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Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der Behandlung vom 17.04.2018 jeden weitergehenden bis zum 10.01.2019 noch nicht vorhersehbaren künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird, sowie den von dem noch auszuurteilenden Schmerzensgeld nicht umfassten nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte aufgrund einer radiologischen Behandlung auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht in Anspruch.
3Der Kläger begab sich am 17.04.2018 aufgrund von Nacken- und Kopfschmerzen mit Druckgefühl zum Zwecke der Abklärung der möglichen Ursachen durch eine MRT-Untersuchung in die Praxisräumlichkeiten der Beklagten am Standort in A1.
4Der Kläger, der in der Vergangenheit bereits mehrere MRT-Untersuchungen hatte, unterzeichnete die Einwilligungserklärung zur Kernspintomographie (Anlage 2, Bl. 135 d. A.) und wurde durch die leitende Medizinisch-Technische Radiologieassistentin (im Folgenden MTRA) des Praxisstandorts in A1, die Zeugin B2, über die anstehende Untersuchung einschließlich Kontrastmittelgabe aufgeklärt. Die Zeugin B2 wies den Kläger insbesondere darauf hin, dass er während der Untersuchung still liegen und die Arme am Körper halten soll. Über das Risiko von Frakturverletzungen wurde während des Aufklärungsgesprächs unstreitig nicht gesprochen. Seine Polioerkrankung im Alter von zehn Monaten im Jahr 1958 und die dadurch bedingte Muskelschwäche im linken Arm erwähnte der Kläger während des Aufklärungsgesprächs von sich aus nicht, da er sich nicht so eingeschränkt fühlte, dass er darauf hätte hinweisen müssen. Die schriftliche Einwilligungserklärung sah weder eine Frage zu einer etwaigen Polioerkrankung noch ein Feld zum Eintragen von Sonstigem vor. Wegen des genauen Inhalts der Einwilligungserklärung wird auf Anlage 2 (Bl. 135 d. A.) verwiesen.
5Bei der Beklagten gestaltet sich der Ablauf der MRT-Untersuchung des Kopfes grundsätzlich wie folgt: Der Patient wird auf eine bewegliche Liege gelagert und bekommt Kopfhörer aufgesetzt. Sodann wird eine Kopfspule, die für die Durchführung der Untersuchung erforderlich ist, platziert. Dem Patienten wird darüber hinaus eine Vorrichtung in die Hand gegeben, mit der er im Bedarfsfall den aufsichtsführenden Personen ein akustisches Signal geben kann, wenn es insbesondere zu Auffälligkeiten kommt. Anschließend wird der Patient auf der mit Motorkraft betriebenen Liege in das Gerät hineingefahren. Nach Beendigung der Untersuchung wird die Liege mit Motorkraft wieder herausgefahren. An dem streitgegenständlichen Gerät befindet sich sowohl links als auch rechts ein Schalter für die Betätigung des Herein- und Herausfahrens der Liege. Einen Nothalteknopf gibt es an dem Gerät der Firma D1 bauartbedingt nicht. Wegen der Einzelheiten des streitgegenständlichen MRT-Geräts wird auf die von der Beklagten als Anlage 1 zur Akte gereichten vier Lichtbilder (Bl. 130-133 d. A.) verwiesen.
6Die Zeugin B2 lagerte den Kläger auf der Liege des MRT und fuhr den Schlitten dann unter Sichtkontrolle in das Gerät hinein. Die vorgenannte „Alarmklingel“ hielt der Kläger in einer Hand. Sodann begab sich die Zeugin B2 in den Kontrollraum, in dem sie sich nach ungefähr fünf Minuten über den Kopfhörer des Klägers bei diesem erkundigte, ob alles in Ordnung sei.
7Nach Abschluss der Untersuchung leitete der Zeuge C1, der zum Zeitpunkt des Vorfalls ein berufsvorbereitendes Praktikum bei der Beklagten absolvierte, das Herausfahren der Liege ein. Dabei verkeilte sich der linke Arm des Klägers im Gerät, worauf der Kläger mit Rufen und Schreien aufmerksam machte. Die Klingel betätigte der Kläger nicht. Der Arm des Klägers wurde nach hinten durchgezogen, wobei es unstreitig zu einer Verletzung des Klägers in Form einer Querfraktur im oberen Teil des Oberarmknochens (Humerus) links mit Absprengung eines Fragmentes kam. Die genaue Ursache des Verkeilens sowie die Reaktionszeit der Mitarbeiter der Beklagten auf das Schreien des Klägers sind zwischen den Parteien streitig.
