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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragstellerin.
Gründe
2I.
3Mit der begehrten einstweiligen Verfügung macht die Antragstellerin die Erfüllung eines aus ihrer Sicht zwischen ihr und dem Antragsgegner geschlossenen Nominierungsvertrags geltend.
4Die Antragstellerin ist eine deutsche Karatekämpferin in der Leistungsklasse bis 55kg, die seit Jahren sehr erfolgreich an nationalen sowie internationalen Karatemeisterschaften teilnimmt. Zu ihren jüngsten Erfolgen zählt die Bronzemedaille in der Gewichtsklasse bis 55kg und die Goldmedaille mit dem Damenteam bei der letztjährigen Europameisterschaft sowie der zweite Platz bei der diesjährigen Deutschen Meisterschaft.
5Der Antragsgegner ist ein Verein mit Sitz in Ort-01 (Nordrhein-Westfalen). Er ist der offizielle Fachverband für Karate in Deutschland. Er wird als einziger Fachverband vom Bundesministerium des Innern gefördert und ist als Mitglied des N1 vom T1 anerkannt.
6Der Organisation des Weltsports geschuldet, ist der Antragsgegner als einziger in Deutschland berechtigt, deutsche Athleten und Athletinnen zu internationalen Wettkämpfen, wie beispielsweise der diesjährigen Europameisterschaft, zu melden. Der Antragsteller hat Kriterien erlassen, um sicherzustellen, dass nur die besten deutschen Athleten und Athletinnen bei der Europameisterschaft starten.
7Für die Startklasse der Antragstellerin hat der Antragsgegner Turniere definiert, auf denen Qualifikationspunkte erkämpft werden können. Nominiert wird nur eine deutsche Athletin pro Klasse. Bei einem Vorsprung von 150 und mehr Punkten erfolgt die Nominierung automatisch. Bei weniger als 150 Punkten Abstand zwischen zwei Athletinnen entscheidet der Bundestrainer.
8Für die Antragstellerin ist Herr D1 der zuständige Bundestrainer und wird als solcher auch jetzt noch auf der Homepage des Antragsgegners geführt.
9Am 23. März 2024 machte der Bundestrainer D1 von seinem Recht Gebrauch und nominierte die Antragstellerin für die Europameisterschaften 2024 in Ort-02. Dies teilte der Bundestrainer der Antragstellerin am gleichen Tag persönlich mit.
10Am 26. März 2024 wurde der Sportdirektor des Antragsgegners, Herr E1, von dieser Entscheidung vom Bundestrainer in Kenntnis gesetzt. Trotz der Kenntnis von der Nominierung erklärte der Sportdirektor E1 ausweislich einer E-Mail vom 4. April 2024, dass er nicht die Antragstellerin, sondern die Athletin H1 für die Europameisterschaften 2024 nominiert habe, die 60 Punkte hinter der Antragstellerin platziert war.
11Ein zwischenzeitlich angestrebtes Verfahren vor dem vereinsinternen Gericht des Antragsgegners verlief erfolglos.
12Die Antragstellerin meint nun mit näherer Begründung, aufgrund des aus ihrer Sicht abgeschlossenen Nominierungsvertrags Anspruch auf die Nominierung für die vom 8. Mai bis zum 12. Mai 2024 stattfindende Karate-Europameisterschaft zu haben.
13Sie beantragt wie folgt:
14Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Antragstellerin unverzüglich - spätestens jedoch bis zum 7. Mai 2024 - als Teilnehmerin zu den Europameisterschaften in Ort-02, Kroatien vom 8. - 12 Mai 2024 zu melden.
15Die Kammer hat vom Prozessvertreter der Antragstellerin telefonisch ergänzend die Information bekommen, dass die Athletin H1 durch den Antragsgegner bereits gegenüber dem Veranstalter der EM gemeldet ist, aus Sicht der Antragstellerin aber diese Meldung jederzeit zurückgenommen werden könne.
16Auf die Anhörung des Antragsgegners wurde aufgrund der getroffenen Entscheidung verzichtet.
17II.
18Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung ist unbegründet; es fehlt hier sowohl am Anordnungsanspruch als auch – angesichts der begehrten Leistungsverfügung – am Anordnungsgrund.
191)
20Ein Anordnungsanspruch auf Nominierung kann hier weder aus dem durch die Antragstellerin behaupteten Nominierungsvertrag noch aus kartellrechtlichen Aspekten hergeleitet werden.
