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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 27.11.2015 – Az. 20 C 33/15 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft E-Straße der Eigentümerversammlung vom 18.06.2015 unter Tagesordnungspunkt 2 (Verwalterbestellung und Abschluss eines Verwaltervertrages) und Tagesordnungspunkt 3 (Beschlussfassung zur Änderung eines Kostenverteilerschlüssels) werden für unwirksam erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2I.
3Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
4II.
5Die zulässige Berufung ist begründet. Die zulässige Beschlussanfechtungsklage der Klägerin ist begründet.
6Die angefochtenen Beschlüsse unter Tagesordnungspunkt 2 und 3 der Wohnungseigentümerversammlung vom 18.06.2015 entsprechen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG.
71.
8Die Berufung ist in Bezug auf die Anfechtung des Beschlusses unter Tagesordnungspunkt 2 der Eigentümerversammlung vom 18.06.2015, in dem die Bestellung des Herrn C zum Verwalter beschlossen worden ist, begründet. Der angefochtene Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG. Die Wohnungseigentümer haben das ihnen zustehende (weite) Ermessen zur Beschlussfassung gem. § 21 Abs. 4 WEG nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
9a)
10Die Kammer darf die Entscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft nur auf Ermessensfehler überprüfen und keine eigenen Ermessenserwägungen anstellen. Die alleinige Überprüfung auf Ermessensfehler ist zur Wahrung der rechtlichen Interessen aller Wohnungseigentümer notwendig, um das umfassende Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft zu wahren (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rn. 30; LG Berlin, Urteil v. 01.11.2013, Az. 55 S 184/11; LG Dortmund).
11b)
12Der Beschluss unter Tagesordnungspunkt 2 zur Wahl des Herrn C zum Verwalter und Abschluss eines Verwaltervertrages widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG. Ausweislich der Protokolle der Eigentümerversammlung vom 18.06.2015 und vom 30.12.2014 lag keine ausreichende Anzahl von Alternativangeboten für die Bestellung eines Verwalters vor. Für die Vergabe von Aufträgen größerer Art müssen mindestens drei Vergleichsangebote eingeholt werden, weil die Entscheidung der Gemeinschaft nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, wenn sie auf einer hinreichend fundierten Tatsachengrundlage beruht (LG Dortmund, 1 S 416/15; 1 S 308/15, 1 S 221/12, 1 S 445/14; LG Frankfurt a. M. ZWE 2015, 319 ff; BGH V ZR 96/10) und diese nach ständiger Rechtsprechung der Kammer i. d. R. nur bei mindestens drei Vergleichsangeboten gegeben ist.
13(1)
14Die Eigentümergemeinschaft kann sich nicht darauf berufen, dass der Verwalter C bereits vor der Eigentümerversammlung am 18.06.2015 durch die Beschlüsse vom 30.12.2014 und 11.02.2015 zum Verwalter bestellt worden sei und deswegen keine Neuwahl eines Verwalters, sondern eine Wiederwahl eines Verwalters gegeben sei, bei der (aufgrund des Vertrauensverhältnisses der Wohnungseigentümer zu dem Verwalter) auf die Einholung von Vergleichsangeboten verzichtet werden kann (BGH, Urteil v. 01.04.2011, Az.: V ZR 96/10). Eine derartige Argumentation liefe im konkreten Fall auf eine Umgehung der vorstehend dargelegten Voraussetzungen hinaus.
15Herr C ist niemals Verwalter der Eigentümergemeinschaft gewesen. Dadurch, dass das Amtsgericht Bottrop (Urteil v. 02.06.2015, Az.: 20 C 10/15 und 20 C 14/15) die Beschlüsse über die Bestellung des Herrn C vom 30.12.2014 bzw. 11.02.2015 – unstreitig – für unwirksam erklärt hat, ist das Verwalteramt des Herrn C rückwirkend entfallen (Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 24 Rn. 3).
16Hinzu kommt, dass mit einem Wiederwahlbeschluss der Gemeinschaft eine zunächst ungültige Wahl ohne ausreichende Anzahl von Verwalterangeboten nicht geheilt werden kann, weil dies zu einer Umgehung der Voraussetzung zur Einholung von Vergleichsangeboten führen würde (LG Dortmund u. a. 1 S 308/15 und 416/15).
