Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Das Versäumnisurteil der Kammer vom 8.10.2020 wird im folgenden Umfang aufrecht erhalten :
Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 Euro/Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu unterlassen,
I.
1.
Biozidprodukte in Deutschland auf dem Markt bereitzustellen, ohne dass diese gem. Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zugelassen oder aufgrund der Übergangsbestimmungen des Art. 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in Verbindung mit § 28 Abs. 8 ChemG übergangsweise verkehrsfähig sind, wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt "A1" (BAuA – Registriernummer-01) und aus der Anlage ASt 2 und ASt 4 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
und/oder
2.
Biozidprodukte in Deutschland auf dem Markt bereitzustellen, ohne dass der Stoff- oder Produktlieferant für die in den Produkten enthaltenen Wirkstoffe für die jeweils relevanten Produktarten in der Liste gem. Art. 95 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 gelistet ist, wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt "A1" (BAuA – Registriernummer-01) und aus der Anlage ASt 2 und ASt 4 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
und/oder
3.
Biozidprodukte, die unter die Übergangsregelungen des Art. 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 fallen, in Deutschland auf dem Markt bereit zu stellen, ohne dass diese ordnungsgemäß nach der Verordnung über die Meldung von Biozid-Produkten nach dem Chemikaliengesetz mit den zutreffenden Wirkstoffen für die jeweils relevanten Produktarten bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin registriert wurden, wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt "A1" (BAuA – Registriernummer-01) und aus den Anlagen ASt 2 und ASt 4 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich,
und/oder
4.
auf dem Kennzeichnungsetikett von Biozidprodukten Wirkstoffe unvollständig oder mit einer falschen Bezeichnung wiederzugeben oder Wirkstoffe anzugeben, die in dem Biozidprodukt nicht enthalten sind oder Stoffe anzugeben, die keine Wirkstoffe sind, da sie in dem Produkt keine Wirkung gegen Schadorganismen entfalten, wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt "A1" (BAuA – Registriernummer-01) und aus der Anlage ASt 4 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
und/oder
II.
1.
Biozidprodukte in Deutschland wie folgt zu bewerben,
a. „Nachhaltig“ und/oder
b. „Umweltschonend“ und/oder
c. „non-toxic“ und/oder
d. „ohne…giftige Substanzen“ und/oder
e. „Nicht reizend, nicht brennbar“ und/oder
wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt "A1" und aus der Anlage ASt 11 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
und/oder
III.
Biozidprodukte in Deutschland wie folgt zu bewerben,
„haut- augen- und schleimhautverträglich.“
wenn dies geschieht, wie auf der Webseite www.01 im Zusammenhang mit dem Produkt "A1" und aus der Anlage ASt 2 zur Antragsschrift vom 11.09.2002 ersichtlich;
und/oder
IV.
in Deutschland Sicherheitsdatenblätter zu Biozidprodukten i. S. v. Art. 31 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) für Biozidprodukte zur Verfügung zu stellen, wenn diese keine Einstufung der in Gemischen enthaltenen Gefahrstoffe entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) ausweisen,
wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt A1 und aus der Anlage ASt 5 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Die Verfügungsklägerin ist Herstellerin und Anbieterin von Biozidprodukten. Insbesondere vertreibt die Verfügungsklägerin Desinfektionsmittel – zur Oberflächendesinfektion - über ihre Webseite www.02.
3Die Verfügungsbeklagte ist ebenfalls Herstellerin und Anbieterin von Desinfektionsmitteln, u.a. bietet die Verfügungsbeklagte das Produkt "A1" an, ein Desinfektionsmittel – entsprechend dem Produktaufdruck und dem Produktdatenblatt – zur Hand- und Oberflächendesinfektion.
4Nach einem Testkauf des Produktes "A1" am 11.8.2020 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 19.8.2020 ab und forderte sie gleichzeitig zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
5Die Verfügungsklägerin meint, dass das Produkt der Verfügungsbeklagten nicht verkehrsfähig sei. Die Voraussetzungen des Artikel 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 für ein Inverkehrbringen ohne Genehmigung lägen nicht vor. Silbernitrat sei zwar als Altwirkstoff im Sinne dieser Vorschrift anzusehen und ermögliche damit grundsätzlich ein genehmigungsfreies Inverkehrbringen, allerdings sei Silbernitrat in dem Produkt nicht enthalten bzw. allenfalls in einer derart geringen Menge, dass es nicht mehr als Wirkstoff angesehen werden könne.
6Des weiteren sei die Verfügungsbeklagte für den Wirkstoff „aus Natriumhypochlorit freigesetztes Akivchlor“ nicht in die Liste zu Artikel 95 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 eingetragen.
7Das Produkt sei auch nicht mit seinem Handelsnamen bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) angemeldet worden. Zudem seien auch nicht alle Wirkstoffe angegeben, auf dem Produkt heiße es, dass dieses „Hypochlorige Säure“ enthalte, in der BAuA – Mitteilung sei dieser Stoff nicht aufgeführt.