8Der Kläger wurde in das benachbarte, zu der Klinikum A3 GmbH gehörende A2-Krankenhaus A1 gebracht. Ausweislich des Arztbriefes vom 24.04.2018 (Bl. 11 d.A.) erlitt der Kläger eine proximale Humerusfraktur links. Am Folgetag seiner Einlieferung, den 18.04.2018, erfolgte eine geschlossene Reposition mittels Nagel-Osteosynthese. Der Arm sollte mit Gilchristverband zwei Wochen ruhig gestellt werden. Ausweislich des Arztbriefes war die postoperative Wundheilung komplikationslos und der Arm wurde unter physiotherapeutischer Anleitung aus dem Gilristverband heraus mobilisiert, sodass der Kläger mit rückläufiger Schmerzsymptomatik und reizlosen Wundverhältnissen sowie einem radiologisch kontrollierten achsengerechten Stellungsbefund mit regelrechter Implantatlage entlassen werden konnte. Als Nebendiagnose enthielt der Arztbrief vom 24.04.2018 eine Schwäche des linken Armes und des rechten Beines infolge Poliomyelitis als Kind sowie einer Muskelatrophie des rechten Oberarms nach einer HWS-Operation bei einem Bandscheibenvorfall.
9Nach dem Vorfall im April 2018 begab sich der Kläger, der den Vorfall selbst als Unfall betrachtet, noch für weitere CT- und Röntgen-Aufnahmen in die radiologische Praxis der Beklagten am Standort in A1.
10Mit Schreiben vom 28.06.2018 zeigte der Kläger den Vorfall vom 17.04.2018 sowie seine sich daraus ergebenden Ansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer der Beklagten, der B3 Versicherung AG, an, die eine Begutachtung im häuslichen Bereich des Klägers initiierte, wobei das Ergebnis dem Kläger nicht mitgeteilt wurde. Nach mehrmaliger erfolgloser Aufforderung gegenüber dem Haftpflichtversicherer, eine inhaltliche Stellungnahme zu dem Vorfall im April 2018 abzugeben sowie adäquate Vorschüsse zu zahlen, begehrt der Kläger nunmehr klageweise die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Dabei hat er mit Klageerhebung einen Betrag i.H.v. 35.000 € für angemessen erachtet. Soweit er zunächst ein Teilschmerzensgeld begehrt hat, hat er klargestellt, dass das Schmerzensgeld wie üblich die vorhersehbaren Schäden abdecken soll. Weiterhin macht der Kläger Verdienstausfall i.H.v. 26.679,51 € für die Monate Juni bis August 2018, einen Haushaltsführungsschaden i.H.v. 5.048,96 €, Ersatz von Renovierungskosten i.H.v. 7.483,84 € sowie die Zahlung einer Rente i.H.v. 865,53 € je Kalendervierteljahr ab dem 01.12.2018 gelten. Zudem begehrt der Kläger die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht. Zur Begründung führt er an, dass weitere Schäden möglich seien, mitunter weitere ärztliche Eingriffe und Umbaukosten im Haus.
11Der Kläger behauptet, dass vor der Behandlung keine ordnungsgemäße Risikoaufklärung stattgefunden habe. Gerade bei einer nur relativen Indikation zur Vornahme eines Eingriffs sei über das Misserfolgsrisiko präzise und eingehend aufzuklären. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte er weitere eigene Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich seines eigenen Körpers in der Maschine der Beklagten getroffen. Er hätte darauf bestanden, dass man den Arm festbindet oder ein Seitenteil anbringt, hätte er gewusst, dass man sich bei der Untersuchung den Arm brechen könne. Überdies hätte er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden, ob er die Untersuchung bei der Beklagten durchführen lasse, oder er hätte darauf gedrungen, in einem anderen Haus/in einem anderen Gerät oder zumindest unter vollständiger Anwesenheit eines Arztes untersucht zu werden. Dass es auch zu Unfällen kommen könne, würden auch die Zeitungsartikel über eine Zerquetschung einer 77-Jährigen im D1 Krankenhaus und eines 73-Jährigen mit Armbruch in D2 (Anlage 4, Bl. 149 ff. d. A.) zeigen. Die Risiken seien so erheblich, dass darauf hingewiesen werden müsse.
12Der Anweisung der Zeugin B2, die Arme während der Untersuchung am Körper anzulegen, sei er nachgekommen.
