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Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines
vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von
500.000,00 DM, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu
einer Dauer von 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu
6 Monaten, zu verhängen gegen den gesetzlichen
Vertreter der Beklagten, zu unterlassen, die folgende
oder dieser inhaltsgleiche Klauseln in Bezug auf
Geschäftsverbindungen zu verwenden, soweit diese
nicht mit einem Kaufmann im Rahmen seines Handels-
gewerbes abgeschlossen werden:
„Gebühr für Nachlassbearbeitung EURO (hier ein Betrag) AW = DM"
in der Form des im Folgenden angefügten Kontoauszugs
vom 07.05.1999 zur Kontonummer ###########.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten aufer-
legt, jedoch außer den Kosten, die durch die
Anrufung des unzuständigen Landgerichts Düsseldorf
entstanden sind. Diese trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 22.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger ist ein Verein i .S.d. § 13 Abs. 2 Satz 1 AGBG,
3zu dessen Aufgabe es gehört, die Rechte der Verbraucher
4wahrzunehmen.
5Die Beklagte betreibt ein Kreditinstitut. In ihren Allge-
6meinen Geschäftsbedingungen ist unter der Rubrik "Kosten
7der Bankdienstleistungen" in Ziff. 12 (Zinsen, Entgelte
8und Auslagen) Folgendes geregelt:
9"(1) Zinsen und Entgelte im Privatkundengeschäft
10Die Höhe der Zinsen und Entgelte für die im Privatkunden-
11geschäft üblichen Kredite und Leistungen ergibt sich aus
12dem 'Preisaushang - Regelsätze im standardisierten Pri-
13vatkundengeschäft' und ergänzend aus dem 'Preis- und Lei-
14stungsverzeichnis' . - Wenn ein Kunde einen dort aufge-
15führten Kredit oder eine dort aufgeführte Leistung in An-
16spruch nimmt und dabei keine abweichende Vereinbarung ge-
17troffen wurde, gelten die zu diesem Zeitpunkt im Preis-
18aushang oder Preis- und Leistungsverzeichnis angegebenen
19Zinsen und Entgelte. Für die darin nicht aufgeführten
20Leistungen, die im Auftrag des Kunden oder in dessen mut-
21maßlichem Interesse erbracht werden und die, nach den Um-
22ständen zu urteilen, nur gegen eine Vergütung zu erwarten
23sind, kann die Bank die Höhe der Entgelte nach billigem
24Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches) bestim-
25men . "
26Bei der Beklagten existiert ein sog. "internes Preisver-
27zeichnis" und als Buch gebundene, nur für den internen
28Gebrauch bestimmte "Richtlinien für die Eröffnung und
29Führung von Konten und Depots".
30Bzgl. der Entgeltberechnung für die Abwicklung von Nach-
31lässen ist in dem "internen Preisverzeichnis" Folgendes
32ausgeführt:
33"Behandlung von Nachlässen; Konto ########
34je nach Umfang der Arbeit und bis zu TDM 100
35nach Wert des Nachlasses Richtwert 2 %o".
36In den nur für den internen Gebrauch vorgesehenen Richt-
37linien ist Folgendes zu diesem Thema ausgeführt:
38"Für die Abwicklung des Nachlasses erhebt die Bank ein
39Entgelt, Anhaltspunkte für die Höhe des Entgeltes ergeben
40sich aus dem Konditionenverzeichnis. Entgelte der Kredit-
41institute sind in der letzten Zeit kritisch diskutiert
42worden. Bei Entgelten zur Abwicklung von Nachlässen wird
43unter anderem eingewandt, die Bank sei gesetzlich ver-
44pflichtet, die Meldung an das Finanzamt vorzunehmen und
45dürfe dafür kein Entgelt berechnen. Um diese Diskussion
46nicht zu verschärfen, sollte diese Tätigkeit bei dem
47Nachweis der Höhe des Entgeltes außer Acht gelassen wer-
48den.
