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Bewertung des zum nachlass gehörenden Grundbesitzes (Verkehrswert) zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühren; Erhebung von Gebühren für die Eröffnung einer gemeinschaftlichen Verfügung von Todes wegen nach mehreren Erblassern
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:
Der Geschäftswert für die Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments
vom 04.11.1955 nach dem verstorbenen O wird auf 100.545,75 € festgesetzt.
Der Geschäftswert für die Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments
vom 04.11.1955 nach der verstorbenen E wird auf 384.513,88 € festgesetzt.
Die Geschäftswerte für die Beurkundung einer eidesstattlichen
Versicherung im Erbscheinsverfahren und für die Erteilung eines
Erbscheins nur für Grundbuchzwecke werden jeweils auf 175.682,26 €
festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde des Beteiligten zu 2.) und die
Beschwerde des Beteiligten zu 1.) werden zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden
nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
2Die Rechtsmittel der Beteiligten sind nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 31 Abs. 3 S. 1 KostO zulässig. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2.) hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) ist hingegen unbegründet.
3(1)
4Der Geschäftswert für die Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments vom 14.11.1955 nach dem am 28.09.1998 verstorbenen O folgt dem reinen Nachlasswert nach Abzug der Verbindlichkeiten außer solchen aus Vermächtnissen, Pflichtteilsrechten oder Auflagen (§§ 102, Abs. 3 S. 1, 46 Abs. 4 KostO) und beträgt hier 100.545,75 €. Dieser Betrag errechnet sich, da der Nachlass des Erblassers ausschließlich aus dem im Grundbuch von E2 Bl. 3338 unter der lfd. Nr. 1 verzeichneten Grundstück G1 1, Flurstück X und dem im Grundbuch von E2 Bl. 5552 unter der lfd. Nr. 2 verzeichneten Grundstück G1, Flur X, Flurstück X bestand, wie folgt:
5Gebäudewert:
6- Brandversicherungssumme 1914
7lt. Angabe des Beteiligten 1.): 26.500
8- Richtzahl für 1998 20,5
9543.250,00 DM
10- abzüglich eines 20 %igen Sicherheits-
11abschlags 108.650,00 DM
12434.600,00 DM
13- abzüglich eines 60 %igen Abschlags
14für technische und wirtschaftliche
15Wertminderung infolge des Alters
16des Gebäudes 260.760,00 DM
17173.840,00 DM
18- abzüglich eines 20 %igen
19Abschlags wegen der
20feuchtigkeitsbedingten
21Gebäudeschäden 34.768,00 DM
22139.072,00 DM 139.072,00 DM
23Bodenwert:
24- 700 qm Bauland à 120,00 DM 84.000,00 DM
25- 997 qm Hausgarten à 12,00 DM 11.964,00 DM
2695.964,00 DM
27- abzüglich eines 25 %igen
28Sicherheitsabschlags 23.991,00 DM
2971.973,00 DM
30- abzüglich eines 20 %igen
31Abschlags wegen des ungün-
32stigen Zuschnitts des Grundbe-
33sitzes und der fehlenden Zuwegung zum
34B-Weg 14.394,60 DM
3557.578,40 DM 57.578,40 DM
36196.650,40 DM
37= 100.545,75 €.
38(a)
39Wird – wie hier geschehen – ein gemeinschaftliches Testament, das Bestimmungen über die Erbfolge des Letztversterbenden enthält, erst nach dem Tod des Letztverstorbenen eröffnet, dann wird es gleichwohl zweimal eröffnet, nämlich einmal nach dem Erstverstorbenen hinsichtlich der von ihm getroffenen letztwilligen Verfügungen und einmal nach dem Letztverstorbenen hinsichtlich der von diesem getroffenen letztwilligen Verfügungen. Der vom Amtsgericht im Anschluss an Rohs/Weweder, Kostenordnung, § 103 RdNr. 10 vertretenen Ansicht, das in diesen Fällen nur eine Gebühr nach § 102 KostO nach dem zusammengerechneten Wert des Nachlasses des Erst- und des Letztverstorbenen zu erheben sei, vermag die Kammer nicht zu folgen. Es gibt keine gemeinsam Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments im Rechtssinne (ebenso Assenmacher/Matthias, Kostenordnung, 16. Aufl., Stichwort: Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen, Anm. 1.3.2.2 und Korintenberg, Kostenordnung, 18. Aufl. § 102 RdNr. 8 und 9).
40Dass Eheleute ihre letztwilligen Verfügungen in einer Urkunde zusammenfassen können, ändert nichts daran, dass ein jeder von ihnen eigene Verfügungen trifft, die grundsätzlich alsbald nach ihrem Tod und damit getrennt von den Verfügungen des Anderen zu treffen sind (vgl. dazu §§ 2260 Abs. 1, 2273 Abs. 1 BGB bzw. §§ 348 Abs. 349 Abs. 1 FamFG). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass im Termin am 12.02.2008 im Ergebnis zwei Verfügungen von Todes wegen eröffnet wurden und zwar diejenige des verstorbenen O und diejenige der verstorbenen E. Für beide Eröffnungsvorgänge ist eine gesonderte Gebühr nach § 102 KostO zu erheben und folgerichtig auch der Geschäftswert nach den §§ 103 Abs. 1, 46 Abs. 4 KostO gesondert festzusetzen.