13Überdies sei das MRT-Gerät nach Abschluss der Untersuchung ohne ausreichende Kontrolle bedient worden. Aufgrund mangelnder Sorgfalt und Aufmerksamkeit sei sein Arm verkeilt und dies nicht rechtzeitig bemerkt worden. Erst nachdem er die Räumlichkeiten vor Schmerzen zusammengeschrien habe, habe sich eine panische Situation der Mitarbeiter eingestellt. Insbesondere habe der Mitarbeiter, der das Herausfahren veranlasst habe, während des Vorgangs nicht neben dem Schlitten gestanden, sodass er nicht habe beobachten können, was in der Röhre passiert sei. Zu dem Schluss, dass in der Nähe des MRT-Geräts keiner gestanden habe, sei er deshalb gekommen, weil an dem „Helm“ ein Spiegel dran sei und er dort niemanden habe stehen sehen. Auch auf sein Schreien habe der Mitarbeiter viel zu spät reagiert. Als der Schlitten gestoppt worden sei, sei der Arm bereits über den Kopf hinweggezogen und bereits gebrochen gewesen. Auch die Mitarbeiter im Kontrollraum hätten nicht reagiert, was die Annahme rechtfertige, dass zum Unfallzeitpunkt niemand im Kontrollraum gewesen sei.
14Weiterhin behauptet der Kläger, dass der Abstand zwischen dem angelegten Arm und der seitlichen Röhrenwand, wie auf den Lichtbildern zu sehen sei, sehr gering sei - wenn überhaupt, 1 bis 2 mm. Im Oberkörperbereich decke die fahrbare Liege nicht die ganze Auflagefläche ab. Es sei auch seitlich an der Liege keine Ablagevorrichtung für die Arme angebracht, sodass bei einer 25-minütigen Untersuchung die an den Körper angelegten Arme naturgemäß absinken würden. Wenn Schweiß und Wärme hinzukämen, könne es – wie bei ihm – passieren, dass der Arm an der Röhrenwand hängen bleibe und mitgezogen werde. Als der Schlitten sich in Bewegung gesetzt habe, habe er schon gemerkt, dass sein Arm haften geblieben sei. Weil seine Haut nach der 25-30-minütigen Untersuchung etwas feucht gewesen sei, sei es so gewesen, als ob die Haut von der Außenfläche angezogen würde. Er hätte dann sofort geschrien, noch bevor er eingeklemmt gewesen sei.
15Infolge des Bruchs leide er, der Kläger, unter Dauerfolgen. Die Funktion seines linken Arms sei deutlich eingeschränkt. Vorher habe er zu Hause alles machen können, beispielsweise auch Lampen an die Decke hängen. Ein Hochheben des Armes sei aktuell nicht möglich. Überdies sei die gesamte Statik verloren gegangen. Kraftanstrengungen seien ihm genauso wie die Benutzung eines Schaltwagens nicht möglich. Er habe nicht mit der linken Hand das Lenkrad stabil halten und gleichzeitig mit der rechten Hand schalten können, sodass er sich ein Automatikfahrzeug habe anschaffen müssen. Hausarbeiten seien ihm nur noch sehr eingeschränkt möglich. Er selbst übernehme regelmäßig den Großteil der Arbeiten, weil seine Ehefrau selbst chronische Schmerzpatientin sei und aufgrund erheblicher Beeinträchtigungen Opiate und Cannabisersatz einnehmen müsse. Auch sei die Renovierung des Eigenheims angedacht gewesen, was er als handwerklich begabter Mann in erhebliche Eigenleistung habe erbringen wollen. Die Aufträge müsse er nun fremd vergeben.
16Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich um einen Fall des voll beherrschbaren Risikos handele, für den die Beklagte als Betreiberin der Radiologie vollumfänglich einzustehen habe.
17Der Kläger beantragt (sinngemäß),
181. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
192. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.679,51 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
203. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.048,96 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
214. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1.12.2018 eine drei Monate im Voraus fällige Rente i.H.v. 865,53 € je Kalendervierteljahr zu zahlen,
225. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 7.483,84 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
236. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der Behandlung vom April 2018 jeden weitergehenden bis dato noch nicht vorhersehbaren künftigen materiellen Schaden, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist, zu ersetzen, sowie die immateriellen Schäden, soweit sie nach dem auf den Antrag zu 1 auszuurteilenden Schmerzensgeld noch nicht vorhersehbar sind.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Die Beklagte behauptet, dass der bedauerliche Unfall nicht auf eine Pflichtverletzung bzw. ein Verschulden durch sie und ihre Mitarbeiter zurückzuführen sei. Der Kläger sei ausreichend belehrt und überwacht worden. Die Untersuchung sei standardgerecht durchgeführt worden. Die Behandlung sei entgegen der Auffassung des Klägers sehr wohl indiziert gewesen. Das Vorbringen zur vermeintlich fehlenden Aufklärung sei weder nachvollziehbar noch richtig. Bei dem Kläger seien früher schon mehrere MRT-Untersuchungen durchgeführt worden und die Risiken seien anlässlich der Dokumentation sehr wohl besprochen worden. Es sei kein einziger Fall bekannt, bei dem es zu einer solchen Verletzung im Zusammenhang mit einer MRT-Untersuchung gekommen sei. Aufzuklären seien nur bekannte Risiken. Die Beklagte erhebt den Einwand der hypothetischen Einwilligung und behauptet hierzu, dass der Kläger auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung - ein aufklärungspflichtiges Risiko unterstellt - in die Untersuchung eingewilligt hätte. Denn eine solche Komplikation sei derart selten, dass sie allenfalls höchstens theoretisch möglich gewesen wäre. Der Kläger, der Kopf- und Nackenschmerzen habe abklären wollen, hätte sich von der Durchführung der Untersuchung nicht abbringen lassen.
