaben gemacht.
22Hinsichtlich der Geschädigten W hat er angegeben, er könne sich nicht konkret an den Vorfall erinnern, er gehe davon aus, dass er die Grundpflege gemacht habe. Er habe ihr niemals direkt in die Wunde gegriffen, sie sei bei ihm aber unruhig gewesen. Sie habe aber auch häufig grundlos geschrien.
23Hinsichtlich des Geschädigten N seien die Angaben des Zeugen U völlig gelogen, er habe ihn beim Duschen niemals einer inadäquaten Temperatur ausgesetzt. Er wisse, wie man die Temperatur einstelle, er habe sie am Handinnengelenk überprüft. Allerdings würden Temperaturen von jedem unterschiedlich empfunden. Im Übrigen habe der Zeuge U auch nicht die Temperatur vom Thermostaten ablesen können.
24Hinsichtlich der Geschädigten R hat der Angeklagte angegeben, sie habe damals nur 40 kg gewogen. Man habe sie beim Bettenmachen eben in einen Sessel gesetzt und anschließend wieder zu Bett gebracht. Die Angaben des Zeugen seien gelogen, der von ihm geschilderte Ablauf sei gar nicht möglich.
25Er habe den Eindruck, dass der Zeuge ihn für seine Intrigen ausgesucht habe. Die Leistungen des Zeugen seien im Laufe der Zeit immer schwächer geworden. Er habe damals als stellvertretender Wohnbereichsleiter gewisse Arbeitgeberfunktionen auch gegenüber dem Zeugen ausüben müssen. Der Zeuge wolle ihm durch seine jetzigen Angaben nur schaden.
26IV.
271.
28Hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Geschädigten W werden die Angeklagten durch die in Augenschein genommenen Handyvideos überführt. Die am 29.10.2006 aufgenommenen Videos "Dahin, dahin, dahin" und "Hot Button" zeigen eindeutig, dass der Angeklagte F mit seiner rechten Hand schnell, sehr ruppig und zielgerichtet der Geschädigten an ihre linke Wange greift, die daraufhin vor Schmerz aufschreit und sich wegdreht.
29Soweit der Angeklagte darauf verweist, er habe möglicherweise die Grundpflege vornehmen wollen, ist festzustellen, dass diese Einlassung nicht mit den Aufnahmen übereinstimmt. Er hat weder einen Waschlappen o.a. zur Reinigung in der Hand noch hat er Creme/Salbe an den Fingern, um sie ggf. einzucremen. Die Art und Weise seiner Bewegungen zeigt auch, dass es nicht um eine pflegerische Handlung ging, sondern lediglich darum, in den Wundbereich zu greifen. In einem kurzen Moment, als sich die Geschädigte nach rechts abwendet, um dem Zugriff zu entgehen, ist auch deutlich zu sehen, dass sich auf der linken Gesichtshälfte, die ansonsten abgewandt ist, eine dunkel verschorfte Wunde befindet. Im Hintergrund des Videos "Dahin, dahin, dahin" ist die Stimme des Angeklagten -wie von ihm nicht in Abrede gestellt und von der Mitangeklagten G und dem Zeugen U eindeutig identifiziert - zu vernehmen, der den Ausruf der Geschädigten "Schwein" höhnisch wiederholt und nachmacht.
30Die von beiden Angeklagten erfolgte Einlassung, die Geschädigte W habe
31grundlos geschrien und sei demenzkrank gewesen, ist ebenfalls widerlegt.
32Ihre Enkelin, die Zeugin R, hat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass
33ihre Großmutter pflegende Maßnahmen auch im Gesicht sehr genossen habe, man
34habe nur ihre Wunde nicht berühren dürfen.
35Genau dies hat der Angeklagte F jedoch in der von den Videos festgehaltenen
36Szene gemacht, so dass nicht von einem anlasslosen, demenzbedingten Schreien
37ausgegangen werden kann. Vielmehr erfolgt das Schreien aufgrund der durch das
38Berühren der Wunde empfundenen Schmerzen.
392.
40Hinsichtlich der Tat zum Nachteil des Geschädigten N ist der Angeklagte F durch die entsprechende Aussage des Zeugen U überführt.
