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Der Angeklagte wird wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt.
Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von noch zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die eigenen Auslagen.
Vergehen strafbar gemäß §§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 53, 69 a StGB.
GRÜNDE:
2Der Angeklagte ist seit dem Jahre 2014 geschieden. Er hat zwei erwachsene Kinder. Der Angeklagte arbeitet als Chemikant bei der Firma T1, ist jedoch derzeit arbeitsunfähig. Er bezieht dabei nach seinen Angaben ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1500 €.
3Strafrechtlich ist der Angeklagte wie folgt in Erscheinung getreten:
4Durch Entscheidung des Amtsgerichts Kamen vom 23.03.2017 wurde er wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt.
5Durch Entscheidung des Amtsgerichts Kamen vom 05.10.2017 wurde er wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Ferner wurde ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
6Durch Entscheidung des Amtsgerichts Kamen vom 28.08.2019 wurde er wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt.
7Durch Entscheidung des Amtsgerichts Kamen vom 19.05.2020 wurde er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tattag 14.01.2020) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Es wurde eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt bis Juni 2021.
8Durch Entscheidung des Amtsgerichts Kamen vom 22.02.2022 wurde er wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tattag 01.12.2021) zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Ferner wurde ein Fahrverbot von sechs Monaten festgesetzt.
9Durch Urteil des Amtsgerichts Kamen vom 12.04.2022 (16 Ds 922 Js 217/22) wurde er wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tattag 15.01.2022) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Es wurde eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt bis September 2023.
10Am 23.05.2022 wurde der Angeklagte von dem Amtsgericht Grevenbroich (5 Ds 300 Js 4559/21) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Tattag war der 30.08.2021, also noch vor der Verurteilung durch das Amtsgericht Kamen vom 22.02.2022.
11In der Sache hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen:
12Nachdem dem Angeklagten durch den Landrat des Kreises S1 mit bestandskräftiger Entscheidung vom 02.07.2018 wegen mangelnder Eignung die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, ist er seit diesem Zeitpunkt nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis. In Kenntnis dieses Umstandes befuhr der Angeklagte bei den nachgenannten Gelegenheiten mit einem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen 01, öffentlichen Verkehrsraum.
131.
14Am 27.06.2022 gegen 18:02 Uhr befuhr der Angeklagte mit dem Pkw die Straße01 in O1. Der Angeklagte legte mit dem Fahrzeug eine Strecke von wenigen Metern zurück.
152.
16Am 10.09.2022 gegen 12:13 Uhr befuhr der Angeklagte mit dem oben genannten Pkw zunächst die Straße02 in O1, um sodann an der Kreuzung zur Straße03 auf die Bundesautobahn 00 in Fahrtrichtung B1 aufzufahren. Da der Angeklagte sich einer polizeilichen Kontrolle durch den ihm in einem Streifenwagen nachfahrenden Polizeibeamten K1 entziehen wollte, beschleunigte er auf der dreispurig ausgebauten Fahrbahn trotz einer geltenden Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf mehr als 160 km/h. Er unterschritt mehrfach den Mindestabstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen, wechselte schließlich abrupt und ohne Blinkzeichen von der linken Fahrspur auf die rechte Fahrspur, überholte dort Fahrzeuge rechts, um sodann erneut über sämtliche Fahrspuren hinweg abrupt nach links zu wechseln, wobei er beim Einordnen den Mindestabstand zu einem auf der linken Spur fahrenden Fahrzeug deutlich unterschritt. Der Zeuge K1 brach die Verfolgung schließlich ab, um eine Gefährdung weiterer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden.
173.
18Am 20.10.2022 etwa gegen 18:00 Uhr befuhr der Angeklagte mit dem oben genannten Pkw die Straße04 in O1. Der Angeklagte fuhr aus einer Parklücke heraus in Richtung Straße05.
19Diese Feststellungen beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.
20Der Angeklagte gibt an, bei keiner der vorgenannten Gelegenheiten sei er mit dem Fahrzeug gefahren.
21Als er von dem Polizeibeamten A1 am 27.06.2022 in dem Pkw mit laufendem Motor auf dem Fahrersitz sitzend angetroffen worden sei, sei er mit dem Fahrzeug nicht gefahren. Vielmehr habe er an dem Tag den Zeuge C1 gebeten, ihn mit dem Pkw zu fahren. Der Zeuge habe den Wagen von dem Haus des Angeklagten aus kommend bis vor das in derselben Straße liegenden Haus des Zeugen gefahren. Der Zeuge habe noch kurz ins Haus gehen müssen, um etwas zu erledigen. Deshalb habe der Zeuge das Fahrzeug verlassen. Der Zeuge habe ihn zuvor noch darauf aufmerksam gemacht, dass an dem Fahrzeug ein ungewöhnliches Geräusch zu hören sei, weshalb er – der Angeklagte – sich auf den Fahrersitz gesetzt habe, um das zu prüfen. Er sei jedoch nicht mit dem Fahrzeug gefahren.