17(2)
18Darüber hinaus ist im konkreten Fall die Einholung von Vergleichsangeboten auch bei einer angenommenen Wiederwahl des Herrn C als Verwalter notwendig, weil die angebotenen Leistungen des gewählten Verwalters von anderen Verwaltern spürbar günstiger angeboten werden (Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 26 Rn. 38). Die Behauptung der Klägerin, dass andere Verwaltungen die Dienste für die Hälfte des mit Herrn C vereinbarten Entgeltes zu verrichten bereit gewesen seien, haben die Beklagten nicht bestritten. Sie bemängeln lediglich, dass die Klägerin die von ihr eingeholten Angebote nicht den anderen Wohnungseigentümern vorgelegt habe.
19(3)
20Die Behauptung der Beklagten, dass sie konkrete Vergleichsangebote vorgelegt hätten, ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
21Die Klägerin verweist zu Recht darauf, dass das Amtsgericht die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Übersendens von Alternativangeboten verkannt hat.
22Die Klägerin behauptet, keine anderweitigen Angebote erhalten zu haben, während die Beklagten behaupten, dass sie der Klägerin solche anderweitigen Angebote vorgelegt haben und diese der Klägerin zugegangen seien. Die Beklagten haben indes nicht dargelegt, hätten aber aufgrund einer sie treffenden sekundären Darlegungslast darlegen müssen, welche konkreten Angebote sie eingeholt haben, zu welchen Konditionen Verwalterverträge hätten abgeschlossen werden können und die übrigen Anbieter zur Übernahme der Verwaltungstätigkeit bereit gewesen seien. Die Beklagten haben darüber hinaus keinen Beweis für die streitige Tatsache angeboten, dass die Beklagten die Angebote der übrigen Verwalter der Klägerin vor den jeweiligen Eigentümerversammlungen zur Prüfung zur Verfügung gestellt haben und der Klägerin zugegangen sind.
23(4)
24Die Bestellung des Herrn C stellt – unabhängig von dem Vertrauensverhältnis zum Verwalter, welches allein aus diesem Grund die Einholung von Vergleichsangeboten gebietet – auch einen Auftrag größerer Art dar, weil die Maßnahme ein erhebliches finanzielles Gewicht aufweist. Der von der Kammer angesetzte Maßstab von ca. 5.000,00 € ist unter Berücksichtigung der vereinbarten Zusatzhonorare des Verwalters deutlich überschritten (LG Dortmund 1 S 445/14), weil der Abschluss des Verwaltervertrags ausweislich des Entwurfs ursprünglich nicht nur für ein Jahr vorgesehen gewesen ist.
25Ohne Berücksichtigung des Entwurfs des ursprünglichen Vertrags, dessen finanzielles Gewicht insgesamt die Grenze von 5.000,00 € übersteigt, käme es zu einer Umgehung der Voraussetzungen zur ordnungsmäßigen Beschlussfassung über eine Verwalterbestellung; nämlich immer dann, wenn die Erstbestellung sich nur auf ein Jahr mit einem Gebührenvolumen von deutlich unter 5.000,00 € bezieht, deshalb auf Vergleichsangebote verzichtet wurde, und im Folgejahr sodann eine Wiederbestellung (ggf. über mehrere Jahre) beschlossen wird.
26c)
27Der Beschluss unter Tagesordnungspunkt 2 zur Wahl des Herrn C widerspricht auch aus einem weiteren Grund ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG. In dem der Bestellung zugrundeliegenden und nach Beschlussfassung abzuschließenden Verwaltervertrag sind Sondervergütungen auch für Tätigkeiten vorgesehen, die im Rahmen der dem Verwalter vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse liegen und zum typischen Berufsbild eines Verwalters gehören und damit schon mit der monatlichen Vergütung abgegolten sind (Bärmann/Merle, WEG, 12. Aufl., § 26 Rn. 159 ff).
28(1)
29Die hier streitigen Sondervergütungen, die in dem Verwaltervertrag erfasst sind, gehören im Regelfall zu den typischen Aufgaben des Verwalters, die durch das allgemeine Honorar abgegolten werden. Dazu gehören:
30Die Betreuung von Instandsetzungsmaßnahmen, die unter 5.5 des Verwaltervertrages gesondert vergütet wird (Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 26 Rn. 164, m. w. N.), weil eine Instandsetzungsmaßnahme, deren Volumen über 5.000,00 € liegt, nicht zugleich eine aufwändige Bauüberwachung darstellen muss (Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 26 Rn. 164).
Die Unterrichtung der Wohnungseigentümer über Rechtsstreitigkeiten, die in Punkt 5.6 gesondert vergütet wird (Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 26 Rn. 164 m. w. N.)
