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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 77,14 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 32 % die Klägerin und 68 % die Beklagte.
Das Urteil ist für beide Parteien jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollsteckbar.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Höhe von Konzessionsabgaben aus mehreren Netznutzungsabrechnungen.
3Die Beklagte ist ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Sie unterhält an den Standorten Q1 in A1und Z1 in V1 Abnahmestellen, welche an das Mittelspannungsnetz der Klägerin angeschlossen sind. Die Beklagte erzeugt an den Standorten Nutzenergie in Form von Kälte und leitet diese an ihre dortigen Kunden, die W1 GmbH in A1 (im Folgenden: K1) und die Firma P1 GmbH in V1 (im Folgenden: B1) weiter. Des Weiteren wird in der Kundenanlage der Beklagten der Strom unter Nutzung eines kundeneigenen Transformators in Niederspannung transformiert und an die vorbenannten Firmen weitergeleitet, die diese Energien in Niederspannung entnehmen können. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte Weiterverteiler im Sinne des § 2 Abs. 8 KAV ist. Sie streiten über die Konzessionsabgaben, die auf die Weiterlieferungen an K1 und B1 entfallen.
4Die Beklagte übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2021 ein Wirtschaftsprüfertestat (Anl. K3 zur Klageschrift). Die Klägerin führte mit E-Mail vom 26.11.2021 (Anl. K4 zur Klageschrift) aus, inwieweit sie das Testat und die mit- übersandte Eigenerklärung für unzureichend halte.
5Die Klägerin ist der Auffassung, aus dem Testat ergebe sich kein brauchbarer Nachweis, dass die an K1 und B1 gelieferten Strommengen richtigerweise mit der Sondervertragskunden-Konzessionsabgabe i.H.v. 0,11 Ct/kWh zu belasten seien. Der Nachweis, dass sie die Elektrizität an K1 und B1 zu Konditionen unterhalb des Grenzpreises gemäß § 2 Abs. 4 KAV geliefert habe, werde damit nicht erbracht.
6Insbesondere bestehe das Problem, dass sich der Prüfungsvermerk ausdrücklich nur auf eine Unterschreitung des Grenzpreises nach § 2 Abs. 4 KAV und die in diesem Zusammenhang vom Institut der Deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) erlassenen Prüfungshinweise 9.970.60 (Stand vom 30.10.2018) beziehe. Bei der Aufstellung von Strommengen eines Weiterverteilers zur Abrechnung der Konzessionsabgabe gebe es allerdings einen eigenen Prüfungshinweis des Instituts der Wirtschaftsprüfer IDW PH 9.970.62, der in dem vorgelegten Testat gerade nicht in Bezug genommen werde.
7Die Eigenerklärung der Beklagten vom 27.09.2021 (Anlage K 3) lasse zwar erkennen, dass an den beiden vorgenannten Standorten bestimmte Strommengen in unbekannter Höhe an nicht namentlich genannte Dritte weitergeleitet worden seien, sie Erklärung enthalte aber keine Angaben dazu, wer weitergeleitet habe, wer die Dritten seien, an die weitergeleitet worden sei, und zu welchen Konditionen weitergeleitet worden sei. Ferner könne bei der Erklärung unter Ziffer 3 die Aussage zur Einhaltung des § 2 Abs. 7 KAV (Tarifkundenfiktion) nicht eindeutig jeder Entnahmestelle zugeordnet werden. Auch hier bedürfe es einer Konkretisierung im Testat, auf welche der Abnahmestellen sich die Aussage beziehe.