27Zur Untersuchung selbst behauptet die Beklagte, dass die Zeugin B2 den Kläger ordnungsgemäß auf der Liege gelagert und den Schlitten dann unter Sichtkontrolle in das Gerät hineingefahren habe. Dies sei problemlos möglich gewesen. Nach Abschluss der Untersuchung habe der Zeuge C1, der von der Zeugin B2 ordnungsgemäß eingewiesen worden sei, den Kläger aus dem Gerät herausgefahren. Er habe den Schalter betätigt, der sich links am Gerät befinde. Das Herausfahren sei zunächst ohne erkennbare Auffälligkeiten verlaufen. Der Kläger habe auch nicht den Alarmknopf gedrückt, sondern plötzlich durch Schreien auf sich aufmerksam gemacht, woraufhin der Vorgang sofort abgebrochen worden sei. Gleichwohl sei es schon zur Fraktur gekommen. Wie es zu dem Unfall gekommen sei, sei der Beklagten nicht erklärlich. Aus den Behandlungsunterlagen des Krankenhauses ergebe sich, dass der Arm durch eine Kinderlähmung vorgeschädigt gewesen sei, was der Kläger ihr und den Mitarbeitern gegenüber nicht angegeben habe. Ob dies zum Unfall beigetragen habe, könne sie nicht beurteilen. Sie habe mit Blick auf adipöse Patienten ausdrücklich ein Gerät mit breiterer Röhre angeschafft. Der Kläger gehöre allerdings nicht zu diesem Patientenkreis. Unverständlich sei, warum der Kläger den Alarmknopf nicht bestätigt habe, als er erste Anzeichen eines vermeintlichen Verkeilens bemerkt habe. Der unstreitig am Gerät nicht vorhandene Nothalteknopf sei ebenso wenig wie eine Notabschaltung bei einem bestimmten Widerstand zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Untersuchung Standard gewesen.
28In dem ihr nach der mündlichen Verhandlung zum Ergebnis der Beweisaufnahme nachgelassenen Schriftsatz vom 17.02.2021 behauptet die Beklagte, dass der Zeuge C1 nach dem Vorfall gegenüber der Zeugin B2 angegeben habe, den „Aus-Knopf“ betätigt zu haben. Sie, die Beklagte, sei davon ausgegangen, dass die damaligen Angaben des Zeugen C1 richtig gewesen seien. Dass er den „Aus-Knopf“ doch nicht betätigt habe, hätte sie, die Beklagte, nicht gewusst.
29Das tatsächliche Vorbringen zur Höhe des Schmerzensgeldes bestreitet die Beklagte genauso wie die Behandlung nach dem Vorfall mit Nichtwissen. Sie ist auch der Ansicht, dass das bisherige Vorbringen des Klägers die geltend gemachte Schmerzensgeldhöhe nicht rechtfertige. Ein Schadensersatzanspruch für materielle Schäden bestehe ebenfalls nicht. Wegen des diesbezüglichen tatsächlichen Vorbringens der Beklagten – insbesondere zum geltend gemachten Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden und zu den Renovierungskosten – wird auf die Schriftsätze der Beklagten verwiesen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die seitens der Kammer beigezogenen Krankenunterlagen Bezug genommen.
31Die Kammer hat den Kläger angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B2 und des Zeugen C1. Ferner hat die Kammer ein schriftliches radiologisches Sachverständigengutachten eingeholt, das der Sachverständige E1 in der mündlichen Verhandlung erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 11.12.2019 (Bl. 162 ff. d.A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2020 (Bl. 219 ff. d.A.) verwiesen.