8Bei dem Sicherheitsdatenblatt fehlte die Einstufung der in dem Produktgemisch enthaltenen Gefahrstoffe.
9Außerdem fänden sich im Produktdatenblatt und im Internetauftritt Aussagen, die gegen Artikel 72 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 verstießen, der die Benutzung bestimmter verharmlosender Begriffe im Zusammenhang mit Biozidprodukten verbiete.
10Nachdem die Verfügungsbeklagte keine strafbewehrte Unterlassungsverfügung abgegeben hat, hat die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 11.9.2020 einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gestellt. In dem daraufhin anberaumten Verhandlungstermin ist die Verfügungsbeklagte nicht erschienen. Es ist sodann am 8.10.2020 ein Versäumnisurteil mit folgendem Inhalt ergangen :
11„
12Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 Euro/Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu unterlassen,
131.
14Biozidprodukte in Deutschland auf dem Markt bereitzustellen, ohne dass diese gem. Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zugelassen oder aufgrund der Übergangsbestimmungen des Art. 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in Verbindung mit § 28 Abs. 8 ChemG übergangsweise verkehrsfähig sind, wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt „A2 “ und aus der Anlage ASt 2 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
15und/oder
162.
17Biozidprodukte in Deutschland auf dem Markt bereitzustellen, ohne dass der Stoff- oder Produktlieferant für die in den Produkten enthaltenen Wirkstoffe für die jeweils relevanten Produktarten in der Liste gem. Art. 95 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 gelistet ist, wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt „A2“ und aus der Anlage ASt 2 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
18und/oder
193.
20Biozidprodukte, die unter die Übergangsregelungen des Art. 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 fallen, in Deutschland auf dem Markt bereit zu stellen, ohne dass diese ordnungsgemäß nach der Verordnung über die Meldung von Biozid-Produkten nach dem Chemikaliengesetz mit dem zutreffenden Handelsnamen und den zutreffenden Wirkstoffen für die jeweils relevanten Produktarten bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin registriert wurden und die entsprechende Registrierungsnummer auf dem Produktetikett angegeben wurde, wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt „A2“ und aus den Anlagen ASt 2 und ASt 4 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich,
21und/oder
224.
23auf dem Kennzeichnungsetikett von Biozidprodukten Wirkstoffe unvollständig oder mit einer falschen Bezeichnung wiederzugeben oder Wirkstoffe anzugeben, die in dem Biozidprodukt nicht enthalten sind oder Stoffe anzugeben, die keine Wirkstoffe sind, da sie in dem Produkt keine Wirkung gegen Schadorganismen entfalten; wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt „A2“ und aus der Anlage ASt 4 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
24und/oder
25II.
261.
27Biozidprodukte in Deutschland wie folgt zu bewerben,
28a. „Nachhaltig“ und/oder
29b. „Umweltschonend“ und/oder
30c. „non-toxic“ und/oder
31d. „ohne…giftige Substanzen“ und/oder
32e. „Nicht reizend, nicht brennbar“ und/oder
33wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt „A2“ und aus der Anlage ASt 11 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich;
34und/oder
35III.
36Biozidprodukte in Deutschland wie folgt zu bewerben,
37„haut- augen- und schleimhautverträglich.“
38wenn dies geschieht, wie auf der Webseite www.01 im Zusammenhang mit dem Produkt „A2“ und aus der Anlage ASt 2 zur Antragsschrift vom 11.09.2002 ersichtlich;
39und/oder
40IV.
41in Deutschland Sicherheitsdatenblätter zu Biozidprodukten i. S. v. Art. 31 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) für Biozidprodukte zur Verfügung zu stellen, wenn diese keine Einstufung der in Gemischen enthaltenen Gefahrstoffe entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) ausweisen,
42wenn dies geschieht, wie im Zusammenhang mit dem Produkt „A2“ und aus der Anlage ASt 5 zur Antragsschrift vom 11.09.2020 ersichtlich.“
43Gegen dieses ihr am 16.10.2020 zugestellte Versäumnisurteil hat die Verfügungsbeklagte mit am 30.10.2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
44Die Verfügungsklägerin beantragt,
45das Versäumnisurteil der Kammer vom 8.10.2020 aufrecht zu
46erhalten.
47Die Verfügungsbeklagte beantragt,
48das Versäumnisurteil aufzuheben und den Antrag auf Erlaß
49einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
50Sie meint, dass die Verfügungsklägerin rechtsmißbräuchlich handele. Hiervon sei auszugehen, wenn die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehe. Sie verweist darauf, dass die Verfügungsklägerin erst seit 2017 bestehe und seitdem nur Verluste erwirtschaftet habe.
51Die Voraussetzungen des Art 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 für die Inanspruchnahme der Übergangsregelung lägen vor. Die BAuA habe bestätigt, dass das Produkt ohne Zulassung auf dem Markt verkehrsfähig sei.
