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Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
Die Einziehung eines Wertersatzes in Höhe von 8.800,- € wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte.
Angewendete Vorschriften: §§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB
G r ü n d e:
2I.
3Der 35 Jahre alte Angeklagte wurde am 17.xx.1986 in B in C geboren. Hier wuchs er bis zu seinem 3. Lebensjahr im Haushalt seiner Eltern heran. Sodann kam die Familie nach Deutschland und ließ sich in E nieder. Der Angeklagte hat neun Geschwister; diese sind bis auf einen älteren Bruder, allesamt jünger als der Angeklagte.
4Der Angeklagte wurde altersentsprechend eingeschult und wechselte nach vierjähriger Grundschulzeit auf die Hauptschule. Diese verließ er nach der achten Klasse, ohne einen Schulabschluss erreicht zu haben. Der Angeklagte hat auch keinen Beruf erlernt. Er arbeitete in verschiedenen Bereichen, u.a. im Sicherheitsdienst bzw. als Fliesenleger. Zuletzt erzielte er sein Einkommen aus der „D“ in E, einer Shisha-Bar, die zwar offiziell auf den Namen des Zeugen F angemeldet war, tatsächlich aber von dem Angeklagten betrieben wurde. Darüber hinaus betreibt der Angeklagte ein Musik - Label, unter dessen Namen er mit Musikern zusammenarbeitet, von denen er sich erhofft, dass diese in naher Zukunft in der Musikszene erfolgreich sein werden.
5Der Angeklagte ist nicht verheiratet, lebt aber seit vielen Jahren mit seiner Lebensgefährtin in einer Mietwohnung in E. Das Paar hat fünf gemeinsame Kinder, vier Töchter im Alter von 13, 7, 4 und 3 Jahren sowie einen vier Monate alten Sohn. Seit Ende 2018 hatte der Angeklagte darüber hinaus eine Affäre mit der Zeugin G.
6Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
71.
8Am 23.06.2009 verurteilte ihn das Amtsgericht H wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten gemeinschaftlichen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung bis zum 22.06.2012 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde in der Folgezeit bis zum 22.06.2013 verlängert und schließlich mit Wirkung vom 23.06.2013 erlassen.
92.
10Am 01.02.2011 verurteilte das Amtsgericht I den Angeklagten wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,00 Euro.
113.
12Am 21.04.2015 verurteilte ihn das Amtsgericht I wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung bis zum 20.07.2019 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Hinblick auf das diesem Verfahren zugrundeliegende Ermittlungsverfahren wurde die Strafe bislang nicht erlassen.
134.
14Am 20.05.2020 verurteilte das Amtsgericht I den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollstreckung bis zum 13.10.2024 zur Bewährung ausgesetzt wurde.
15In dieser Sache wurde der Angeklagte am 01.12.2020 vorläufig festgenommen und befand sich seither aufgrund des Haftbefehls vom 02.12.2020, Az. 2 Gs xx/20, unterbrochen nur durch die Vollstreckung einer Erzwingungshaft von einem Tag (05.0.2021), bis zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 09.06.2021 in der JVA J in Untersuchungshaft.
16II.
17Nachdem der Angeklagte die Schule ohne Abschluss beendet hatte, fiel es ihm schwer, in der Berufswelt Fuß zu fassen. Eine Ausbildung machte er nicht, sondern hielt sich stattdessen mit verschiedenen Aushilfstätigkeiten über Wasser. Ende 2019 übernahm er die D unter der Anschrift K in E, eine Shisha – Bar, in der die Gäste zudem an Glückspielautomaten spielen konnten. Obwohl der Angeklagte die Geschäfte der Bar führte, lief diese offiziell auf den Namen des Zeugen F. Dieser arbeitete in der Gaststätte und bezog von dem Angeklagten – unregelmäßig – ein Gehalt in Höhe von ca. 1.300 Euro. Zunächst – bis zu den durch die Corona-Pandemie verursachten Einschränkungen, lief die bei den Gästen beliebte Lounge auch sehr gut. Der Angeklagte konnte sich einen hochpreisigen PKW Mercedes als Leasingfahrzeug zulegen, für den er eine monatliche Leasingrate in Höhe von 700,00 Euro zahlte; der Leasingvertrag selbst lief allerdings wiederum auf den Namen des Zeugen F. Der Angeklagte betrieb zudem ein Musik-Label und wollte als Musikproduzent Nachwuchsmusiker unter Vertrag nehmen, von denen er sich erhoffte, dass diese sich zukünftig in der Musikszene etablieren werden. Das Unternehmen befand sich aber noch in der Startphase. Ein Durchbruch war bislang allerdings noch keinem der Musiker gelungen; tatsächlich verursachte das Label des Angeklagten bislang nur Kosten. Seine monatlichen Ausgaben beliefen sich schließlich auf bis zu 7.000, 00 Euro.
