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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 863.625 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2021 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Mit ihrer Klage macht die Klägerin Ansprüche aus einer D&O-Versicherung aufgrund eines behaupteten Eigenschadens geltend.
3Über die A GmbH als Versicherungsvermittlerin schloss die Klägerin mit Versicherungsbeginn zum 02.10.2017 unter der Versicherungsscheinnummer 0 eine D&O-Versicherung ab, bei der insgesamt 6 Versicherungsunternehmen - die Beklagte als führender Versicherer mit einer Beteiligung von 35,25 % und 5 Versicherungsunternehmen als weitere Risikoträger – unter der „Versicherungsgemeinschaft M.“ zusammengefasst sind (Versicherungsschein Anlage K1, Bl. 361 ff.). Die Versicherung wird als „A-Spezialdeckung zur D&O-Versicherung (Spezial M. 01/2017)“ geführt. Als Versicherungssumme ist ein Betrag in Höhe von 20 Mio. EUR festgelegt. Für Eigenschäden gilt ein Sublimit in Höhe von 25% der Versicherungssumme, maximal jedoch 2,5 Mio. EUR.
4Die auf die Versicherung anwendbaren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB, Anlage K1, dort Bl. 378 ff.) lauten auszugsweise wie folgt:
5„I. Allgemeine Bestimmungen
61. Gegenstand der Versicherung
71.1. (1) Die Versicherer der M.-Versicherungsgemeinschaft (nachfolgend „Versicherer“ genannt) gewähren weltweit Versicherungsschutz für den Fall, dass eine der versicherten Personen während der Dauer der Versicherung oder innerhalb der Nachmeldefrist wegen einer (behaupteten) Pflichtverletzung, die sie bei ihrer Tätigkeit für versicherte Unternehmen begangen hat, erstmals in Textform auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird oder erstmals ohne vorherige Inan- spruchnahme bei Gericht eine Klage auf Schadenersatz gegen eine versicherte Person eingereicht wird (Versicherungsfall). Maßgeblich ist das zeitlich früher eintretende Ereignis. Als Schadenersatzanspruch im Sinne dieses Absatzes 1 gelten auch Ansprüche gemäß §§ 34, 69 AO, § 64 GmbHG und §§ 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 2 AktG.
8(…)
91.3 (1) Der Versicherer gewährt versicherten Unternehmen Versicherungsschutz für Schäden aufgrund von Pflichtverletzungen von versicherten Personen
10(…)
11d) soweit für sie die arbeitsrechtlichen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadenausgleichs oder eines damit vergleichbaren ausländischen Rechtsinstitutes gelten und ihre Haftung allein deswegen ausgeschlossen ist, oder
12(…).
13Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass eine Leistungspflicht des Versicherers gegenüber dem versicherten Unternehmen nur in dem Umfang besteht, in dem sie bei Haftung der versicherten Person diesem gegenüber aus diesem Vertrag bestanden hätte. Ferner ist auch die Geltendmachung eines Eigenschadens gemäß vorstehenden Regelungen durch das versicherte Unternehmen einem Versicherungsfall gleichgestellt. Demnach finden auch z.B. Risikoausschlüsse gemäß III. Anwendung.
14(2) Der Versicherungsfall im Sinne dieser Ziffer I.1.3. gilt als eingetreten, sobald das versicherte Unternehmen den Schaden beim Versicherer geltend macht. Soweit der Versicherer Zahlung leistet, verzichtet er unwiderruflich auf eventuelle Regressansprüche gegen versicherte Personen.
15(3) Hierfür besteht ein Sublimit in Höhe von 25% der Versicherungssumme, maximal
16EUR 2.500.000.
17Das versicherte Unternehmen trägt in Fällen gemäß Ziffer I. 1.3. (1) d) einen Selbstbehalt von EUR 50.000. Der Versicherungsschutz steht erst im Anschluss an diesen Selbstbehalt zur Verfügung. (..)
182. Versicherte Personen
192.1. Bei versicherten Unternehmen
20(1) Versicherungsschutz besteht für gegenwärtige, ehemalige (auch vor Vertragsbeginn ausgeschiedene) oder zukünftige, bestellte oder faktische Mitglieder
21a) der geschäftsführenden Organe (z.B. Vorstand, Geschäftsführer, Generalbevollmächtigte, Interimsmanager oder Shadow Directors), geschäftsführende Kommanditisten,
22(…)
23(3) Versicherungsschutz besteht für gegenwärtige, ehemalige (auch vor Vertragsbeginn ausgeschiedene) oder zukünftige Prokuristen, leitende Angestellte, Fuhrparkleiter, ständige Vertreter gemäß § 13e HGB, besondere Vertreter gemäß §§ 30,86 BGB, Mitglieder der Vertreterversammlung gemäß § 43 GenG sowie local Tax Manager und local Tax Officer, Mitglieder des Prüfungsausschusses oder Disclosure Committee der versicherten Unternehmen nach deutschem Recht oder vergleichbarer ausländischer Rechtsnormen im Umfang der sie persönlich treffenden Haftung.
24Für die Einordnung als leitende Angestellte gilt im Einzelfall die günstigste rechtliche Auslegung. Darüber hinaus gelten Arbeitnehmer auch als leitende Angestellte, sofern sie von einem versicherten Unternehmen im Arbeitsvertrag als solche bezeichnet werden.
25(…)
26III. Ausschlüsse
272. Wissentliche Verletzungen
28(…)
29(1) Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf Schadenersatzansprüche wegen:
30a) einer wissentlichen Verletzung einer Pflicht der in Anspruch genommenen versicherten Person, die sich aus einem Gesetz ergibt, oder
31b) einer wissentlichen Verletzung einer Pflicht der in Anspruch genommenen versicherten Person, die sich aus auf Unternehmensebene gesetztem Recht (z.B. Satzung, Richtlinien, Gesellschaftsverträgen, Handlungsanweisungen etc.) ergibt. Dieser Ausschluss greift jedoch nicht ein, sofern die versicherte Person bei der Verletzung dieser Pflicht vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle des versicherten Unternehmens oder auf Grundlage eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes zu handeln. Die Beachtung von ausschließlich auf Unternehmensebene gesetztem Recht ist nicht als gesetzliche Pflicht im Sinne von a) dieser Ziffer anzusehen.
32(2) Es wird klargestellt, dass Versicherungsschutz für Ansprüche wegen oder aufgrund von bedingt vorsätzlichen Pflichtverletzungen besteht.
33(…)
345. Bekannte Pflichtverletzungen
35Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf versicherte Ereignisse wegen vor Vertragsbeginn begangener Pflichtverletzungen, sofern die jeweils in Anspruch genommene versicherte Person von der Pflichtverletzung bis zum Abschluss dieses Vertrages oder - dann hiervon abweichend - einem früheren im Versicherungsschein ausgewiesenen Kontinuitätsdatum Kenntnis hatte. Es besteht Versicherungsschutz bis diese Kenntnis durch zivilgerichtliche Entscheidung, endgültigen Vergleich oder ausdrücklich schriftlich erklärtes Anerkenntnis rechtskräftig festgestellt wird.“
36Der Versicherungsschein enthält zur Klausel III.5. (vgl. Anlage K1, Bl. 375) folgende Ergänzung:
37„Versicherungsschutz besteht darüber hinaus für Versicherungsfälle, die in dem vorgenannten Zeitraum eintreten und auf einer vor Versicherungsbeginn begangenen Pflichtverletzung beruhen. Hiervon ausgenommen sind jedoch Versicherungsfälle wegen einer Pflichtverletzung, welche der vom Versicherungsfall betroffenen versicherten Person zum 02.10.2008 bekannt war.“
38Die AVB lauten weiter auszugsweise wie folgt:
39„VI. Zurechnung
401. Kenntnis, Verhalten und Verschulden versicherter Personen
41Die Kenntnis, das Verhalten oder das Verschulden einer versicherten Person werden einer anderen versicherten Person, nicht zugerechnet.
422. Kenntnis, Verhalten und Verschulden der Versicherungsnehmerin
43Mit Blick auf die Kenntnis, das Verhalten oder das Verschulden der Versicherungsnehmerin kommt es allein auf folgende Personen an: Vorsitzender des Vorstandes/der Geschäftsführung, Finanzvorstand/ Geschäftsführer Ressort Finanzen, Leiter der Rechtsabteilung sowie falls davon abweichend der Unterzeichner des Risikofragebogens. Auf Kenntnis und Verhalten weiterer versicherter Personen kommt es nicht an.
44(…)
45XVI. Vertragspartner
461. Versicherungsnehmerin
47Versicherungsnehmerin ist das im Versicherungsschein als solche bezeichnete Unternehmen.
482. M.
49Versicherer dieses Vertrags sind die im Versicherungsschein bezeichneten Versicherer als Versicherungsgemeinschaft M..
50Für die Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag haften die Versicherer nicht gesamtschuldnerisch, sondern mit den von ihnen jeweils übernommenen, im Versicherungsschein ausgewiesenen prozentualen Anteilen am Versicherungsvertrag. (…)
513. Führender Versicherer
52Für deckungsrechtliche Streitigkeiten ist ausschließlich der im Versicherungsschein als "Führender Versicherer" bezeichnete Versicherer Prozesspartei und prozessführungsbefugt. Ein gegen den führenden Versicherer erstrittenes Urteil erkennen die anderen Mitversicherer hiermit jeweils für sich und ihren Anteil am Versicherungsvertrag als verbindlich an.
53(…)“
54Die Klägerin ist ein als gemeinnützig anerkanntes Bundesunternehmen, das im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist. Ihre einzige Gesellschafterin ist die Bundesrepublik Deutschland, die im Innenverhältnis durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und das Bundesfinanzministerium (BMF) vertreten wird.
55Nach der internen Organisationsstruktur der Klägerin wird die Geschäftsführung als Vorstand bezeichnet. Unterhalb des Vorstands sind die Bereichsleiter angesiedelt, die unmittelbar an den Vorstand berichten. Den Bereichsleitern unterstehen Abteilungsleiter.
56Soweit für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung, waren die Positionen im Zeitraum 2014-2017 wie folgt besetzt:
57Vorstandsmitglieder:
58 Frau B: Vorstandsvorsitzende von 2014-2017, Finanzvorstand bis September 2015
59 Frau C: Finanzvorstand ab September 2015.
60 Herr D: Arbeitsdirektor von 2014-2017
61Bereichsleiter:
62 Herr E: Bereichsleiter Personal (Bereich B 6) bis August 2015, ab September 2015 Bereichsleiter Finanzen
63Abteilungsleiter:
64 Frau F: Abteilungsleiterin Personalbetreuung bis August 2015, ab September 2015 Abteilungsleiterin Service Finanzen
65Die Mitarbeiter E und F wurden in ihren Arbeitsverträgen explizit als leitende Angestellte bezeichnet.
