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Die Erinnerung vom 07.06.2022 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Lemgo vom 13.05.2022 wird zurückgewiesen.
Gründe:
2Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.05.2022 hat der Rechtspfleger des hiesigen Gerichts die vom Verteidiger angemeideten Gebühren nur für die Verfahren Fallakte 1 zu 22 Js 281/17 und Fallakte 7 zu 22 Js 281/17 festgesetzt.
3Mit Beschluss des Amtsgerichts Lemgo vom 28.04.2022 war beschlossen worden, dass sich die Pflichtverteidigung auch auf die genannten beiden Ermittlungsverfahren erstreckt. Im übrigen war die Erstreckung abgelehnt worden.
4Hinsichtlich der übrigen vor der Beiordnung zum Pflichtverteidiger von der Staatsanwaltschaft verbundenen Verfahren hat der Rechtspfleger die Erstattung der Gebühren abgelehnt. Er argumentiert, dass mangels einer Erstreckung die angemeldeten Kosten in den weiteren Verfahren nicht erstattet werden können.
5In dem Nichtabhilfebeschluss vom 08.07.2022 führt der Rechtspfleger an, dass eine Entscheidung übereine Erstreckung allein aus Gründen der formalen Verlässlichkeit Sinn mache. Insbesondere dann, wenn die Verbindung der Verfahren bereits bei der Staatsanwaltschaft erfolgt, sei eine Erstreckungsentscheidung durch den Richter notwendig. Ansonsten würden die für die Ermittlungsverfahren geltend gemachten Kosten explodieren. Eine Verbindung durch die Staatsanwaltschaft habe eine andere Bedeutung und Gewicht als eine Verbindung durch das Gericht.
6Zudem hat der Rechtspfleger die Erstattung der Verfahrensgebühr für die Einziehung gern. W 4142 der Anlage zum RVG als nicht erstattungsfähig angesehen, da der Wertersatz nicht Thema der Verhandlungen gewesen sei.
7Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 07.06.2022 Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt und führt die Entscheidung des OLG Hamm vom 16.05.2017 (1 Ws 95/17) an, wonach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG unmittelbar Anwendung findet, wenn Verfahren zunächst verbunden werden und danach die Bestellung als Pflichtverteidiger in dem verbundenen Gesamtverfahren erfolgt. Er ist damit der Auffassung, dass die Kosten für sämtliche Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft verbunden wurden und in denen er tätig geworden sei, zu erstatten seien.
8Hinsichtlich der Verfahrensgebühr zur Einziehung gemäß W 4142 Anlage RVG ist der Verteidiger der Auffassung, dass allein mit der Anklageerhebung die Gebühr zu dem angeklagten Einziehungswert von 16.696,72 € angefallen sei.
9In der Rechtsprechung ist die Frage umstritten, ob eine Erstreckungsentscheidung nach § 48 VI 3 RVG erforderlich ist, wenn zunächst Verfahren verbunden werden
10und danach die Beiordnung als Pflichtverteidiger erfolgt. Während einerseits die Auffassung vertreten wird, dass über § 48 VI 1 RVG dem Rechtsanwalt die Vergütungsansprüche für alle vorher hinzuverbundenen Verfahren erwachsen (so OLG Hamm 1 Ws 95/17 und OLG Bremen), wird andererseits die Auffassung vertreten, dass auch in den Fällen, in denen erst die Verbindung und dann die Beiordnung erfolgt, eine ausdrückliche Erstreckung erfolgen muss, da die Vorschrift des § 48 VI 3 RVG für alle Verbindungen gelten solle, unabhängig von deren Zeitpunkt (so OLG Braunschweig, Beschluss vom 22,04.2014,1 Ws 48/14 und OLG . Oldenburg, Beschluss vom 27.12.2010, 1 Ws 583/10).
11Das Gericht ist der Auffassung, dass in diesem Fall eine Entscheidung über die Erstreckung nach § 48 VI 3 RVG erforderlich ist, damit der Verteidiger seine Gebührenansprüche gegen den Staat geltend machen kann. Das Argument des OLG Oldenburg, dass nicht einzusehen sei, dass allein aufgrund einer früheren Verbindung eines Verfahrens mit einem anderen automatisch ein Gebührenanspruch nach § 48 VI 1 RVG entstehen soll unabhängig davon, ob bei isolierter Betrachtung eine Verteidigerbestellung notwendig gewesen wäre, überzeugt die Unterzeichnerin. Die ratio-legis des § 48 V 3 RVG lässt, so das OLG Oldenburg, keine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Verbindung zu. Gerade die Verbindung der Verfahren bei der Staatsanwaltschaft hat andere Beweggründe als eine Verbindung von Verfahren bei Gericht und ist doch eher zufällig. Aus diesem Umstand der vorherigen Verbindung allein einen Gebührenanspruch herleiten zu wollen, erscheint daher unangemessen und dem Zweck der Pflichtverteidigerbestelltung zu wider zu sein; denn eine Vergütung des Verteidigers aus der Staatskasse für hinzuverbundene Verfahren soll auf solche Fälle beschränkt sein, in denen dies aus sachlichen Gründen geboten ist (so das OLG Braunschweig aaO). Das OLG Braunschweig argumentiert überzeugend, dass eine Einschränkung des § 48 V 3 RVG hinsichtlich des Zeitpunktes der Verbindung nicht einleuchtend sei, da das Institut der notwendigen Verteidigung im Interesse an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren und einer wirksamen Verteidigung besteht, nicht aber finanziellen Interessen des Beschuldigten oder des Verteidigers zu dienen bestimmt ist. Unabhängig davon in welcher Reihenfolge Beiordnung und Verbindung erfolgen, wäre es vor diesem Hintergrund systemwidrig, allein den Umstand einer Verfahrensverbindung ausreichen zu lassen, um Gebührenansprüche des Verteidigers in hinzuverbundenen Verfahren gegen die Staatskasse entstehen zu lassen (so OLG Braunschweig aaO).
12Da eine Erstreckung nur hinsichtlich der Verfahren Fallakte 1 und 7 zu 22 Js 281/17
13beschlossen worden ist, konnte im übrigen eine Erstattung der angemeldeten Gebühren nicht erfolgen.
14Die Verfahrensgebühr für die Einziehung nach W4142 Anlage RVH war nicht zu erstatten.
15In der W 4142 Anlage RVG heißt es unter Abs. 1:
16"Die Gebühr entsteht für eine Tätigkeit für den Beschuldigen, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht."
17Daher ist eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung bezieht, erforderlich. Aus den Hauptverhandlungsprotokollen oder den Schriftsätzen des Verteidigers ergibt sich jedoch nicht, dass die Frage der Einziehung des Wertersatzes erörtert wurde. Vielmehr ergab sich die Reduzierung des Wertersatzes auf die ausgeurteilten 5.982,81 € daraus, dass die übrigen Taten nach § 154 II StPO eingestellt wurden und sich der Wert des Erlangten auf den Wert der Waren aus den Taten zu Ziffer 16. bis 26. der Anklageschrift reduzierte. Eine irgendwie geartete Tätigkeit des Verteidigers in Bezug auf die Einziehung des Wertersatzes ergibt sich damit nicht.