18In der von dem Angeklagten betriebenen D wurden regelmäßig Drogen – vor allem Kokain - konsumiert. Der Angeklagte bemerkte alsbald, dass dies für den Umsatz - sowohl an den Glücksspielautomaten als auch in Bezug auf den Getränkeverzehr - durchaus förderlich war. Der Angeklagte hatte in früheren Jahren ebenfalls Drogen konsumiert, vor einigen Jahren aber damit aufgehört. Als er nun durch die Arbeit in seiner Bar wieder regelmäßig Kontakt zu Betäubungsmitteln hatte, begann er im Sommer 2020 wieder, auch selbst Kokain zu konsumieren. Alsbald brachte er die Droge auch zu den Treffen mit seiner Geliebten, der Zeugin G, mit und das Paar konsumierte diese gemeinsam. Dies und die Weitergabe der Drogen an Besucher der Shisha-Bar führte dazu, dass der Bedarf des Angeklagten an Kokain ab August 2020 stetig stieg.
19Trotz seines Eigenkonsums wusste der Angeklagte jederzeit genau was er tat. Sein Tagesablauf war dadurch genauso wenig beeinträchtigt, wie seine geschäftliche Tätigkeit.
20Der verfügte über gute Kontakte zu einem Drogendealer, L, aus M, von dem er nun regelmäßig Kokain erwarb. Die erworbenen Betäubungsmittel verkaufte er gewinnbringend an seine Gäste in der D bzw. überließ es diesen zum Teil auch kostenlos, damit diese länger in seiner Lounge verweilten, an den Automaten spielten und gerne in die Bar zurückkehrten. Obwohl er im Sommer 2020 erfuhr, dass die Polizei aufgrund seiner Betäubungsmittelgeschäfte Ermittlungen aufgenommen hatte, stellte er diese nicht ein. Der Angeklagte agierte jedoch mit mehr Vorsicht; in den Telefonaten mit seinem Dealer L sprach er nur verschlüsselt - unter Verwendung von Codewörtern - über die Betäubungsmittel, die Mengen, die der zu kaufen gedachte und den Preis, den er dafür erbringen sollte. Der Angeklagte lagerte das sodann erworbene Kokain auch nicht in der eigenen Wohnung; stattdessen übergab er u.a. seiner Freundin G eine rote Geldkassette, in der er Teile des Kokains bzw. das aus den Betäubungsmittelgeschäften erlangte Geld verwahrte. Darüber hinaus übergab er die Drogen auch seinem Bekannten, dem Zeugen N. Dieser sollte die Drogen zum einen für den Angeklagten verwahren, zum anderen aber auch für ihn an interessierte Dritte gewinnbringend weiterveräußern.
21Als der Angeklagte die D aufgrund der Corona-Pandemie im Herbst 2020 schließen musste, stellte dies einen großen finanziellen Einschnitt dar. Der Angeklagte war alsbald knapp bei Kasse. Um weiterhin Einkünfte aus seiner Lounge zu erzielen und seinen Eigenkonsum zu finanzieren, erlaubte er Stammkunden, sich weiterhin in seiner Bar zu treffen, an den Automaten zu spielen und Kokain zu konsumieren, das er über seinen Dealer L besorgte.
22Insgesamt kam es vor diesem Hintergrund zu folgenden Taten:
231. Fallakte 36
24Am 29.08.2020 traf sich der Angeklagte gegen 17:13 Uhr mit seinem Dealer L am O-Markt in der P Straße in M und erwarb von diesem 10g Kokain für 550,- EUR. Der Angeklagte beabsichtigte, das Kokain an interessierte Dritte, z.B. an seine Gäste in der D weiter zu veräußern bzw. als Maßnahme zur „Kundenanbindung“ zu verschenken.