41(b)
42Mit dem Beteiligten zu 2.) ist die Kammer der Auffassung, dass hier wegen des langen Zeitraums zwischen dem Erbfall und der Eröffnung des Testaments bei der Bemessung des Geschäftswertes abweichend von den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 KostO nicht auf den Zeitpunkt der Testamentseröffnung, sondern zur Vermeidung unverhältnismäßiger Gebühren auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen ist.
43( c )
44Nach § 19 Abs. 1 S. 1 KostO ist der Wert einer Sache der gemeine Wert. Er entspricht, wie sich aus § 19 Abs. 1 S. 2 KostO ergibt, dem Verkehrswert. Diese Grundsätze gelten auch für Grundstücke, soweit hinreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Verkehrswertes vorhanden sind und dieser über dem Einheitswert liegt. Diese Anhaltspunkte ergeben sich hier aus amtlich bekannten Tatsachen, nämlich aus dem Brandversicherungswert des auf dem Nachlassgrundbesitz befindlichen Gebäudes und der Bodenrichtwertkarte des Gutachterausschusses des Kreises Lippe für das Jahr 1998. Die Ermittlung des Verkehrswertes eines Hausgrundstücks nach dieser – vereinfachten – Sachwertmethode ist seit langem in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. BayObLG, Rechtspfleger 1972, S. 464 ff. und FamRZ 2005, S. 823 ff., OLG Düsseldorf, FGPrax. 2001, S. 259 ff.) und auch von der Kammer gebilligt.
45Dass das auf dem Nachlassgrundbesitz befindliche Gebäude im Jahr 1929 errichtet wurde und hinsichtlich seiner Ausstattung, des Zuschnitts seiner Räumlichkeiten und insbesondere seiner Wärmedämmung den heutigen Standards nicht entspricht, diesem Umstand ist durch einen 60 %igen Abschlag für technische und wirschaftliche Wertminderung infolge des Alters des Gebäudes Rechnung zu tragen. Darüber hinaus ist ein weiter Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen, weil das Gebäude – wie die vom Beteiligten zu 1.) mit Schreiben vom 30.03.2009 beigebrachten Unterlagen belegen schon seit 1996 erhebliche Feuchtigkeitsschäden aufweist.
46Von dem 1.697 qm großen Grundbesitz sind entsprechend den Vorgaben der Bodenrichtwertkarte nur 700 qm als Bauland einzustufen und der Rest als Hausgarten. Damit ist auch dem Umstand Rechnung getragen, dass eine weitere Bebauung des Grundbesitzes wegen der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich ist. Mit dem Beteiligten zu 2.) ist allerdings auch die Kammer der Auffassung, dass von dem ermittelten Bodenwert nicht nur der nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayObLG, DNotZ 1995, S. 779 ff.) vorgegebene Sicherheitsabschlag in Höhe von 25 %, sondern darüber hinaus wegen des ungünstigen Zuschnitts des Grundbesitzes und der fehlenden Zuwegung zum B-Weg ein weiterer Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen ist. Dagegen ist für die Ermittlung des Verkehrswertes des Nachlassgrundbesitzes in diesem Verfahren ohne Bedeutung, ob der Beteiligte zu 1.) in Zukunft mit weiteren finanziellen Lasten zu rechnen hat, etwa weil die Stadt E2 plant, die Niederschlagswasserkanäle in den angrenzenden Straßen zu sanieren.
47Bei der Bestimmung des Verkehrswerts der Nachlassgrundbesitzes im Jahr 1998 kann nicht auf den vom Beteiligten zu 1.) angegebenen Ertragswert abgestellt werden. Zwar ist in der Kostenordnung nicht näher geregelt, nach welcher Bewertungsmethode der gemeine Wert (Verkehrswert) festzustellen ist. Deshalb kann der Verkehrswert eines Mietwohnungsgrundstücks grundsätzlich auch im Ertragswertverfahren ermittelt werden. Dies ist im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht möglich, weil der Nachlassgrundbesitz nicht als Mietwohnungsgrundstück einzustufen ist. Hinzu kommt, dass der Beteiligte zu 1.) nur einen Ertragswert für das Jahr 2007 ermittelt hat und dass seiner Ertragswertberechnung keinerlei Unterlagen beigefügt sind. Dies wäre indes erforderlich gewesen, um sie überhaupt nachprüfen zu können. So ist die Berechnung des Beteiligten zu 1.) nicht verwertbar (vgl. dazu BayObLG, NJW-RR 2001, S. 287 ff.).