8Es sei zu bestreiten, dass an den vorgenannten Entnahmestellen die Voraussetzung für eine Konzessionsabgabenfreiheit aufgrund einer Grenzpreisunterschreitung gemäß § 2 Abs. 4 KAV oder auch nur die Voraussetzungen für eine Anwendung der günstigeren Sondervertragskunden-Konzessionsabgabe gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 KAV in Verbindung mit § 2 Abs. 7 KAV in Bezug auf die tatsächlichen Letztverbraucher des gelieferten Stroms an den jeweiligen Entnahmestellen vorlägen. So sei zu bestreiten, dass die Jahresverbräuche oberhalb von 30.000 Kilowattstunden und die Höchstleistungen in mindestens zwei Kalendermonaten oberhalb von 30 Kilowatt gelegen hätten. Die von der Gegenseite zur Stützung ihres diesbezüglichen Vortrags vorgelegten Unterlagen seien auch aus Rechtsgründen ungeeignet.
9Die Klägerin hat zunächst der Berechnung der Klageforderung die Netznutzungsabrechnungen aus dem Zeitraum von Dezember 2020 bis April 2022 abzüglich der darauf erfolgten Zahlungen geltend gemacht (Gesamtbetrag der Rechnungen Abnahmestelle A1 191.659,00 € abzüglich geleisteter 167.912,62 € = 23.746,38 € ; Gesamtbetrag der Rechnungen Abnahmestelle V1 19.427,68 € abzüglich geleisteter 16.760,83 € = 2.666,85 €, im Einzelnen siehe S. 2 ff der Klageschrift und Anl. K1, K2 zur Klageschrift).
10Die Klägerin hat dementsprechend zunächst beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie 26.413,23 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Mit ihrer Klageerweiterung hat die Klägerin sodann drei der vorgenannten Rechnungen in voller Höhe geltend gemacht und die Beträge der weiteren oben genannten Rechnungen nicht mehr beansprucht. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 06.12.2022, Bl. 138 ff dA Bezug genommen. Bei den drei Rechnungen handelt es sich um:
13Die Abrechnung für Netznutzung am Standort A1 (Kunde K1) im Dezember 2020 vom 05.08.2021 (RG-Nr. xxx) über 16.022,96 € (Anlage K 1, Seiten 1-6 = Bl 8 ff dA),
14die Abrechnung für Netznutzung am Standort A1 (Kunde K1) im Dezember 2021 vom 17.08.2022 (RG-Nr. xxx) über 24.087,81 € (Anlage K 1, Seiten 27-33 = 34 ff dA) sowie,
15die Abrechnung für Netznutzung am Standort V1 (Kunde B1) im Dezember 2021 vom 17.08.2022 (RG-Nr. xxx) über 6.898,41 € (Anlagenkonvolut K 2, Seite 1-6 = 51ff dA).
16Die Klägerin hat dementsprechend sodann beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an sie 47.009,18 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.022,96 € seit dem 18.08.2021 und aus weiteren 30.986,22 € seit dem 30.08.2021 zu zahlen.
18Die Beklagte hat zunächst beantragt,
19die Klage insgesamt abzuweisen.
20Die Beklagte hat sodann die Klageforderung in Höhe von 32.094,44 € anerkannt (Netzentgelte, soweit nicht von der Frage der Konzessionsabgaben betroffen).. Daraufhin hat die Kammer am 11.09.2024 im schriftlichen Verfahren ein entsprechendes Anerkenntnis-Teilurteil erlassen (Bl. 341 der Akten).
21Unter Berücksichtigung des Anerkenntnisses-Teilurteils beantragt die Klägerin nunmehr noch,
22die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.914,74 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 16.022,96 € seit dem 18.08.2021 und aus weiteren 30.986,22 € seit dem 30.08.2021 zu zahlen.
23Insoweit beantragt die Beklagte weiterhin,
24die Klage abzuweisen.
25Sie meint, die Klägerin verkenne, dass es in Bezug auf die weitergeleiteten Mengen keines Wirtschaftsprüfertestats bedürfe.
26Auch die von ihr mit Strom versorgten Kunden seien als Sondervertragskunden einzuordnen und als diese gemäß § 2 Abs.3 KAV berechtigt, eine reduzierte Konzessionsabgabe i.H.v. 0,11 ct/kwh zu zahlen. Sie habe auf diese Drittmengen stets den reduzierten Konzessionsabgabenbetrag gezahlt und berufe sich hier nicht auf eine Grenzpreisunterschreitung.