66Die Klägerin führt Projekte der Entwicklungszusammenarbeit durch. Bei der überwiegenden Mehrzahl dieser Projekte ist die BRD die Auftraggeberin. Die Projekte, bei denen die BRD nicht Auftraggeberin ist, sondern andere Staaten, internationale Organisationen oder private Auftraggeber, werden in der Organisation der Klägerin vom Bereich „International Services“ (InS) geführt. Dieser Bereich besitzt eine eigene Personalabteilung für die dort beschäftigten (Auslands-)Mitarbeiter.
67Für jedes Projekt wird ein Vertrag zwischen dem BMZ und der Klägerin geschlossen. Diese Verträge sehen als Vergütung einen Selbstkostenerstattungspreis gemäß öffentlichem Preisrecht vor. Dabei müssen Selbstkostenpreise gem. § 5 Abs. 1 der Verordnung PR Nr.30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (BAnz. 1953 Nr. 244, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 25. November 2021 (BGBl. I S. 4968), im Folgenden: VOPR), „auf die angemessenen Preise des Auftragnehmers abgestellt werden“. Der Selbstkostenerstattungspreis setzt sich aus Einzelkosten, Verwaltungsgemeinkostenzuschlägen auf die Einzelkosten, einem Gewinnzuschlag von 1% auf die Summe von Einzelkosten und Zuschlägen und gegebenenfalls der Umsatzsteuer zusammen. Für jedes Projekt reicht die Klägerin dem BMZ ein Angebot ein, dem eine Kostenschätzung beigefügt wird. Der endgültige Preis wird nachkalkulatorisch ermittelt.
68Zur Zahlung der Vergütung nutzen die Klägerin und das BMZ ein Abrufverfahren entsprechend der sogenannten „Abrufrichtlinie“ (Richtlinie zur Auszahlung von Bundesmitteln an Zuwendungsempfänger und an Bundesmittel verwaltende Stellen außerhalb der Bundesverwaltung im Abrufverfahren). In der Praxis erfolgt der Zahlungsverkehr dergestalt, dass die Klägerin mehrmals wöchentlich größere Beträge selbständig vom Bundesbankkonto des BMZ abbucht.
69Wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt das Erfordernis einer Rückzahlung ergibt (z.B. nach Schlussrechnung/Nachkalkulation), ist die Klägerin neben der Rückzahlung zur Zinsleistung verpflichtet, damit sich aus dem Abrufverfahren keine unberechtigten Zinsvorteile der Klägerin ergeben. Hierfür gilt eine unter dem 28.12.2010 getroffene Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem BMZ (Anlage K43, Bl. 579 ff.), nach der eine Verzinsung von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vorgesehen ist. Die Zinspflicht erstreckt sich hiernach außerdem jeweils über den Zeitraum, in dem die Klägerin unberechtigt über die Mittel verfügt.
70Im Rahmen der Projekte mit dem BMZ entsendet die Klägerin pro Jahr 2.000 – 3.000 Mitarbeiter in rund 120 Entwicklungsländer. Die mit einer Übersiedlung bzw. Rückübersiedlung verbundenen Aufwendungen ihrer Mitarbeiter muss die Klägerin nach dem mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Manteltarifvertrag (Anlage K4, Bl. 314 ff., im Folgenden MTV) übernehmen. § 21 MTV lautet dabei wie folgt:
71„§ 21 Übersiedlungskosten, Umzugskosten
721. Bei Auslandseinsätzen werden die mit der Übersiedlung ins Einsatzland bzw. Rückübersiedlung aus dem Einsatzland verbundenen Aufwendungen des/der Mitarbeiters/Mitarbeiterin nach den jeweils geltenden Richtlinien der Gesellschaft abgegolten.
732. Die Erstattung von Umzugskosten bei der erstmaligen Aufnahme einer Tätigkeit in einem inländischen Betrieb oder Betriebsteil der Gesellschaft und für einen betrieblich veranlassten Umzug innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus den jeweils geltenden Richtlinien der Gesellschaft.“
74Nach § 2. Ziffer 2.2 der Geschäftsordnung für den Vorstand (Anlage K6, Bl 292 ff., im Folgenden: GOV) beschließt der Vorstand gemeinsam in allen Angelegenheiten grundsätzlicher Art oder von wesentlicher Bedeutung. Als solche Angelegenheiten gelten nach § 2 Ziffer 2.2.3 alle Angelegenheiten, die der Zustimmung der Gesellschafterin oder des Aufsichtsrates bedürfen. Maßnahmen, die der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen, sind nach § 7 Ziffer 7.2.10 GOV unter anderem die Festlegung von Richtlinien für die Gewährung von Nebenleistungen an das Inlands- und Auslandspersonal. Parallel besteht nach § 11 Ziffer 11.3.10 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin (Anlage K5, Bl. 300 ff., im Folgenden: GV) für solche Maßnahmen auch eine Pflicht zur Einholung der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterin der Klägerin.
75Ab dem Jahr 2009 galten bei der Klägerin bezüglich einer Erstattung der (Rück-) Übersiedlungskosten zunächst folgende Regelungen:
76 Richtlinien für Übersiedlungskostenersatz (§ 21 Ziffer 1 MTV) vom 01.03.2009 Richtlinie 01.03.2009, Anlage K 7, Bl. 287 ff., im Folgenden: Übersiedlungskostenrichtlinie
77 Merkblatt Nr. 14, Transportkosten Direktumsetzung - Erstattung der Transportkosten des Hausratgutes und des privaten Kraftfahrzeugs bei einer Direktumsetzung, gültig ab 01.07.2009 (Ziffer 2.3 der Richtlinien für den Übersiedlungskostenersatz vom 01.03.2009), Anlage K 8, Bl. 285 ff., im Folgenden: Merkblatt Direktumsetzungen.
78Nach der Übersiedlungskostenrichtlinie gewährt die Klägerin bei Beginn eines Einsatzes im Ausland eine Ausreisepauschale und bei Rückkehr nach Deutschland eine Heimreisepauschale (Ziffer 3 der Übersiedlungskostenrichtlinie). Damit sollen die Kosten des Transports des Hausstands (ggf. inklusive Kfz) der betroffenen Mitarbeiter abgedeckt werden. Reisekosten für die reisenden Personen selbst (Flugtickets o.ä.) werden separat vergütet.
79Die Pauschalen werden von der Klägerin in regelmäßigen Abständen aufgrund von aktuellen Angeboten von Spediteuren festgelegt und angepasst. Der Mitarbeiter selbst erhält 100% der veranschlagten Pauschalen, für Partner eines ausreisenden Mitarbeiters werden 40%, für Kinder 20% der Pauschalen angesetzt.
80In der Praxis kommt es bei der Klägerin jedoch auch zu sogenannten Direktumsetzungen. Solche liegen nach den Bestimmungen der Klägerin immer dann vor, wenn sich an den Auslandseinsatzvertrag eines Mitarbeiters unmittelbar ein Vertrag für den Einsatz in einem anderen ausländischen Land anschließt, so dass ein Umzug von Land A zu Land B erfolgt, ohne dass der Hausstand zwischenzeitlich nach Deutschland zurücktransportiert werden müsste.
81Für diese Fälle sah das Merkblatt Direktumsetzungen vor, dass die Klägerin eine Pauschale in Höhe von 100% des günstigeren von zwei Kostenvoranschlägen für den Umzug vom bisherigen zum neuen Einsatzort bezahlt (vgl. Ziffer 2 Merkblatt Direktumsetzungen).
82Im Jahr 2014 ergriff die Klägerin umfangreiche Maßnahmen, um die Arbeitsbelastung im Personalbereich zu reduzieren.
83In einem internen Arbeitspapier vom 19.12.2013 (Anlage K10, Bl. 278 ff.) wurden verschiedene Vorschläge dargelegt, darunter auch die Maßnahme, bei Direktumsetzungen zukünftig auf die Einholung von Kostenvoranschlägen für die Umzüge zu verzichten, stattdessen von einer Heimreise nach Deutschland und Ausreise von Deutschland in das nächste Einsatzland auszugehen und die hierfür in der Übersiedlungskostenrichtlinie vorgesehenen Pauschalen zu zahlen.
84In einer Managementbesprechung vom 20.12.2013, an der unter anderem der Zeuge E und auch der Zeuge D als Arbeitsdirektor teilnahmen, wurden die Maßnahmen vorgestellt.
85Die Maßnahmen wurden darüber hinaus im nächsten Treffen des Executive Management Committee, einem Gremium, an dem neben dem Vorstand der Klägerin auch die weiteren höheren Leitungsebenen teilnehmen, mitgeteilt.
86Für Direktumsetzungen ab April 2014 wurden die Umzugskosten wie in dem Vorschlag vorgesehen durch Zahlung einer Heim- und Ausreisepauschale an die betroffenen Auslandsmitarbeiter erstattet. Eine formelle Anpassung der Übersiedlungsrichtlinie oder des Merkblatts Direktumsiedlung erfolgte nicht. Der Bereich InS übernahm die Umstellung der Abrechnungspraxis nicht.
87Im November 2017 nahm das BMZ eine Schlussrechnungsprüfung für 4 abgeschlossene Projekte vor. Dabei wurden auch die in einem Projekt angefallenen Übersiedlungskosten für einen Mitarbeiter der Klägerin überprüft, für den zwei Direktumsetzungen innerhalb von 7 Monaten durchgeführt wurden. Im Entwurf seines Prüfberichts vom 18.01.2018 monierte das BMZ die Kostenerstattungspraxis und bat um Stellungnahme (Anlage K17, dort TZ 22).
88Unter Tz 21 des endgültigen Prüfungsberichts vom 10.07.2018 beanstandete das BMZ die neue Kostenerstattungspraxis umfassend mit dem Hinweis darauf, dass nach Sinn und Wortlaut der Übersiedlungskostenrichtlinie zwingend eine echte Übersiedlung vorliegen müsse, um die dort festgelegten Pauschalen auszuzahlen. Eine Übersiedlung im Sinne eines dauerhaften Ortswechsels liege aber nicht vor, wenn zwischen den Einsätzen lediglich die Zentrale besucht werde, um eine medizinische Untersuchung sowie eine Vorbereitung des neuen Einsatzes wahrzunehmen. Die Klägerin wurde vom BMZ aufgefordert, die abgerechneten und auch bereits ausgezahlten Heimreisepauschalen in dem festgestellten Einzelfall an das BMZ zurückzuerstatten und das derzeit praktizierte Verfahren bei Direktumsetzungen anzupassen (Bericht des BMZ vom 10.07.2018, Anlage K20, dort TZ 21).