49Beanstandet ein Kunde das Pauschalentgelt, so muss die
50Bank im Einzelnen darlegen, wie sie die Höhe des Entgel-
51tes berechnet hat. Die Bank darf dieses Entgelt nach
52Nr. 12 Abs. 1 letzter Satz der Allgemeinen Geschäftsbe-
53dingungen einseitig festlegen. Da die Regelung auf § 315
54BGB verweist, muss das Entgelt dem billigen Ermessen, al-
55so im Zweifel dem Arbeitsaufwand entsprechen. Es ist des-
56halb einer Aufschlüsselung des Entgeltes nach Arbeitsauf-
57wand (Zeitaufwand der Mitarbeiter/Stundensatz; Pauschale
58für Verwaltungskosten, Einschaltung der ZRA in schwieri-
59gen Fällen, dauernde Überwachung der Konten, Schließung
60und Abrechnung der Konten, Legitimationsprüfung bei Er-
61ben, Prüfung der Nachlassunterlagen, Beratung der Er-
62ben/Bevollmächtigten, Zinsabschlagsteuer usw.) vorzuneh-
63men . "
64Die Beklagte berechnet gegenüber den Erben ihrer Kunden
65wiederkehrend ein Entgelt für die Nachlassbearbeitung.
66In einem Nachlassfall (E) stellte die Fi-
67liale Q der Beklagten in dem dem Urteil in Kopie
68angefügten Kontoauszug vom 07.05.1999 zu Konto-Nr.
69########### u.a. eine Gebühr für die Nachlassbearbeitung
70in Rechnung, und zwar mit folgenden Ausführungen;
71"900/51
72Gebühr Nachlassbearbeitung
73EURO 86,72. AW= DM 22.04 169,61"
74Der Kläger hält ein derartiges Vorgehen für unzulässig.
75Er behauptet:
76In dem Nachlassfall Dahms habe die Beklagte die Gebühr
77nur für die Finanzamtsmeldung gemäß § 33 Erbschaftssteu-
78ergesetz erhoben. Über diese Meldung und gebührenfreie
79oder anders abgegoltene Geschäftsvorgänge, wie Überwei-
80sung oder Kontoauflösung, hinaus habe sie keinerlei Tä-
81tigkeit entwickelt.
82Der Kläger ist der Ansicht, bzgl. der Bearbeitung von
83Nachlässen verwende die Beklagte Allgemeine Geschäftsbe-
84dingungen in der Form, dass sie diese quasi "im Kopf ge-
85speichert habe"'. Insoweit sei eine Überprüfung nach dem
86AGB-Gesetz möglich. Eine Gebührenerhebung aufgrund derar-
87tiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen sei unzulässig, da
88die Beklagte die Gebühr zum einen für die Erfüllung einer
89eigenen, ihr gesetzlich obliegenden Verpflichtung erhebe
90und zum anderen nicht inhaltlich differenziere.
91Der Kläger beantragt,
92wie erkannt.
93Die Beklagte beantragt,
94die Klage abzuweisen.
95Sie behauptet:
96Die für die Kontoführung in Nachlassfällen zuständigen
97Mitarbeiter seien darüber unterrichtet, dass die in Nach-
98lassfällen gesetzlich angeordneten Meldungen an das Fi-
99nanzamt nicht als Grundlage für die Berechnung des Ent-
100geltes genommen werden dürfen. Ihre Mitarbeiter seien
101darüber unterrichtet worden, dass sie in jedem Einzelfall
102darlegen müssen, wie sie die Höhe des Entgeltes berechnet
103haben. Es sei deshalb eine Aufschlüsselung des Entgeltes
104nach Arbeitsaufwand (z.B. Zeitaufwand der Mitarbeiter/
105Stundensatz, Pauschale für Verwaltungskosten, Einschal-
106tung der zentralen Rechtsabteilung in schwierigen, strei-
107tigen Fällen, dauernde Überwachung der Konten, Ermittlung
108der Erben, Bearbeitung von Anfragen bei Reklamationen,
109insbesondere bei Daueraufträgen, Lastschriften, Beerdi-
110gungskosten und Entzug von Vollmachten, Prüfung und Bear-
111beitung der Verträge zugunsten Dritter) vorzunehmen.
112Die Beklagte ist der Ansicht, Prüfungsmaßstab für die Be-
113rechtigung von Gebühren für Nachlassbearbeitungen sei le-
114diglich die Regelung in Ziff. 12 Abs. 1 Satz 3 ihrer All-
115gemeinen Geschäftsbedingungen, da diese Regelung Rechts-
116grund für die Gebührenerhebung sei. Diese Bestimmung ih-
117rer Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei nicht zu bean-
118standen, da sie den Vorgaben des § 315 BGB genüge. Die
119Regelung sei nach § 8 AGBG nicht kontrollfähig. Vielmehr
120sei nur bei einzelnen Kunden eine Überprüfung im Rahmen
121des § 315 BGB möglich.