27Die Tarifkundenfiktion des § 2 Abs. 7 KAV greife schon deshalb nicht ein, weil keine Versorgung „aus dem Niederspannungsnetz“ vorliege. Bei dem hier maßgeblichen vorgelagerten Netz handele es sich um das Mittelspannungsnetz, aus dem sie die Leistung beziehe.
28Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 2 Abs. 7 KAV (gemessene Leistung des Kunden überschreitet in mindestens zwei Monaten des Abrechnungsjahres 30 kW und Jahresverbrauch beträgt mehr als 30.000 kWh) seien gegeben.
29Die Werte hierzu behauptet sie wie folgt:
30B1
312020: 140.671 ,70 kWh
322021: 118.762,7 kWh
33K1
342020: 271.844 kWh
352021: 301.331,9 kWh
36Dabei hätten beide Kunden nahezu in jedem Monat eine Leistung oberhalb von 30 kWh gehabt.
37Hierzu beruft sie sich neben dem Wirtschaftsprüfertestat (Anl. K3 zur Klageschrift) auf die Rechnungen über die Stromverbräuche K1 und B1 (Anl. B1 zur Klageerwiderung, Blatt 114 ff dA) und auf die Excel Tabellen der Anl. B2 (Bl. 122 ff dA) sowie die Bestätigungen des Messstellenbetreibers (Anl. B3, Bl. 127 ff dA). Mit Letzteren habe die Beklagte den Nachweis der Widerlegung der Tarifkundenfiktion auf alternative Weise erbracht.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
39Die zulässige Klage ist im erkannten Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
401.
41Die Klage ist im Hinblick auf einen geringen Teilbetrag begründet.
42Der Betrag in Höhe von 77,14 € steht der Klägerin als Netznutzungsentgelt noch zu. Soweit die Beklagte die Klageforderung in Höhe von 32.094,44 € wegen der nicht von der Konzessionsabgaben-Problematik betroffenen Beträge der drei Rechnungen anerkannte, so blieb dieser Betrag um 77,14 € hinter der von der Klägerin zutreffend mit 32.171,58 € errechneten Summe zurück. Die Klägerin hat hierzu mit ihrer Berechnung nachgewiesen, dass dies auf einer fehlenden Berücksichtigung der vorübergehenden Umsatzsteuersenkung von 19 % auf 16 % im zweiten Halbjahr 2020 beruhte. Wegen der Einzelheiten des von der Beklagten nicht mehr angegriffenen Sachvortrages der Klägerin hierzu wird auf deren Schriftsatz vom 22.11.2024, Seite 4f (Bl 388f dA) Bezug genommen.
43Soweit die Beklagte zuvor geltend gemacht hat, die von der Klägerin geltend gemachte Klagesumme sei nicht nachvollziehbar, so geht dies fehl. Soweit die Beklagte erst geltend machte, sie habe die Monatsrechnung für Dezember 2021 für den Standort A1 mit 12.116,24 € bezahlt, so hat die Klägerin hierzu unwidersprochen richtiggestellt, dass jene Rechnung auf die nicht streitgegenständliche Abnahmestelle A1, S1, entfiel. Dass die Beklagte im Übrigen die Klageforderung nachvollziehen konnte, folgt aus der Auseinandersetzung mit den streitgegenständlichen drei Rechnungen bei der Ermittlung des nicht auf die Konzessionsabgaben-Problematik entfallenden und dann anerkannten Betrages.
442.
45Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
46a)
47Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Tarifkunden-Konzessionsabgaben aus den drei (zuletzt) streitgegenständlichen Rechnungen. Denn die Tarifkundenfiktion des § 2 Abs. 7 KAV greift nicht zugunsten der Klägerin ein. Zwar wird in dem hier vorliegenden Weiterverteilersachverhalt von Stromlieferungen „aus dem Niederspannungsnetz“ auszugehen sein (im Folgenden: aa)), es liegen jedoch die Voraussetzungen der Ausnahme des § 2 Abs. 7 S. 1 2. HS vor (bb)).