41Zwischen dem Angeklagten und dem ihm damals untergebenen Zeugen U mag es zu Spannungen gekommen sein, die letztlich nach der Entlassung des Zeugen dazu geführt haben, dass er zur Polizei gegangen ist und sich offenbart hat.
42Das Gericht ist sich durchaus bewusst, dass bei Aussagen von Personen, die gegenüber Angeklagten Rachegefühle empfinden (können), besondere Vorsicht geboten ist. Hier folgt das Gericht jedoch den Angaben des Zeugen U, da diese detailreich, präzise und in sich schlüssig sind und der Zeuge auch ein konstantes Aussageverhalten gezeigt hat.
43Der Zeuge hat plausibel dargelegt, dass der Angeklagte zwar gut mit Verwaltungsaufgaben klar kam, Pflegearbeiten jedoch nicht sehr mochte und dies durch seinen ruppigen Umgang mit Bewohnern zum Ausdruck kam.
44Der Geschädigte N sei auf den Rollstuhl angewiesen gewesen und sei urin- und stuhlinkontinent gewesen.
45Im Januar habe er sich wieder eingekotet, als der Angeklagte daraufhin gesagt habe: "Ich dusch den jetzt!" und in dessen Zimmer gegangen sei. Während er selbst sich um
46das Bett gekümmert habe, sei der Angeklagte mit Herrn N ins Bad auf dem
47Flur gefahren. Als er vom Flur neue Wäsche geholt habe, habe er die panischen
48Schreie des Geschädigten gehört. Er sei ins Bad gegangen und habe gesehen, wie
49der Angeklagte den Geschädigten - bei abgeschraubtem Duschkopf - mit einem
50Schwall abduschte, während der Geschädigte immer wieder rief. "Kalt, kalt!"
51Auf seine Frage, was das solle, habe der Angeklagte sinngemäß geäußert: "Wer sich
52so einkotet, der hat es nicht besser verdient!"
53Der Angeklagte habe ihn dann weggeschickt, er solle sich um das Bett kümmern.
54Soweit der Angeklagte darauf verweist, dass der Zeuge von der Tür aus gar nicht die Temperatur vom Thermostaten habe ablesen können, weil ein Duschvorhang insoweit die Sicht versperrt habe ("Der Duschvorhang - so der Angeklagte - sollte den Bewohnern einen Rest von Intimität gewährleisten."), ist festzustellen, dass sich in der Hauptverhandlung nicht klären ließ, ob der Duschvorhang tatsächlich vorgezogen war und somit den Blick auf die Armatur versperrt hat. Es mag auch durchaus sein, dass die Erinnerung des Zeugen in diesem Punkt nicht zutreffend ist, dass er meint, die Temperatur vom Thermostaten abgelesen zu haben, tatsächlich dies jedoch aus den entsprechenden Schreien des Geschädigten ("kalt, kalt") nur geschlussfolgert hat.
55Derartige Verschiebungen in der Erinnerung sind durchaus häufig zu beobachten, begründen jedoch nicht den Verdacht, dass ein Zeuge falsch aussagt. Hier handelt es sich um einen Randbereich (Sichtbarkeit der Einstellung des Thermostaten), der für das Kerngeschehen irrelevant ist.
56Im Kernbereich hat der Zeuge konstant und präzise ausgesagt. Er hatte sogar noch Einzelheiten (wörtliche Rede des Geschädigten) in seiner Erinnerung. Auch das Detail des abgeschraubten Duschkopfs konnte er ebenso noch erinnern wie die Tatsache, dass er das Bettzeug gewechselt hatte.
57Ein vom Zeugen geschildertes Abschrauben des Duschkopfes war - entgegen der Behauptung des Angeklagten - auch problemlos möglich, wie der Zeuge B, der für die Instandhaltung verantwortlich war, bestätigt hat. Wie aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern ersichtlich ist, genügt es, die Dusche in der entsprechenden Aufnahme der Duschstange einzusetzen und somit als Hebel zu benutzen, um den Plastikduschkopf abschrauben zu können.
58Dass der Zeuge U sich ein derartiges Detail des Geschehensablaufs ausgedacht
59hat, um den Angeklagten zu belasten, kann nicht angenommen werden. Dies spricht
60vielmehr dafür, dass seine Angaben der Wahrheit entsprechen.