89In der Abteilungsleiterrunde vom 12.10.2018 (vgl. Anlage K23, Bl. 169) wurde das Thema behandelt und beschlossen, dass grundsätzlich innerhalb eines Jahres nicht zweimal Aus- und Heimreisepauschalen gezahlt werden sollten. Weitere Anpassungen erfolgten zunächst nicht.
90Mit E-Mail vom 05.11.2018 (Anlage K25, Bl. 158) erhielten die Herren H und J als Abteilungsleiter im Personalbereich von der hauseigenen Prüfungskoordinierungsstelle Mitteilung davon, dass auch die Preisprüfer des Regierungspräsidiums Darmstadt in ihrem Bericht vom 30.08.2018 zur preisrechtlichen Prüfung eines Projekts in Mexiko die Umzugskostenvergütung einer Direktumsetzung gerügt hatten (Anlage K24); das BMZ gehe nunmehr davon aus, dass es sich nicht mehr um bloße Einzelfälle handele.
91Das BMZ forderte die Klägerin zur Stellungnahme dazu auf, wie das Verfahren geändert werden solle.
92Mit Schreiben vom 10.04.2019 forderte das BMZ die Klägerin weiter dazu auf, eine Auflistung aller im Jahr 2013 – also im Jahr vor Umstellung der Erstattungspraxis - gezahlten Pauschalen für Direktumsetzungen mit entsprechender Darstellung der Einsatzländer vorzulegen. Dem kam die Klägerin nach (Anlage K26, Bl. 156 ff.).
93Das BMZ verglich im Folgenden die für 2013 gezahlten Kosten mit einer fiktiven Kostenerstattung nach der geänderten Erstattungspraxis der „Doppelpauschale“. Es kam zu dem Ergebnis, dass selbst unter Berücksichtigung der eingesparten Kosten für eine Prüfung/Bearbeitung der Kostenvoranschläge in der Zentrale, die es auf 82.584 EUR schätzte, die Kosten nach der neuen Praxis durchschnittlich mehr als doppelt so hoch wie nach den ursprünglichen Merkblattregelungen gewesen seien (Berechnungen BMZ, Tabelle Anlage K 26, Bl. 156 f). Diese Kosten könnten weder nach der VOPR, noch nach dem MTV, der nur die Erstattung von Aufwendungen vorsehe, die mit einer tatsächlichen Übersiedlung verbunden seien, anerkannt werden.
94Dies wurde der Klägerin mit Schreiben vom 24.05.2019 mitgeteilt und die Klägerin dazu aufgefordert, 50% aller ab April 2014 abgerechneten Kosten für Direktumsetzungen zurückzuerstatten und eine Kostenübersicht für die Umsetzungen in den Jahren 2014 bis Mai 2019 zu erstellen (Schreiben des BMZ vom 24.05.2019, Anlage K27, Bl. 152 ff.).
95Die Thematik wurde auf einer Vorstandssitzung vom 25.06.2019 besprochen. Dabei beschloss der Vorstand, die vom BMZ gerügte Praxis für einen Karenzzeitraum bis zur Klärung einer möglichen Übergangslösung, spätestens bis zum 30.09.2019 fortzusetzen (Anlage B 5, Bl. 498).
96Die Klägerin erstellte die erbetene Kostenübersicht der Umsetzungskosten für das BMZ (Anlage K31, Bl. 102 ff.; Korrekturen in Anlage K31a, Bl. 574 ff.).
97Inklusive Zuschlägen (Verwaltungsgemeinkosten und Gewinnzuschlag) ergab sich nach ihren Aufstellungen zunächst ein Rückzahlungsbetrag von 7.777.189,56 EUR zuzüglich Zinsen. Mit Schreiben vom 25.03.2020 forderte das BMZ die Klägerin zur Zahlung des vorgenannten Betrages bis zum 31.05.2020 auf (Anlage K 32, Bl. 100 f.).
98Inklusive Zinsen zahlte die Klägerin an das BMZ aufgrund des Rückerstattungsverlangens einen Betrag in Höhe von 9.826.905,86 EUR. Dieser setzt sich zusammen aus einer Zahlung von 8.984.153,96 EUR für die Direktumsetzungen von April 2014 bis Mai 2019 sowie einer Zahlung von 842.751,90 EUR für Direktumsetzungen bis Ende September 2019 (vgl. hierzu die Erläuterungen in der Klageschrift S. 20 f., Bl. 23 f.).
99Für die einzelnen Jahre wurden folgende Rückzahlungsbeträge angesetzt:
1002014: 1.563.431,63 EUR
1012015: 1.516.703,49 EUR
1022016: 1.986.098,76 EUR
1032017: 1.847,727,36 EUR
1042018: 1.559.371,20 EUR
1052019: 1.353.573,42 EUR
106Mit Schreiben vom 08.04.2020 machte die Klägerin Schadensersatzansprüche gegenüber dem Zeugen E i.H.v. 44.688,45 EUR (= 3 Bruttomonatsgehälter) und gegenüber der Zeugin F in Höhe von 24.464,30 EUR (= 2 Bruttomonatsgehälter) sowie Ansprüche gegenüber drei weiteren Abteilungsleitern aus dem Personalbereich, den Herren H, I und J, schriftlich geltend. Weitere Personen wurden nicht zur Verantwortung gezogen.
107Für die Geltendmachung von Ansprüchen der Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern sieht der MTV in seinem Abschnitt VI. folgende Regelung vor:
108„VI. Ausschlussfrist, anwendbares Recht, Gerichtsstand
109§ 31 Ausschlussfrist
110Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag sind innerhalb einer Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen, soweit tarifvertraglich oder in Richtlinien bzw. Betriebsvereinbarungen der Gesellschaft nichts anderes bestimmt ist. (…).“
111Über die gegenüber den Zeugen E und Frau F geltend gemachten Schadensersatzansprüche schloss die Klägerin als Versicherungsnehmerin mit der K SE als D&O Versicherer für Organe und leitende Angestellte der Klägerin unter dem 03.02.2021 einen Vergleich, nach dem die K SE zur Abgeltung des Schadensfalls 40.000 EUR leistete (Anlage K39, Bl. 73 ff.).
112Mit Schreiben vom 20.05.2020 an die M. GmbH zeigte die Klägerin der Beklagten den von ihr angenommenen Versicherungsfall im Sinne eines Eigenschadens an, unter dem 13.10.2021 forderte sie die Beklagte und die Mitversicherer zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 2,45 Mio. EUR auf. Die hierfür gesetzte Zahlungsfrist bis zum 10.11.2021 verstrich, ohne dass eine Regulierung vorgenommen wurde.
113Die Klägerin behauptet, bereits die Übersiedlungskostenrichtlinie aus dem Jahr 2005 sei von den Vorgängern des Zeugen E und der Zeugin F, dem Bereichsleiter L und dem Abteilungsleiter M ohne Befassung des Aufsichtsrates erlassen worden. Dementsprechend sei auch der Erlass der Richtlinie aus dem Jahr 2009 von den Zeugen E und F in die Tat umgesetzt worden, ohne den Aufsichtsrat einzubinden.
114Ein Zustimmungserfordernis sähen der GV und die GOV zwar für die erstmalige Festlegung von Richtlinien für die Gewährung von Nebenleistungen an die Mitarbeiter vor, nicht aber für deren spätere Änderung oder Aufhebung. Unter den Begriff der „Nebenleistung“ im Sinne der genannten Regelwerke sei darüber hinaus eine Erstattung von Umzugskosten an die Mitarbeiter bereits nicht zu subsumieren, da sich die Pflicht zur Übernahme der Umzugskosten für einen vom Arbeitgeber angeordneten Auslandseinsatz bereits aus der gesetzlichen Regelung der §§ 670, 675 BGB ergebe. Dass sowohl die Übersiedlungskostenrichtlinie im Jahr 2009 und das Merkblatt Direktumsetzungen als auch die späteren Änderungen im Jahr 2014 ohne Einbeziehung des Aufsichtsrates zustande gekommen seien, sei mithin im Einklang mit den gesellschaftsrechtlichen Regelungen der Klägerin erfolgt.
115Eine Pflicht, Richtlinien für derartige Kostenerstattungen zu erlassen, sähe die Geschäftsordnung der Klägerin gerade nicht vor. Zur Schaffung einer besseren Transparenz für die Mitarbeiter sei der Erlass von bloßen, nicht zustimmungspflichtigen Merkblättern o.ä. möglich gewesen.
116Selbst wenn es ein Zustimmungserfordernis gegeben hätte, wäre ein Verstoß durch die Beteiligten jedenfalls nicht wissentlich erfolgt, da sie aufgrund der historischen Handhabung lediglich fahrlässig davon ausgegangen wären, eine Gremienzustimmung nicht einholen zu müssen.
117Die Umstellung der Kostenerstattungspraxis bei Direktumsetzungen sei unter Federführung der leitenden Angestellten E und F entwickelt und durchgeführt worden. Diese Aufgabe sei auch originär ihrem Zuständigkeitsbereich und nicht demjenigen des Vorstands zugewiesen gewesen. Beide hätten die administrativen Abläufe in ihrem Verantwortungsbereich eigenständig umgesetzt und organisiert; ein Teil dieser Abläufe sei der finanzielle Umgang mit Direktumsetzungen gewesen.
118Die Geschäftsführung habe keine näheren Informationen über die Umstellung der Kostenerstattungspraxis gehabt. Insbesondere seien Mehrkosten nicht quantifiziert worden. Herrn D als Arbeitsdirektor sei die Maßnahme zwar mündlich vorgestellt worden, das Ausmaß der Kostensteigerungen sei ihm aber nicht bekannt gewesen.
119Die Maßnahme sei ursprünglich als befristete Umstellung gedacht gewesen. Ende 2014, also nach 9 Monaten, hätte eigentlich eine Bewertung der Auswirkungen der Umstellung vorgenommen werden sollen. Eine Wiedervorlage sei dann jedoch von der zuständigen Frau F versehentlich unterblieben, so dass es nicht nur im Vorfeld der Umstellung, sondern auch danach zu keinen tiefergehenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen gekommen sei.