48(2)
49Der Geschäftswert für die Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments vom 14.11.1955 nach der verstorbenen E folgt ebenfalls dem reinen Nachlasswert nach Abzug der Verbindlichkeiten außer solchen aus Vermächtnissen, Pflichtteilsrechten oder Auflagen (§§ 102, 103 Abs. 1, 46 Abs. 4 KostO) und zwar zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung am 12.02.2008 (§§ 7, 18 Abs. 1 S. 1 KostO). Der Geschäftswert beträgt mithin 384.513,88 € und errechnet sich wie folgt:
50- Sparguthaben 205.600,00 €
51- Nachlassgrundbesitz 178.913,88 €
52384.513,88 €
53(a)
54Dass für die Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments nach der Erblasserin eine gesonderte Gebühr nach § 102 KostO zu erheben und folgerichtig auch der Geschäftswert für diese Gebühr nach den §§ 103 Abs. 1, 46 Abs. 4 KostO gesondert festzusetzen ist, ist bereits dargelegt worden.
55(b)
56Aus den bereits dargelegten Gründen ist der Verkehrswert des Nachlassgrundbesitzes für den Bewertungszeitpunkt 12.02.2008 wiederum nach der vereinfachten Sachwertmethode zu ermitteln. Er beläuft sich mithin auf 178.913,88 € und errechnet sich wie folgt:
57Gebäudewert:
58- Brandversicherungssumme 1914
59lt. Angabe des Beteiligten zu 1.) 26.500
60- Richtzahl für 2008 11,52
61305.280,00 €
62- abzüglich eines 20 %igen
63Sicherheitsabschlags 61.056,00 €
64244.224,00 €
65- abzüglich eines 60 %igen
66Abschlags für technische und
67wirtschaftliche Wertminderung
68infolge des Alters des Gebäudes 146.534,40 €
6997.689,60 €
70- abzüglich eines 20 %igen Abschlags
71wegen der feuchtigkeitsbedingten
72Gebäudeschäden 19.537,92 €
7378.151,68 € 78.151,68 €
74Bodenwert:
75- 700 qm Bauland à 210,00 € 147.000,00 €
76- 997 qm Hausgarten à 21,00 € 20.937,00 €
77167.937,00 €
78- abzüglich eines 25 %igen Sicher-
79heitsabschlags 41.984,25 €
80125.952,75 €
81- abzüglich eines 20 %igen
82Abschlags wegen des un-
83günstigen Zuschnitts des Grund-
84besitzes und der fehlenden
85Zuwegung zum B-Weg 25.190,55 €
86100.762,20 € 100.762,20 €
87178.913,88 €.
88Das Vorbringen des Beteiligten zu 1.) gibt keinen Anlass, für den Bewertungszeitpunkt 12.02.2008 prozentual höhere Abschläge vorzunehmen als für den Bewertungszeit 1998. Auch kann aus den bereits dargelegten Gründen bei der Bemessung des Verkehrswertes des Nachlassgrundbesitzes nicht auf seine Ertragswertberechnung zurückgegriffen werden.
89(3)
90Die Geschäftswerte für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren und für die Erteilung eines Erbscheins nur für Grundbuchzwecke sind hier nach den §§ 49 Abs. 2 S. 1, 107 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 KostO nach dem Verkehrswert des Nachlassgrundbesitzes im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge im Jahr 2007 zu bestimmen und belaufen sich jeweils auf 175.682,26 €. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:
91Gebäudewert:
92- Brandversicherungssumme 1914
93lt. Angabe des Beteiligten zu 1.) 26.500
94- Richtzahl für 2007 10,69
95283.285,00 €
96- abzüglich eines 20 %igen
97Sicherheitsabschlags 56.657,00 €
98226.628,00 €
99- abzüglich eines 60 %igen
100Abschlags für technische und
101wirtschaftliche Wertminderung
102infolge des Alters des Gebäudes 135.976,80 €
10390.651,20 €
104- abzüglich eines 20 %igen Abschlags
105wegen der feuchtigkeitsbedingten
106Gebäudeschäden 18.130,24 €
10772.520,96 € 72.520,96 €
108Bodenwert:
109- 700 qm Bauland à 215,00 € 150.500,00 €
110- 997 qm Hausgarten à 21,50 € 21.435,50 €
111171.935,50 €
112- abzüglich eines 25 %igen Sicher-
113heitsabschlags 42.983,88 €
114128.951,62 €
115- abzüglich eines 20 %igen
116Abschlags wegen des un-
117günstigen Zuschnitts des Grund-
118besitzes und der fehlenden
119Zuwegung zum B-Weg 25.790,32 €
120103.161,30 € 103.161,30 €
121175.682,26 €.
122Das Vorbringen des Beteiligten zu 1.) gibt keinen Anlass, für den Bewertungszeitpunkt 2007 prozentual höhere Abschläge vorzunehmen, als für die Bewertungszeiträume 1998 und 2008. Aus den bereits dargelegten Gründen kann bei der Bemessung des Verkehrswertes des Nachlassgrundbesitzes im Übrigen nicht auf seine Ertragswertberechnung zurückgegriffen werden.
123Die Kostenentscheidung beruht auf § 31 Abs. 5 KostO.
124Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, da hier keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung anstehen (§§ 14 Abs. 5 S. 1, 31 Abs. 3 S. 5 KostO).