61Die "Reinigung" des Geschädigten findet auch ihre Dokumentation in der Kranken-/Pflegeakte des Geschädigten, wonach am 19.1.2007 der Angeklagte notiert hatte:
62"Herr N war gegen Ende des SD vollkommen eingekotet und musste geduscht
63werden. Sein Bett wurde komplett neu bezogen."
64Das Verhalten gegenüber dem Bewohner N war - wie bereits die Tat zum
65Nachteil W zeigt - für den Angeklagten auch nicht persönlichkeitsfremd.
66Dass die Zeugin R angegeben hat, dass sie aus Erzählungen der ältesten
67Tochter des Angeklagten, die sie vor Jahren einmal beschäftigt hatte, wisse, dass
68der Angeklagte auch gegenüber seinen Kindern Abduschen mit kaltem Wasser als
69Bestrafungsaktion eingesetzt habe, war, da die Zeugin keine näheren Einzelheiten
70schildern konnte und dies auch nur vom Hörensagen wusste, für das Gericht nicht
71entscheidend.
723.
73Die Feststellungen hinsichtlich der Tat zum Nachteil R beruhen auf den Angaben des Zeugen U. Auch wenn der Angeklagte diese bestritten hat und angegeben hat, die von dem Zeugen beschriebene Vorgehensweise sei nicht möglich gewesen, folgt das Gericht den glaubhaften Angaben des Zeugen. Auch durch die Ausführungen des Sachverständigen H werden dessen Angaben nicht widerlegt.
74Dieser hat ausgeführt, dass es zwar möglich sei, eine Matratze mit Patientin hochzustemmen, anschließend könne man jedoch nicht mehr den Segufix-Gurt ordnungsgemäß befestigen, da das Gewicht von Patientin und Matratze zu sehr nach unten drücken würden. Hierzu müsse man, wenn das Bett an der Wand stehe, das Bett von der Wand abrücken und anschließend von der Seite den Gurt befestigen.
75Diese Ausführungen des Sachverständigen beruhen auf eigenen Versuchen. Darüber hinaus hat er die entsprechenden Befestigungsmöglichkeiten auch in der Hauptverhandlung an einem Krankenbett des Seniorenzentrums X demonstriert.
76Hierbei war allerdings die Einschränkung zu machen, dass dieses Bett nach den Angaben des Zeugen U nicht mit dem damals verwendeten Betttyp übereinstimmte. Ungeachtet dessen konnte sich das Gericht durch Augenscheinseinnahme in der Hauptverhandlung selbst davon überzeugen, dass es auch bei hochgestellter Matratze - wegen deren Flexibilität - möglich wäre, einen Gurt zwischen Matratze und Rahmen zu stecken.
77Auf die Frage der ordnungsgemäßen Befestigung kam es nicht an, da der Zeuge U gerade angegeben hat, er habe lediglich beobachten können, dass der Angeklagte die Matratze mit der Geschädigten R gegen die Wand gepresst habe, so dass diese angefangen habe zu schreien. Als er (der Zeuge) ins Zimmer gekommen sei, habe der Angeklagte - weil er sich ertappt gefühlt habe -die Matratze heruntergelassen und sei wortlos aus dem Zimmer gegangen. Ob und wie der Angeklagte den Gurt habe befestigen wollen, konnte der Zeuge nicht angeben, da es soweit gar nicht gekommen war.
78Auch im Fall R gibt es keine durchgreifenden Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen U sprechen. Der Zeuge hat seine Aussage ruhig, nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit seinen früheren Angaben gemacht. Er hat auch die den Angeklagten entlastenden Punkte (Anordnung der Fixierung durch den Arzt, Abbruch der Tat bei Eintritt des Zeugen ins Zimmer) angegeben. Auch in diesem Fall folgt das Gericht daher seinen glaubhaften Angaben.
79Die Aussagen der übrigen vernommenen Zeugen waren hinsichtlich der Anklagevorwürfe unergiebig. Die weiteren von der Staatsanwaltschaft benannten Zeugen waren entweder verstorben oder nicht aussagefähig.
