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Die Vollstreckungserinnerung der Gläubigerin vom 18.05.2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Gläubigerin.
Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2Die nach § 766 Abs. 2 ZPO zulässige Erinnerung ist in der Sache unbegründet.
3Der zuständige Obergerichtsvollzieher hat die Durchführung des Vollstreckungsauftrages vom 19.04.2022 zu Recht von der Zahlung eines Vorschusses abhängig gemacht, da die Gläubigerin für den vorgenannten Vollstreckungsauftrag nicht gebührenbefreit ist.
4Entgegen der Ansicht der Gläubigerin kann diese sich bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht auf die Gebührenfreiheit nach § 122 Abs. 1 Justizgesetz NRW berufen.
5Nach § 122 Abs. 1 Justizgesetz NRW sind Gemeinden und Gemeindeverbände von der Zahlung von Gebühren, welche die ordentlichen Gerichte in Zivilsachen und Justizverwaltungsbehörden erheben, befreit, soweit die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftliche Unternehmen betrifft.
6Aus der vorgenannten Einschränkung geht hervor, dass die Gebührenfreiheit gerade dann nicht greift, wenn die zugrunde liegende Forderung aus einer Angelegenheit resultiert, die ein wirtschaftliches Unternehmen der Gemeinde betrifft.
7So liegt der Fall hier.
8Die Gläubigerin macht mit den Vollstreckungsantrag vom 18.05.2022 ausweislich der diesem Auftrag beigefügten Forderungsaufstellung zum Kassenzeichen01 öffentlich-rechtliche Abgaben geltend, die zwar gemäß der Abfallgebührensatzung der Stadt Dortmund erhoben werden, die aber dadurch entstanden sind, dass die Schuldnerin Dienstleistungen der F-GmbH in Anspruch genommen hat. Bei der F-GmbH handelt es sich um ein wirtschaftlich betriebenes Unternehmen der Gläubigerin. Eine Gebührenfreiheit nach § 122 Justizgesetz NRW kommt aber gerade dann nicht in Betracht, wenn ein wirtschaftliches Unternehmen einer Gemeinde betroffen ist. Dies ist vorliegend der Fall. Insoweit ist unerheblich, ob die Anspruchsgrundlage öffentlich-rechtlicher Natur ist. Entscheidend ist allein, dass die Gläubigerin zur Erfüllung der von ihr zu erbringenden Aufgabe ein wirtschaftlich betriebenes Unternehmen einsetzt und die Forderung daher aus einer Angelegenheit stammt, die das wirtschaftliche Unternehmen betrifft.
9In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Bezirksrevisorin beim Amtsgericht Dortmund verbleibt das Gericht bei der Rechtsauffassung, dass im vorliegenden Fall die Gläubigerin sich nicht auf eine Gebührenfreiheit berufen kann.
10Die Bezirksrevisorin verweist zu Recht darauf, dass nur die kommunalen Gebietskörperschaften selbst Gebührenfreiheit nach Landesrecht geltend machen können.
11Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits an dieser Voraussetzung, da die Gebührenschuldnerin die F-GmbH ist.