32Die Klage ist am 10.01.2019 bei Gericht eingegangen.
33Entscheidungsgründe
34I.
35Die zulässige Klage ist, soweit der Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld und den Ersatz materieller Schäden geltend macht, dem Grunde nach berechtigt. Ferner hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht.
361.
37Soweit der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht für „bis dato“ noch nicht vorhersehbare Schäden verlangt, war sein Begehren nach verständiger Würdigung in analoger Anwendung der §§ 133, 157 BGB nur so zu verstehen, dass Schäden erfasst sein sollen, die bis zur Anhängigkeit der Klage am 10.01.2019 noch nicht vorhersehbar waren. Diese Auslegung ergibt sich bereits unmissverständlich aus dem Wortlaut des Antrags selbst. „Dato“ ist ausweislich des Dudens mit „heute“ gleichbedeutend, sodass das Begehren des Klägers nur auf diejenigen Schäden gerichtet ist, die nach der Einreichung der Klage bei Gericht entstanden sind und künftig noch entstehen werden.
38Überdies war der Antrag des Klägers bei verständiger Würdigung bezüglich der Feststellung der Ersatzpflicht dahingehend auszulegen, dass nicht nur Ansprüche ausgeschlossen sein sollen, die bereits auf Sozialversicherungsträger (§ 116 Abs. 1 SGB X) oder Dritte (§ 86 Abs. 1 VVG) übergegangen sind, sondern auch Ansprüche, die erst künftig übergehen werden. Hinsichtlich der künftigen materiellen Schäden ist ein Feststellungsausspruch zulässig. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen ebenfalls vor. Insoweit bedarf der Ausspruch nur der Einschränkung für den Fall des Forderungsübergangs auf Sozialversicherunsgträger oder sonstige Dritte, die bereits im Klageantrag zu 6 enthalten war.
39Auch ist das Begehren des Klägers nach verständiger Würdigung und Klarstellung durch den Kläger so zu verstehen, dass dieser mit dem Antrag zu 1 uneingeschränkt ein Schmerzensgeld für erlittene Körperverletzungen verlangt. In diesem Fall werden durch den Klageantrag nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnten (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15 –, juris). Unter Berücksichtigung dessen war der Antrag zu 6 hinsichtlich der immateriellen Schäden auf diejenigen Schäden zu begrenzen, die nach dem auf den Antrag zu 1 auszuurteilenden Schmerzensgeld noch nicht vorhersehbar sind.
402.
41Der Anspruch des Klägers folgt aus §§ 630 a, 280, 278, 249, 253 BGB.
42a)
43Ein solcher Anspruch ergibt sich jedoch nicht bereits aus einer fehlerhaften Aufklärung des Klägers vor der streitgegenständlichen MRT-Untersuchung.
44Die Zeugin B2, leitende MTRA bei der Beklagten am Praxisstandort in A1, war gemäß § 630 e Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 145 Abs. 2 Nr. 2 Strahlenschutzverordnung, 1 Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über technische Assistenten der Medizin berechtigt, die Aufklärung des Klägers über die MRT-Untersuchung unter Gabe von Kontrastmitteln durchzuführen.
45Die Aufklärung selbst ist nicht zu beanstanden. Denn die Kammer ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass der Untersuchung eine ausreichende Aufklärung vorausgegangen ist, mithin über das Risiko von Frakturen großer Knochen nicht aufzuklären war.
46Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss der Patient nur „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufgeklärt werden. Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken. Dem Patienten muss aber eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmert. Dabei ist über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seine Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (st.Rspr., vgl. BGH Urteil vom 11.10.2016, Az. VI ZR 462/15 m.w.N.). Handelt es sich nicht um ein für den Eingriff spezifisches Risiko, sondern um eine außergewöhnliche, nicht voraussehbare Folge der Operation, die für den Einwilligungsentschluss des Patienten keine Bedeutung haben kann, bedarf es keiner Aufklärung. Liegt das Risiko lediglich im Promillebereich, so macht dies eine Aufklärung jedoch nicht entbehrlich, wenn es sich um ein spezifisches Risiko handelt, welches bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, Leitfaden für die Praxis, 6. Auflage, Rn. 199). Über Behandlungsfehler ist dagegen nicht aufzuklären.
47Ein spezifisches Risiko stellt die Humerusfraktur des Klägers nicht dar, sodass die Aufklärung über das Risiko eines Bruchs großer Knochen entbehrlich war.