Die Anforderungen von Zahlungen, § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG, die unter Punkt 5.10 des Verwaltervertrages gesondert vergütet wird (Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rn. 193)
Die Vergütung für den Mehraufwand wegen eines Eigentümerwechsels (Punkt 5.13). Ein Eigentümerwechsel ist für den Verwalter zwar mit einem gewissen formalen Aufwand verbunden, stellt aber dennoch ein typisches Ereignis dar, das mit dem vereinbarten Honorar abgegolten ist. Es ist typischerweise Aufgabe des Verwalters, neue Eigentümer über die Beschlusslage der Gemeinschaft zu informieren, weil dies für die ordnungsgemäße Durchführung der Beschlüsse der Gemeinschaft unerlässlich ist (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Das Einpflegen der Namen der neuen Eigentümer ist für die Erstellung der Abrechnungen, der Einladungen zur Eigentümerversammlung oder das Anfordern von Hausgeldern notwendig (vgl. §§ 24, 27 WEG).
(2)
36Dies führt zur Anfechtbarkeit des Beschlusses unter Tagesordnungspunkt 2, und nicht lediglich zur Streichung einer nicht angemessenen Sondervergütung, da die Gemeinschaft den Abschluss des Verwaltervertrages wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung insgesamt nicht hätte beschließen dürfen.
37(3)
38Etwas anderes gilt, wenn im Verwaltervertrag etwas anderes vereinbart ist (Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 26 Rn. 164).
39Dies kann indes nur gelten, wenn der abgeschlossene Verwaltervertrag mangels Anfechtung des zugrundeliegenden Beschlusses bestandskräftig und damit zur Anspruchsgrundlage für die Verwaltervergütung geworden ist. Denn der Beschluss über den Abschluss eines Verwaltervertrages ist auf Anfechtung durch das Gericht für ungültig zu erklären, wenn die dort vereinbarte Vergütung ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht (Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 26 Rn. 155).
40Anderenfalls käme es zu Wertungswidersprüchen, wenn nur der direkte Beschluss einer Sondervergütung der Überprüfung auf ordnungsmäßige Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG unterläge, nicht hingegen der Beschluss über den Abschluss eines Verwaltervertrages, weil die Gemeinschaft in beiden Fällen mit Kosten belastet würde, deren Erhebung gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstößt. Aus der Rechtsprechung (OLG München, ZMR 2009, 64; AG Saarbrücken, 1 WEG C 7/08) geht insbesondere hervor, dass ein angefochtener Beschluss über den Abschluss eines Verwaltervertrages der Inhaltskontrolle des Gerichts in Bezug auf die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung unterliegt.
412.
42Die Berufung ist in Bezug auf die Anfechtung des Beschlusses unter Tagesordnungspunkt 3 der Eigentümerversammlung vom 18.06.2015, in dem die Gemeinschaft die Änderung der Kostenverteilerschlüssel für eigentümerbezogene Individualkosten aus dem Verwaltervertrag beschlossen hat, begründet.
43Der angefochtene Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG, da der Beschluss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen widerspricht. Die Wohnungseigentümer haben das ihnen zustehende weite Ermessen zur Beschlussfassung gem. § 21 Abs. 4 WEG nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
44Unabhängig davon, dass es sich bei den unter den Punkten 5.10 – 5.14 des Verwaltervertrages teilweise um bereits unzulässige Sondervergütungen handelt, die für eine Tätigkeit des Verwalters erbracht werden, die im Rahmen der dem Verwalter vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse liegen und zum typischen Berufsbild eines Verwalters gehören und weiter, ob eine etwaige Teilanfechtbarkeit der Sondervergütungen gem. § 139 BGB eine umfassende Anfechtbarkeit des Beschlusses unter Tagesordnungspunkt 3 nach sich ziehen würde, handelt es sich bei dem Beschluss unter Tagesordnungspunkt 3 ausweislich des Wortlauts um einen Annex zu dem Tagesordnungspunkt 2. Der Beschluss unter Tagesordnungspunkt 3 bezieht sich vollumfänglich auf den Verwaltervertrag, dessen Abschluss die Eigentümergemeinschaft unter dem Tagesordnungspunkt 2 beschlossen hat. Da dieser Beschluss aus den Gründen unter 1. durch die Kammer für ungültig zu erklären ist, fehlt dem Beschluss unter Tagesordnungspunkt 3 jegliche Grundlage, sodass dieser bereits deswegen ebenfalls für ungültig zu erklären ist.
45III.
46Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.