22Zu den übrigen Vorfällen könne er nicht sagen, da ihm diese unbekannt seien.
23Soweit die getroffenen Feststellungen von der Einlassung des Angeklagten abweichen, beruhen die Feststellungen auf den Bekundungen der vernommenen Zeugen sowie den Lichtbildern und dem Video, die in Augenschein genommen wurden.
24Soweit der Angeklagte zu der ersten Tat angibt, er sei selbst nicht gefahren, wird dies widerlegt durch die Bekundungen des Zeugen A1. Dieser gab an, er sei selbst im Rahmen seines spätesten Dienstes als Polizeibeamte auf der Straße06 in Richtung O2 gefahren. In diesem Moment sei das Fahrzeug am Ausgang der Straße07 zur Straße06 hin aufgetaucht. Er selbst sei in diesem Augenblick etwa 50 Meter von dem Pkw entfernt gewesen. Er habe sich mit seinem Fahrzeug vor den BMW gesetzt. Auf dem Fahrersitz habe der Angeklagte gesessen, der Motor habe gelaufen. Er selbst habe das Fahrzeug im Auge gehabt von dem Augenblick an, als es noch gerollt sei bis zu dem Zeitpunkt, in dem er den Angeklagten angesprochen habe. Während der gesamten Zeit habe der Angeklagte auf dem Fahrersitz gesessen. Keine andere Person habe das Fahrzeug verlassen oder sei vor Ort gewesen.
25Die Bekundungen des Zeugen C1 sind nicht geeignet, den Angeklagten zu entlasten. Der Zeuge gab an, gelegentlich fahre er mit dem BMW des Angeklagten. Manchmal leiste er für ihn auch Fahrdienste. An einen konkreten Tag konnte der Zeuge sich nicht erinnern. Es habe jedoch eine Situation gegeben, in der er den Angeklagten von seiner Haustür aus kommend mit dem BMW gefahren habe. Er habe dann zunächst vor seinem Haus angehalten, um noch etwas zu erledigen. Was das gewesen sei, könne er sich nicht erinnern. Vorher habe er den Angeklagten auf ein ungewöhnliches Klappern am Fahrzeug hingewiesen. Als er ungefähr 5-10 Minuten später wieder herausgekommen sei, seien der Angeklagte und das Fahrzeug verschwunden gewesen. Während der Zeuge zunächst angab, auch in der Einfahrt des Hauses des Angeklagten habe er das Fahrzeug nicht gesehen, erklärte er auf spätere Nachfrage des Verteidigers, das Fahrzeug habe tatsächlich doch in der Einfahrt gestanden. Spätestens an dieser Stelle wurde deutlich, dass der Zeuge entweder an die konkrete Situation keine wirkliche Erinnerung hatte und sich von den suggestiven Fragen des Verteidigers beeinflussen ließ oder aber sogar bewusst die Unwahrheit gesagt hat.
26Hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfs (Tat vom 10.09.2022) beruhen die Feststellungen auf den Bekundungen des Zeugen K1 sowie der Inaugenscheinsnahme des Videos über die Verfolgung des Fahrzeuges auf der Autobahn. Der Zeuge K1 bekundete, er sei bei der fraglichen Gelegenheit von der Straße08 aus kommend die Straße02in Richtung Straße05 heruntergefahren. Im Gegenverkehr sei ihm der BMW mit dem Kennzeichen 01 aufgefallen. Es handele sich um einen farblich auffälligen BMW. Ihm sei bekannt gewesen, dass der Angeklagte keine Fahrerlaubnis habe und das Fahrzeug häufiger nutze. Er habe deshalb in Höhe des Straße09 angehalten und habe das ihm entgegenkommende Fahrzeug beobachtet. Als das Fahrzeug innerhalb der dort geltenden 30 km/h-Zone mit geringer Geschwindigkeit an ihm vorbeigefahren sei, habe er auf dem Fahrersitz des BMW den Angeklagten erkannt. Ihm sei die Person des Angeklagten bereits zuvor von Angesicht her bekannt gewesen, sodass er ihn zweifelsfrei wiedererkannt habe.
27Die Bekundungen des Zeugen waren detailliert, sachlich und in sich nachvollziehbar. Der Zeuge hat den Angeklagten aus geringer Entfernung – ihm im Gegenverkehr mit geringer Geschwindigkeit entgegenkommend – erkannt, sodass an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen kein Zweifel besteht.
28Im Übrigen ist der Angeklagte mit dem Pkw bereits bei früherer Gelegenheit mit einem verkehrswidrigen Fahrmanöver geflohen (Verurteilung vom 12.04.2022: Tat vom 15.01.2022), so dass eine solche Verhaltensweise ihm nicht wesensfremd ist.
29Der Ablauf der Fahrt und die Fahrweise des Angeklagten ergeben sich sowohl aus den Bekundungen dieses Zeugen als auch aus dem Inhalt des in Augenschein genommenen Videos.