252. Fallakte 40
26Am 30.08.2020 traf sich der Angeklagte gegen 18:17 Uhr erneut mit seinem Dealer L am O-Markt in M und erwarb von diesem wiederum für 550,- EUR 10g Kokain, das er im Folgenden an seine Gäste bzw. interessierte Dritte weiterveräußern wollte.
273. Fallakte 56
28Am 21.09.2020 traf sich der Angeklagte gegen 18:00 Uhr mit seinem Dealer L in der von ihm betriebenen D in E. Hier erwarb der Angeklagte 15g Kokain in der Absicht, dieses an interessierte Dritte bzw. Gäste seiner Bar weiterzugeben bzw. zu veräußern.
294. Fallakte 68
30Am 06.10.2020 traf sich der Angeklagte gegen 19:10 Uhr erneut mit seinem Dealer L aus M in der D in E und erwarb 15g Kokain zur Weiterveräußerung an seine Gäste bzw. interessierte Dritte.
315. Fallakte 71
32Am 08.10.2020 traf sich der Angeklagte gegen 17:05 Uhr in der Q Straße in M mit seinem Dealer L und erwarb von diesem 20g Kokain. Der Angeklagte beabsichtigte, dieses an interessierte Dritte bzw. Gäste seiner Lounge weiterzuveräußern bzw. als Maßnahme zur „Kundenanbindung“ abzugeben.
336. Fallakte 86
34Am 16.10.2020 traf sich der Angeklagte gegen 21:00 Uhr erneut mit seinem Dealer L aus M in der von ihm betriebenen D in E. Hier erwarb er 50g Kokain, das er an interessierte Gäste seiner Bar weiter zu veräußern bzw. abzugeben gedachte.
357. Fallakte 95
36Am 27.10.2020 traf sich der Angeklagte gegen 15:15 Uhr mit seinem Dealer L in M und erwarb von diesem 40g Kokain. Die Hälfte davon – 20g – übergab er – einer vorherigen Absprache entsprechend – an einen „Kumpel“, der bislang nicht ermittelt werden konnte. Die weiteren 20g Kokain veräußerte er an interessierte Gäste und Dritte bzw. gab dieses als Maßnahme der „Kundenanbindung“ an seine Stammgäste weiter.
37Am 01.12.2020 wurde der Angeklagte, dessen Telefongespräche über mehrere Monate von der Polizei überwacht worden waren, vorläufig festgenommen.
38Bei der Durchsuchung der Wohnung seiner Geliebten, der Zeugin G, wurde die Geldkassette, die der Angeklagte der Zeugin zur Verwahrung übergeben hatte, sichergestellt. In dieser befanden sich ca. 5g netto Kokain, 0,5g Marihuana sowie eine Feinwaage. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Zeugen N wurden insgesamt 88,7 Gramm netto Kokain sichergestellt, das dieser für den Angeklagten verwahren bzw. an interessierte Dritte weiterveräußern sollte. Das bei dem Zeugen N aufgefundene, weiße, kristalline Pulver wurde zur Untersuchung dem Labor R in E übergeben. Ausweislich des ärztlichen Gutachtens vom 23.12.2020 wies das Pulver Kokain in einer Konzentration von 83,6% auf. Das von dem Angeklagten in den Fällen zu Ziffer 1. bis 7. erworbene Kokain hatte stets eine entsprechende Qualität.
39III.
401.
41Die Feststellungen zu den Erwerbstaten des Angeklagten - wie zu II. Ziffer 1. bis 7. dargelegt - beruhen auf den glaubhaften und in sich schlüssigen, geständigen Angaben des Angeklagten im Rahmen einer Verständigung.