80V.
81Die Angeklagte G hat sich der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen gern § 201 a StGB schuldig gemacht, indem sie in dem als Wohnung (Schlafzimmer) dienenden Zimmer der Geschädigten W ohne deren Einwilligung Bildaufnahmen mit ihrem Videohandy gedreht und damit hergestellt hat.
82Zwar handelt es sich um 2 Videodateien, die aber in derselben Lebenssituation entstanden sind, so dass es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt hat, also eine Tat handelte.
83Da sie diese Aufnahmen auch an andere weitergegeben hat, hat die Angeklagte sich ebenfalls gern § 201 a II StGB schuldig gemacht. Beide Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit gern § 52 StGB.
84Der gern § 205 StGB erforderliche Strafantrag ist durch die Enkelin der Geschädigten, der Zeugin R, als amtlich bestellter Betreuerin am 17.10.2007 (Bl 211 GA) und damit rechtzeitig innerhalb der Dreimonatsfrist ab Kenntnis gestellt worden, da der Zeugin zuvor keine Akteneinsicht gewährt worden war.
85Soweit die Angeklagte auch der gemeinschaftlichen Misshandlung von Schutzbefohlenen angeklagt war, hat die Hauptverhandlung insoweit keine hinreichenden Belastungsmomente ergeben. Sie hat zwar die durch den Mitangeklagten F durchgeführte Misshandlung gefilmt. Dafür, dass sie hiervon zuvor Kenntnis gehabt hat und entsprechend einem gemeinsamen Tatplan gehandelt hat, haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Auch von einer psychischen Beihilfe durch das Aufnehmen des Videos kann nicht ausgegangen werden.
86Demzufolge konnte die Angeklagte nicht wegen Misshandlung Schutzbefohlener verurteilt werden, ohne dass es insoweit eines gesonderten Freispruchs bedurfte, da insoweit Tateinheit gegeben wäre.
87Zu ihren Gunsten ist nicht nur berücksichtigt worden, dass sie bislang nicht vorbestraft ist, sondern auch von vornherein sich geständnisgleich zur Sache eingelassen hat und auch glaubhaft ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht hat. Ebenfalls ist zu ihren Gunsten berücksichtigt worden, dass die Arbeitssituation auf der Station - nicht nur wegen der dort herrschenden Überlastung - für die Pflegekräfte sehr belastend war, so dass sie sich durch die Videoaufnahmen ein Ventil gesucht haben. Eine Supervision war von der Leitung des Hauses X auch nicht angeboten worden. Videoaufnahmen wurden auf der Station auch durch andere hergestellt, so dass sie innerhalb dieses Kreises als normal betrachtet wurden.
88Unter Berücksichtigung aller strafzumessungsrelevanten Umstände hielt das Gericht daher eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes entspricht den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten.
89Gern § 201 a IV StGB war das von der Angeklagten G zur Tatdurchführung benutzte Handy einzuziehen.
90Der Angeklagte F hat sich der Misshandlung Schutzbefohlener in 3 Fällen schuldig gemacht, indem er bei der Geschädigten W mehrfach, ruckartig in den Wundbereich gegriffen hat, ohne dass dies durch irgendeine pflegerische oder Heilbehandlung begründet gewesen wäre, den Geschädigten N bewusst mit kaltem Wasser schwallartig unter erhöhtem Druck abgeduscht hat und die Geschädigte R mit der Matratze mit Wucht so gegen die Wand drückte, dass diese Schmerzen verspürte.
91Alle Geschädigten waren wegen ihrer altersbedingten Krankheiten und Gebrechlichkeit der Fürsorge und Obhut des Angeklagten unterstellt. Zwar lag kein Quälen im Sinne des § 225 StGB vor, da insoweit ein Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender erheblicher Schmerzen oder Leiden nicht festgestellt werden konnte. (BGHSt 41, 113, 115 ff).
