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Die einstweilige Verfügung vom 06.04.2022 wird bestätigt.
Der Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
2Die Erblasserin, Frau A1, geborene A2, geb. am 00.00.1937, ist die Mutter des Verfügungsbeklagten und auch des bereits verstorbenen Vaters der Verfügungsklägerin, Herrn B1. Die Verfügungsklägerin ist das einzige Kind ihres Vaters.
3Die Erblasserin hat im Jahr 1973 ein Testament errichtet und hiernach gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann, Herrn B2, vier Erbverträge geschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Testament vom 02.02.1973 (Urkundenrolle Nr. 000/1973 des Notars C1 mit Amtssitz in Ort-01) und die Erbverträge vom 01.10.1979 (Urkundenrolle Nr. 0000/ 1979 des Notars C1), vom 01.08.1983 (Urkundenrolle Nr. 000/1983 des Notars C1), vom 05.02.1990 (Urkundenrolle Nr. 00/1990 des Notars C1) und vom 24.11.1998 (Urkundenrolle Nr. 000/1998 des Notars C2 mit Amtssitz in Ort-01) (Anl. A1 – A5 zur Klageschrift, Bl. 21 ff. d. A.) Bezug genommen.
4Mit dem am 24.11.1998 geschlossenen Erbvertrag setzte die Erblasserin – wie auch schon mit ihren vorherigen letztwilligen Verfügungen – ihre beiden Söhne, den Verfügungsbeklagten und den Vater der Verfügungsklägerin, zu gleichen Anteilen als Erben ein. Ersatzerben eines jeden der Erben sollten jeweils ihre ehelichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen sein.
5Die Erblasserin war alleinige Eigentümerin eines im Grundbuch von Ort-02 des Amtsgerichts Hamm, Blatt 000, eingetragenen Grundstücks das den Hauptteil ihres Vermögens ausmachte.
6Am 12.11.2009 erteilte die Erblasserin dem Verfügungsbeklagten eine Generalvollmacht und ermächtigte diesen, in ihrem Namen auch Rechtsgeschäfte mit sich selbst abzuschließen, gleichviel ob er dabei für sich oder Dritte handelt. Unter dem 19.07.2021 leistete die Erblasserin unter der Vollmachtsurkunde erneut ihre Unterschrift, die sodann notariell beglaubigt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage zur Antragsschrift vom 01.04.2022 überreichte Generalvollmacht (Bl. 72 ff. d. A.) Bezug genommen.
7Am 30.11.2021 verstarb B1.
8Im Dezember 2021 wurde die Erblasserin auf der Corona-Intensivstation des EVK Ort-01 behandelt, wo sie am 15.12.2021, nur ca. zwei Wochen nach ihrem Sohn, verstarb. Zwei Tage vor dem Tod der Erblasserin schloss der Verfügungsbeklagte in ihrem Namen mit sich selbst einen Grundstücksübertragungsvertrag und veranlasste die Übertragung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück auf sich als Alleineigentümer. Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage A9 überreichten Übertragungsvertrag vom 13.12.2021 (Urkundenrolle Nr. 000/2021 des Notars D1 in Ort-01, Bl. 65 ff. d. A.) Bezug genommen.
9Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das erkennende Gericht am 06.04.2022 im Wege der einstweiligen Verfügung beschlossen, dass im Grundbuch von Ort-02 des Amtsgerichts Hamm im Blatt 000 zugunsten der Verfügungsklägerin ein Widerspruch gegen die Eintragung des Verfügungsbeklagten als Alleineigentümer des Grundstücks und zudem ein Veräußerungsverbot zu Lasten des Verfügungsbeklagten eingetragen wird.
10Dagegen hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.
11Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass ihr ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung zustehe, da der Verfügungsbeklagte zu Unrecht im Grundbuch als Alleineigentümer eingetragen sei. Eigentümer des Grundstücks sei tatsächlich die Erbengemeinschaft geworden. Sie, die Verfügungsklägerin, sei neben dem Verfügungsbeklagten vertragliche Erbin der Verstorbenen geworden.