120Überprüfungen der Kostenerstattungspraxis bei Direktumsetzungen nach dem neuen System seien durch das BMZ vor der Prüfung im Jahr 2017 nicht vorgenommen worden.
121Durch die Pflichtverletzungen ihrer leitenden Angestellten E und F bei Einführung der geänderten Kostenerstattungspraxis („Entstehungssphase“, 2014-2017) und durch die Pflichtverletzungen der leitenden Angestellten, die im Zeitraum ab 2018 („Aufarbeitungsphase“) eine Abschaffung/Änderung der Erstattungspraxis nicht zeitnah durchgesetzt hätten, sei ihr mindestens ein Schaden in Höhe der an das BMZ zurückerstatteten 9.826.905,86 EUR entstanden.
122Den Mitarbeitern E und F sei insbesondere vorzuwerfen, dass sie die Entscheidung über die Praxisänderung der Kostenerstattung bei Direktumsetzungen ohne Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, der Höhe der Pauschalen und die damit verbundene Problematik der Abrechnung gegenüber dem BMZ getroffen hätten.
123Der Schaden, der in der „Entstehungsphase“ durch die Mitarbeiter E u. F verursacht worden sei, sei bereits so groß, dass er die Deckelung auf 2,5 Mio. EUR überschreite, so dass es auf die Aufarbeitungsphase für die Geltendmachung des versicherungsvertraglichen Anspruchs nicht mehr ankäme.
124Es sei dabei eine Schadensschätzung gem. § 287 ZPO vorzunehmen.
125Dabei sei zunächst der Kostenbetrag anzusetzen, der für das jeweilige (anteilige) Jahr für Direktumsetzungen nach dem neuen System ausgezahlt worden sei. Dieser Betrag sei – orientiert an den Vergleichsüberlegungen des BMZ für das Jahr 2013 – zu halbieren. Auf das Ergebnis sei der im jeweiligen Jahr anzusetzende Verwaltungsgemeinkostensatz aufzuschlagen, auf dieses Ergebnis ein Gewinnsatz von 1%. Dies ergebe für jedes Jahr den Rückzahlungsanspruch des BMZ, der nach der getroffenen Zinsvereinbarung zu verzinsen sei.
126Die Klägerin beantragt,
127die Beklagte zu verurteilen, an sie 863.625 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2021 zu zahlen.
128Die Beklagte beantragt,
129die Klage abzuweisen.
130Die Beklagte behauptet, die Geschäftsführung der Klägerin sei umfassend über die Umstellung der Kostenerstattungspraxis informiert gewesen. Auch, dass durch die Umsetzung Mehrkosten in den Vorhaben entstehen würden, sei allen Beteiligten klar gewesen. Dies ergebe sich bereits aus der Kritik des Bereiches InS, der aus Kostengründen die vorgeschlagene Umstellung der Kostenerstattungspraxis nicht habe übernehmen wollen.
131Die Kostenerstattungspraxis sei sehr wohl nach ihrer Einführung nochmals überprüft worden. Die Personalabteilung der Klägerin habe sich mit der Maßnahme im Frühjahr 2015 nochmals beschäftigt und entschieden, dass neue Vorgehen beizubehalten.
132Pflichtverletzungen insbesondere der Zeugen E und F hätten bereits nicht vorgelegen. Keine der benannten Personen habe die Verantwortung für die Vergütungspraxis der Klägerin gehabt oder aber diese Verantwortung so wahrgenommen, dass nach dem Vortrag der Klägerin einer dieser Personen eine konkrete Handlung/Entscheidung angelastet werden könnte, die schadensursächlich gewesen sei. Wenn aber Pflichtverletzungen angenommen würden, lägen diese in einer wissentlichen Kompetenzüberschreitung, für die bereits kein Versicherungsschutz bestehe.
133Die von der Klägerin skizzierten Pflichtverletzungen beträfen allesamt den Zuständigkeitsbereich des Zeugen D. Da dieserjedoch gerade nicht durch die Klägerin in Anspruch genommen wurde, scheide ein Anspruch nach den Vertragsbedingungen insgesamt aus.
134Auch ein Schaden sei aus unterschiedlichen Gründen nicht anzunehmen. Sofern sich die Klägerin für eine Änderung der Kostenerstattungspraxis entscheide, die Mehrkosten produziere, um an anderer Stelle Probleme wie eine Überlastung des Personalbereichs oder aber die fehlende Attraktivität eines Auslandseinsatzes zu lösen, sei dies ihre freie unternehmerische Entscheidung gewesen. Die entstandenen Mehrkosten könne sie nun nicht zu Lasten der Beklagten als Schaden umdeklarieren. Nicht alles, was seitens des BMZ als Auftraggeberin nicht erstattet würde, sei automatisch ein Schaden.
135Darüber hinaus habe das BMZ spätestens seit April 2018 aufgrund der durchgeführten Preisprüfungen davon Kenntnis gehabt, dass bei Direktumsetzungen generell ein geändertes und zu erheblichen Kostensteigerungen führendes Erstattungsverfahren Anwendung finde. Die ab diesem Zeitpunkt geleisteten Kostenerstattungen in Kenntnis der unzulässigen Praxis hätten damit nicht zurückgefordert werden können, da die Leistung auf eine bekanntermaßen nicht bestehende Forderung deren Rückforderung ausschließe.
136Auch sei gegenüber dem BMZ nicht die mögliche Argumentation erfolgt, dass sich die gezahlten Übersiedlungskosten als branchenübliche Leistungen darstellen könnten. Ob höhere Kosten als die nach dem Merkblatt Nr. 14 vorgesehenen angemessen sein könnten, habe die Klägerin nicht einmal geprüft. Soweit die Mehrkosten branchenüblich waren, sei eine Rückzahlung an das BMZ jedenfalls nicht geschuldet gewesen.
137Ein Großteil der Rückforderungsansprüche des BMZ sei wegen der Kenntnis des BMZ bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis von einer Rückerstattungsforderung auch verjährt gewesen und habe allein deshalb nicht zurückgezahlt werden müssen.
138Zu viel gezahlte Beträge hätten im Übrigen von den betroffenen Auslandsmitarbeitern zurückgefordert werden können. Soweit eine solche Rückforderung nicht durchgesetzt würde, handele es sich um ein freiwilliges Vermögensopfer der Klägerin und nicht um einen versicherten Schaden.
139Gegen die in Anspruch genommenen Mitarbeiter E und F stünden der Klägerin ohnehin keine Ansprüche zu. Denn die Inanspruchnahme der Mitarbeiter auf Schadensersatz sei durch die Klägerin erst nach Ablauf der 12-monatigen Ausschlussfrist des § 31 MTV erfolgt. Damit sei aber auch ein versicherungsrechtlicher Regulierungsanspruch ausgeschlossen, da ein solcher nach Abschnitt I. Ziffer 1.3 d) der AVB nur gegeben sei, soweit eine Haftung des schadensersatzverpflichteten Mitarbeiters (allein) aufgrund der arbeitsrechtlichen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadenausgleichs oder eines damit vergleichbaren ausländischen Rechtsinstitutes ausgeschlossen sei.
140Jedenfalls müsse von einem reduzierten Eigenschaden deshalb ausgegangen werden, weil eine pauschale Kürzung der Schadensersatzansprüche auf 3 bzw. 2 Bruttomonatsgehälter nicht geboten gewesen sei.
141Die von der Klägerin eingereichten Tabellenwerke seien aufgrund zahlreicher Unstimmigkeiten insgesamt ungeeignet, um die Grundlage für eine Schadensschätzung darzustellen.
142Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N, O, D, E, P, Q, R und S. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 05.03.2023 (Bl. 1483 ff.) und 05.11.2024 (Bl. 2600 ff.), zum Sach- und Streitstand im Übrigen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2023 (Bl. 626 ff.) sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt deren Anlagen.
143Entscheidungsgründe:
144I.
145Die Klage ist zulässig und begründet.
146Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus § 1 VVG i.V.m. Abschnitt I. Ziffern 1.3. (1) d), 2.1 (3), Abschnitt XVI. Ziffern 2 und 3 der AVB ein versicherungsvertraglicher Anspruch auf Zahlung von 863.625 EUR zuzüglich Verzugszinsen ab dem 11.11.2021 nach den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zu.
147Im Rahmen des geschlossenen D&O-Versicherungsvertrags ist die Beklagte als Führender Versicherer nach dem Versicherungsschein als Einzelschuldner zu einer Quote von 35,25 % (Anlage K1, dort Bl. 366) zur Leistungsregulierung im Versicherungsfall verpflichtet. Nach Abschnitt I Ziffer 1.3 (3) gilt ein Sublimit in Höhe von 2,5 Mio. EUR, bei dem hier einschlägigen Eigenschaden darüber hinaus nach Abschnitt I Ziffer 1.3 (1) d) ein Selbstbehalt in Höhe von 50.000 EUR. Als geschuldete Versicherungsleistung ergibt sich mithin der ausgeurteilte Betrag in Höhe von 863.625,00 EUR (= (2.500.000 EUR – 50.000 EUR) x 0,3525).
1481. Vorliegen eines Versicherungsfalls nach Abschnitt I. Ziffer 1.3 (1) d), (2) AVB
149Ein Versicherungsfall nach Abschnitt I. Ziffer 1.3 (1) d), (2) AVB liegt vor, denn die Zeugen E und F haben im Zusammenhang mit der Umstellung der Kostenerstattungspraxis bei Direktumsetzungen in den Jahren 2013 und 2014 als leitende Angestellte Pflichtverletzungen begangen, die bei der Klägerin zu einem Schaden geführt haben. Aufgrund des im Vertrag in Abschnitt I. Ziff. 1.1 verankerten „Claims-Made“-Prinzips scheitert die Annahme eines Versicherungsfalls dabei nicht daran, dass die Pflichtverletzungen bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrags im Jahr 2017 begangen wurden, da insoweit allein der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs maßgeblich und eine Rückwärtsdeckung vereinbart ist.
150a) Pflichtverletzungen der Zeugen E und F
151Unstreitig wurden die Zeugen E und F in ihren Arbeitsverträgen als leitende Angestellte bezeichnet, so dass von ihnen verursachte Schäden grundsätzlich vom Deckungsschutz der „A-Spezialdeckung zur D&O-Versicherung“ umfasst sind.