52Bei „aus Natriumhypochlorit freigesetztes Aktivchlor“ handele es sich für die gemeldeten Produktarten 11 und 12 um ein Altprodukt, da für diese Produktarten noch keine Genehmigung dieses Wirkstoffs vorliege.
53Silbernitrat sei vorhanden, wie von ihr in Auftrag gegebene Untersuchungen zeigten.
54Die ermittelten Silbernitrat-Gehalte von 10,6 µg/l, 11,2 µg/l und 11,2 µg/l lägen zwar unterhalb des bisher deklarierten Wertes, das habe aber keinen Einfluss auf den Status als Wirkstoff.
55Silbernitrat werde von einem Hersteller bezogen, der als Werkstofflieferant in die Artikel 95 – Liste eingetragen sei.
56Bezüglich Natriumhypochlorit verweist die Verfügungsbeklagte darauf, dass sie für „Active chlorine released from hypochlorus acid (Redifined from Active Chlorine; manufactured by the reaction of hypochlorus acid and sodium hypochlorite produced in situ)“ für die Produktarten 1 und 2 in die Liste zu Art. 95 eingetragen sei.
57Eine Aktivchlorlösung umfasse stets die beiden Substanzen Natriumhypochlorit und Hypochlorsäure; welcher Wirkstoff überwiegend sei, lasse sich abhängig vom pH-Wert feststellen.
58Jedenfalls sei in Aktivchlor sowohl Hypochlorsäure als auch Natriumhypochlorit enthalten. Damit umfasse die Artikel 95-Listung der Verfügungsbeklagten auch Natriumhypochlorit.
59BAuA – Nummer und der Handelsname "A1" seien auf dem Produkt angegeben.
60Die Angaben auf dem Kennzeichnungsetikett seien richtig.
61Soweit Aussagen als Verstoß gegen Art. 72 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 beanstandet würden, sei dies unverständlich, da die Verfügungsklägerin mit ähnlichen Aussagen für ihre Produkte werbe.
62Bezüglich des Sicherheitsdatenblattes sei es so, dass der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 28.08.2020 die aktuelle Version zur Verfügung gestellt worden sei.
63Im Übrigen sei seit dem 20.07.2020 – was nicht bestritten wird – die Produktion des Produktes "A1" eingestellt.
64Die Dringlichkeitsvermutung sei widerlegt. Es sei davon auszugehen, dass die Kenntniserlangung der Verfügungsklägerin vor dem Testkauf vom 11.8.2020 erfolgt sei.
65Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die Erklärungen zu Protokoll vom 10.12.2020 Bezug genommen.
66E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
67Das Versäumnisurteil der Kammer war ganz überwiegend aufrechtzuerhalten.
68Der von der Verfügungsbeklagten gegen das ihr am 16.10.2020 zugestellte Versäumnisurteil mit am 30.10.2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz eingelegte Einspruch ist zulässig, insbesondere ist er rechtzeitig innerhalb der 2- Wochenfrist des § 339 Abs. 1 ZPO eingelegt worden.
69Die Klage ist zulässig.
70Für ein rechtsmißbräuchliches Vorgehen der Verfügungsklägerin ist konkret nichts ersichtlich. Dass die Abmahntätigkeit der Verfügungsklägerin in einem außergewöhnlichen Verhältnis zur Teilnahme am Wettbewerb steht, hat die Verfügungsbeklagte schon nicht hinreichend dargetan. Immerhin erwartet die Verfügungsklägerin nach dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten unter Bezugnahme auf eine (...)-Auskunft für 2020 einen Umsatz in Höhe von 2,25 Mio €.
71Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin im Rahmen von Vergleichsverhandlungen nach Erlass des Versäumnisurteils ggfls. einen Betrag von 300.000 € gefordert hat, ist auch nicht ausreichend für die Annahme, dass Hauptzweck der Tätigkeit der Verfügungsklägerin ist, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen zu erzielen.
72Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet.
73Hinsichtlich des Vertriebes des Produktes "A1" (BAuA Registrierungsnummer -01) kann die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten nach § 8 Abs. 1 und 3 UWG in Verbindung mit §§ 3, 3 a UWG in Verbindung mit Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid VO) in Verbindung mit § 28 Abs. 8 ChemG Unterlassung verlangen.
74Soweit in dem Antrag das Produkt lediglich mit „A2“ bezeichnet ist, handelt es sich tatsächlich um das Produkt „A1“.
75Dies ist der vollständige Name des Produktes. Auf den Desinfektionsmittel-Flaschen findet sich im oberen Bereich in größerer Schrift zwar nur die Bezeichnung „A2“. Im Folgenden heißt es dann unterhalb des Schlagwortes „Desinfektionsmittel“ in farbiger Schrift „(…)“, dann heißt es in anderer Schriftfarbe weiter „Zur Hand- und Oberflächendesinfektion“.