42Dieser hat eingeräumt, bei insgesamt sieben Gelegenheiten insgesamt 160g Kokain (Gesamtmenge der Taten zu II Ziffer 1 bis 7) von seinem Dealer L zum Zwecke der Weiterveräußerung bzw. zur Abgabe als Maßnahme der „Kundenanbindung“ an Gäste der von ihm betriebenen Bar erworben zu haben. Der Angeklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass er durch seine Betäubungsmittelgeschäfte daneben auch den eigenen Konsum finanzieren wollte. Er hat weiterhin eingeräumt, dass das von ihm erworbene Kokain in allen Fällen von gleichbleibend „guter Qualität“ gewesen sein; davon habe er sich selbst durch seinen Eigenkonsum überzeugen können. Der Angeklagte hat zudem ausdrücklich bestätigt, dass das Kokain aus der Geldkassette, die in der Wohnung der Zeugin G sichergestellt worden ist, ihm gehörte. Die Kammer hat keinen Anlass, die Richtigkeit der umfassenden, nachvollziehbaren und in sich schlüssigen geständigen Einlassung in Frage zu stellen.
432.
44Das umfassende Geständnis des Angeklagten wird bestätigt durch die Angaben der Zeugen G und N. Beiden Zeugen konnten zwar zu den zu II. Ziffer 1. bis 7. festgestellten Betäubungsmittelerwerbstaten keine konkreten Angaben machen, weil sie bei diesen nicht persönlich anwesend waren. Sie haben aber übereinstimmend und unabhängig voneinander bestätigt, dass der Angeklagte nicht nur selbst Kokain konsumiert, sondern darüber hinaus auch mit der Droge Handel getrieben hat. Die Zeugin G, die als Geliebte des Angeklagten, engen Kontakt zu diesem hatte, hat angegeben, dass dieser in seiner Bar Kokain an Dritte verkauft hat. Sie hat zudem ausgesagt, dass der Angeklagte die Drogen an den Zeugen N weitergegeben hat, der das Kokain ebenfalls für ihn veräußern sollte. Dies hat der Zeuge N bestätigt. In seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung hat er angegeben, das in seiner Wohnung sichergestellte Kokain von dem Angeklagten erhalten zu haben, um dieses an interessierte Dritte weiter zu veräußern. Beide Zeugen vermochten zudem zu bestätigen, dass der Angeklagte intensive Kontakte zu L pflegte, den der Angeklagte in seiner geständigen Einlassung als seinen Dealer bezeichnet hatte. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der Aussagen der Zeugen G und N zu zweifeln. Ein Falschbelastungsmotiv ist für beide Zeugen nicht erkennbar. Die Zeugin G hat zwar angegeben, dass sie den Kontakt zu dem Angeklagten von sich aus abgebrochen hat. Sie hat aber auch bestätigt, dass die beiden lediglich eine „Affäre“ hatten; sie selbst habe keine ernsthafte Beziehung mit dem Angeklagten führen wollen, da sie seit vielen Jahren fest mit einem Mann liiert sei, der sich aber zur Zeit in Strafhaft befinde. Es ist daher auszuschließen, dass die Zeugin G den Angeklagten aus „enttäuschter Liebe“ zu Unrecht bezichtigt hat. Der Zeuge N wiederum hat sich mit seiner umfassenden Aussage vor der Kammer selbst schwer belastet.
453.
46Die geständige Einlassung des Angeklagten wird weiterhin durch die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen, namentlich durch die Überwachung der Telefongespräche, eindeutig bestätigt. Die Kammer hat die zu den festgestellten Taten, II. Ziffer 1. bis 7, geführten Telefongespräche des Angeklagten mit seinem Dealer L durch Inaugenscheinnahme in die Hauptverhandlung eingeführt. Aus den Telefonaten ergibt sich, dass der Angeklagte bei sieben
47Gelegenheiten die jeweils festgestellte Menge an Kokain von L erworben und übergeben bekommen hat.
484.
49Bei der Bestimmung des Wirkstoffgehalts des Kokains, mit dem der Angeklagte in den Fällen II. Ziffer 1 bis 7, gehandelt hat, hat die Kammer sich zunächst an den Werten orientiert, die das Labor R in seinem ärztlichen Gutachten vom 23.12.2020 bei der Untersuchung des bei dem Zeugen N sichergestellten Kokains ermittelt hat. Dieses wies ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen ärztlichen Befundberichts, Bl. 425 d.A., Kokain in einer Wirkstoffkonzentration von 83,6% auf und war mithin von „sehr guter“ Qualität. Dass das von dem Angeklagten erworbene und weiterveräußerte Kokain stets von jedenfalls „guter“ Qualität war, ergibt sich zudem aus der geständigen Einlassung des Angeklagten. Diese wird bestätigt durch die in die Hauptverhandlung eingeführte Telefonüberwachung. In den Gesprächen lobt der Angeklagte mehrfach ausdrücklich die Wirkung des von L bezogenen Kokains.