92Allerdings war ein rohes Misshandeln der Geschädigten gegeben, denn in den Taten drückte sich eine gefühllose, fremdes Leiden missachtende Gesinnung aus. (BGH NStZ 2004, 94 f). Der Angeklagte hat den Bewohnern des Pflegeheims - auch wenn die einzelnen Taten nicht von vornherein geplant waren - bewusst und zielgerichtet Schmerzen zugefügt, weil sie ihn .gestört' hatten bzw. weil ihr Verhalten seinen Arbeitseinsatz erforderte, der ihm offensichtlich zu viel war (R, N), und im Fall der Geschädigten W ihr Schmerzen zugefügt, um sich darüber Justig' machen zu können. Hierbei zeigte der Angeklagte, dass er das normalerweise als Hemmung wirkende Gefühl für das Leiden der Misshandelten, das sich bei jedem menschlich und verständig Denkenden eingestellt hätte, verloren hatte.
93Gern § 225 StGB ist ein Strafrahmen, der Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren vorsieht, eröffnet.
94Die Fälle weichen nicht vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle soweit ab, dass kein minderschwerer Fall anzunehmen ist. Innerhalb des anzuwendenden Regelstrafrahmens ist berücksichtigt worden, dass der Angeklagte F bislang nicht vorbestraft ist und auch durch die Taten seinen Arbeitsplatz verloren hat.
95Ebenfalls ist zu seinen Gunsten gewertet worden, dass die Taten zumindest in physischer Hinsicht nicht zu gravierenden, lang anhaltenden Folgen - mögen die Geschädigten auch psychisch unter den Taten gelitten haben - geführt haben.
96Zwar ist ebenfalls zu seinen Gunsten gewertet worden, dass es sich nicht um systematische, geplante Taten gehandelt hat, sondern um spontane, aus der Situation heraus entstandene Taten. Allerdings hätte der Angeklagte, gerade auch weil er als stellvertretender Pflegedienstleiter eine herausgehobene Position innehatte, sich um die Einrichtung einer Supervision und Änderung der Arbeitsbedingungen kümmern müssen.
97Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das Gericht daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von jeweils 1 Jahr für jede Tat für tat- und schuldangemessen.
98Im Hinblick auf den sachlich engen Zusammenhang hat das Gericht hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von
992 Jahren
100gebildet.
101Die Vollstreckung der Strafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da das Gericht davon ausgeht, dass er sich die Verurteilung allein zur Warnung dienen lässt und sich in Zukunft straffrei führen wird.
102Bei der Verhängung des Berufsverbots hat das Gericht berücksichtigt, dass die Anordnung eines Berufsverbotes nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB voraussetzt, dass eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat, die auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen hat, eine Gefährlichkeitsprognose ergibt, nach der bei einem Angeklagten im Falle weiterer Berufsausübung weitere Taten gleicher Art zu erwarten sind (vgl. BGH NStZ 1995, 124; Tröndle, StGB, § 70 Rdn. 7), wobei insbesondere zu prüfen ist, ob nicht bereits die Verurteilung zur Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird (vgl. BGH NStZ 1995, 124; Tröndle Rdn. 14).
103Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte die ihm durch den Beruf gegebene Möglichkeiten bewusst und wiederholt zu Straftaten ausgenutzt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er sich in Zukunft allein durch die verhängte Strafe davon abhalten lässt, erneut einschlägig straffällig zu werden.
104Insoweit ist die Persönlichkeit des Angeklagten dadurch gekennzeichnet, dass ihm die moralischen Hemmungen, das Ausgeliefertsein der Betreuten nicht auszunutzen, völlig fehlen. Seine Gleichgültigkeit und fehlende Empathie gegenüber den Betreuten machen ihn auch zukünftig für derartige Taten anfällig.
105Dem Angeklagten war auch klar, dass es im Bereich der Altenpflege kaum Möglichkeiten zur effektiven Kontrolle und Verhinderung von Misshandlungen der Bewohner gibt. Genau dies hat er ausgenutzt.
106Auch wenn er aktuell nicht im Pflegebereich tätig ist, stünde bei einer Rückkehr in den alten Beruf zu befürchten, dass der Angeklagte erneut einschlägig straffällig werden würde, so dass neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe die Anordnung eines Berufsverbots, das das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände mit 2 Jahren als notwendig, aber auch ausreichend erachtet hat, unumgänglich war.
107Die Kostenentscheidung beruht bei beiden Angeklagten auf § 465 StPO.-