21Zwar ist nach Vortrag der Antragstellerin der Antragsgegner allein zuständig für die Endnominierung von Sportlerinnen und Sportlern für die EM. Auch ist anerkannt, dass durch eine Nominierung eines Sportlers oder einer Sportlerin für die Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf durch den dafür zuständigen Sportverband zwischen diesen und dem nominierenden Verband ein Vertragsverhältnis und demzufolge in der Nominierungsphase ein vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne von § 311 Abs. 2 BGB begründet wird (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 – II ZR 23/14, Rn. 22, juris – Charles Friedek und hierzu auch Heermann, Verbandsautonomie im Sport, 2022, 622). Soweit ein vorvertragliches Schuldverhältnis gegeben ist, kann dies zwar als solches in der Regel keine gegenseitigen Erfüllungs-, sondern nur Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) begründen. Bei einer Monopolstellung des nominierenden Verbands besteht aber ausnahmsweise ein Anspruch des Sportlers auf Nominierung, sofern die Nominierungsvoraussetzungen erfüllt sind (OLG Frankfurt, NJW 2008, 2925; Mäsch, JuS 2012, 352, 353; Niese in Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 248 ff.; Summerer in Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl., II 2 Rn. 184 mwN; Walker, SpuRt 2014, 46, 47 mwN sowie BGH a.a.O.).
22Der BGH hat insoweit ausgeführt, dass ebenso wie ein Monopolverband, der Leistungen und Vorteile vermittele, die nur von Verbandsangehörigen in Anspruch genommen werden können, zur Aufnahme von Bewerbern um die Mitgliedschaft verpflichtet sei, um diesen die Teilhabe an den vom Monopolverband vermittelten Leistungen zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1974 - II ZR 78/72, BGHZ 63, 282, 284 ff.; Urteil vom 10. Dezember 1984 - II ZR 91/84, BGHZ 93, 151, 152 f.), sei ein Monopolverband, der als einziger bestimmte Leistungen unter von ihm selbst aufgestellten Kriterien an Nicht-Verbandsangehörige erbringt, verpflichtet, diese Leistungen jedem zu gewähren, der die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfülle (vgl. Lambertz, Die Nominierung im Sport, 2012, S. 65 f. und zum Ganzen BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 – II ZR 23/14, Rn. 22, juris – Charles Friedek).
23Vorliegend mag sich der Antragsgegner, dem Vortrag der Antragstellerin folgend, vertraglich verpflichtet haben, die Antragstellerin zur Europameisterschaft 2024 in Kroatien zu nominieren. Er hat dies erkennbar aber auch gegenüber der Athletin H1 getan und letztere wurde ausweislich des Vortrags der Antragstellerin dann durch den Verband dem Veranstalter gegenüber gemeldet. Damit liegen a priori zwei gültige Verträge vor, ähnlich wie auch bezüglich ein und derselben Kaufsache im Prinzip mehrere Kaufverträge geschlossen werden können, von denen aber nur einer erfüllt werden kann.
24Mag hier den Angaben der Antragstellerin folgend auch durch die Meldung beim Ausrichter noch keine endgültige Erfüllung und somit noch keine Unmöglichkeit nach § 275 BGB eingetreten sein, so ist zum einen nicht zu verkennen, dass der Antragsgegner eine Wahl getroffen hat, welchen der beiden Verträge er erfüllen will. Zum anderen ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin ein Recht auf gleichsam vorzugsweise Erfüllung hätte. Ein Prioritätsprinzip besteht insoweit unter keinem vertragsrechtlichen Gesichtspunkt. Ferner kann sich die Antragstellerin auch nicht auf die besseren Wertungspunkte stützen, da der Unterschied zwischen den Athletinnen nicht die im Reglement genannten 150 Punkte betrug. Zwar gilt in dem Bereich unterhalb dieses Wertes die Ermessensentscheidung des Bundestrainers, welcher diese auch getroffen hat; diesem wurde offenbar aber die Entscheidungsgewalt insoweit durch den Verband wieder genommen. Wenn im Anschluss daran der Verband dann einen weiteren Vertrag schließt, kann dies nicht zu einer Bevorrechtigung des ersten Vertrags führen, sondern allein zu Schadensersatzansprüchen innerhalb des im Ergebnis nicht erfüllten Vertragsverhältnisses.