122Aufgrund der Unüberschaubarkeit des anfallenden Dienst-
123leistungsbedarfs im heutigen Massenverkehr könne sie
124nicht alle von ihr zu erbringenden Leistungen absehen.
125Ihr müsse daher die Möglichkeit freigehalten werden, für
126nicht von ihr erfasste Dienstleistungen Entgelt zu ver-
127langen.
128Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstan-
129des wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze
130der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsproto-
131koll vom 16.03.2001 (Bl. 107 - 110 d.A.) verwiesen.
132Entscheidungsgründe
133Die Klage hat Erfolg.
134I.
135Die Beklagte hat es gemäß den §§ 9, 13, 17 Nr. 3 AGBG zu
136unterlassen, die folgende oder dieser inhaltsgleiche
137Klauseln in Bezug auf Geschäftsverbindungen zu verwenden,
138soweit diese nicht mit einem Kaufmann im Rahmen seines
139Handelsgewerbes abgeschlossen werden:
140"Gebühr für Nachlassbearbeitung EURO (hier ein Betrag)
141AW = DM
142in der Form des dem Tenor angefügten Kontoauszuges
143vom 07.05.1999 zu Kontonummer #########."
1441.
145Bei der von der Beklagten erhobenen Gebühr für Nachlass-
146bearbeitung handelt es sich um eine aufgrund von Allge-
147meinen Geschäftsbedingungen der Beklagten erhobene Ge-
148bühr. Diese Gebühr wird - entgegen der Ansicht der Be-
149klagten - nicht aufgrund der Regelung in § 12 Abs. 1
150Satz 3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhoben,
151sondern aufgrund "im Kopf gespeicherter Allgemeiner Ge-
152schäftsbedingungen" . Dies ergibt sich insbesondere aus
153den diesbzgl. Ausführungen in dem "internen Preisver-
154zeichnis" und in den nur für den internen Gebrauch be-
155stimmten Kontoführungsrichtlinien. Insbesondere in Letz-
156teren heißt es eindeutig:
157"Für die Abwicklung des Nachlasses erhebt die Bank ein
158Entgelt". Damit wird klar, dass die Beklagte für die Be-
159arbeitung bzw. Abwicklung eines Nachlasses grundsätzlich
160Gebühren erhebt, und zwar weil sie dies ihren Mitarbei-
161tern zumindest durch das "interne Preisverzeichnis" und
162durch die nur für den internen Gebrauch bestimmten Richt-
163linien vorgibt. Für ihre Mitarbeiter sind damit die Ge-
164bühren für die Bearbeitung bzw. die Abwicklung von Nach-
165lässen "im Kopf gespeichert". Soweit die Beklagte darauf
166abhebt, dass Rechtsgrund letztlich die Regelung in § 12
167Abs. 1 Satz 3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei,
168da sie aufgrund der Unüberschaubarkeit des anfallenden
169Dienstleistungsbedarfs nicht alle von ihr zu erbringenden
170Leistungen absehen könne, so trifft dieser Einwand er-
171sichtlich nicht zu.
172Die Nachlassbearbeitung bzw. -abwicklung ist sowohl in
173ihren Richtlinien als auch in ihrem "internen Preisver-
174zeichnis" typisiert erfasst. In Letzterem ist zudem gere-
175gelt, dass eine Gebühr für eine derartige Tätigkeit auch
176erhoben wird. Durch die Anweisungen in den beiden genann-
177ten internen Regelungen ist die Gebühr für die Nachlass-
178bearbeitung/-abwicklung bei den Mitarbeitern "im Kopf ge-
179speichert" .
1802.
181Die Gebühr wird zudem i. S.d. § 8 AGBG aufgrund von Be-
182stimmungen erhoben, die von Rechtsvorschriften abweichen
183bzw. diese ergänzen, wobei dahinstehen kann, ob die Be-
184klagte die Gebühr (auch) für (bloße) Meldungen an das Fi-
185nanzamt erhebt.