48Die Kammer folgt bei ihrer Einschätzung den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen E1. Als Chefarzt der Radiologischen Klinik des Evangelischen Krankenhauses E2 bestehen an seiner fachlichen Kompetenz keine Zweifel, da er sowohl über fundiertes theoretisches Wissen als auch über eine umfassende praktische Erfahrung verfügt. Er hat die Behandlungsunterlagen gründlich aufgearbeitet und sämtliche für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Fragen im schriftlichen Gutachten und im Rahmen seiner mündlichen Anhörung eindeutig beantwortet. Auf Nachfragen hat er sämtliche Einwendungen gegen sein Gutachten ausräumen können.
49Der Sachverständige hat ausgeführt, dass er inhaltlich bei der Einweisung nichts vermisst habe. Unter Bezugnahme auf eine Publikation aus dem Jahr 2019, bei den in den USA Patientendaten über zehn Jahre ausgewertet worden seien, führte der Sachverständige aus, dass von 1.500 gemeldeten Zwischenfällen 11 % auf mechanische Ereignisse zurückzuführen gewesen seien. Dazu hätten aber auch ein Stoßen des Kopfes des Patienten oder ein Ausrutschen des Patienten auf dem Weg zur Liege gehört. Nur im einstelligen Bereich sei es zu Quetschungen gekommen und in 7 bis 8 Fällen zu Frakturen oder Quetschungen, wobei es sich dabei um Rippen oder Finger gehandelt hätte. Dass ein großer Knochen wie bei dem Kläger gebrochen gewesen wäre, sei in der Publikation nicht beschrieben. Bei seiner Beurteilung eines aufklärungspflichtigen Risikos beschränkte sich der Sachverständige allerdings nicht nur auf die von ihm detailliert aufgearbeitete Literatur. Vielmehr bezog sich der Sachverständige bei seinen nachvollziehbaren und detaillierten Ausführungen auch auf die praktischen Erfahrungen seiner Kollegen, bei denen er sich nach Erstellung seines schriftlichen Sachverständigengutachtens hinsichtlich eines vergleichbaren Falles umgehört habe. Ein ähnlich gelagerter Fall sei ihm dabei nicht untergekommen. Keiner seiner Kollegen habe ihm von einem solchen Fall berichtet.
50Eine gegenteilige rechtliche Bewertung des aufklärungspflichtigen Risikos ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus den vom Kläger zur Akte gereichten Zeitungsartikeln (Bl. 149 ff. d. A.). Während der Vorfall in einem D1 Krankenhaus eine andere Art der Verletzung – eine Zerquetschung durch einen Maschinenschaden anstelle eines Bruchs – zum Gegenstand hatte, ist in dem vor dem Landgericht Bonn verhandelten Vorfall in einer radiologischen Praxis die Konstitution des Patienten nicht mit der des Klägers vergleichbar, da der Patient – anders als der Kläger – adipös und halbseitig gelähmt war.
51Mangels Aufklärungspflicht über das Risiko einer Fraktur kann die Frage der hypothetischen Einwilligung § 630 h Abs. 2 S. 2 BGB dahinstehen. Ob sich der Kläger in einen echten Entscheidungskonflikt befunden hätte, bedarf daher keiner Entscheidung.
52b)
53Der Beklagten ist auch kein Fehler der Zeugin B2 bei der Lagerung des Klägers auf der MRT-Liege vorzuwerfen. Denn die Kammer ist nach den Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass die Polioerkrankung des Klägers im Jahr 1958 keinen Einfluss auf die Lagerung gehabt hätte, wenn die Zeugin B2 Kenntnis davon gehabt hätte. Der Kläger selbst hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, dass er selbst sich nicht so eingeschränkt gefühlt habe, dass er von sich aus auf seine Vorerkrankung hätte hinweisen müssen. Der Sachverständige beurteilte die körperliche Verfassung des Klägers anhand dessen persönlicher Schilderung als dergestalt, sodass der Arm auch nicht angebunden worden wäre. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn eine komplette Lähmung vorgelegen hätte. Im Fall des Klägers sei das aber nicht der Fall gewesen.
54Ob die Zeugin B2 explizit nach Kinderlähmung hätte fragen müssen – die Ausführungen des Sachverständigen sprechen dagegen – oder ob der Kläger diese Vorerkrankung von sich aus hätte angeben müssen, bedarf mangels Einflusses der Vorerkrankung auf den weiteren Untersuchungsverlauf keiner weitergehenden Erörterung.