12Die Verfügungsklägerin behauptet, dass die Erblasserin zu dem Zeitpunkt, als die Auflassung erklärt worden sei, aufgrund einer Demenzerkrankung selbst nicht mehr zur Abgabe einer Willenserklärung in der Lage gewesen sei. Die Generalvollmacht des Beklagte sei im Innenverhältnis bedingt und hätte ohnehin nur gebraucht werden dürfen, wenn die fehlende Einsichtsfähigkeit der Erblasserin ärztlich nachgewiesen gewesen wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen.
13Insbesondere aber habe der Verfügungsbeklagte die ihm erteilte Generalvollmacht zu seinen Gunsten missbraucht. Er habe bei Abschluss des Übertragungsvertrages gegen den im Erbvertrag vom 24.11.1998 ausdrücklich erklärten Willen der Erblasserin gehandelt, dass das streitgegenständliche Grundstück zu gleichen Teilen an ihre beiden Söhne oder deren Nachkommen gehen sollte. Der Verfügungsbeklagte habe den Großteil des Vermögens der Erblasserin auf sich selbst unentgeltlich übertragen und damit die Vertretene in ihrem Vermögen geschädigt. Die Verfügungsklägerin meint, dass die Erklärungen des Verfügungsbeklagten daher wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien.
14Zudem stehe ihr als Vertragserbin, für den Fall, dass das Grundstück doch wirksam unentgeltlich auf den Verfügungsbeklagten übertragen worden sein sollte, jedenfalls ein Herausgabeanspruch gemäß § 2287 Abs. 1 BGB gegen den Verfügungsbeklagten zu. Die unentgeltliche Übertragung der Immobilie auf den Verfügungsbeklagten stelle dann eine Schenkung im Sinne der §§ 2287, 516 BGB dar. Als Vertreter der Erblasserin und gleichzeitiger Empfänger der Schenkung wäre dem Verfügungsbeklagten die Unentgeltlichkeit bewusst gewesen. Die mit der Schenkung verbundene Minderung des Nachlasses sei für sie als Vertragserbin auch benachteiligend.
15Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass der Verfügungsbeklagte im Zeitraum zwischen dem 18.03. und 20.03.2022 die Absicht geäußert habe, die streitgegenständliche Immobilie zu veräußern. Eine Veräußerung an einen gutgläubigen Erwerber hätte jedoch den Rechtsverlust für sie zur Folge.
16Die Verfügungsklägerin beantragt,
17die einstweilige Verfügung vom 06.04.2022 zu bestätigen.
18Die Verfügungsbeklagte beantragt,
19die einstweilige Verfügung vom 06.04.2022 aufzuheben und den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
20Der Verfügungsbeklagte behauptet, dass die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann, Herr B2, bereits unter dem 02.04.2003 zwei handschriftliche wortgleiche Ehegattentestamente errichtet hätten, mit denen sie den Erbvertrag vom 24.11.1998 dahingehend geändert hätten, dass allein er, der Verfügungsbeklagte, Erbe werden sollte. Auf die als Anlage 3 zum Widerspruchsschreiben vom 20.04.2022 in Kopie überreichten Testamente vom 02.04.2003 (Bl. 102 f. d. A.) wird insoweit verwiesen. Der Verfügungsbeklagte behauptet, dass diese von ihm erst am 14.04.2022 aufgefunden worden seien. Es handele sich hierbei offensichtlich um handgeschriebene Originale. Sie seien – anders als die notariellen letztwilligen Verfügungen – nicht beim Nachlassgericht hinterlegt gewesen und daher erst später eröffnet worden. Der Umstand, dass die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann früher mehrere Änderungen und Ergänzungen von letztwilligen Verfügungen unter Zuhilfenahme eines Notars geschaffen, nun aber offensichtlich eine letztwillige Verfügung privatschriftlich errichtet hätten, deute darauf hin, dass sie sich zuvor genau informiert hätten.