50Die Kammer hat jedoch bei der Bestimmung der nicht geringen Menge in allen zu II. Ziffer 1. bis 7. festgestellten Fällen einen zugunsten des Angeklagten gebotenen Sicherheitsabschlag angenommen und eine lediglich mittlere Wirkstoffkonzentrat des Kokains von 60% angenommen. Dennoch ist in allen sieben Erwerbstaten die Grenze zur nicht geringen Menge, die nach ständiger Rechtsprechung bei 5g Kokainhydrochlorid anzunehmen ist (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, § 29a, Rn. 56 m.w.N.), überschritten. Bezogen auf die von dem Angeklagten in den Fällen zu II. Ziffer 1. und 2. erworbene Substanzmenge von jeweils 10g ergibt sich unter Zugrundlegung einer seitens der Kammer geschätzten Wirkstoffkonzentration von 60% rechnerisch bereits ein Wirkstoffanteil von 6g Kokainhydrochlorid, mithin eine nicht mehr geringe Menge Kokain. Dies gilt damit ohne weiteres auch in Bezug auf die weiteren zu II. Ziffer 3. bis 7. festgestellten Taten(15g = 9g Kokainhydrochlorid, 20g = 12g Kokainhydrochlorid, 50g = 30g Kokainhydrochlorid und 40g = 24g Kokainhydrochlorid).
515.
52Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben; die zu seinen Vorstrafen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug.
53IV.
54Der Angeklagte hat sich danach wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen gemäß §§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB strafbar gemacht. In allen sieben Fällen hat das von dem Angeklagten erworbene, zur Weiterveräußerung bestimmte Kokain - wie unter III. dargelegt - die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten.
55Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Anhaltspunkte dafür, dass seine Unrechtseinsichtsfähigkeit und/oder Steuerungsfähigkeit im Zeitpunkt der Taten wegen einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen Schwachsinns oder wegen einer anderen seelischen Abartigkeit gänzlich aufgehoben (§20 StGB) oder im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, haben sich nicht ergeben. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Angeklagte im Tatzeitraum selbst auch Kokain konsumiert hat. Dieser Konsum ist – dies bestätigen die Angaben des Angeklagten selbst und der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen – erreichte aber nicht Art und Ausmaß, die einen irgendwie gearteten Einfluss auf die Schuldfähigkeit naheliegend erscheinen lassen. Der Eigenkonsum des Angeklagten hatte danach auch keinen Einfluss auf den Lebenswandel des Angeklagten oder seine geschäftliche Tätigkeit.
56Soweit dem Angeklagten in der Anklageschrift elf weitere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt worden sind (Fälle 1 bis 6, 8, 10, 12, 17 und 18 der Anklageschrift,) ist das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
57V.
58Bei der Strafzumessung hat die Kammer in allen Fällen den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt, der Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vorsieht.
59Gründe, die die Annahme eines minder schweren Falles und damit die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 29a Abs. 2 BtMG geboten erscheinen lassen, liegen aus Sicht der Kammer nicht vor. Sie verkennt dabei nicht, dass der Angeklagte durch sein Geständnis im Rahmen einer Verständigung zur Vereinfachung des Strafverfahrens beigetragen und Reue bzw. Schuldeinsicht gezeigt hat. Die Kammer lässt zudem nicht außer Betracht, dass der Angeklagte dadurch, dass er L als den Drogendealer in der Hauptverhandlung benannt hat, von dem er in allen sieben festgestellten Taten das Kokain bezogen hatte, zwar keine Aufklärungshilfe im Sinne des § 31 BtMG mehr geleistet hat, aber dennoch nicht unwesentlich zur weiteren Aufklärung beigetragen hat.
