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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung gestellten Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin betreibt eine Biogaserzeugungs- und –aufbereitungsanlage (im Folgenden Anlage) in Ort-01. Die Anlage wurde ursprünglich von der C1 GmbH errichtet und im Jahr 2018 an die Klägerin verpachtet, die seitdem die Anlage in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko betreibt.
3Die maßgeblichen Vereinbarungen zum Netzanschluss und zur Einspeisung finden sich in dem mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der D1 GmbH (im Folgenden D1) am 21. September 2009 abgeschlossenen Netzanschlussvertrag (im Hinblick auf die Einzelheiten dieses Vertrages wird auf die Anlage K1 Bezug genommen) sowie dem am 02.11.2009 abgeschlossenen Einspeisevertrag (insoweit wird auf die Einzelheiten in Anlage K2 Bezug genommen). Teil der getroffenen Vereinbarung waren u.a. auch die Allgemeinen Bedingungen für Netzzugang (Biogas) sowie die Allgemeinen Anschlussbedingungen (Biogas). Die Anlage der Klägerin begann am 21. September 2009, aufbereitetes Biomethan in Erdgasqualität ins Netz einzuspeisen. Die Biogasaufbereitungsanlage war spätestens zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt und technisch einsatzfähig. Insbesondere konnte das Biomethan bereits in der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit in die Vorverdichteranlage und über die Einspeisestation in das Erdgasnetz eingespeist werden. Der Betrieb des Gasnetzes ist zwischenzeitlich von der D1 auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte ist in den bestehenden Netzanschlussvertrag und den bestehenden Einspeisevertrag eingetreten und zahlte das Entgelt für vermiedene Netzkosten nach § 20a GasNEV bis einschließlich September 2019 aus.
4Mit Schreiben vom 25. Juni 2021 verlangte die Klägerin unter Verweis auf die entsprechende Rechtsprechung des Landgerichts Augsburg die Auszahlung des Entgelts für vermiedene Netzkosten, da die Ersteinspeisung aus ihrer Biogasaufbereitungsanlage am 21. September 2009 und somit vor Einführung der 10-jährigen Befristung in § 20a GasNEV erfolgte.
5Die Beklagte nahm hierzu nicht schriftlich Stellung, signalisierte aber in telefonischen Gesprächen, dass eine Auszahlung für sie nicht in Frage komme. Aus ihrer Sicht sei das Urteil des LG Augsburg auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden.
6Da sich die Parteien in der Folge nicht einig werden konnten, wann der 10-Jahreszeitraum endet und ob eine Zahlungspflicht der Beklagten für den Zeitraum zwischen August 2020 und Januar 2021 besteht, entschieden sie einvernehmlich, die Bundesnetzagentur zur Klärung dieser Frage miteinzubeziehen. Die Klägerin vertrat gegenüber der Bundesnetzagentur die Auffassung, dass der Anspruch auf Zahlung des Entgeltes für vermiedene Netzkosten nach § 20a GasNEV sowohl auf Grund der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen als auch auf Grund der maßgeblichen Rechtslage zeitlich unbefristet über den September 2019 hinaus besteht, jedenfalls aber bis zum 30. September 2020.
7Die Beklagte äußerte gegenüber der Bundesnetzagentur hingegen die Auffassung, der Anspruch der Beklagten auf Zahlung des Entgelts für vermiedene Netzkosten nach § 20a GasNEV habe lediglich bis zum September 2019 bestanden.
8Die Bundesnetzagentur vertrat die Auffassung, dass ein Anspruch aus § 20a GasNEV für die Klägerin nur bis zum 30. September 2019 bestanden habe. Bei dieser Einschätzung blieb die Bundesnetzagentur auch im Hinblick auf eine Eingabe der Klägerin im Zuge der ersten Äußerung. Das Klärungsverfahren ist mittlerweile für die Klägerin erfolglos abgeschlossen worden.
9Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin unter Fortführung ihrer Rechtsauffassung ihren Zahlungsanspruch geltend, den sie wie folgt berechnet: Ausgehend von einem Anspruch nach § 20a GasNEV in Höhe von 0,7 Cent/kWh und einer Biogasgesamteinspeisung von 71.398.061 kWh in dem Zeitraum zwischen 01. Oktober 2019 und 31. Dezember 2020 errechnet sie einen Zahlungsanspruch in Höhe von 499.786,43 €.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für das im Zeitraum vom 01. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2020 in das Gasnetz eingespeiste Biogas ein Entgelt für vermiedene Netzkosten in Höhe von 499.786,43 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie vertritt mit näherer Begründung die Rechtsauffassung, dass weder dem Wortlaut nach noch unter Berücksichtigung der sonstigen Auslegungsgesichtspunkte ein gesetzlicher Anspruch bestehe und auch ein vertraglicher Anspruch entgegen der Auffassung des Landgerichts Augsburg nicht durchgreife.
15Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Anlagen Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist unbegründet.
18Die Klägerin kann den von ihr geltend gemachten Anspruch weder auf § 20a GasNEV noch auf Vertrag stützen.