76"A1" ist auch der Handelsname, mit das Produkt bei dem BAuA registriert worden ist (Registrierungsnummer -01).
77Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Desinfektionsmittel.
78Zwar vertreibt die Verfügungsklägerin vorwiegend Produkte zur Oberflächendesinfizierung. Das fragliche Produkt der Verfügungsbeklagten dient aber schon nach der Produktaufschrift, dem Produktdatenblatt und dem Internetauftritt sowohl der Hand- als auch der Oberflächendesinfizierung.
79Von daher bestehen keine Bedenken dagegen, die Parteien als auf demselben Markt tätig anzusehen.
80Mit dem Vertrieb des streitgegenständlichen Desinfektionsmittels verstößt die Verfügungsbeklagte gegen Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bzw. Artikel 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in Verbindung mit § 28 Abs. 8 ChemG.
81Nach Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 dürfen Biozidprodukte nur auf dem Markt bereitgestellt oder verwendet werden, wenn sie gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurden.
82Nach den Begriffsbestimmungen in Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bezeichnet der Begriff „Biozidprodukt“ jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.
83Bei dem fraglichen Produkt handelt es sich um ein Biozidprodukt.
84Eine Zulassung liegt nicht vor.
85Das fragliche Produkt kann auch nicht aufgrund der Ausnahmeregelung nach § 28 Abs. 8 ChemG in Verbindung mit Artikel 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 auf dem Markt bereitgestellt werden. Artikel 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 bestimmt, dass abweichend von Artikel 17 Abs. 1, Artikel 19 Abs. 1 und Artikel 20 Abs. 1 unbeschadet der Absätze 1 und 3 des vorliegenden Artikels ein Mitgliedsstaat sein derzeitiges System oder Verfahren für die Bereitstellung eines bestimmten Biozidproduktes auf dem Markt oder für seine Verwendung ab dem Zeitpunkt der Genehmigung des letzten zu genehmigenden Wirkstoffs des betreffenden Biozidproduktes noch höchstens drei Jahre lang anwenden kann, der betreffende Mitgliedsstaat kann in seinem Hoheitsgebiet nach seinen nationalen Vorschriften nur die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung eines Biozidproduktes zulassen, das
86a) ausschließlich alte Wirkstoffe enthält, die
87i)gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1451/2007 der Kommission bewertet wurden, für die betreffende Produktart aber noch nicht genehmigt sind, oder
88ii)gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1451/2007 bewertet werden, für die betreffende Produktart aber noch nicht genehmigt sind
89oder
90b) eine Kombination von Wirkstoffen gemäß Buchstabe a) und im Einklang mit der vorliegenden Verordnung genehmigten Wirkstoffen enthält.
91In dem hierauf beruhenden § 28 Abs. 8 ChemG heißt es sodann:
92Im Geltungsbereich dieses Gesetzes darf ein Biozidprodukt abweichend von Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 nach Maßgabe des Satzes 2 auf dem Markt bereitgestellt oder verwendet werden, wenn es ausschließlich aus Biozidwirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt,
931. die gemäß der Verordnung (EG) 1451/2007 oder der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 bewertet wurden,
942. die sich noch im dortigen Bewertungsverfahren befinden,
953. die unter Artikel 15 Buchstabe a) der Delegierten Verordnung (EU) Nr.
961062/2014 fallen oder
974. für die die Europäische Chemikalienagentur eine Veröffentlichung gemäß
98Artikel 16 Abs. 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 vorgenommen hat.
99Diese Voraussetzungen liegen für das Produkt "A1" nicht vor.
100Die Wirkstoffe, die sich im Bewertungsverfahren nach den vorgenannten Verordnungen befinden, sind in der Anlage II der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 aufgeführt. Nach Artikel 23 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 (Fassung vom 28.11.2018) ist die Verordnung (EG) 1451/2007 aufgehoben, Verweise auf die aufgehobene Verordnung gelten als Verweise auf die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1062/2014.
101Zu den in der Anlage II der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 aufgeführten Wirkstoffen zählt auch der Wirkstoff „Silbernitrat“, der dort unter Nr. 450 für die Produktart 1 als am 6.11.2018 im Prüfprogramm enthalten aufgelistet ist, und der nach der BAuA-Meldung der Verfügungsbeklagten in dem fraglichen Desinfektionsmittel enthalten sein soll.
102Tatsächlich läßt sich aber nicht annehmen, dass das Silbernitrat in dem Produkt in einer Menge enthalten ist, die die Einordnung als Wirkstoff rechtfertigt, so dass über den Wirkstoff Silbernitrat auch nicht die Genehmigungsfreiheit des Desinfektionsmittels im Sinne von Art. 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 begründet werden kann.
103Nach Art. 3 Abs. 1 lit c) der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ist Wirkstoff ein Stoff oder ein Mikroorganismus, der eine Wirkung auf oder gegen Schadorganismen entfaltet.