55c)
56Der Beklagten ist auch kein Organisationsverschulden anzulasten. Denn die Kammer ist aufgrund der glaubhaften Aussagen des Zeugen C1 und der Zeugin B2 davon überzeugt, dass der Zeuge C1 ordnungsgemäß in die Bedienung der MRT-Liege eingewiesen worden ist. Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass dem Zeugen C1 sowohl die Funktion des MRT-Geräts bekannt gewesen ist als auch die Tatsache, dass die MRT-Liege anhält, wenn er auf den Knopf am Gerät drückt. Denn der Zeuge C1 hat ausgesagt, dass er bereits neun bis zehn Wochen bei der Beklagten als Praktikant tätig war. Das Herausfahren der MRT-Liege habe er auch schon seit Längerem machen dürfen. Die Zeugin B2 hat ausgesagt, dass der Zeuge C1 bereits einige Aufgaben eigenständig habe übernehmen dürfen. Sie habe ihn in die Bedienung eingewiesen, ihm die Funktionen der Knöpfe erklärt und wie die Liege angehalten werden kann.
57Anhaltspunkte, die Aussage des Zeugen C1 in Zweifel zu ziehen, bestehen nicht. Auch die Aussage der Zeugin B2 ist glaubhaft. Sie hat nachvollziehbar und widerspruchsfrei dargelegt, dass sie dem Zeugen C1 bereits einige Aufgaben zur eigenständigen Erledigung übertragen hat und ihn dazu vorher eingewiesen hat. Entlastungstendenzen sind ebenfalls nicht erkennbar.
58d)
59Der Beklagten ist jedoch ein grober Behandlungsfehler bei dem Herausfahren des Klägers aus dem MRT-Gerät nach Abschluss der Untersuchung anzulasten, da sich der Zeuge C1 trotz der Schreie und Rufe des Klägers vom MRT-Gerät entfernt hat, ohne zuvor das Herausfahren der MRT-Liege zu stoppen.
60Ein Behandlungsfehler ist als grob zu bewerten, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH NJW 2012, 227 Rn. 8, beck-online)
61Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe ist dem beweisbelasteten Kläger der Nachweis einer grob fehlerhaften Behandlung seitens des Zeugen C1 – dem Praktikanten der Beklagten – gelungen, dessen Fehlverhalten der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist.
62Die Kammer stützt sich hierbei auf die glaubhafte Aussage des Zeugen C1. Der Zeuge hat eingeräumt, dass der Kläger, unmittelbar nachdem er, der Zeuge, das Herausfahren der Liege vom Gerät aus gestartet hatte, angefangen habe „Hilfe und Aua, Aua“ zu schreien. Den Knopf zum Anhalten der Liege habe er nicht betätigt. Auf Nachfrage, warum er, der Zeuge, die Liege nicht angehalten habe, erklärte dieser, dass er Angst und Panik gehabt hätte. Er habe stattdessen sofort die Kollegen geholt, als der Kläger geschrien habe. Zu diesem Zweck sei er zur Tür gegangen, möglicherweise sogar aus dem Raum heraus.
63Anhaltspunkte, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen C1 in Zweifel zu ziehen, bestehen nicht. Vielmehr hat der Zeuge von sich aus unmittelbar sein Fehlverhalten eingeräumt. Belastungstendenzen des Zeugen, der zum Zeitpunkt des Vorfalls ein berufsvorbereitendes Praktikum am Praxisstandort der Beklagten absolvierte, sind der Aussage des Zeugen nicht zu entnehmen. Überdies stimmt die Aussage des Zeugen C1 mit den Angaben des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung überein.
64Die Kammer hat keinerlei Zweifel, hier einen groben Fehler anzunehmen. Die Bewertung der Kammer, der der Sachverständige beipflichtet, beruht maßgeblich darauf, dass der Kläger unmittelbar nachdem der Zeuge das Herausfahren der Liege gestartet hat, durch Schreie und Rufen auf sich aufmerksam gemacht hat. Gleichwohl hat der Zeuge weder versucht, sich durch einen Blick in die Röhre über das Geschehen zu informieren, noch hat er das Herausfahren der Liege gestoppt. Es ist elementares Grundwissen beim Umgang mit Maschinen, dass diese im Falle einer Gefahr zu stoppen sind. Auch wenn das MRT keinen separaten Notschalter hatte, war ein Knopf vorhanden, um die Liege zum Stoppen zu bringen. Es wäre ein Leichtes gewesen, den Schalter zu betätigen. Der Annahme eines groben Fehlers steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Zeugen um einen Berufspraktikanten gehandelt hat. Denn für die Bewertung eines Behandlungsfehlers sind nicht die Kenntnisse eines Praktikanten, sondern die einer standardgemäß ausgebildeten Fachkraft – hier einer MTRA – zugrunde zu legen (vgl. zum sog. Facharztstandard Frahm/Walter, a.a.O, Rn. 91). Das Verhalten, die Maschine zu stoppen, stellt sich der Kammer als so elementar dar, dass auch das Herbeiholen von Hilfe seitens des Zeugen C1 die Bewertung als bloßen „einfachen“ Fehler nicht zulässt.