48aa)
49Die Kammer hält dafür, dass die Voraussetzung der Stromlieferung aus einem „Niederspannungsnetz“ aus § 2 Abs. 7 S. 1 KAV erfüllt ist, weil es in dem hier gegebenen Weiterverteilungssachverhalt auf eine konkrete Betrachtung des Verhältnisses zwischen Weiterverteiler und Letztverbraucher, mithin zwischen der Beklagten und K1 und B1 ankommt. Maßgeblich ist, wie der Letztverbraucher aus dem Netz bzw. der Energieanlage des Weiterverteilers versorgt wird; einer Anwendung des § 2 Abs. 7 S. 1 KAV steht es demgegenüber nicht entgegen, wenn der Weiterverteiler selbst aus dem Mittelspannungsnetz heraus versorgt wird (Deufel/Schumann in Kermel/Geipel, Praxishandbuch der Konzessionsverträge und der Konzessionsabgaben, 2. Auflage 2023, Kapitel 1 E, Rn. 433; Jacob in Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, KAV, Rn. 26; Positionspapier des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zur Weiterverteilung nach § 2 Abs. 8 KAV vom 04.12.2020, dort Seite 5).
50Unzweifelhaft ist dabei zunächst, dass die Tarifkundenfiktion des § 2 Abs. 7 KV auch in den Weiterverteilungssachverhalten heranzuziehen ist. Im Weiteren sprechen die besseren Gründe dafür, wegen des Wortlautes des § 2 Abs. 8 KAV („… in der dies auch ohne seine Einschaltung zulässig wäre“) im Rahmen des § 2 Abs. 7 KAV auf die besonderen Verhältnisse des Letztverbrauchers, mithin auch auf dessen konkrete Anschlusssituation bei dem Weiterverteiler abzustellen (zu der Maßgeblichkeit dieses Verhältnisses in anderem Zusammenhang siehe auch LG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2005, Az. 32 O 139/04 KfH = Beck RS 2011,12992). Mit § 2 Abs. 8 sollte das Konzessionsabgabenaufkommen für die Gemeinden erhalten werden (Kermel, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 48 EnWG, Rn. 29 unter Hinweis auf die amtliche Begründung BT–Drs 15/197, S.9). Der Verfolgung dieses Ziels würde es entgegenwirken, wenn die Fälle, in denen der Weiterverteiler an das Mittelspannungsnetz angeschlossen ist, von vornherein von der Tarifkundenfiktion ausgenommen wären. Dagegen bringt die hier vorgenommene Auslegung die Zwecksetzungen der Abs. 8 und 7 des § 2 KAV in Einklang. Dem Letztverbraucher bleibt dabei auch in den Weiterleitungsfällen die Möglichkeit, die Tarifkundenfiktion zu widerlegen.
51Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Argumente verfangen im Ergebnis nicht.
52Soweit die Beklagte insbesondere auf den Wortlaut des § 2 Abs. 7 S. 1 KAV („Niederspannungsnetz“) abhebt, greift dies zu kurz, da § 2 Abs. 8 S. 1 KAV über die Formulierung „… in der dies auch ohne seine Einschaltung zulässig wäre“ die Möglichkeit eröffnet wird, andere Normen der KAV, welche sich über das Ob oder die Höhe von Konzessionsabgaben verhalten, interessengerecht an den Weiterleitungsfall anzupassen.
53Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Letztverbraucher für den Leitungsbau und die Instandhaltung des Leitungssystems in der Kundenanlage keine öffentlichen Wege und Leistungen beanspruchen, ist ihr zuzugeben, dass insofern kein unmittelbares, aus diesem Sachverhalt fließendes Bedürfnis für eine Entschädigung der Gemeinden besteht. Aber auch dieser Einwand greift letztlich zu kurz. Denn durch § 2 Abs. 8 KAV wird gerade klargestellt, dass die Zahlung auch vereinbart werden darf, wenn Weiterverteiler eingeschaltet sind, die gemeindliche Wege zur Leitungsverlegung nicht mehr in Anspruch nehmen müssen (Theobald/Kühling, Energierecht, Werkstand: 121. EL, Juni 2023, § 2 KV, Rn. 148). Die Möglichkeit der Vereinbarung von Konzessionsabgaben, auch wenn bei der Leistungserbringung durch den Weiterverteiler an den Letztverbraucher keine gemeindlichen Aufwände genutzt werden, war hier vom Gesetzgeber gewollt.
54bb)
55Die Tarifkundenfiktion greift vorliegend aber nicht ein, weil die Voraussetzungen für die Ausnahme („es sei denn, die gemessene Leistung des Kunden überschreitet in mindestens zwei Monaten des Abrechnungsjahres 30 Kilowatt und der Jahresverbrauch beträgt mehr als 30.000 Kilowattstunden“) gegeben sind. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ausnahme vorliegen (im Folgenden: (1)), wobei es nicht darauf ankommt, ob es sich um eine Messung des Netzbetreibers handelt (2). Der Anerkennung des Vorliegens der Ausnahme steht auch nicht die Qualität der vorgelegten Nachweise entgegen (3).
56(1)
57Nach den vorgelegten Unterlagen kann es nicht zweifelhaft sein, dass sowohl während des Abrechnungsjahres 2020 als auch 2021 bei K1 als auch bei B1 der Jahresverbrauch jeweils bei mehr als 30.000 Kilowattstunden lag. Denn die Unterlagen belegen jeweils deutlich über dieser Grenze liegende Werte. Die Enometrik hat die von der Beklagten behaupteten Werte jeweils bestätigt (Anlage B 3 zur Klageerwiderung). Danach sind „geeichte fernausgelesene Viertelstunden-Lastgangzähler für die Reststrom-Untermessung“ zum Einsatz gekommen, welche im Rahmen des Messstellenbetriebes in der Zählerfernauslesung der Enometrik geführt wurden. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Die dort mitgeteilten Werte stehen im Einklang sowohl mit der Eigenerklärung vom 27.09.2021 für das Jahr 2020 (Anl. K3 zur Klageschrift, Seite 5) als auch mit den Werten, die die Beklagte mit der Tabelle (Anl. B 2 zur Klageerwiderung) überreicht hat. Bei alledem ist die Überschreitung von 30.000 Kilowattstunden so deutlich, dass diese selbst bei der Annahme der Möglichkeit gewisser quantitativer Abweichungen – für die aber ohnehin nichts Konkretes ersichtlich ist – noch gegeben wäre.
58Ebenso kann auch festgestellt werden, dass die gemessene Leistung in allen Fällen in mindestens zwei Monaten des Abrechnungsjahres 30 Kilowatt überschritten hat. Dies folgt schon aus der Aufstellung der Beklagten (Anl. B2 zur Klageerwiderung), die hinsichtlich des Verbrauches mit den Angaben in den Erklärungen der Enometrik (Anl. B3 zur Klageerwiderung) korrespondiert. Dass in mindestens zwei Monaten des Abrechnungsjahres 30 Kilowatt gemessene Leistung vorlagen hat die Beklagte zudem in ihrer Eigenerklärung vom 27.09.2021 für das Jahr 2020 bestätigt.
59(2)
60Die den vorstehenden Feststellungen zugrundeliegenden Messungen mussten nicht aus Rechtsgründen durch den Netzbetreiber selbst erfolgen. Allerding ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung streitig, durch wen und zu welchem Zweck die Messung durchgeführt werden muss.