104Die von der Verfügungsklägerin beauftragte Untersuchung der B1 vom 2.10.2020 (Anlage ASt 18) konnte bei einer Nachweisgrenze von 0,02mg/l kein Silbernitrat nachweisen.
105Die Verfügungsbeklagte hat demgegenüber Untersuchungen mit Gehalten von 10,6µg/l, 11,2µg/l und 11,0µg/l vorgelegt (AG 6, Probe A, B und C), entsprechend 0,0106mg/l, 0,0112mg/l und 0,011mg/l. Dies entspricht 1% der auf dem Produkt angegebenen Menge von 1mg/l.
106Streitig ist zwischen den Parteien, ob auch in dieser geringen Menge das Silbernitrat noch als Wirkstoff angesehen werden kann, es also noch eine Wirkung gegen Schadorganismen entfalten kann. Hierzu sind keine konkreten Untersuchungen vorgelegt worden.
107Dies geht zu Lasten der Verfügungsbeklagten.
108Die Zufügung von Silbernitrat als Wirkstoff führt dazu, dass das Desinfektionsmittel im Sinne von Art. 89 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zulassungsfrei ist, da sich der Wirkstoff Silbernitrat für die Produktart 1 noch im Genehmigungsverfahren befindet. Insoweit ist das Vorhandensein von Silbernitrat als Wirkstoff konstitutiv für die Ausnahme von der an sich notwendigen Zulassung für das Produkt. Für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser ihr günstigen gesetzlichen Ausnahme trägt die Verfügungsbeklagte als Begünstigte die Darlegungs- und Beweislast.
109Da sie nicht durch Vorlage von Untersuchungen hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass das Desinfektionsmittel in ausreichender Konzentration Silbernitrat enthält, um als Wirkstoff angesehen werden zu können, kann auf das Vorhandensein von Silbernitrat die Zulassungsfreiheit nicht gestützt werden.
110Soweit die Verfügungsbeklagte allgemein Studien über die Wirksamkeit des Produkts als Desinfektionsmittel vorgelegt hat, ergibt sich hieraus nichts zur Wirksamkeit gerade des Silbernitrats. Die Wirkung kann auch auf dem Wirkstoff „aus Natriumhypochlorit freigesetztes Aktivchlor“ beruhen.
111Daraus, dass das Desinfektionsmittel unter Angabe des Wirkstoffes Natriumhypochlorit bei der Meldung an das BAuA auch für die Produktarten 11 (Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen) und 12 (Schleimbekämpfung) angezeigt worden ist, läßt sich zugunsten der Verfügungsbeklagten ebenfalls nichts herleiten. Zwar handelt es sich bei dem Wirkstoff „Aktivchlor, freigesetzt aus Natriumhypochlorit“ für die Produktarten 11 und 12 um einen noch im Genehmigungsverfahren befindlichen Altwirkstoff (Anlage II der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 Nr. 432).
112Die Genehmigungsfreiheit des hier fraglichen Desinfektionsmittels ließe sich aber im Hinblick hierauf nur begründen, wenn tatsächlich der Einsatz für diese Produktartenklassen 11 und 12 auch nachvollziehbar wäre.
113Dafür ist hier konkret nichts ersichtlich und vorgetragen. Nach der Produktaufschrift, dem Produktdatenblatt und dem Internetauftritt dient das Produkt (nur) der Hand- und Oberflächendesinfizierung.
114Damit verstößt die Verfügungsbeklagte hier durch den Vertrieb des fragliche Desinfektionsmittels gegen gesetzliche Vorschriften, nämlich § 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 528/2012 bzw. Artikel 89 Abs. 2 der vorgenannten Verordnung in Verbindung mit § 28 Abs. 8 ChemG.
115Aus der Angabe des BAuA in dem Produktdatenblatt , dass das Biozidprodukt für die Dauer des Genehmigungsverfahrens des Wirkstoffs bzw. des letzten zu genehmigenden Wirkstoffs ohne Zulassung auf dem Markt bereitgestellt werden darf, lässt sich zu Gunsten der Verfügungsbeklagten ebenfalls nichts herleiten, ebensowenig aus dem Umstand, dass das BAuA mit Email vom 16.7.2020 die Verkehrsfähigkeit des Produktes bescheinigt hat.
116Dies schon deshalb, weil BAuA-Erklärungen nach dem Wortlaut von § 28 Abs. 8 ChemG und nach Art 89 der Verordnung (EU) 528/2012 für die Beurteilung dieser Vorschriften keine Rolle spielen. Erklärungen der BAuA kommt damit keine verbindliche Wirkung für die Frage der Genehmigungsfreiheit zu.
117Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass das BAuA überhaupt prüft, ob überhaupt und dann auch in ausreichender Menge in der Meldung angegebene Wirkstoffe tatsächlich in dem Produkt enthalten sind.
