Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung gestellten Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin ist ein Transport- und Logistikunternehmen.
3Die Beklagten waren Mitglieder des sogenannten Lkw-Kartells.
4Dieses Kartell wurde im Januar 1997 gegründet und erstreckte sich auf den gesamten EWR, bis es im Januar 2011 infolge unangekündigter Nachprüfungen der Kommission in den Geschäftsräumen verschiedener Lkw-Hersteller, u.a. auch bei den Beklagten, aufgedeckt wurde.
5Im Rahmen des Lkw-Kartells haben die Beklagten mit anderen Lkw-Herstellern ihre Bruttolistenpreise für mittelschwere (6 – 16 t) und schwere Lkw (über 16 t) abgesprochen und die mit der Einhaltung strengerer Emissionsvorschriften verbundenen Kosten in abgestimmter Weise an die Abnehmer von Lkw weitergereicht.
6Die Kommission hat dabei als Rechtsverstöße zum einen den Informationsaustausch der Hersteller über Bruttolistenpreise für mittelschwere und schwere Lkw im europäischen Wirtschaftsraum (EWR) festgestellt; als Bruttolistenpreis gilt dabei der Herstellerpreis ab Werk. Ferner kam es zum anderen zur Koordination der Zeitpläne für die Einführung der Emissionssenkungstechnologien für mittlere und schwere Lastkraftwagen in Reaktion auf die zunehmend strengeren europäischen Emissionsnormen (von Euro III- bis zur derzeitigen Euro VI-Emissionsklasse). Schließlich wurden der Informationsaustausch in Bezug auf die Weitergabe der Kosten für die Emissionssenkungstechnologien, deren Einführung zur Einhaltung der zunehmend strengeren europäischen Emissionsnormen (von Euro III- bis zur derzeit gültigen Euro VI-Emissionsklasse) erforderlich war, an die Kunden festgestellt.
7Zwischen 1997 und 2004 verliefen diese Gespräche und Informationsaustausche unter den Mitgliedern der höchsten Führungsebene der Konzerne. Die Absprachen wurden in dieser Zeit im Wesentlichen bei Zusammenkünften auf Handelsmessen und anderen branchenüblichen Veranstaltungen getroffen.
8Die als sogenannte Whistleblowerin fungierende und eine Selbstanzeige veranlassende MAN, ferner Volvo / Renault, Daimler, Iveco und E räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten im Verfahren vor der Kommission einem Vergleich zu. Wegen dieser Rechtsverletzungen verhängte die Kommission nach Abschluss ihrer Ermittlungen Bußgeldbescheide in Höhe einer Gesamtgeldbuße von knapp 3 Mrd. Euro. Diese Bußgeldbescheide wurden rechtskräftig.
9Die Klägerin will in den Jahren 2004-2010 insgesamt 13 LKW der Marke E von Vertragshändlern der Beklagten zu einem Gesamtpreis von 1.246.630,- € erworben haben.
10Die Klägerin geht nunmehr gegen die beiden Beklagten im Wege der Feststellungsklage vor mit dem Ziel, deren grundsätzliche Ersatzpflicht feststellen zu lassen. Sie trägt vor, den exakten Schaden noch nicht beziffern zu können, meint aber aus Verjährungsgründen bereits jetzt Feststellungsklage erheben zu dürfen.
11Sie behauptet ferner, dass von einem 15 %igen Schaden, gemessen am Bruttolistenpreis, auszugehen sei. Dieser sei bei ihr als Endabnehmerin eingetreten, wobei der Schadensersatzanspruch auch dann von ihr geltend gemacht werden könne, wenn sie nicht unmittelbare Kunde der Beklagten gewesen sei.
12Nach Klarstellung ihres Antrags zu 1.) im Rahmen der mündlichen Verhandlung, gepaart mit Teilrücknahme bezüglich des LKW mit VIN: ################# beantragt die Klägerin nunmehr
131)
14Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin als Gesamtschuldner sämtliche Schäden zu ersetzen haben, die der Klägerin aus folgenden Erwerbsvorgängen entstanden sind:
15 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 83.800,00 €,
16 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 95.000,00 €,
17 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 92.000,00 €,
18 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 95.000,00 €,
19 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 85.500,00 €,
20 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 85.500,00 €,
21 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 110.515,00 €,
22 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 110.515,00 €,
23 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 103.400,00 €,
24 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 103.400,00 €,
25 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 98.500,00 €,
26 E Typ #########, VIN: ################# zu einem Kaufpreis von 98.500,00 €.
272) Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten der Rechtsanwälte C, I2 & Kollegen, F-Straße, H in Höhe von 2.305,40 Euro freizustellen.