152Den Zeugen E und F ist vorzuwerfen, dass sie die Dimension der Kostensteigerungen, die die geänderte Erstattungspraxis hervorgerufen hat, verkannt und nicht überprüft haben, ob die neue Kostenerstattungspraxis preisrechtlich zulässig war oder aber eine Erstattungsfähigkeit durch das BMZ in Frage stellen würde. Weiter begingen sie eine Pflichtverletzung, indem sie die nach den Satzungsregelungen der Klägerin vorgesehene Zustimmung des Gesamtvorstands und Aufsichtsrates nicht einholten.
153aa) Eigenverantwortliches Handeln der Zeugen
154Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Änderung der Kostenerstattungspraxis in Eigenverantwortlichkeit von den genannten Zeugen vorbereitet, ausgearbeitet und umgesetzt wurde.
155Der Zeuge D hat in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 05.11.2024 (Sitzungsprotokoll ab S. 2, Bl. 2601) klar ausgeführt, dass es seitens des Vorstands im Jahr 2014 aufgrund der angespannten Finanzlage lediglich die pauschale Vorgabe gab, ein „abgespecktes Budget“ zu erstellen. Die Ausarbeitung und der Vorschlag der einzelnen Maßnahmen seien „natürlich im Personalbereich ausgearbeitet“ worden. Nur, soweit die Notwendigkeit einer Vorstandsentscheidung gesehen wurde, sei diese auch herbeigeführt worden, ansonsten habe es „nur eine Information an den Vorstand“ gegeben. Zur Umstellung der Kostenerstattungspraxis bei Direktumsetzungen konnte sich der Zeuge konkret erinnern, dass zwar das gesamte Maßnahmenpaket en bloc dem Gesamtvorstand vorgestellt, ein offizieller Vorstandsbeschluss aber gerade nicht gefasst worden sei. Man sei „nicht der Auffassung gewesen, dass eine dieser Maßnahmen eines offiziellen Beschlusses bedurfte“ (Sitzungsprotokoll S. 3, Bl. 2602). Die Vorstellung des Maßnahmenkatalogs durch Herrn E hat der Zeuge dem folgend lediglich als „gegenseitige Information“ im Rahmen einer „internen Besprechung“ dargestellt (Sitzungsprotokoll S. 5, Bl. 2604).
156Auch die Umsetzung der vorgeschlagenen Sparmaßnahmen sei dann „in den zuständigen Bereichen“ erfolgt.
157Zur inhaltlichen Gestaltung der Merkblätter zur Regelung der Direktumsetzungen konnte der Zeuge keine Angaben machen und hat hierzu auch klar ausgesagt, dass er in die Gestaltung und Änderung von Merkblättern „als Arbeitsdirektor nicht eingebunden war“ (Sitzungsprotokoll S. 4, Bl. 2603). Den „großen Grad an Verantwortung der Bereichsleiter“ hat er dabei ausdrücklich hervorgehoben und den hier streitgegenständlichen Regelungsbereich operativen Fragen zugeordnet, die – anders als strategische Fragen- im Bereich selbst zu regeln gewesen seien (Sitzungsprotokoll S. 5, Bl. 2604). Davon, dass dem Zeugen E als Bereichsleiter gegenüber dem Zeugen D als Arbeitsdirektor eigene Zuständigkeiten zugewiesen waren, die er in Eigenverantwortung wahrnehmen konnte, zeugt im Übrigen auch der Besprechungsbericht zur MMK-Strategiesitzung vom 20.12.2023, nach dem eine Abgrenzung der Zuständigkeiten von Arbeitsdirektor und Bereichsleiter nochmals geklärt werden sollte. Entscheidungen zu Budget und Personal sollten dabei immer beim Bereichsleiter liegen (Anlage K12, S. 3, Bl. 275).
158Die Aussagen des Zeugen D hat auch der Zeuge E in seiner Vernehmung (Sitzungsprotokoll ab S. 7, Bl. 2606) bestätigt. Auch er führte aus, dass die Maßnahmen vom Personalbereich selbst ausgearbeitet und anschließend Herrn D lediglich mündlich im Rahmen des Gesamtpaketes vorgestellt worden seien.
159Anhaltspunkte, um an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln, sieht die Kammer nicht. Beide Zeugen haben zahlreiche Erinnerungslücken freimütig eingeräumt und wirkten auf die Kammer insgesamt authentisch, stringent und widerspruchsfrei. Aus der Aussage des Zeugen E ließ sich zwar deutlich seine Enttäuschung darüber herauslesen, wie die Klägerin bei der Sachverhaltsaufarbeitung vorgegangen und mit ihm und der Zeugin F dabei umgegangen ist. Belastungstendenzen in dem Sinne, dass sich der Zeuge von einer Verantwortung insgesamt hätte freisprechen wollen, ließ seine Aussage gleichwohl nicht erkennen. Vielmehr hat er selbstkritisch eingeräumt, Dinge übersehen zu haben oder im Rückblick nunmehr anders zu bewerten.
160In das von den Zeugen gezeichnete Gesamtbild fügt sich auch der Inhalt des Interviews ein, das die Klägerin im Rahmen der Sachverhaltsaufarbeitung mit der bereits vor Prozessbeginn verstorbenen Zeugin F am 19.03.2020 geführt und protokolliert hat (Anlage K9, Bl. 282 ff.). Auch die Zeugin F bestätigt darin, dass die Maßnahmen auf der Ebene unterhalb des Vorstands erarbeitet und gesammelt wurden (vgl. Protokoll S. 1, Bl. 282: „Die Entscheidung war Teil eines größeren Maßnahmenpakets des gesamten Personalbereichs“; „Die Listen mit den Maßnahmenvorschlägen wurden sehr kurzfristig in den Führungskreisen der Abteilungen gesammelt“). Eine Einbindung des Vorstands bei der Vorschlagssammlung, -erarbeitung und -umsetzung hat die Zeugin dabei gerade nicht erwähnt.
161Eine – von Beklagtenseite angenommene – direkte Weisung des Vorstands zur Änderung der Kostenerstattungspraxis ergibt sich aus der Beweisaufnahme damit insgesamt nicht. Die streitgegenständliche Maßnahme wurde nach den glaubhaften Zeugenaussagen vielmehr autonom auf Ebene des Personalbereichs ausgearbeitet und dem Arbeitsdirektor dann lediglich vorgestellt. Dabei war es zur Überzeugung der Kammer so, dass weder der Zeuge D noch der Zeuge E überhaupt das Bewusstsein dafür gehabt hätten, dass eine Leitungsentscheidung des Vorstands notwendig sein könnte, so dass eine solche auch nicht eingefordert und eingeholt wurde. Im Rahmen der reinen Zielvorgabe, Personalkosten einzusparen, hatten die Zeugen E und F vielmehr freie Hand bei der Entwicklung von Lösungsvorschlägen, haben diese Aufgabe eigenverantwortlich umgesetzt und unter anderem die hier im Streit stehende Änderung der Kostenerstattungspraxis auf den Weg gebracht. Dass nach dem Revisionsbericht der Klägerin Nr. 2019-099, zitiert in der Klageerwiderung S. 5 (Bl. 447), nicht ermittelt werden konnte, „wie genau es zu dem Vorschlag kam und wer ihn unterbreitete“, steht dem nicht entgegen. Denn maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die hier relevante Pflichtverletzung ist nicht das Vorschlagen einer Option als solche, sondern deren Aufgreifen, Weiterbearbeiten und Umsetzen. Dass diese Schritte durch die Zeugen E und F in Eigenverantwortung durchgeführt wurden, steht für die Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme und den vorgelegten Unterlagen außer Zweifel.
162Einem eigenverantwortlichen Handeln der Zeugen E und F steht auch nicht entgegen, dass der Zeuge D ausgesagt hat, er hätte ein „Vetorecht“ bezüglich der Maßnahme geltend machen und diese „wohl verhindern können“, ein fehlendes Einverständnis seinerseits hätte „zumindest Diskussionen ausgelöst“ (Sitzungsprotokoll S. 6, Bl. 2605).
163Bereits aus diesen Aussagen des Zeugen lässt sich für die Kammer ablesen, dass bei Bedenken des Zeugen D zunächst im Dialogweg versucht worden wäre, eine Lösung zu finden und die grundsätzlich auch in diesem Bereich angenommene Eigenverantwortung des Personalbereichs unter dem Bereichsleiter E nicht in Frage zu stellen. Dass dem Zeugen D letzten Endes ein Vetorecht zustand, ergibt sich bereits aus der organisationsrechtlichen Letztverantwortung des Arbeitsdirektors für den ihm untergeordneten Personalbereich. Diese Letztverantwortung schließt eine Verantwortung der darunterliegenden Bereichsebene, die hier im Rahmen der übereinstimmend verstandenen Kompetenzzuweisung selbstständig tätig geworden ist, jedoch nicht aus, sondern tritt lediglich neben diese. Die Nichtausübung eines Vetorechtes als „ultima ratio“ ist daher gerade nicht gleichzusetzen mit einer konkreten Weisung zur Durchführung einer bestimmten Maßnahme oder zum Treffen einer Leitungsentscheidung, zu deren Ausführung der darunterliegende Bereich verpflichtet gewesen wäre.
164Das sich anhand der Zeugenaussagen abzeichnende Gesamtbild der Zuständigkeiten orientiert sich im Übrigen auch an allgemeinen unternehmensorganisatorischen Überlegungen. Zwar sieht die Satzung der Klägerin in ihrem Punkt § 11.3.10 ein Zustimmungsbedürfnis des Aufsichtsrates und daraus folgend die Geschäftsordnung des Vorstands in Punkt § 2 2.2.3 die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorstandsbeschlusses in dem hier einschlägigen Bereich vor (vgl. dazu im Folgenden unter I. 1. a) cc)). Dieses – den handelnden Beteiligten zur Überzeugung der Kammer nicht bekannte – Beschluss- und Zustimmungserfordernis erklärt sich jedoch nicht aus der Natur der Sache heraus, denn eine Angelegenheit „grundsätzlicher Art oder von wesentlicher finanzieller Bedeutung“ lag nicht vor. Ohne Kenntnis von der konkreten Satzungsregelung war mit einem Beschluss- und Zustimmungserfordernis gerade nicht zu rechnen.