21Weiter behauptet der Verfügungsbeklagte, dass das Verhältnis zwischen der Ehefrau seines Bruders einerseits und der Erblasserin und seines Stiefvaters andererseits schlecht gewesen sei und sich auch über die Jahre weiter verschlechtert habe. Dies könne eine Erklärung dafür sein, dass die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann ihren letzten Willen im Jahr 2003 geändert und ihn, den Verfügungsbeklagten, zum Alleinerben eingesetzt hätten.
22Da die Verfügungsklägerin somit nicht Vertragserbin geworden sei, so meint der Verfügungsbeklagte, scheide sowohl der von ihr geltend gemachte Grundberichtigungsanspruch als auch ein Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB aus.
23Der Grundstücksübertragsungsvertrag habe durch ihn als Stellvertreter infolge der Generalvollmacht wirksam geschlossen werden können. Hierzu behauptet der Verfügungsbeklagte, dass die Erblasserin sich im Laufe des Jahres 2021 längst dazu entschieden gehabt habe, die streitgegenständliche Immobilie an ihn allein zu übertragen. Aus diesem Grund habe die Verstorbene die schon aus dem Jahr 2009 stammende Generalvollmacht am 19.07.2021 in Anwesenheit des beurkundenden Notars erneut unterzeichnet. Die Erblasserin habe, wohl auch ausgelöst durch das plötzliche Ableben seines Bruders, die Entscheidung getroffen, ihn noch einmal anzuhalten, die Übertragung zu veranlassen. Daher habe er dem Wunsch seiner Mutter entsprechend einen Notartermin für den 06.12.2021 ausgemacht. Da die Erblasserin am 03.12.2021 im Krankenhaus stationär aufgenommen worden sei, habe er den Notartermin alleine wahrgenommen und dem Notar Ausweisdokumente und Informationen zur Verfügung gestellt. Da man davon habe ausgehen dürfen, dass der Krankenhausaufenthalt nur von kurzer Dauer sein würde, sei als Beurkundungstermin der 10.12.2021 festgehalten worden. Da sich der Zustand seiner Mutter nicht gebessert habe, habe er diesen Termin abgesagt. Er habe sich jedoch dann entschlossen, das bereits eingeleitete Verfahren unter Verwendung der vorhandenen Generalvollmacht abzuschließen und habe am 13.12.2021 das Sekretariat des Notars darum gebeten, den Beurkundungstermin nachholen zu könne, was dann auch geschehen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe nicht die Erwartung bestanden, dass die Erblasserin zwei Tage später versterben werde. Klar sei nur gewesen, dass die Erblasserin wegen ihrer Infektion selbst gehindert gewesen sei, an dem Notartermin teilzunehmen.
24Die Verfügungsklägerin bestreitet, dass die Testamente vom 02.04.2003 echt sind. Jedenfalls seien sie nicht mit ernsthaftem Testierwillen verfasst worden. Gegen die Echtheit spreche, dass seit dem 02.02.1973 bis hin zur letzten notariellen Urkunde vom 24.11.1998 der letzte Wille der Erblasserin darin bestanden habe, beide Kinder zu gleichen Teilen als Erben einzusetzen. Von dieser Rechtslage sei offenbar auch der Verfügungsbeklagte ausgegangen, da er ansonsten nicht aufgrund der Generalvollmacht die Immobilie auf sich hätte übertragen lassen. Auffällig sei weiter, dass die Testamente plötzlich vorgelegt worden seien, nachdem sie erfolgreich gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen habe. Auch lasse der Umstand zweifeln, dass die fünf vorherigen letztwilligen Verfügungen lückenlos notariell verfasst und in amtliche Verwahrung gegeben worden seien.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Gericht überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
26Die Verfügungsklägerin hat eine eigene eidesstattliche Versicherung (Bl. 20 f. d. A.) sowie eidesstattliche Versicherungen der Frau E1 (Bl. 15 f. d. A.) und des Herrn E2 (Bl. 17 f. d. A.) vorgelegt. Der Verfügungsbeklagte hat seinerseits eine eigene eidesstattliche Versicherung (Bl. 167 f. d. A.) überreicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Dokumente verwiesen. Zudem hat das Gericht die von der Verfügungsklägerin zum Verhandlungstermin am 03.05.2022 gestellte E1 und die von dem Verfügungsbeklagten zu diesem Termin gestellte F1 uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 03.05.2022 (Bl. 146 ff. d. A.) verwiesen.