12Entscheidend ist, dass eine von einer Kommune als Alleingesellschafterin in der Rechtsform einer GmbH betriebene Unternehmung sich nicht auf Gebührenfreiheit berufen kann, da der Gesetzeswortlaut nur auf kommunale Gebietskörperschaften als solche, nicht aber von diesen betriebene Unternehmen nennt. Ein Wille des Gesetzgebers, auch juristische Person des Privatrechts an der Gebührenbefreiung teilhaben zu lassen, kann dem Gesetzeswortlaut nicht entnommen werden (BGH, Beschluss vom 20.04.2010, VI ZB 65/09 zitiert nach Juris). Bedienen sich öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben einer privatrechtlichen Form, erstreckt sich die landesrechtlich angeordnete Gebührenfreiheit nicht auf dem privaten Rechtsträger. Auch ein in den Landesgesetzen enthaltener Zusatz, wonach eine nach den Vorschriften des Kommunalrechts zu beurteilende Einstufung der Tätigkeit als nichtwirtschaftliche Betätigung der kommunalen Gebietskörperschaft anzusehen ist, führt nicht automatisch zu einer Gebührenfreiheit. Angesichts des erkennbaren Willens des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich der Gebührenfreiheit auf juristische Person des öffentlichen Rechts zu begrenzen, kommt mangels planwidriger Regelungslücke auch keine Analogie zugunsten Privater in Betracht. Durch eine analoge Anwendung der Vorschrift würde hier nicht nur der Kreis der privilegierten Personen über ein Maß ausgedehnt, die mit ihrem Charakter als Ausnahmeregelung nicht vereinbar wäre, sondern auch der Umstand negiert, dass sich die Kommune bewusst dafür entscheidet, eine Aufgabe der Daseinsvorsorge durch Gründung einer privatrechtlich organisierten Einrichtung zu erfüllen, weil sie sich von dieser Rechtsform Vorteile etwa bei der Gestaltung der Vertragsverhältnisse mit den Nutzern oder im haftungsrechtlichen Bereich verspricht. Dann aber fehlt es nicht nur an der für eine Gesetzesanalogie erforderlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte, sondern die Kommune muss sich an der von ihr getroffenen Wahl zugunsten des Privatrechts auch insoweit festhalten lassen, als ihr diese im Vergleich zu einem Verwaltungshandeln in öffentlich-rechtlicher Form in Einzelfall nachteilig sein kann (BGH, a. a. O.).
13Die Gläubigerin kann auch nicht damit gehört werden, der zu vollstreckende Gebührenanteil der F-GmbH sei im Verhältnis der anderen zu vollstreckenden Beträge, für die unstreitig Gebührenfreiheit in Anspruch genommen werden könnte, verhältnismäßig gering. Wenn die Gläubigerin bei einem einheitlichen Vollstreckungsauftrag eine Vermischung von gebührenbefreiten Positionen und nicht gebührenbefreiten Positionen vornimmt, kann sie sich insgesamt für diesen einheitlichen Auftrag nicht auf die Gebührenfreiheit berufen. Es hätte der Gläubigerin freigestanden, die nicht gebührenbefreiten Beträge aus dem Auftrag herauszunehmen, sodass dann das Vollstreckungsorgan unstreitig verpflichtet gewesen wäre, ohne Anforderung eines Vorschusses den Vollstreckungsauftrag durchzuführen. Diesen Weg ist die Gläubigerin aber nicht gegangen.
14Unerheblich ist auch der Umstand, dass die Gläubigerin lediglich den isolierten Auftrag auf Einholung der Vermögensauskunft gestellt hat. Das Gericht verkennt nicht, dass es bei dem isolierten Vollstreckungsauftrag auf Einholung einer Vermögensauskunft im Endeffekt nicht darauf ankommt, ob alle zur Vollstreckung angemeldeten Forderungen berechtigt geltend gemacht werden, solange nur eine einzelne Forderung vorhanden ist, die die Vollstreckungsgläubigerin geltend machen kann (Landgericht Dortmund, 9 T 429/21, Beschluss vom 09.11.2021). Vorliegend geht es aber nicht darum, ob die einzelnen Forderungen berechtigt erhoben werden, vielmehr geht es darum, ob die Vollstreckungsgläubigerin sich insgesamt für den gestellten Vollstreckungsauftrag auf eine Gebührenfreiheit berufen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn in den Vollstreckungsauftrag auch Teilbeträge vorhanden sind, für die eine Gebührenfreiheit eben nicht in Anspruch genommen werden kann.
15Die Vollstreckungserinnerung war daher mit der Kostenfolge des § 91 Absatz 1 ZPO zurückzuweisen.
16Die sofortige Beschwerde war zuzulassen, da die vorgenannte Fallkonstellation regelmäßig vorkommt und die Entscheidung der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist. Eine Entscheidung der Beschwerdekammer würde zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beitragen.
17Rechtsbehelfsbelehrung:
18Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Dortmund, Gerichtsstraße 22, 44135 Dortmund, oder dem Landgericht Dortmund, Kaiserstr. 34, 44135 Dortmund, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.
19Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
20Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Dortmund oder dem Landgericht Dortmund eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.