653.
66Aufgrund des groben Behandlungsfehlers wird gemäß § 630 h Abs. 5 S. 1 BGB vermutet, dass die Handlungsweise des Zeugen C1 für die Primärverletzung des Klägers – die Humerusfraktur des linken Armes – ursächlich war, sodass für den Kläger eine Beweislastumkehr streitet.
67Die Beklagte trägt infolgedessen die Beweislast dafür, dass ein grober Behandlungsfehler des Zeugen C1 als Erfüllungsgehilfe nicht ursächlich für den Schaden geworden ist, mithin, dass der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang zwischen der Handlungsweise des Zeugen C1 und der Humerusfraktur des Klägers gänzlich oder äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. BGH NJW 2011, 3441, beck-online). Dies vermochte die Beklagte jedoch nicht zu beweisen. Nach Auffassung der Kammer ist nicht auszuschließen, dass der Kläger bei einem rechtzeitigen Anhalten der Liege aus der eingeklemmten Situation noch ohne Bruch hätte befreit werden können und damit die Fraktur verhindert worden wäre. Davon ist die Kammer aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen zu den MRT-Zwischenfällen aus der Studie aus dem Jahr 2019 sowie den eigenen Erkundigungen des Sachverständigen bei seinen Kollegen, die von einem vergleichbaren Fall nicht berichtet haben, überzeugt. Der vom Sachverständigen erörterten Studie waren lediglich Einquetschungen von Fingern und Rippen zu entnehmen, jedoch kein Bruch eines großen Knochens. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Ausführungen zur Aufklärungspflicht über Frakturen großer Knochen verwiesen.
684.
69Ein anspruchsminderndes Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB muss sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen. Denn die Beklagten sind für ein Mitverschulden des Klägers beweisfällig geblieben. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen die Kammer folgt, könne es durchaus sein, dass der Arm an der Innenseite des Gerätes, so wie es der Kläger beschrieben habe, „festgepappt“ sei, selbst wenn der Arm ruhig gelegen habe. Er, der Sachverständige, könne nicht ausschließen, dass es so gewesen sei, wie der Kläger es geschildert hat. Denn es sei möglich, dass ein Patient im Laufe der Untersuchung sich mehr entspannt, möglicherweise bis zum Einschlafen. Wenn die Muskeln sich insgesamt entspannen, dann werden auch die Arme nicht mehr so eng anliegen. Der Kläger selbst hat ausgeführt, dass er der Anweisung der Zeugin B2, stillzuliegen und die Arme am Körper zu halten, nachgekommen sei. Gegenteiliges vermochte die Beklagte nicht zu beweisen. Der Kläger hat auch zur Überzeugung der Kammer rechtzeitig auf sich aufmerksam gemacht. Der Zeuge C1 hat das Vorbringen des Klägers bestätigt, dass er unmittelbar, nachdem die Liege sich in Bewegung gesetzt hatte, durch Schreien und Rufe auf sich aufmerksam gemacht habe. Dass der Kläger in diesem Moment nach seinem eigenen Vorbringen nicht daran gedacht hatte, die Notfallklingel zu betätigen, führt zu keiner gegenteiligen rechtlichen Bewertung des Mitverschuldens. Denn maßgeblich ist nur, dass der Kläger rechtzeitig auf sich aufmerksam gemacht hat, sodass der Zeuge C1 das Verkeilen des Armes hätte erkennen können. Davon ist die Kammer überzeugt. Auf welche Weise der Kläger den Vorfall kenntlich gemacht hat, ist für die rechtliche Bewertung des Mitverschuldens ohne Bedeutung.
705.
71Dem Kläger ist in Folge des groben Behandlungsfehlers ein Schaden entstanden, sodass hinsichtlich des Schmerzensgeldantrages und der geltend gemachten materiellen Schäden sowie hinsichtlich der festgestellten Schadensersatzpflicht eine volle Haftung zugrunde gelegt werden kann.
72Im Übrigen ist der Rechtsstreit der Höhe nach nicht entscheidungsreif, da hinsichtlich der behaupteten physischen Beeinträchtigungen des Klägers, insbesondere zur Abgrenzung der aufgrund der Polioerkrankung bereits bestehenden Beeinträchtigungen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ist.
73II.
74Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.