27Entscheidungsgründe
28I.
29Die einstweilige Verfügung des erkennenden Gerichts vom 06.04.2022 war zu bestätigen. Der zulässige Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist in vollem Umfang begründet.
301.
31Die Verfügungsklägerin hat hinreichend i. S. v. §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 894 BGB gegen den Verfügungsbeklagten zusteht, weil der Verfügungsbeklagte zu Unrecht als alleiniger Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks im Grundbuch eingetragen ist.
32a)
33Nach dem unstreitig von der Erblasserin und ihrem vorverstorbenen Ehemann geschlossenen Erbvertrag vom 24.11.1998 ist neben dem Verfügungsbeklagten auch die Verfügungsklägerin als einziges Kind des vorverstorbenen Herrn B1 (Mit-)Erbin der Erblasserin geworden. Es ist davon auszugehen, dass dies die letzte wirksam errichtete Verfügung der Verstorbenen von Todes wegen ist und demzufolge die Parteien mit dem Erbfall nach § 1922 Abs. 1 BGB Miteigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks geworden sind.
34b)
35Der Verfügungsbeklagte kann sich - jedenfalls im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren - nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann den vorgenannten Erbvertrag aus 1998 mit zwei wortgleichen Ehegattentestamenten vom 02.04.2003 geändert und den Verfügungsbeklagten zu ihrem Alleinerben eingesetzt haben.
36Die Verfügungsklägerin hat die Echtheit der Testamente aus 2003 hinreichend bestritten. Sie hat ihr Bestreiten insbesondere damit begründet, dass diese handschriftlichen Testamente erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung von dem Verfügungsbeklagten vorgelegt wurden, wohingegen die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann ein Testament und vier Erbverträge allesamt vor einem Notar errichtet haben und diese Urkunden schon zuvor durch das Nachlassgericht eröffnet wurden. Dieses Bestreiten reicht aus, zumal sich die Verfügungsklägerin, die an der Errichtung der Urkunden nicht beteiligt war, sogar mit einem Bestreiten mit Nichtwissen hätte begnügen dürfen (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., 2020 § 138 Rn 13; BGH, Urt. v. 16. 11. 2012 – V ZR 179/11, NJOZ 2013, 1333). Dass die Verfügungsklägerin über weitere Erkenntnismöglichkeiten in Bezug auf die Echtheit dieser Dokumente verfügt, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
37Somit wäre die Echtheit der Testamente von dem Verfügungsbeklagten, der sich auf diese stützt, im vorliegenden Verfügungsverfahren glaubhaft zu machen gewesen (vgl. §§ 440 Abs. 1, 920 Abs. 2, 936 ZPO). Der Beklagtenvertreter hat insoweit im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihm die Originale der in Kopie vorgelegten Testamente aus 2003 vorgelegen hätten. Soweit er zudem die Auffassung vertreten hat, dass eine Vermutung für die Echtheit dieser Urkunden eingreife, ist dies nicht zutreffend. Die Vermutung der Echtheit der Urkunde greift nach § 440 Abs. 2 ZPO nur dann ein, wenn die Echtheit der Namensunterschrift feststeht oder ein unter einer Urkunde befindliches Handzeichen notariell beglaubigt ist. Vorliegend steht jedoch keineswegs fest, dass die Unterschriften unter den von dem Verfügungsbeklagten vorgelegten Testamenten von der Erblasserin und dem vorverstorbenen Ehemann stammen. Die Verfügungsklägerin stellt die Echtheit der Dokumente vielmehr generell in Zweifel.