165Direktumsetzungen machen bei der Klägerin nach den von ihr vorgelegten, plausiblen Zahlen weniger als 0,2 % des Umsatzes in den Projektkosten der Entwicklungshilfe aus. „Normalen“ Auslandsentsendungen von 2.000-2.500 pro Jahr stehen nur ca. 130 Direktumsetzungen im Jahr gegenüber. Der Auslandseinsatz der Mitarbeiter der Klägerin mag damit tatsächlich, wie von Beklagtenseite zitiert, das Herzstück ihrer Arbeit darstellen, der Bereich der Direktumsetzungen war in Anbetracht der zu vergleichenden Volumina jedoch eher eine „Randnotiz“. Bei der Klägerin, die im Jahr 2023 einen Umsatz von ca. 3,7 Milliarden erwirtschaftet hat und über 20.000 Mitarbeiter beschäftigt, kann selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass die Verantwortlichkeiten im hierarchischen Aufbau arbeitsteilig erfolgen und erfolgten und der Detaillierungsgrad der zu leistenden Arbeiten mit Aufstieg in der Leitungsebene abnimmt. Dass Detailfragen zur Kostenerstattungspraxis im Direktumsetzungsbereich vom Vorstand selbst erarbeitet werden müssten und durch konkrete Weisung zur direkten Umsetzung in die betroffenen Bereiche weitergereicht werden sollten, ergibt sich aus der Natur der Sache heraus gerade nicht.
166Dem widerspricht es nicht, wenn sich aus der hier streitgegenständlichen Fehlentscheidung ein Schaden in Millionenhöhe ergeben hat und sich der Gesamtvorstand nach Aufdeckung der preisrechtlich unzulässigen Kostenregelung mit dem Sachverhalt befasst und eine Aufarbeitung angeordnet hat. In jedem Unternehmenssachverhalt, und sei er auch noch so unwesentlich, können Fehlentscheidungen auftreten, die zu erheblichen Schäden führen, insbesondere wenn die Fehlentscheidung - wie hier - jahrelang Wirkung entfalten kann. Dieser Umstand macht den Sachverhalt damit aber nicht ex ante und ex natura zur „Chefsache“, in der Details zum Umgang mit dem Sachverhalt im Vorfeld von der Leitungsebene strategisch erörtert und für die darunterliegenden Arbeitsebenen zur Ausführung vorgegeben werden müssten. Eine ex-post Befassung des Gesamtvorstands mit der Angelegenheit belegt gerade nicht die Notwendigkeit auch einer ex-ante-Befassung.
167bb) Konkreter Pflichtenverstoß der fehlenden preisrechtlichen Überprüfung
168Im Rahmen der von ihnen eigenverantwortlich vorgenommenen Umsetzung der Neuregelung zur Kostenerstattungspraxis bei Direktumsetzungen haben die Zeugen E und F zum einen die deutliche Kostenvermehrung falsch eingeschätzt und dabei die notwendige Prüfung unterlassen, ob die gefundene Neuregelung zu preisrechtlichen Abrechnungsproblemen gegenüber dem BMZ führen kann.
169Als leitende Angestellte waren die Zeugen gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG regelmäßig mit Aufgaben betraut, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung waren. Für den Bestand und die Entwicklung eines Unternehmens sind im Personalbereich allgemein neben der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern insbesondere auch kaufmännische Entscheidungen von Bedeutung. Kaufmännische Entscheidungen sind dabei nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu treffen, was eine Auseinandersetzung mit Kosten, Kostenfolgen und Risiken zwingend voraussetzt.
170Im Unternehmen der Klägerin besteht die Besonderheit, dass die absolute Mehrheit der durchgeführten Projekte auf Verträgen beruhen, die mit dem BMZ auf der Basis von Selbstkostenerstattungspreisen nach der VOPR geschlossen werden. Die Preise, die von der Klägerin gegenüber dem BMZ in Rechnung gestellt werden können, sind insoweit nicht frei verhandelbar, denn auch das BMZ als öffentlicher Auftraggeber ist an die strengen Vorgaben des Preisrechts gebunden und zur Rückforderung bei Preisüberschreitungen verpflichtet. Insoweit war es im Rahmen der kaufmännischen Prüfung der leitenden Angestellten E und F auch ihre Aufgabe, sämtliche von ihnen in ihrem Kompetenzbereich getroffenen Entscheidungen nicht nur an allgemeinen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu messen, sondern auch zu prüfen, ob eine Abrechnungsfähigkeit gegenüber dem BMZ gefährdet sein könnte.
171Im Vordergrund der VOPR stehen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sowie die Anwendung von angemessenen und marktüblichen Preisen. Bei der Änderung der Kostenerstattungspraxis weg von der Freigabe eines konkreten, auf den Umzug bezogenen Kostenvoranschlags hin zu zwei Pauschalen für eine fiktive Heimreise nach Deutschland und eine spätere fiktive Ausreise von Deutschland in das Zielland lag die Überlegung nahe, dass die ausgezahlten Pauschalen die tatsächlich entstehenden Kosten für den „Direktumzug“ weit übersteigen können und mithin den Rahmen des preisrechtlich Zulässigen verlassen. Dass die Zeugen E und F dennoch verkannten, dass eine konkrete Kostenprognose nötig gewesen wäre, die über die grobe Einschätzung hinausging, dass wohl Mehrkosten entstehen würden, die allerdings durch Einsparungen bei den Personalkosten „kompensiert“ würden, war pflichtwidrig.
172Der Zeuge E selbst hat in seiner Vernehmung insoweit ausgesagt, dass es rückwirkend betrachtet einleuchten würde, dass man eine weitergehende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hätte anstellen müssen (Sitzungsprotokoll vom 05.11.2024, S. 7, Bl. 2606).
173cc) Konkreter Pflichtenverstoß der fehlenden Gremieneinbindung
174Weiter ist den Zeugen E und F vorzuwerfen, dass sie bei der Änderung der Kostenerstattungspraxis bei Direktumsetzungen die satzungsrechtlich vorgesehene Gremienbeteiligung nicht vornahmen.
175Gemäß § 7.2.10 der GOV der Klägerin bedarf die Festlegung von Richtlinien für die Gewährung von Nebenleistungen an das Inlands- und Auslandspersonal der Zustimmung des Aufsichtsrats, das gleiche Zustimmungserfordernis enthält Punkt § 11.3.10 des GV der Klägerin.
176Für den Begriff der Nebenleistung findet sich keine allgemeingültige rechtliche Definition. Nach dem allgemeinen Wortsinn des Begriffs „Nebenleistungen“ sind darunter all diejenigen Leistungen zu verstehen, die ein Mitarbeiter „neben“ dem als Hauptleistung geschuldeten Gehalt erhält. Eine Umzugskostenvergütung nach pauschaler Berechnung fällt nach diesem Wortsinn unproblematisch darunter.
177Soweit die Klägerin eine Umzugskostenerstattung wegen eines bereits gesetzlich bestehenden Anspruchs auf Kostenerstattung nach den §§ 670, 675 BGB dennoch nicht als Nebenleistung verstanden wissen will (Klägerschriftsatz vom 21.02.2023, S. 3, Bl. 660), überzeugt das nicht. Denn trotz dieses gesetzlichen Anspruchs zeigt gerade der streitgegenständliche Fall, dass auch eine solche Leistung durchaus unterschiedlichen Regelungen zugänglich ist und nicht von vornherein feststeht, so dass sich weitergehende Bestimmungen erübrigen.
178Auch, soweit die Klägerin aus einem Vergleich des Wortlauts der Zustimmungsregelungen in der GOV jedenfalls schließen will, dass im Bereich der Gewährung von Nebenleistungen an das Personal allein die anfängliche Festlegung von Richtlinien für die Gewährung von Nebenleistungen, nicht aber eine hier allenfalls vorliegende Änderung oder Aufhebung solcher Richtlinien zustimmungsbedürftig sei (vgl. erneut Klägerschriftsatz vom 21.02.2023, S. 3, Bl. 660), kann dem nicht gefolgt werden. § 7.2.9 GOV sieht zwar explizit vor, dass bei Firmentarifverträgen „Abschluss, Beendigung und wesentliche Änderungen“ einer Zustimmungspflicht unterfallen, während der hier relevante § 7.2.10 nur die „Festlegung“ von Richtlinien für die Nebenleistungsgewährung als zustimmungspflichtig bestimmt. Dass aber tatsächlich bei der ersten Einführung des Zustimmungserfordernisses nach § 7.2.10 oder aber durch bewusstes Unterlassen einer Wortlautänderung bei der Neufassung des § 7.2.9 im Jahr 2010 gewollt gewesen sein soll, nur die isolierte (Neu-) Festlegung von Richtlinien einem Zustimmungsbedürfnis zu unterwerfen, überzeugt nicht. Die Aufhebung einer Richtlinie oder deren komplette Umgestaltung hat materiell den gleichen Effekt wie eine Neufestlegung. Dass die Frage, ob ein Zustimmungserfordernis vorliegt, tatsächlich rein formal beantwortet werden und sich nicht an den inhaltlichen Auswirkungen einer geplanten Änderung orientieren sollte, erschließt sich nicht. Lebensnah ist davon auszugehen, dass eine Überarbeitung des Wortlautes im Jahr 2010 einfach vergessen wurde, da der Focus im Rahmen der Fusionen mit dem DED und INWEnt an anderer Stelle gesetzt wurde. Für diese Auslegung sprechen im Übrigen auch die Ausführungen des BMZ im Schreiben vom 24.05.2020, nach denen „zwischen BMZ-Prüfgruppe und dem GlZ-Personalbereich Einvernehmen [bestand], dass für die bei Direktsetzungen ab April 2014 gewährten Leistungen keine belastbare Rechtsgrundlage“ bestand und „eine Neuregelung mit dem Tarifpartner abgestimmt und dann dem GIZ-Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegt“ werden soll (Schreiben des BMZ vom 24.05.2020, S. 2, Anlage K27, Bl. 153).
179Insgesamt ist damit davon auszugehen, dass die getroffene Neuregelung nach den unternehmensintern bestehenden Regelwerken zustimmungspflichtig gewesen wäre. Dies gilt unabhängig davon, dass sich die veränderte Regelung letztlich auf das zur Übersiedlungskostenrichtlinie ergangene Merkblatt Direktumsetzungen bezog. Die bloße Bezeichnung als Merkblatt, auf das in der verabschiedeten Richtlinie im Übrigen auch Bezug genommen wird, ändert nichts an dem Umstand, dass in dem Merkblatt keine bloße Zusammenfassung des geltenden Abrechnungssystems dargestellt war, sondern materiell eigenständige Regelungen über die in der Richtlinie hinaus enthaltenen Festsetzungen getroffen wurden.