118Aus § 3 Abs. 2 ChemBiozidMeldeV betreffend das Verfahren zur Erteilung der Registriernummer ergibt sich nur, dass die Zulassungsstelle prüft, ob die angegebenen Wirkstoffe in der Anlage II der einschlägigen EU-Verordnung enthalten sind, auch in Bezug auf die angegebenen Produktarten.
119Es handelt sich also lediglich um eine formelle Prüfung der Angaben.
120Irgendwelche Untersuchungen des Produkts, ob die angegeben Wirkstoffe tatsächlich enthalten sind, findet hiernach nicht statt.
121Die Voraussetzungen von § 28 Abs. 8 Nr. 3 und 4 ChemG liegen ebenfalls nicht vor.
122Der Verstoß stellt ein unlauteres Verhalten im Sinne von § 3 a UWG dar.
123Die vorgenannten Vorschriften sind als Marktverhaltensregeln anzusehen. Sie sollen zum einen den Verbraucher schützen und zum anderen auch Mitbewerber, da sich kein Mitbewerber Vorteile dadurch verschaffen soll, dass er Biozidprodukte ohne die notwendige Zulassung anbietet.
124Insoweit kann die Verfügungsklägerin damit entsprechend Unterlassung verlangen.
125Der Wettbewerbsverstoß ist begangen und begründet eine Vermutung für eine Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird nicht allein dadurch ausgeräumt, dass die Verfügungsbeklagte die Produktion des streitgegenständlichen Produktes eingestellt hat. Zum einen wird das Produkt von den Abnehmern der Verfügungsbeklagten noch weiterverkauft. Zum anderen reicht es für die Verneinung einer Wiederholungsgefahr nicht aus, dass der Wettbewerbsverstoß abgestellt wird, sondern erforderlich ist auch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Daran fehlt es hier.
126Ein weiterer Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 und Abs. 3 UWG in Verbindung mit §§ 3, 3 a UWG in Verbindung mit Artikel 95 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012.
127Nach Artikel 95 Abs. 2 der Verordnung (EU) 528/2012 darf ab dem 1. September 2015 ein Biozidprodukt, dass aus einem in der Liste gemäß Abs. 1 aufgeführten betreffenden Stoff besteht, einen solchen Stoff enthält oder einen solchen Stoff erzeugt, nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn der Stofflieferant oder Produktlieferant in der Liste gemäß Abs. 1 für die Produktart oder Produktarten, zu denen das Produkt gehört, aufgeführt ist.
128Hier ist nicht ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte in der vorgenannten Liste für den Stoff „aus Natriumhypochlorit freigesetztes Aktivchlor“, der in dem Desinfektionsmittel enthalten ist, für die in der Meldung an das BAuA angegebenen Produktarten gelistet ist, insbesondere die Produktarten PT 1 und 2.
129Soweit die Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang auf ihre Eintragung in die Liste für „Active chlorine released from hypochlorus acid (Redifined from Active Chlorine; manufactured by the reaction of hypochlorus acid and sodium hypochlorite produced in situ)“ für die Produktarten 1 und 2 verweist, ist diese Eintragung ohne Bedeutung.
130Zwar führt die Verfügungsbeklagte weiter aus, das Hypochlorsäure nicht in reiner Form isoliert werden könne, die Aktivchlorlösung umfasse stets die beiden Substanzen Natriumhypochlorit und Hypochlorsäure.
131Dies führt aber schon deshalb nicht dazu, von der vorgenannten Eintragung auch den Stoff „aus Natriumhypochlorit freigesetztes Aktivchlor“ als von der Eintragung umfasst anzusehen, weil die Liste zu Art. 95 der Verordnung (EU) 528/2012 ausdrücklich den Stoff „Active chlorine released from sodium hypochlorite“ (=aus Natriumhypochlorit freigesetztes Aktivchlor) als eigenen Stoff aufführt.
132Das streitgegenständliche Desinfektionsmittel wird damit entgegen Artikel 95 Abs. 2 der Verordnung (EU) 528/2012 Verordnung auf dem Markt bereitgestellt.
133Damit liegt wiederum ein unlauteres Verhalten im Sinne von § 3 a UWG vor. Die Regelung in Artikel 95 Abs. 2 Verordnung (EU) 528/2012 ist aus denselben Gründen wie oben als Marktverhaltensregel anzusehen. Der Verfügungsklägerin steht damit im Hinblick auf das Produkt der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch aus diesem Grund zu.
134Ein Unterlassungsanspruch besteht auch aus § 8 Abs. 1 und Abs. 3 UWG in Verbindung mit §§ 3, 3 a UWG in Verbindung mit §§ 2, 3 ChemBiozidMeldeV.
135Nach § 2 ChemBiozidMeldeV dürfen Biozid-Produkte nur in den Verkehr gebracht werden, wenn eine Registrierungsnummer auf dem entsprechenden Biozid-Produkt angebracht ist.