61(a)
62Das OLG Schleswig (Beschluss vom 26.01.2021 – 16 U 125/20 –, juris = BeckRS 2021, 15734 mit krit. Anm. Zuber IR 2021, 156) legt den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 7 Satz 1 KAV eng aus. Es nimmt an, entsprechend der zum Zeitpunkt des Erlasses der Vorschrift bestehenden Übung, dass der integrierte Energieversorger die abzurechnende Leistung selber messe folge, dass nur die vom Energieversorger selbst vorgenommene Messung Grundlage sein könne. Die beliebige Messung des Nutzers oder des Letztverbrauchers sei dagegen konzessionsabgabenrechtlich unbeachtlich.
63(b)
64Demgegenüber vertreten das OLG Braunschweig (Urteil vom 05.10.2023, Az 8 U 43/22 = BeckRS 2023, 47193) und das OLG Celle (Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 17.02.2020 – 13 U 24/19 n.V., zit nach OLG Braunschweig) die Auffassung, dass die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 7 Satz 1 KAV auch dann eingreife, wenn die jeweiligen Leistungswerte nicht „ohnehin“ zur Abrechnung der Energielieferung oder des eigentlichen Nutzungsentgeltes gemessen werden. Der Wortlaut der Verordnung enthalte insoweit keine Einschränkung. Maßgeblich sei hiernach allein, dass die Leistung des Kunden (überhaupt) „gemessen“ wurde.
65(c)
66Zutreffend ist die letztgenannte Auffassung. Der Wortlaut des § 2 Abs. 7 KAV stellt nicht darauf ab, von wem und aus welchem Anlass gemessen wurde. Auch Sinn und Zweck der Regelung des § 2 Abs. 7 KAV gebietet es nicht, nur die Messungen des Netzbetreibers für maßgeblich zu halten.
67Die von dem OLG Schleswig vorgenommene Auslegung würde zudem dazu führen, dass auch die Möglichkeit der Geltendmachung des Ausnahmetatbestandes zur Tarifkundenfiktion in den Weiterleitungsfällen gänzlich ausgeschlossen wäre.
68(3)
69Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Vorlage des Testates eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zum Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen des Ausnahmetatandes des § 2 Abs. 7 S. 1, 2. HS KAV nicht erforderlich. Ein solches Erfordernis lässt sich der KAV nicht entnehmen.
70§ 2 Abs. 7 KAV selbst enthält ein solches Erfordernis nicht. Auch der amtlichen Begründung lässt es sich nicht folgern. In der Begründung zu Absatz 7 heißt es vielmehr (Drs. 358/99, S. 6):
71„Dabei ist die vom Versorgungsunternehmen allgemein angewendete Leistungsmessung entscheidend, typischerweise also die Viertelstundenmessung.“
72Zudem legt das Fehlen eines Verweises auf § 2 Abs. 6 Satz 3 KAV in § 2 Abs. 7 KAV nahe, dass die Vorlage eines Testates eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zum Nachweis der dortigen Voraussetzungen für die Rückausnahme nicht als Möglichkeit aufgezeigt oder gar erforderlich ist.
73Soweit § 2 Abs. 8 S. 2 KAV die entsprechende Geltung von § 2 Abs. 6 S. 3 KAV anordnet, trifft dies nicht die vorliegende Konstellation. Mit diesem Verweis sollte nur klargestellt werden, dass auch der Weiterverteiler die Erleichterungen beim Nachweis niedrigerer Konzessionsabgaben nach § 6 Abs. 6 S. 3 KAV in Anspruch nehmen kann (BR-Drs. 358/99, S. 8).
74Gegen die Notwendigkeit der Vorlage eines Testates eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers spricht zudem das Positionspapier des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zur Weiterverteilung nach § 2 Abs. 8 KAV vom 04.12.2020, dort Seite 7:
75„Nachweis für SVKD: IDW PH 9.970.62 durch den SVKW (transparente Lösung) oder alternativ Vorlage von Nachweisen zur Anschlussebene und von Messdaten
76Der Einschätzung dieses Verbandes, wonach auch die Vorlage von Messdaten in der vorliegenden Konstellation ausreichend ist, kommt eine besondere Bedeutung zu, weil davon auszugehen ist, dass die praktischen Bedürfnisse der Netzbetreiber mitbedacht wurden. Soweit daher die Klägerin auf Ziffer 7 Abs. 9 Satz 3 des von der Bundesnetzagentur festgelegten und für alle Markteilnehmer verbindlichen Netznutzungsvertrages abhebt, welcher lautet,
77„Erhebt der Netznutzer Anspruch auf eine niedrigere Konzessionsabgabe oder eine Befreiung hiervon, weist er dem Netzbetreiber die Berechtigung durch einen Nachweis in nach der KAV geeigneter Form nach.“
78vermag dies nicht zu belegen, dass nur das Testat eines Wirtschaftsprüfers ausreichend wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch die Mitteilung der Messdaten ausreichend ist.