30Hinsichtlich des dritten Tatvorwurfs stützen sich die Feststellungen auf den Bekundungen des Zeugen A1. Dieser berichtete, er sei am Tattag etwa gegen 18:00 Uhr von O3 aus kommend privat mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Auf der Straße04 in Höhe des dortigen Autohändlers sei ihm der ausparkende BMW aufgefallen. Es habe sich dabei um das Fahrzeug mit dem oben genannten Kennzeichen gehandelt. Das ihm bekannte Fahrzeug sei ihm wegen seiner auffälligen Erscheinung ins Auge gefallen. Er habe mit dem Fahrrad angehalten. Das Fahrzeug sei ihm entgegengekommen und an ihm vorbeigefahren. Er habe den Angeklagten dabei sowohl frontal als auch von der Seite gesehen und erkannt. Die Seitenscheibe sei heruntergelassen gewesen. Als der Angeklagte ihn bemerkt habe, habe er den linken Arm gehoben, um sich dahinter zu verbergen. Er – der Zeuge – habe die Szene noch mit dem mitgeführten Mobiltelefon aufnehmen können. Der Angeklagte sei ihm bereits aus anderen Sachen bekannt gewesen. Er sei sich sicher, dass es sich bei der Person um den Angeklagten gehandelt habe. Die Lichtverhältnisse seien gut gewesen. Sichtbehinderungen hätten nicht bestanden.
31Auch hier waren keine Anhaltspunkte erkennbar, die Zweifel an den Inhalt der Bekundungen des Zeugen rechtfertigen könnten. Die Lichtbilder, die von dem Zeugen angefertigt worden sind, sind in Augenschein genommen worden. Auch das Gericht hat den Angeklagten auf dem Lichtbild Bl. 6 im Bd. 922 Js 1741/22 zweifelsfrei erkannt.
32Der Angeklagte hat sich damit wie erkannt wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen strafbar gemacht gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 69a StGB.
33Anzuwendender Strafrahmen ist für jede Tat Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
34Bei der Strafzumessung hat sich das Gericht von den Grundsätzen des § 46 StGB leiten lassen. Bei der Tat vom 27.06.2022 war die kurze Fahrstrecke von nur wenigen Metern strafmildernd zu werten. Straferschwerend war hinsichtlich der Tat vom 10.09.2022 das gefährliche Fluchtmanöver des Angeklagten über die Autobahn zu werten. Darüber hinaus wirkten sich zulasten des Angeklagten seine einschlägigen Vorverurteilungen aus. Hier ist der Angeklagte seit dem Jahr 2020 bereits mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Erscheinung getreten und zu Geld – und Freiheitsstrafen verurteilt worden, ohne dass ihn dies von der Begehung weiterer Taten abgehalten hat. Der Angeklagte wirkt unbelehrbar.
35Damit waren zur Einwirkung auf den Angeklagten hinsichtlich der beiden Taten vom 10.09. und 25.10.2022 erneut Freiheitsstrafen unerlässlich. Tat- -und schuldangemessen ist dabei hinsichtlich der Tat vom 10.09.2022 die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie hinsichtlich der weiteren Tat vom 25.10.2022 von sechs Monaten. Bei der Tat vom 27.06.2022 ist hingegen angesichts der nur kurzen Fahrtstrecke eine Geldstrafe noch ausreichend, die mit 60 Tagessätzen zu bemessen war, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 50 € festgesetzt wurde.
36Unter nochmaliger Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat das Gericht aus den drei Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten gebildet, die angemessen und erforderlich ist.
37Die Vollstreckung dieser Strafe konnten nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Es liegen keine bereits keine besonderen Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vor, die bei einer solchen Freiheitsstrafe eine Strafaussetzung zur Bewährung ermöglichen würden. Im Übrigen ist auch nicht zu erwarten, dass der Angeklagte in Zukunft auch ohne den Einfluss des Strafvollzugs keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Die bisher zur Bewährung ausgesetzten Strafen vermochten den Angeklagten nicht zu beeindrucken. Anhaltspunkte für eine Verhaltensänderung sind nicht festzustellen. Damit sind die ansonsten durchaus positiven Umstände – nach Angaben des Angeklagten geregeltes Einkommen, Wohnsituation, familiäre Einbindung – bei dem Angeklagten nicht ausreichend, um Straffreiheit erwarten zu lassen. Vorgenannte Umstände bestanden bereits bei Begehung der vorhergehenden Straftaten.
38Der Angeklagte hat sich durch die Tat erneut als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr erwiesen. Da er nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis ist, war eine isolierte Sperrfrist festzusetzen, binnen derer dem Angeklagten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Angesichts der Häufigkeit straßenverkehrsrechtlicher Verfehlungen innerhalb eines nur kurzen Zeitraums ist von einer charakterlichen Ungeeignetheit von noch mindestens zwei Jahren auszugehen, sodass die Sperrfrist entsprechend festgesetzt wurde.
39Kosten- und Auslagenentscheidung: § 465 StPO.