136Für die Registrierung zur Erlangung der Registrierungsnummer sind nach § 3 Abs. 1 ChemBiozidMeldeV der Zulassungsstelle u.a. die Produktarten mitzuteilen, für die das Biozid-Produkt ausgelobt wird, sowie die in dem Biozid-Produkt enthaltenen Biozid-Wirkstoffe mitzuteilen.
137Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte verstoßen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass in der Mitteilung an die BAuA Silbernitrat als Wirkstoff angegeben ist, obwohl tatsächlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass Silbernitrat hier als Wirkstoff anzusehen ist (s.o.). Auch sind teilweise unrichtige Produktarten angegeben, da nicht nachvollziehbar gemacht worden ist, dass das Desinfektionsmittel auch für die Anwendung in den angegebenen Produktarten 11 und 12 tatsächlich vorgesehen ist (s.o.).
138Soweit der Vorwurf im Raum steht, dass der Handelsname des Biozidprodukts nicht richtig gemeldet worden ist, läßt sich dies allerdings nicht annehmen.
139Als Handelsname ist bei der Registrierung angegeben : "A1".
140Dies ist auch die Bezeichnung, die das fragliche Produkt trägt (s.o. Seite 12f des Urteils), wobei es keine Rolle spielt, dass sich die Bezeichnung „(…)“ abgesetzt von der Bezeichnung „A2“ findet.
141Die Registrierungsnummer-01 befindet sich ebenfalls auf dem Produkt, so dass insoweit keine Unterlassung verlangt werden kann.
142Bezüglich vorgenannter Vorwürfe war das Versäumnisurteil aufzuheben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
143Der Verstoß gegen § 3 ChemBiozidMeldeV stellt wiederum ein unlauteres Verhalten im Sinne von 3 a UWG dar. Die vorgenannte Vorschrift ist als Marktverhaltensregel anzusehen. Sie sollen zum einen den Verbraucher schützen und zum anderen auch Mitbewerber, da sich kein Mitbewerber Vorteile dadurch verschaffen soll, dass er Biozid-Produkte ohne Einhaltung der gesetzlichen Regeln zum Inverkehrbringen anbietet.
144Auch insoweit kann die Verfügungsklägerin damit entsprechend Unterlassung verlangen.
145Ein weiterer Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 und Abs. 3 UWG in Verbindung mit §§ 3, 3 a UWG in Verbindung mit Artikel 69 Abs. 2 Satz 2 a) der Verordnung (EU) Nr. 528/2012.
146Nach Artikel 69 Abs. 2 Satz 2 a) der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 muss das Etikett die Bezeichnung jedes Wirkstoffs und seine Konzentration in metrischen Einheiten anzugeben.
147Dem wird das Etikett für das streitgegenständliche Produkt "A1" nicht gerecht. Silbernitrat ist als Wirkstoff aufgeführt, obwohl es nicht als Wirkstoff angesehen werden kann (s.o.). Zudem ist auch die Konzentrationsangabe insoweit unrichtig : angegeben ist 1mg/l, tatsächlich läßt sich aber nach den vorgelegten Untersuchungen allenfalls eine Konzentration im Bereich von 10-11 µg/l annehmen, also von nur rund 1% der auf dem Etikett angegebenen Konzentration.
148Des Weiteren ist auf dem Etikett zu Unrecht „Hypochlorige Säure“ als Wirkstoff angegeben. In der BAuA-Meldung ist dieser Wirkstoff nicht enthalten; der Geschäftsführer der Beklagten hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2020 auch eingeräumt, dass die Angabe auf dem Etikett wohl insoweit unrichtig sein könnte als dass der Stoff zwar enthalten ist, es sich nicht aber um einen Wirkstoff im eigentlichen Sinne handele, weshalb er auch nicht gegenüber dem BAuA angegeben worden sei.
149Die Verpflichtung aus Artikel 69 Abs. 2 Satz 2 a) der Verordnung (EU) Nr. 528/2012
150ist auch wiederum als Marktverhaltensregel anzusehen. Der Verbraucher soll zutreffend informiert werden, es soll sich auch niemand Vorteile durch nicht vollständig richtige Angaben verschaffen.
151Auch insoweit kann daher Unterlassung verlangt werden.
152Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch aus § 8 Abs. 1 und Abs. 3 UWG in Verbindung mit §§ 3, 3 a UWG in Verbindung mit Artikel 72 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012.
153Nach Artikel 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 darf die Werbung für Biozidprodukte auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.
154In dem Produktdatenblatt zu dem streitgegenständlichen Produkt, das die Verfügungsklägerin als Anlage Ast 11 vorgelegt hat, finde sich folgende Angaben zu dem Produkt :
155„Nachhaltig“, „Umweltschonend“ , „non-toxic“, „ohne dass giftige Substanzen eingesetzt werden“, „nicht reizend, nicht brennbar“.
156Diese Bezeichnungen sind gemessen an Artikel 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 unzulässig.