28Die Beklagten beantragen,
29die Klage abzuweisen.
30Die Beklagten sind zunächst der Auffassung, dass die Feststellungsklage auf Grund des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig sei.
31Sie bestreiten mit Nichtwissen, dass die durch die Klägerin behaupteten Kaufverträge überhaupt mit den von der Klägerin benannten Händlern abgeschlossen worden und vollständig bezahlt worden sind.
32Der klägerische Vortrag sei zudem unschlüssig. Die Klägerin habe ihre Kartellbetroffenheit nicht substantiiert dargelegt, dies insbesondere deshalb nicht, weil es sich vorliegend um einen Fall mittelbaren Erwerbs handele, da die Klägerin von einem nicht gesellschaftsrechtlich mit den Beklagten verbundenen Vertragshändler erworben habe.
33Die Beklagten bestreiten weiter, dass ein Preisaufschlag vorliege; sie führen insbesondere aus, dass der durch die Klägerin behauptete pauschale Aufschlag von 15 % unhaltbar sei.
34Es fehle ohnehin an der Darlegung eines kausalen Schadens, da die Kommissionsentscheidung keine Angaben über die Auswirkungen des bebußten Verhaltens mache. Zudem seien die vom Endkunden gezahlten Preise auch völlig losgelöst von den bebußten Verhaltensweisen, da ein Lkw oft als Teil eines größeren Pakets von Gütern und Serviceleistungen verkauft oder gar geleast werde, weshalb der Preis im Einzelfall im Wesentlichen davon abhänge, ob der Kunde möglicherweise gleichzeitig mit dem Kauf einen Wartungsvertrag oder ähnliches abschließt.
35Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze wie auf die Anlagen Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe
37A)
38Die Klage ist zulässig.
391)
40Die internationale Zuständigkeit für die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) folgt unproblematisch aus Art. 7 Ziff. 2 Brüssel Ia VO und wurde durch die Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.
412)
42Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen nicht, da die Klägerin schon im Hinblick auf den dadurch bewirkten Schutz vor Verjährung im Umfang des gesamten Schadens ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht hat. Der Grundsatz, wonach das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO regelmäßig dann fehlt, wenn der Kläger eine entsprechende Leistungsklage erheben kann, erfährt im Rahmen von Kartellschadensersatzklagen - ähnlich wie im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht - eine Einschränkung. Dort wie hier gilt, dass das rechtliche Interesse für eine Feststellungsklage in der Regel nicht bereits dadurch entfällt, dass der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen kann (vgl. BGH I ZR 277/00 Rn 17 - Juris). Seinen Grund findet dies in prozessökonomischen Erwägungen, die eine Feststellungsklage trotz an sich möglicher Leistungsklage meist – und auch im vorliegenden Fall - vorzugswürdig erscheinen lassen. Denn in den genannten Rechtsbereichen - wie auch hier - bereitet die Begründung des Schadensersatzanspruchs selbst nach erteilter Auskunft Schwierigkeiten und erfordert eine eingehende Sachprüfung zur Berechnungsmethode des Schadens (BGH aaO; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., 256 Rn 12; weitergehend sogar Musielak-Foerste, ZPO 10. Aufl. § 256 Rn 12). Dies hat somit gerade im Bereich von Kartellschadensersatzklagen seine Berechtigung, da hier typischerweise die Ermittlung der Schadenshöhe beträchtlichen Aufwand erfordert und eine erhebliche Unsicherheit mit sich bringt, weshalb die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Schadensersatzfeststellungsklage nicht überspannt werden dürfen. Denn die Bestimmung des für die Schadenshöhe maßgebenden wettbewerbsanalogen Preises ist vor allem in Fällen, in denen womöglich über Jahrzehnte hinweg annähernd flächendeckend ein Kartellpreisniveau durchgesetzt wurde, ein komplexes Unterfangen (ständige Rspr der Kammer, vgl. 8 O 90/14 Kart = WuW 2017, 98 = NZKart 2017, 86 mit zust. Anm. Thiede sowie 8 O 25/16 Kart = NZKart 2017, 440 = WuW 2017, 569)
43Wegen der geschilderten Unsicherheit betreffend der Auswirkungen des Kartells auf die Marktpreise kann auch die Erhebung einer unbezifferten Leistungsklage unter Angabe eines Mindestbetrages oder von Schätzungsgrundlagen keinen einfacheren und zumindest gleich effektiven Weg zur Erreichung des klägerischen Rechtsschutzzieles darstellen (vgl. auch BGH II ZR 87/13 Rn 8 – juris) und zwar selbst dann nicht, wenn die Schadensentwicklung abgeschlossen ist und dem Gericht nach § 287 ZPO die Schätzung eines Mindestschadens möglich wäre (OLG Karlsruhe 6 U 204/15 Grauzement - Juris). Eine solche wäre mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet, da eine Schadensschätzung durch das Gericht dann unzulässig ist, wenn sie mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen in der Luft hinge (statt aller BGH I ZB 109/14 Rn 30 – juris; Kammer a.a.O.).
44Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass vor dem Hintergrund der Effektivität der Kartellrechtsdurchsetzung es gerade auch Verbrauchern sowie kleinen und mittleren Unternehmen möglich sein muss, angesichts einer – sogar durch die Beklagtenseite S. 5 des Schriftsatzes vom 18.06.18 zugestandene - Fülle von rechtlichen Problemen zum Haftungsgrund eine entsprechende Klärung unter Hemmung der Verjährung herbeizuführen, ohne zunächst kostenträchtige Gutachten zur Substantiierung eines Mindestschadens vorzulegen, zumal die erstinstanzliche Rechtsprechung selber in jüngerer Zeit angesichts vieler offener, weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärter Rechtsfragen auch im Rahmen bezifferten Leistungsklagen zunächst Grundurteile erlassen hat, die aber ihrerseits letztlich keinen weiteren Rechtschutz gewähren als ein Feststellungsurteil, so dass ein Unterschied im Hinblick auf die Einfachheit und Effektivität des Rechtsschutzes auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erkennbar ist.
453.
46Gegen die Bestimmtheit des Klageantrages i.S.v. § 253 ZPO bestehen nach der Konkretisierung des Antrages in der mündlichen Verhandlung ebenfalls keine Bedenken mehr.
47Damit ist die Klage insgesamt zulässig.
48B)
49Die Klage ist aber unbegründet.
50Die Klägerin hat trotz des Bestreitens der Beklagten die einzelnen LKW-Käufe weder dargelegt noch unter Beweis gestellt.
51Sie hat samt und sonders allein Nachweise für Mietkaufverträge vorgelegt, aus denen nicht die jeweiligen Vertragspartner des einzelnen Kaufvertrages und bisweilen – z.B. im Hinblick auf Anlage K2 – nicht einmal das gekaufte Gut selber ersichtlich waren.
52Die Kammer hat darauf ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hingewiesen (S. 2 des Protokolls = Bl. 144 d.A.). Sie hat zudem mit Beschluss vom Tage der mündlichen Verhandlung (dem 18.04.18) der Klägerin explizit aufgegeben, binnen 4 Wochen nach Zugang des Beschlusses näher zu den einzelnen Erwerbsvorgängen vorzutragen. Dieser Beschluss ging der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses Bl. 152 d.A. sowie der Angabe der Klägerin aus ihrem Schriftsatz vom 25.05.18 am 02.05.18 zu. Mit Verfügung vom 28.05.18 wurde der Klägerin diese Frist auf ihren Antrag hin um weitere 4 Wochen verlängert; diese Verfügung ist der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 03.05.18 (Bl. 155 d.A.) aus zugegangen.
53Ein weiterer Vortrag diesbezüglich erfolgte jedoch innerhalb dieser Frist nicht mehr.
54Damit hat die Klägerin aber bereits nicht schlüssig ihren Schadensersatzanspruch vorgetragen, da als Mindestvoraussetzung dafür die schlüssige und – im Bestreitensfalle – unter Beweis gestellte Darlegung der Erwerbsvorgänge im Kartellzeitraum erforderlich ist. Dazu wäre aber zumindest die Darlegung der einzelnen Kaufverträge nach Datum, Kaufgegenstand und Vertragspartner nötig, da sonst nicht feststellbar ist, dass die Erwerbsvorgänge im Kartellzeitraum stattfanden und diese auch nicht in die verschiedenen Geschehnisse des Kartellzeitraums, die gerade auch bei LKW-Kartell unterschiedlich gestaltet sind, eingeordnet werden können.
55Zudem ist ohne einen solchen Vortrag eine Klage für die Gegenseite auch nicht einlassungsfähig, da sie dann nicht die Möglichkeit hat, ihrerseits zu den relevanten Fragen von Kartellbetroffenheit und Schadenseintritt in substantiierter Weise Stellung zu nehmen.
56Daher war die Klage abzuweisen.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und bezüglich der teilweisen Klagerücknahme auf § 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.