19Zunächst ergibt sich der Anspruch nicht aus § 20a GasNEV, da bereits angesichts des Wortlauts der Vorschrift kein Zweifel daran bestehen kann, dass der Anspruch auf ein vermiedenes Netzentgelt keines Falls länger als 10 Jahre bestehen soll. Durch die Novelle des Jahres 2010 wurde dem § 20a Abs. 1 Satz 1 GasNEV der Passus „für 10 Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses für die Einspeisung von Biogas“ hinzugefügt, der eindeutig den Zahlungsanspruch in zeitlicher Hinsicht beschränkt. Von einem Mindestzeitraum ist entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht die Rede; hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch für die Entstehungsgeschichte, der sich gerade nicht entnehmen lässt, dass der Verordnungsgeber die 10-Jahresfrist als Mindestfrist verstanden wissen wollte. Denn das gesetzgeberische Ziel, Planungssicherheit gerade mit Blick auf eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zu schaffen, wird gerade auch bei der dem Wortlaut entsprechenden zeitlichen Befristung des Anspruchs erreicht. Hätte der Verordnungsgeber eine Mindestfrist etablieren wollen, hätte er dies ohne Weiteres auch so formulieren können. Auch die amtliche Begründung enthält entgegen der Auffassung der Klägerseite keinerlei Hinweis darauf, dass der Verordnungsgeber entgegen dem Wortlaut der Norm eine Mindestfrist etablieren wollte. Anderes folgt insoweit auch nicht aus dem Biogas-Monitoring-Bericht 2011 und 2012 der Bundesnetzagentur, denn der Hinweis der Bundesnetzagentur auf den in Bezug genommenen Monitoring-Bericht auf die Förderung mindestens für 10 Jahre sind ohne Weiteres auch als Bezugnahme auf den fortbestehenden Prüfungsvorbehalt nach § 41g GasNZV zu verstehen.
20Anderes folgt auch nicht aus § 18 StromNEV, da die tatsächliche Ausgangssituation bei Stromnetzen und darauf basierend die Ziele, die der Verordnungsgeber mit beiden Normen verfolgt hat, unterschiedlich sind. Insbesondere gab es mit den Überlegungen bei Schaffung des § 18 StromNEV vergleichbare Überlegungen zu einem Zeitpunkt bei dem hier relevanten § 20 GasNEV.
21Anderes ergibt sich auch nicht nach Sinn und Zweck der Vorschrift, da § 20a Abs. 1 Satz 1 GasNEV in erster Linie als Regelung zur Förderung der Biogaseinspeisung zu verstehen ist, weshalb sowohl das Monitoring als auch die zeitliche Befristung Sinn ergeben. Das Monitoring trägt der Tatsache Rechnung, dass es im vorliegenden Fall letztlich um ein Zielkonflikt zwischen den widerstreitenden Zielen der Preisgünstigkeit und Umweltverträglichkeit der Energieversorgung gemäß § 1 Abs. 1 EnWG geht. Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass die dezentrale Einspeisung zur Entlastung bei den Transportnetzentgelten führt, doch ist es an der Stelle eine politische Entscheidung, ob die auf diesem Wege generierten wirtschaftlichen Vorteile Anlagenbetreibern oder Netzkunden zugutekommen sollen. So dient die zeitliche Befristung hier insbesondere auch der Vermeidung einer Überförderung der Anlagenbetreiber zu Lasten der Preisgünstigkeit. Dies Ergebnis wird auch durch den systematischen Vergleich mit der Regelung in § 12 Abs. 3 EEG 2004 bzw. § 21 Abs. 2 EEG 2009 gestützt, wonach die Vergütung gemäß EEG „jeweils für die Dauer von 20 Kalenderjahren zuzüglich des Inbetriebnahme-Jahres zu zahlen“ sind. Ganz ähnlich ist auch § 20a Abs. 1 GasNEV formuliert.
22Auch eine verfassungskonforme Auslegung gebietet insoweit kein anderes Ergebnis. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit einer sogenannten echten Rückwirkung, welche grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind und mit einer sogenannten unechten Rückwirkung, die im Grundsatz zulässig sind. Eine echte Rückwirkung entfaltet eine Rechtsnorm aber nur, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Hier liegt hingegen erkennbar ein Fall unechter Rückwirkung vor, weil die Gesetzesnovelle des Jahres 2010 lediglich einen zukünftigen Sachverhalt, nämlich die Einspeisung von Biogas durch die Klägerin ab dem Jahre 2019 neu regelt.
23Schließlich ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht davon auszugehen, dass ein Anspruch zumindest bis zum 30.09.2020 besteht, da die 10-Jahresfrist eben nicht ab Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung am 09.09.2010 gerechnet werden kann, weil der Wortlaut der Norm dieses Verständnis gerade nicht trägt. Denn er stellt erkennbar und eindeutig auf die Inbetriebnahme ab.
24Darüber hinaus besteht schließlich auch kein vertraglicher Anspruch. In Ziff. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Gasnetzzugang hat sich die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin ein Entgelt für vermiedene Netzkosten „in der gesetzlich festgelegten Höhe“ zu zahlen, zudem ist in Ziff. 8 explizit vom Entgelt für vermiedene Netzkosten nach § 20a GasNEV die Rede. Durch diesen eindeutigen Verweis auf die gesetzliche Regelung kann das Auslegungsergebnis nach §§ 133, 157 BGB auch auf Grundlage der wechselseitigen Interessen der Partei daher allein dahingehend, dass ein Anspruch wegen vermiedener Netzentgelte nur im Gleichlauf mit den gesetzlichen Zahlungspflichten vereinbart sein sollte.
25Damit war aber zu entscheiden wie geschehen.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.