180Das Zustimmungserfordernis galt auch unabhängig davon, dass die getroffene Neuregelung, wie oben dargelegt, einen bloßen Randbereich der an das (Auslands-)Personal zu erbringenden Leistungen betraf. Eine „Bagatellgrenze“ sieht das Zustimmungserfordernis gerade nicht vor. Allein der Umstand, dass die Klägerin in der Praxis das Zustimmungserfordernis anders gehandhabt und Richtlinien ohne Zustimmung des Aufsichtsrates veränderte, macht das Zustimmungserfordernis noch nicht obsolet. Im Rahmen der Satzungsautonomie hätte es der Gesellschafterin der Klägerin freigestanden, andere Voraussetzungen für ein Zustimmungserfordernis zu formulieren, die Leitungsebene der Klägerin hätte auch Vorschläge für eine entsprechende Satzungsänderung an ihre Gesellschafterin herantragen können. Im streitgegenständlichen Zeitpunkt waren die Zustimmungserfordernisse im Bereich der Nebenleistungsgewährung im Gesellschaftsvertrag der Klägerin jedoch nach wie vor wirksam verankert und wären zu beachten gewesen.
181Als Bereichs- und Abteilungsleiter fiel es in den Pflichtenkreis der Zeugen E und F, zu treffende Entscheidungen (auch) darauf zu prüfen, ob nach den geltenden Satzungsbestimmungen bestimmte Gremien beteiligt und Zustimmungen zwingend einzuholen waren. Denn auch dies gehörte letztlich zu einer ordnungsgemäßen Vorbereitung und Umsetzung der geplanten Vorhaben und zu den im Vorfeld einer Entscheidung zu prüfenden und in die Wege zu leitenden Prozessschritten.
182b) Pflichtenverstoß Zeuge D
183Es kann zumindest für den hier geltend gemachten versicherungsvertraglichen Anspruch dahinstehen, ob neben den Zeugen E und F auch den Zeugen D ein – letztlich identischer – Vorwurf einer Pflichtverletzung trifft.
184Im Rahmen seiner Stellung als Arbeitsdirektor traf den Zeugen D eine Letztverantwortung für den ihm unterstellten Bereich, sein Vetorecht in Bezug auf die geplante Neuregelung hätte er geltend machen können, denn unstreitig wurde der Zeuge über den Maßnahmenkatalog informiert und hat den Katalog auch weiter in den Gesamtvorstand getragen.
185Auch den Zeugen D dürfte eine – wenn auch möglicherweise im Detailgrad abgestufte – Prüfungspflicht getroffen haben, ob geplante Änderungen zur fehlenden preisrechtlichen Zulässigkeit von zukünftigen Ausgaben führen könnten. Da diese Vorgabe aufgrund der über 90-prozentigen Finanzierung des gesamten klägerischen Geschäftsbetriebs durch BMZ-Projekte von grundlegender Bedeutung für die Klägerin war, stellten sich dementsprechende Prüfungen letztlich als Kardinalspflichten jeglicher kaufmännischen Überlegungen dar. Auch dem Zeugen D hätte sich dabei die Überlegung aufdrängen können, dass in bestimmten Fallkonstellationen mehr als doppelt so hohe Umzugskosten vergütet werden, so dass von ihm zumindest eine Nachfrage zu erwarten gewesen wäre, warum der Bereich gleichwohl davon ausginge, dass eine Abrechenbarkeit nicht gefährdet sei.
186Eine Kenntnis des Katalogs der zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäfte war von ihm darüber hinaus als Vorstandsmitglied auch zu erwarten, so dass ihn auch hier der Vorwurf eines pflichtwidrigen Unterlassens traf.
187Dass dennoch allein die beiden Zeugen E und F für die Versäumnisse in der Entstehungsphase des Schadens zur Verantwortung gezogen wurden, ist für die Kammer im hiesigen Verfahren allerdings nicht zu bewerten und von keiner rechtlichen Relevanz. Denn eine etwaige Haftung des Zeugen D verdrängt eine Haftung der Zeugen E und F nicht. Es läge lediglich eine gesamtschuldnerische Haftung vor, die im Innenverhältnis zu Ausgleichsansprüchen zwischen den betroffenen Schuldnern nach der Schwere ihres Verschuldensbeitrags führen mag, im Außenverhältnis aber keine Verkürzung des Anspruchs der Klägerin aus dem Vertrag der Höhe nach bewirkt.
188Auch ein durch mögliche Pflichtverletzungen des Zeugen D entstandener Schaden wäre im Übrigen nach Abschnitt I. Ziff. 1.3 (1) b) AVB aufgrund der Entlastung des Zeugen als Vorstandsmitglied für das Geschäftsjahr 2018 im Rahmen des Versicherungsvertrags gedeckt.
189c) Begrenzung der Haftung durch Abschnitt I. Ziff. 1.3 (1) d) AVB
190Nach der Regelung in Abschnitt I. Ziff. 1.3 (1) d) AVB besteht Versicherungsschutz nur, soweit für die betroffene versicherte Person die arbeitsrechtlichen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadenausgleichs gelten und ihre Haftung allein deswegen ausgeschlossen ist.
191Der Versicherungsvertrag deckt mithin denjenigen Schadensbetrag ab, der von der Klägerin allein aufgrund der Haftungsbeschränkung des innerbetrieblichen Schadensausgleiches nicht von ihren Mitarbeitern verlangt werden kann. Umgekehrt formuliert gewährt die Police nach dem Wortlaut der Bestimmungen damit keinen Deckungsschutz, sofern ein Schadensersatzanspruch aus anderen Gründen nicht besteht.
192aa) Ausschlussfrist des § 31 MTV
193Soweit die Beklagte davon ausgeht, dass die Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern E und F schon deshalb keine Schadensersatzansprüche geltend machen könne, weil die Ausschlussfrist des § 31 MTV nicht eingehalten worden sei und ein Schadensersatzanspruch damit nicht allein, wie von Abschnitt I. Ziff. 1.3 (1) d) für einen versicherungsvertraglichen Regulierungsanspruch gefordert, an den Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs scheitere, kann ihr darin nicht gefolgt werden.
194Nach § 31 waren die hier streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche gegenüber den Zeugen E und F innerhalb einer Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
195Der Begriff der Fälligkeit wird von den Gerichten für Arbeitssachen in ständiger Rechtsprechung unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengemäß ausgelegt. Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Das entspricht im Grundsatz der Wertung des § 199 I Nr. 2 BGB (BAG, Urteil vom 27 10. 2005 - 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257, Rz. 19 zitiert nach beck-online, mit Verweis auf BAG, Urteil vom 25. 5. 2005, NZA 2005, 1111, BAG, Urteil vom 09. 02. 2005, NZA 2005, jeweils m.w.N.).
196Die Möglichkeit einer annähernden Bezifferung ihres Schadensersatzanspruches hatte die Klägerin zur Überzeugung der Kammer erst mit Erhalt des Schreibens des BMZ vom 24.05.2019, mit dem sie zur Rückerstattung von 50% aller ab April 2014 abgerechneten Kosten für Direktumsetzungen inklusive Verzinsung und Zuschlägen innerhalb von zwei Monaten aufgefordert wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt war für die Klägerin letztlich klar, in welcher Höhe – und nach welcher schätzweisen Berechnung – das BMZ Rückforderungsansprüche geltend machte.
197Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 02.01.2023 (dort S. 6, Bl. 604) hingegen auf den Zugang des Prüfberichts des BMZ vom 10.07.2018 rekurriert, ist dieser Zeitpunkt nicht als Fälligkeitszeitpunkt anzusetzen.
198In diesem endgültigen Prüfbericht des BMZ heißt es zwar: „Es wird gebeten diese Kosten zu erstatten und ihr derzeit praktiziertes Verfahren bei Direktumsetzungen anzupassen“ (Anlage K20, Bl. 190). Allerdings bezog sich die Rückerstattungsforderung allein auf die im konkreten Projekt Nr. 2011.9762.3 „Landwirtschaftliche Wasserproduktivität zur Klimaanpassung, Ägypten“ überprüften Direktumsetzungsfälle. Eine Rückforderung des BMZ für alle übrigen Direktumsetzungsfälle war zu diesem Zeitpunkt weder formuliert noch in Aussicht.
199Die Klägerin hat ihre Schadensersatzansprüche mit Schreiben vom 08.04.2019 sowohl gegenüber Herrn E als auch gegenüber Frau F schriftlich geltend gemacht. Die Schreiben haben die Zeugen unstreitig erreicht, denn bezüglich der geltend gemachten Ersatzsummen wurde mit der weiteren D&O-Versicherung, die die Zeugen gegenüber Ansprüchen der Klägerin selbst absicherte, ein Vergleich ausgehandelt.
200Dafür, dass die Schreiben die Zeugen später als zum 24.05.2019 erreicht hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor. Dass die Schreiben möglicherweise tatsächlich nicht, wie von Klägerseite behauptet und von der Beklagten bestritten, bereits unter dem 09.04.2019 die Zeugen erreichten, kommt es nicht an, da jedenfalls ein Zugang innerhalb der Ausschlussfrist als lebensnah unterstellt werden kann.
201bb) Verringerung des zu regulierenden Schadensbetrags aufgrund höherer Eigenhaftung der Zeugen E und F
202Die zu zahlende Versicherungsleistung ist auch nicht gem. Abschnitt I. Ziff. 1.3 (1) d) insoweit zu reduzieren, als die Klägerin gegenüber den Zeugen E und F im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs aufgrund des anzusetzenden Verschuldensgrades höhere Beträge als die angesetzten 2 bzw. 3 Bruttomonatsgehälter hätte einfordern können.
203Um die besonderen Verhältnisse im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen und die Haftungsanteile zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerechter zu verteilen, wird bei grundsätzlicher Geltung der allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen im Arbeitsverhältnis die Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten aufgeteilt. Dies erfolgt in Abhängigkeit davon, wie hoch der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist, der den Schaden verursacht hat.
204Eine Haftungsteilung findet dabei bei mittlerer Fahrlässigkeit, eine Haftungsfreistellung bei einfacher Fahrlässigkeit, eine volle Haftung hingegen bei Vorsatz und grob fahrlässigem Handeln statt. Für die Bildung einer konkreten, individuellen Haftungsquote sind die jeweiligen Einzelfallumstände heranzuziehen. Zu solchen Umständen sind beispielsweise die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit zu zählen aber auch die Schadenshöhe, die Versicherbarkeit des Risikos für den Arbeitgeber, die Höhe des Arbeitsentgelts ("Risikoprämie") oder die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers.