60Der Angeklagte ist aber bereits zweifach einschlägig vorbestraft; die Strafe aus der Verurteilung des Amtsgerichts I vom 21.04.2015 wurde aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen in dieser Sache bislang noch nicht erlassen. Der Angeklagte hat durch die erneuten Straftaten gezeigt, dass die Verurteilung ihn nicht ausreichend beeindruckt hat und ihn nicht von der Begehung weiterer Betäubungsmitteldelikten abzuhalten vermochte. Der Angeklagte handelte mit Kokain, mithin mit Betäubungsmitteln, die hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials als sog. „harte Drogen“ einzustufen sind. Darüber hinaus beziehen sich die zu II. Ziffer 6. und 7. auf ein Vielfaches der nicht geringen Menge an Kokain. Darüber hinaus ist der Angeklagte als Bewährungsversager zu bezeichnen. Am 20.05.2020 verurteilte das Amtsgericht I den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollstreckung bis zum 13.10.2024 zur Bewährung ausgesetzt wurde.
61Bei der konkreten Strafzumessung hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser ein umfassendes Geständnis abgegeben hat. Er hat damit nicht nur Schuldeinsicht und Reue gezeigt. Er hat zudem deutlich gemacht, dass er bereit ist, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
62Darüber hinaus hat der Angeklagte das Strafverfahren vereinfacht; durch seine geständige Einlassung hat er wesentlich dazu beigetragen, dass die codierten Verkaufsgespräche mit dem Dealer L entschlüsselt und die Betäubungsmittelgeschäfte konkret festgestellt werden konnten.
63Strafmildernd hat die Kammer weiterhin gewertet, dass der Angeklagte durch die namentliche Benennung seines Dealers Aufklärungshilfe geleistet hat, was dessen strafrechtliche Verfolgung erleichtern wird. Zu Gunsten des Angeklagten wirkt sich weiterhin aus, dass - neben der Förderung des Betriebes seiner Shisha-Bar - auch die Finanzierung des Eigenkonsums eine Triebfeder seines Handelns war.
64Zu seinen Gunsten war weiterhin zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bei den zu II. Ziffer 1 und 2 festgestellten Erwerbstaten von jeweils 10g Kokain die Grenze zur nicht geringen Menge nur leicht überschritten hat. Die festgestellten Taten erstecken sich insgesamt nur über einen relativ kurzen Zeitraum von Ende August bis Ende Oktober 2020. Strafmildernd wirkt sich zudem aus, dass der Angeklagte sich in dieser Sache bereits seit über sechs Monaten in Untersuchungshaft befunden hat; angesichts der pandemiebedingten besonderen Einschränkungen stellt dies eine ungewöhnliche Härte dar.
65Als Erstverbüßer und fünffacher Familienvater erweist sich der Angeklagte überdies als besonders haftempfindlich.
66Zu Lasten des Angeklagten wirkt sich demgegenüber aus, dass er einschlägig vorbestraft ist und sich überdies als Bewährungsversager erwiesen hat. Die Taten zu II. Ziffer 6 und 7 bezogen sich zudem auf ein Vielfaches der nicht geringen Menge an Kokain.
67Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgründen hat die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen gehalten:
68Im Fall II. Ziffer 6. ein Jahr und acht Monate
69Im Fall II. Ziffer 7. ein Jahr und sechs Monate
70In den Fällen II. Ziffer 3., 4., 5. ein Jahr und vier Monate
71In den Fällen II. Ziffer 1. und 2. ein Jahr und zwei Monate.
72Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere unter Berücksichtigung seines für die Durchführung des Verfahrens umfassenden Geständnisses, hat die Kammer unter angemessener Erhöhung der höchsten verhängten Einzelstrafe – hier der Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten – eine Gesamtfreiheitsstrafe von
73zwei Jahren und sechs Monaten
74gebildet. Eine geringere Strafe würde dem Maß der Schuld des Angeklagten nicht mehr gerecht.
75VI.
76Die Entscheidung zur Einziehung des Wertes von Taterträgen beruht auf §§ 73, 73c StGB und ist von der Kammer gemäß § 73d Abs. 2 StGB geschätzt worden. Sie hat dabei für das Kokain - unter Anwendung eines Sicherheitsabschlags - einen Verkaufspreis von 55,00 Euro für das Gramm zugrunde gelegt und insoweit einen Betrag von 8.800.00 Euro angesetzt.
77VII.
78Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.