38Der Verfügungsbeklagte hat die Echtheit der von ihm vorgelegten Testamente vom 02.04.2003 jedoch nicht glaubhaft gemacht. Er hat bereits kein Mittel zur Glaubhaftmachung angeboten. Für eine Einholung eines schriftvergleichenden Sachverständigengutachtens (§ 441 ZPO) war im vorliegenden Eilverfahren ohnehin kein Raum.
39c)
40Der Verfügungsbeklagte ist auch nicht infolge des am 13.12.2021 von ihm im Wege des Insichgeschäfts (§ 181 BGB) geschlossenen Übertragungsvertrags und der Grundbucheintragung nach §§ 873, 925 BGB alleiniger Grundstückseigentümer geworden. Es ist nach dem unstreitigen und dem von der Verfügungsklägerin hinreichend glaubhaft gemachten Sachverhalt davon auszugehen, dass der Übertragungsvertrag wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig ist. Der Verfügungsbeklagte war zwar im Außenverhältnis durch die Generalvollmacht vom 12.11.2009 zur Vertretung der Erblasserin umfassend berechtigt und hierbei auch von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. Der Verfügungsbeklagte hat hierbei jedoch seine Vertretungsmacht im Innenverhältnis zu der Erblasserin missbraucht. Grundsätzlich trägt der Vertretene, hier also die Verstorbene, das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht. Eine Ausnahme hiervon gilt indes bei einem offensichtlichen Missbrauch der Vertretungsmacht, so u. a. wenn der von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Vertreter, hier also der Verfügungsbeklagte, ein den Vertretenen, hier die Erblasserin, benachteiligendes Insichgeschäft abschließt (vgl. BGH, NJW-RR 2018, 222).
41Von einem solchen offensichtlichen Missbrauch der Vertretungsmacht ist vorliegend auszugehen.
42(1)
43Die unstreitigen objektiven Umstände sprechen dafür, dass die Erblasserin ihr Vermögen, hauptsächlich bestehend aus der streitgegenständlichen Immobilie, ihren Söhnen und – im Falle, dass diese vorversterben sollten – deren Abkömmlingen zu gleichen Teilen zukommen lassen wollte. So hat sie es in sämtlichen unstreitig von ihr stammenden letztwilligen Verfügungen bestimmt, insbesondere in dem Erbvertrag aus dem Jahr 1998. Da die Echtheit der von dem Verfügungsbeklagten angeführten Testamente aus dem Jahr 2003 aus den dargestellten Gründen im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht geklärt werden kann, kann aus diesen vorliegend nichts Gegenteiliges geschlossen werden. Auch der Verfügungsbeklagte hat erklärt, dass ihm bekannt gewesen sei, dass sein Bruder und er die Erblasserin zu gleichen Teilen beerben sollten und dass er von einer Änderung dieses Willens erst erfahren habe, als er nach dem Tod der Erblasserin die Testamente aus 2003 aufgefunden habe. Für den Schluss, dass es der Wille der Erblasserin war, dass der Nachlass, insbesondere das streitgegenständliche Grundstück, bei ihrem Versterben auf beide Söhne (bzw. deren Kinder) gleichermaßen übergehen sollte, wird ergänzend auch durch die Aussage der E1 gestützt. Diese hat zumindest ausgesagt, dass die Erblasserin ihr gegenüber noch im Jahr 2021 geäußert habe, Wert darauf zu legen, ihre Angehörigen gleich zu behandeln.
44Dem in der letztwilligen Verfügung vom 24.11.1998 geäußerten Willen der Erblasserin läuft es jedoch zuwider, wenn der Verfügungsbeklagte sich das Grundstück der Erblasserin, das unstreitig den wesentlichen Teil des Nachlasses ausmacht, allein überträgt.
45Soweit der Verfügungsbeklagte behauptet, dass es der ausdrückliche Wunsch der Erblasserin gewesen sei, dass er einen Notartermin ausmacht, um die Immobilie auf ihn allein zu übertragen, ist dies nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Das Vorbringen des Verfügungsbeklagten und auch die Aussage der von ihm gestellten F1 erscheinen zum Teil widersprüchlich und nicht hinreichend plausibel.