186Soweit die Beklagte unter der Bezeichnung Gebühr für
187Nachlassbearbeitung Entgelt für die Umstellung von Konten
188auf den oder die Erben berechnet, handelt es sich um ein
189aufgrund von Preisnebenabreden erhobenes Entgelt für zu
190den eigentlichen Vertragspflichten gehörende Neben-
191leistungen.
192Gemäß §§ 1922 ff., 1967 ff. BGB geht mit dem Tod des Erb-
193lassers dessen Vermögen (incl. Verbindlichkeiten) kraft
194Gesetzes auf den oder die Erben über. Der Erbe tritt da-
195mit an die Stelle des Erblassers, dem früheren Kunden der
196Beklagten. Etwaige buchhalterische Anpassungen der damit
197kraft Gesetzes geänderten Vertragsverhältnisses stellen
198damit Nebenleistungen der Beklagten im Hinblick auf das
199neue - kraft Gesetzes begründete - Vertragsverhältnis
200dar. Soweit in diesem Zusammenhang Entgelte aufgrund der
201"im Kopf gespeicherten" Allgemeinen Geschäftsbedingungen
202der Beklagten erhoben werden, handelt es sich um eine –
203nach den §§9-11 AGBG kontrollfähige - Preisnebenabrede
204bei Nebenleistungen.
205Soweit die Gebühr für etwaige darüber hinausgehende Tä-
206tigkeiten der Beklagten erhoben wird, etwa bei der Er-
207mittlung von Erben, handelt es sich bei den "im Kopf ge-
208speicherten" Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklag-
209ten um i .S.d. § 8 AGBG "von Rechtsvorschriften abweichen-
210de" Regelungen. Denn die maßgeblichen Rechtsvorschriften
211gehen davon aus, dass der Leistungsumfang, für den ein
212Entgelt berechnet werden soll, von vornherein bestimmt
213bzw. zumindest bestimmbar ist. Dies ist jedoch bei den
214Leistungen, die die Beklagte ihrer Gebühr für Nachlassbe-
215arbeitung/-abwicklung zugrunde legt, nicht der Fall. Zu-
216mindest für den außenstehenden Kunden ist nicht erkenn-
217bar, für welche Tätigkeit die Beklagte die Gebühr für die
218Nachlassbearbeitung/-abwicklung nun erheben will.
2193.
220Die "im Kopf gespeicherten" Allgemeinen Geschäftsbedin-
221gungen der Beklagten über die Erhebung der Gebühr für die
222Nachlassbearbeitung/-abwicklung sind nach § 9 AGBG wegen
223Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam (vgl.
224hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., 2001, § 9 AGBG
225Rn. 15).
226Insbesondere für den außenstehenden Kunden bleibt voll-
227kommen unklar, für welche Leistungen die Beklagte die Ge-
228bühr für die Nachlassbearbeitung/-abwicklung erhebt. In
229den internen Richtlinien ist von einer Aufschlüsselung
230des Entgeltes nach "Arbeitsaufwand" die Rede, wobei auch
231bei diesem auf eine "Pauschale für Verwaltungskosten"
232verwiesen wird. Demgegenüber wird in dem internen Preis-
233verzeichnis nicht nur auf den Umfang der Arbeit, sondern
234auch auf den Wert des Nachlasses abgestellt.
235Angesichts dieser insbesondere für den außenstehenden
236Kunden vollkommen undurchsichtigen Gebührengestaltung bej
237der Nachlassbearbeitung/-abwicklung, und zwar sowohl im
238Hinblick auf die abgegoltene Tätigkeit als auch im Hin-
239blick auf das dafür berechnete Entgelt hat die Beklagte
240es unterlassen, die Gebühr so zu erheben, wie dies in den
241Nachlassfall "E" geschehen ist.
242II.
243Die Entscheidung über die Kosten des damit erfolgreichen
244Rechtsstreites ergibt sich aus den §§ 91, 92, 281 Abs. 3
245Satz 2 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus
246den §§ 708 Nr. II, 709 ZPO, wobei das Gericht hinsicht-
247lich des Hauptausspruches die Sicherheitsleistung auf
24820.000,00 DM und hinsichtlich der Kosten auf 2.000,00 DM
249festgesetzt hat.