25Darüber hinaus kann insoweit durch die zur Entscheidung angerufene Kammer keine eigene Ermessensentscheidung bezüglich einer Nominierung getroffen werden (so überzeugend schon OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. April 2022 – U (Kart) 13/21, Rn. 55, juris – Paralympics); vielmehr muss in der Sache hier der Gedanke der Meca-Medina-Rechtsprechung greifen (vgl. hierzu EuGH Urt. v. 18.7.2006, C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492 sowie ausführlich LG Dortmund, Urteil vom 24. Mai 2023 – 8 O 1/23 (Kart), Rn. 123 ff., juris – Spielervermittler). Denn wenn im Rahmen des Kartellrechts die reine Sportausübung betreffende Entscheidungen und Maßnahmen gleichsam dem Kartellrecht aufgrund von Tatbestandsrestriktionen entzogen sind, so kann unter vertragsrechtlichem Gesichtspunkt nichts Anderes gelten. Dass aber die Entscheidung, welches seiner Mitglieder unter Leistungsgesichtspunkten zu einem internationalen Wettbewerb als Vertreter des Verbandes entsandt wird, dem eigentlichen sportlichen Bereich zuzuordnen ist, liegt auf der Hand; dies muss jedenfalls so lange gelten, als kein krasser Verstoß gegen die Nominierungsrichtlinien zu sehen ist. Von letzterem ist hier nicht auszugehen, da nach Vortrag der Antragstellerin bzw. den überreichten Anlagen auch eine Reihe von Aspekten zugunsten der Athletin H1 sprachen, insbesondere etwa der Platzierung vor der Antragstellerin bei der DM.
262)
27Die Teilnahme an der Europameisterschaft ist nach Vortrag der Antragstellerin nur bei Nominierung durch den Beklagten möglich. Dieser ist der einzige, der diese Leistung anbietet und ist damit auf diesem für den Karateprofisport relevanten Markt Marktbeherrscher. Dennoch kann ein Anspruch auf eine Nominierung durch den Antragsgegner, der bei Vorliegen der weiteren kartellrechtlichen Voraussetzungen auch aus §§ 19, 20, 33 GWB herzuleiten wäre (vgl. Summerer in Fritzweiler/ Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl., II 2 Rn. 185 und BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 – II ZR 23/14, Rn. 22, juris – Charles Friedek), hier nicht angenommen werden, da sich zum einen die Antragstellerin schon nicht darauf berufen hat und zum anderen erkennbar dieselben Aspekte wie unter dem vertragsrechtlichen Gesichtspunkt eingreifen (vgl. ähnlich BGH a.a.O.).
283)
29Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsgrund nicht gegeben.
30Die Antragstellerin begehrt letztlich so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn sie in einem Hauptsacheverfahren obsiegt hätte; es geht ihr nicht lediglich um die Sicherung eines Rechtszustandes. Die hier somit begehrte Leistungsverfügung ist angesichts der mit ihr verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache aber allein dann möglich, wenn das Interesse der Antragstellerin an einer Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Erlass der einstweiligen Verfügung dem schutzwürdigen Interesse des Antragsgegners, in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten ausgestatteten summarischen Verfahren nicht zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angehalten zu werden, überwiegt. In die so vorzunehmende Abwägung sind neben den wechselseitigen wirtschaftlichen und sonstigen Interessen insbesondere auch die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrages einzubeziehen. Dabei ist der Antragsgegner umso schutzwürdiger, je weniger eindeutig sich die Rechtslage darstellt und umso weniger die Berechtigung des Anspruches zweifelsfrei feststellbar ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.11.2018, VI-U (Kart) 7/18 Rn. 118, juris = WUW1293298 - Hintersitzlehnen; st. Rspr. der Kammer, z. B. LG Dortmund, Urt. v. 30.05.2018, 8 O 10/18 Kart = WuW 2018, 640 ff. Rn. 91 – Rücksitzlehnen und LG Dortmund, Urteil vom 24. Mai 2023 – 8 O 1/23 (Kart), Rn. 169 ff., juris – Spielervermittler).
31Eine eindeutige, zugunsten der Antragstellerin sprechende Rechtslage ist hier aber nicht gegeben, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Damit fehlt es insoweit trotz der kurz bevorstehenden EM und trotz der durch die Antragstellerin vorgebrachten wirtschaftlichen Aspekte an einem Eilbedürfnis zu ihren Gunsten und somit an einem Anordnungsgrund.
32Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob in einer Konstellation wie der vorliegenden, die große Ähnlichkeit mit einer öffentlich-rechtlichen Konkurrentenklage aufweist, überhaupt eine Eilentscheidung ohne Beteiligungsmöglichkeit der durch eine dem Antrag stattgebende Entscheidung unmittelbar in ihren Rechten betroffenen Dritten – hier der Athletin H1 – ergehen dürfte bzw. ob insoweit zumindest auch deren Rechte in die oben bezeichnete Abwägung eingestellt werden müssten.
334)
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
35Der Verfahrenswert wird auf 5.001,00 EUR festgesetzt.