79Soweit die Klägerin Schwierigkeiten bei der Prüfung von individuellen Dokumenten in jedem Einzelfall und die Vereinbarkeit mit dem Gebot der Preisgünstigkeit aus § 1 EnWG betroffen sieht, muss dem nicht zwingend durch die Aufstellung des Testat-Erfordernisses begegnet werden. Denkbar wäre auch, mit den Weiterverteilern eine vereinheitlichte Art der Aufbereitung der für die Ausnahme zur Tarifkundenfiktion maßgeblichen Messdaten zu vereinbaren.
80Soweit die Klägerin noch geltend macht, der Nachweis müsse zumindest bestimmten qualitativen Anforderungen genügen, insbesondere müsse er von einer neutralen Stelle ohne Eigeninteresse an einer Reduktion der Konzessionsangaben bestätigt werden, so dass reine Eigenerklärungen nicht ausreichen könnten, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Auch eine solches Erfordernis lässt sich den hier maßgeblichen Normen nicht entnehmen.
81b)
82Auch ein Anspruch auf Zinsen aus den Beträgen aus den einzelnen Rechnungen, die sich nicht auf die Konzessionsabgaben-Problematik beziehen (10.018,33 € und 17.346,44 € und 4.806,81 €) besteht nicht.
83aa)
84Der Zinsanspruch folgt nicht aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 2 in Verbindung mit § 8 Nr. 12 des Standard-Netznutzungsvertrages der Bundesnetzagentur, welcher unstreitig auch hier Anwendung findet.
85Der Annahme des Verzuges steht bereits entgegen, dass bezüglich der drei Rechnungen jeweils eine erhebliche Zuvielforderung vorliegt. Anderes könnte sich zwar ergeben, wenn die Beklagte sich nach den Umständen des Falles zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung aufgefordert sehen musste (vgl. Grüneberg, 84. Aufl., § 286, Rn. 20). Dies ist aber gerade nicht der Fall. Denn die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Überweisung nur eines Teilbetrages aus der Rechnung wegen der Abrechnung nach GPKE systemseitig zurückgewiesen würde, es sei nicht möglich, eine Rechnung teilweise „abzulehnen“. Die Klägerin bestreitet die insoweit bestehenden „Restriktionen“ der GPKE nicht.
86Wegen der faktischen Unmöglichkeit, Teilzahlungen zu erbringen, fehlt es im Übrigen an einem Verschulden, § 286 Abs. 4 BGB.
87bb)
88Auch ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen, § 291 BGB, besteht nicht. Dem steht schon § 5 Abs. 1 S. 2 KAV entgegen. Danach findet eine Verzinsung von Ansprüchen auf Zahlung von Konzessionsabgaben nur im Fall des Verzuges statt, was die Zuerkennung von Prozesszinsen ersichtlich ausschließt.
89Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91,92 ZPO.
90§ 93 ZPO findet vorliegend keine Anwendung, da die Beklagte den (umgestellten) Klageanspruch nicht sofort anerkannt hat. Das Anerkenntnis erfolgte erst nach dem Termin vom 10.11.2023, in welchem die Beklagte insgesamt Klageabweisung beantragt hatte.
91Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
92Streitwert: 26.413,23 €
93seit dem 06.12.2022 47.009,18 €
94seit dem 11.09.2024 14.914,74 €