46Die Erblasserin soll ihren Wunsch, dass das Grundstück kurzfristig an den Verfügungsbeklagten übertragen wird, nach der Aussage der F1 damit begründet haben, dass die Immobilie nach dem Ableben ihres Sohnes B1 nicht an die Verfügungsklägerin und deren Mutter übergehen sollte. Auch der Verfügungsbeklagte hat jedenfalls vorgetragen, dass das Verhältnis zwischen der Mutter der Verfügungsklägerin und der Erblasserin schlecht gewesen sei und dass die Erblasserin nach dem plötzlichen Ableben ihres Sohnes B1, die Entscheidung getroffen habe, ihn, den Verfügungsbeklagten, noch einmal dazu anzuhalten, die Grundstücksübertragung zu veranlassen.
47Dass die Erblasserin mit der Grundstücksübertragung verhindern wollte, dass die Immobilie teilweise an die Verfügungsklägerin bzw. deren Mutter übergeht, erscheint jedoch nicht nachvollziehbar, wenn die Erblasserin, wie der Verfügungsbeklagte ebenfalls behauptet, schon längst im Jahr 2003 den Erbvertrag geändert und ihn, den Verfügungsbeklagten, zu ihrem Alleinerben eingesetzt hatte. Das Risiko, dass das Grundstück an die Verfügungsklägerin übergehen könnte, hätte zu diesem Zeitpunkt gar nicht bestanden und demnach auch kein Anlass, das Grundstück schnellstmöglich an den Verfügungsbeklagten zu übertragen.
48Darüber hinaus hat der Verfügungsbeklagte vorgetragen hat, dass die Erblasserin sich im Laufe des Jahres 2021 längst dazu entschieden gehabt habe, die streitgegenständliche Immobilie an ihn allein zu übertragen und dass aus diesem Grund die Generalvollmacht am 19.07.2021 erneut bestätigt worden sei. Die F1, die Ehefrau des Verfügungsbeklagten, hat demgegenüber ausgesagt, dass die Erblasserin vor dem Tod ihres Sohnes B1, also bis rund zwei Wochen vor ihrem Tod, keinen Anlass gesehen habe, Regelungen bezüglich der Immobilie zu treffen. Auch insofern erscheinen das Vorbringen des Verfügungsbeklagten und der F1 nicht widerspruchsfrei.
49(2)
50Bei der - mithin gegen den Willen der Erblasserin erfolgten – unentgeltlichen Grundstücksübertragung handelt es sich auch um ein für die Verstorbene nachteiliges Geschäft, da durch die Grundstücksübertragung das Vermögen der Erblasserin geschmälert wurde.
512.
52Auch der erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben.
53Voraussetzung ist, dass die begründete Besorgnis besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 935 Rn. 10). Dies ist der Fall. Die Verfügungsklägerin hat durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn E2 vom 02.04.2022 glaubhaft gemacht, dass der Verfügungsbeklagte im März 2022 die Absicht geäußert hat, die streitgegenständliche Immobilie zu veräußern. Dem ist der Verfügungsbeklagte auch nicht erheblich entgegen getreten. Eine Veräußerung des Grundstücks an einen gutgläubigen Erwerber hätte nach §§ 873, 925, 892 BGB jedoch den Rechtsverlust für die Verfügungsklägerin zur Folge. Deshalb war es geboten, zur Sicherung der Rechte der Verfügungsklägerin die Eintragung eines Widerspruchs (§ 899 BGB) sowie eines Veräußerungsverbots (§ 938 Abs. 2 ZPO) im Grundbuch zu veranlassen.
54II.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
56Ein gesonderter Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der bestätigten einstweiligen Verfügung war nicht erforderlich, da sich aus der Natur der einstweiligen Verfügung von selbst versteht, dass sie – einschließlich der im Urteil getroffenen Kostenfolge – sofort vollstreckbar ist (vgl. Zöller/G. Vollkommer, 33. Auflage 2020, § 925 Rn. 7).
57III.
58Der Streitwert wird auf 100.000,- € festgesetzt.