157„non toxic“ und „ohne dass giftige Substanzen eingesetzt werden“ entspricht dem verbotenen Begriff „ungiftig“. „Nachhaltig“ und „Umweltschonend“ sind gleichwertig mit den unerlaubten Begriffen „umweltfreundlich“ und „natürlich“.
158„Nicht reizend, nicht brennbar“ kennzeichnen das Produkt im Ergebnis als „unschädlich“ und sind damit ebenfalls nicht erlaubt.
159Das Produktdatenblatt bezieht sich auch auf das streitgegenständliche Produkt. Es findet sich zwar nur die Bezeichnung „A2“, es wird aber auf die BAuA-Nr. -01 als Registrierungsnummer verwiesen.
160Auf der Webseite der Verfügungsbeklagten heisst es in der Rubrik „FAQ“ unter der Frage „Kann A2 zur Handdesinfektion genutzt werden?“ als Antwort „Ja, A2 ist haut-, augen- und schleimhautverträglich“.
161Dies entspricht vom Gehalt her dem nicht erlaubten Begriff „unschädlich“.
162Das Verbot, in der Werbung verharmlosende Begriffe zu verwenden stellt ebenfalls – aus denselben Gründen wie die anderen obigen Verbote – eine Marktverhaltensregel dar.
163Auch insoweit kann die Verfügungsklägerin daher Unterlassung verlangen.
164Dass die Verfügungsklägerin in ihrer Werbung ggfls. auch im Hinblick auf Art. 72 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 unzulässige Begriffe verwendet, ist ohne Bedeutung. Dies schließt es nicht aus, gleichartige Wettbewerbsverstöße anderer Marktteilnehmer zu verfolgen. Ggfls. mag die Verfügungsbeklagte ihrerseits wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegenüber der Verfügungsklägerin geltend machen.
165Das Sicherheitsdatenblatt Stand 15.6.2020 (Anlage ASt 5) entspricht nicht den Anforderungen an Art. 31 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 iVm. Anhang II der Verordnung. Entgegen Ziffer 3.2.3 des Anhangs fehlt für die Stoffe Natriumhypochlorit und Silbernitrat die Einstufung gemäß der in Anhang VI zu der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 vorgesehenen Gefahrenklasse- und Gefahrenkategorie-Codes.
166Auch hier handelt es sich um einen Verstoß im Sinne von § 3a UWG. Niemand soll sich durch unzureichende Datenblätter einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern verschaffen können.
167Dass die Angaben nunmehr in das Sicherheitsdatenblatt Stand 26.08.2020 (Anlage ASt 13) aufgenommen worden sind, ist für die Verurteilung zur Unterlassung ohne Bedeutung, da keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben worden ist. (s.o.).
168Der Unterlassungsanspruch besteht damit im ausgeurteilten Umfang.
169Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
170Dass die Verfügungsklägerin nach Kenntnis der Verletzung mit dem Antrag auf Erlas der einstweiligen Verfügung zu lange zugewartet hätte, läßt sich nicht annehmen.
171Nach der Rechtsprechung des OLG Hamm darf nach Kenntniserlangung von dem Wettbewerbsverstoß nicht länger als 1 Monat mit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung zugewartet werden, wartet der Anspruchsteller länger zu, gibt er zu erkennen, dass es „ihm nicht eilig ist“ (OLG Hamm, Urteil vom 21.04.2016, I-4 U 44/16, 4 U 44/16, juris RdNr. 2).
172Hier bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsklägerin bereits vor dem Testkauf vom 11.8.2020 von den Verstößen der Verfügungsbeklagten Kenntnis hatte oder grob fahrlässig nicht hatte. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist sodann am 11.9.2020 und damit binnen eines Monats gestellt worden.
173Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 ZPO.
174Insgesamt war damit wie aus dem Tenor ersichtlich zu erkennen.
175Da es um das Produkt "A1" geht, war die Produktbezeichnung im Tenor entsprechend zu konkretisieren. Die konkrete Produktdarstellung findet sich bei der Anlage ASt 4, so dass diese auch bei den Aussprüchen zu I. 1. und 2. mit aufzunehmen war. Hier handelt es sich aber nur um erläuternde Ergänzungen, die auf den sachlichen Inhalt des Tenors ohne Einfluß sind.
176Die Kostenentscheidung ergibt sich entsprechend §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO.
177Soweit im Hinblick auf die geltend gemachte unzureichende Angabe des Handelsnamens sowie die als fehlend gerügte Registrierungsnummer der Einspruch Erfolg hat, handelt es sich nur um ein geringfügiges Obsiegen; die Zuvielforderung der Verfügungsklägerin ist streitwertmäßig ohne Bedeutung.
178Da das Urteil in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangen ist, war ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit an sich entbehrlich. Aus Klarstellungsgesichtspunkten ist der Ausspruch gleichwohl erfolgt.