205(1) Nach dem aus der Beweisaufnahme gewonnenen Gesamteindruck ist die von den Zeugen E und F begangene Pflichtverletzung der fehlenden weitergehenden Kostenbetrachtung der „Systemumstellung“ in eine Situation einzuordnen, in der im Personalbereich der Klägerin zum einen eine große Arbeitsbelastung aufgrund der kurz zuvor durchgeführten Verschmelzung mit DED und INWent vorherrschte, zum anderen aufgrund der Budgetkürzungen bereits in den Jahren zuvor knappe Personalressourcen herrschten und unter Zeitdruck Vorschläge zur Haushaltskürzung erarbeitet werden mussten. Dies haben sowohl der Zeuge E als auch der Zeuge D in ihren Vernehmungen glaubhaft ausgeführt.
206Gleichzeitig gab es die von beiden Zeugen zitierte politische Vorgabe, dass insbesondere die „Lieferfähigkeit“ der Klägerin sichergestellt werden müsse, für die die Attraktivität von Auslandseinsätzen für die Mitarbeiter von essentieller Bedeutung war.
207Aus den Zeugenaussagen ergibt sich darüber hinaus, dass die Frage nach einer preisrechtlichen Zulässigkeit – trotz ihrer zentralen Bedeutung für das Finanzierungsmodell der Klägerin – insgesamt kaum im Bewusstsein der Mitarbeiter der Klägerin verankert war. Konkrete Arbeitsanweisungen für die Vornahme von Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder „Kosten-Nutzen-Rechnungen“ gab es nach Aussage des Zeugen E im Jahr 2014 noch nicht. Der Zeuge D hat in seiner Vernehmung sogar deutlich erkennen lassen, dass er weiterhin von einer Zulässigkeit der Umstellung der Kostenerstattungspraxis ausgeht. Aus seiner Sicht führte die Maßnahme zu einer „Win-Win-Situation“, denn „die Lieferfähigkeit wurde dadurch deutlich verbessert und wir hätten ansonsten eine Minderleistung gehabt“ (Sitzungsprotokoll vom 05.11.2024, S. 4, Bl. 2603).
208Damit steht für die Kammer fest, dass die Entscheidungen der Zeugen E und F einerseits unter großem (Zeit-)Druck und andererseits in einem Umfeld getroffen wurden, in dem selbst auf Leitungsebene eine eigentlich als prioritär zu wertende Frage der Abrechnungsfähigkeit von (Mehr-)Kosten völlig in den Hintergrund trat, zu Gunsten einer allein fokussierten Lieferfähigkeit der Klägerin. In gleichem Maße wurde kollektiv die sich unter anderen Umständen aufdrängende Möglichkeit, dass tatsächlich Kosten in doppelter Höhe gegenüber der bisherigen Praxis entstehen, verdrängt. Zusätzlich wurden die geplanten Änderungen durch die Zeugen E und F im Haus transparent kommuniziert, ohne dass aus der Leitungsebene Einwände gegen die neue Praxis erhoben wurden.
209Dass das Gesamtumfeld der Zeugen E und F und die Zeugen selbst aufgrund der besonderen Belastungssituation eine Falschbewertung der Maßnahme vorgenommen hat, enthebt die Zeugen nicht von dem Vorwurf eines Pflichtenverstoßes. Denn die für die Klägerin gegebene Verpflichtung, preisrechtliche Vorgaben bei der Kostenverursachung einzuhalten, beanspruchte auch in Zeiten hoher Arbeitsbelastung oder anderweitiger politischer Zielfokussierungen unverändert Gültigkeit. Aber es steht aus Sicht der Kammer außer Frage, dass den Zeugen E und F in der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ein Verschuldensgrad lediglich im einfachen bis maximal mittleren Bereich der Fahrlässigkeit zuzuschreiben ist, so dass nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches auch eine vollständige Enthaftung in Frage gekommen wäre.
210(2) Auch, soweit den Zeugen E und F vorgeworfen werden muss, dass sie die satzungsrechtlich gebotene Zustimmung des Aufsichtsrates nicht einholten, liegt zur Überzeugung der Kammer ein Verschulden im lediglich einfachen bis mittleren Bereich der Fahrlässigkeit vor, so dass auch insoweit keine umfangreichere Eigenhaftung der Angestellten anzusetzen war.
211Der Zeuge D hat in seiner Vernehmung deutlich ausgesagt, dass die Übersiedlungskostenrichtlinie aus dem Jahr 2009 nicht Gegenstand einer Vorstandsentscheidung gewesen ist und es auch keinen Aufsichtsratsbeschluss gegeben habe; diese Dinge seien „nicht vorstandsrelevant“ gewesen. Er könne sich „in seiner gesamten Zeit nicht erinnern, dass der Aufsichtsrat oder der Vorstand über eine Richtlinie abgestimmt hätte“ (Sitzungsprotokoll S. 4, Bl. 2603). Auch der Zeuge E hat hierzu ausgeführt, dass sowohl die Richtlinien als auch die Merkblätter in der Eigenverantwortung der Abteilungen erstellt wurden und diese Themen ihn als Bereichsleiter gar nicht tangiert hätten (Sitzungsprotokoll S. 8 f, Bl. 2607 f.).
212Für die Kammer ist damit belegt, dass bereits die Richtlinie in 2009 nicht einem Vorstandsbeschluss oder einer Zustimmung durch den Aufsichtsrat zugeführt worden ist. Aus den Zeugenaussagen ergibt sich weiter, dass die Frage nach einem Zustimmungsbedürfnis oder der Notwendigkeit der Einholung eines Vorstandsbeschlusses von den Beteiligten in diesem Zusammenhang allein anhand des Grundsatzes beantwortet wurde, ob die Angelegenheit für die Klägerin ex-ante von wesentlicher finanzieller Bedeutung war. Ein Abgleich mit den Maßnahmenkatalogen der §7 Ziffer 7.2.10 GOV oder § 11 Ziffer 11.3.10 GV, die im Bereich der Nebenleistungen an das Personal unabhängig von der finanziellen Bedeutung einer Änderung ein Zustimmungserfordernis vorsahen, erfolgte gerade nicht.
213Das Versäumnis der Zeugen E und F erfolgte damit vor dem Hintergrund einer schon jahrelang sowohl auf Bereichs- und Abteilungs- als auch auf Vorstandsebene gehandhabten, letztlich satzungswidrigen Praxis.
214Damit entfällt nicht der Pflichtenverstoß als solcher. Eine Satzungsregelung wird nicht durch bloße Nichtbeachtung konkludent aufgehoben, denn dazu hätte es eines expliziten Beschlusses der Gesellschafterin bedurft. Jedoch kann aufgrund des Umfeldes, in dem das Versäumnis der gremienrechtlichen Beteiligung anzusiedeln ist, in keinem Fall von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Vielmehr ist auch hier davon auszugehen, dass der Verschuldensgrad im einfachen bis maximal mittleren Bereich der Fahrlässigkeit anzusiedeln ist.
215Eine Inanspruchnahme in Höhe von mehr als der angesetzten 2 bzw. 3 Monatsbruttogehälter war insoweit in keinem Fall veranlasst, so dass sich auch keine Verkürzung der zur Regulierung anzusetzenden Schadenshöhe zu Lasten der Klägerin ergibt.
2162. Leistungsausschluss nach Abschnitt III Ziff. 2 AVB
217Die Beklagte kann sich nicht auf den Ausschluss ihrer Leistungspflicht nach Abschnitt III. Ziff. 2. AVB berufen.
218Nach den Festsetzungen der AVB gilt gem. Abschnitt III Ziff. 2 (2), dass „Versicherungsschutz [auch] für Anspruche wegen oder aufgrund von bedingt vorsätzlichen Pflichtverletzungen“ besteht. Der in § 81 VVG enthaltene Grundgedanke, nach dem auch einfacher (bedingter) Vorsatz des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person (§ 47 VVG) bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls zu einer Leistungsfreiheit und grobe Fahrlässigkeit zu einer Kürzungsberechtigung führt, ist in dem hier streitgegenständlichen Vertrag ausdrücklich abbedungen bzw. abweichend geregelt. Nach der ausdrücklich als Klarstellung bezeichneten Regelung des Abschnitts III Ziff. 2 (2) AVB enthebt den Versicherer nur noch eine wissentliche Herbeiführung des Versicherungsfalls von seiner Leistungspflicht.
219Diese Regelung mag dabei zu einer Besserstellung des Versicherungsnehmers führen, die ihrem Umfang nach sehr weitreichend und außergewöhnlich sein kann. Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel unwirksam sein könnte, ergeben sich gleichwohl nicht und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.
220a) Abschnitt III Ziff. 2 (1) a) AVB
221Einen wissentlichen Verstoß gegen ein Gesetz, Abschnitt III Ziff. 2 (1) AVB behauptet die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte bereits nicht. Für einen solchen gibt es auch keine Anhaltspunkte.
222b) Abschnitt III Ziff. 2 (1) b)
223Soweit die Verletzung einer Pflicht der in Anspruch genommenen Personen,
224aus auf Unternehmensebene gesetztem Recht – hier ein Verstoß gegen § 11 Ziff. 11.3.10 der Satzung – in Rede steht, erfolgte der Verstoß nach dem oben Gesagten bereits nicht wissentlich. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war den Zeugen E und F nicht bekannt, dass es ein entsprechendes Zustimmungserfordernis im Gesellschaftsvertrag der Klägerin gab.
225c) Weitere wissentliche Pflichtverletzungen
226Aus der Gestaltung der AVB ergibt sich nicht, dass neben den explizit in den Unterpunkten a) und b) genannten wissentlichen Pflichtverletzungen auch weitere wissentliche Pflichtverletzungen zu einem Leistungsausschluss des Versicherers führen würden.
227Soweit man dennoch die Regelung in Abschnitt III. Ziff. 2. (1) nicht als abschließend betrachten wollte und daneben nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 81, 47 VVG auch wissentliche Pflichtverletzungen im Übrigen zur Grundlage für einen Leistungsausschluss gelten lassen wollte, sind auch solche nicht ersichtlich.
228aa) Die Beklagte führt in diesem Zusammenhang an, die Zeugen E und F hätten, sofern man den Vortrag der Klägerseite zu den von ihnen verübten Pflichtverletzungen als wahr unterstellen wollte, die angegriffene Neuregelung zur Kostenerstattung eingeführt, obwohl sie wussten, dass die Umstellung Mehrkosten verursachen würde. Bereits aus diesem Grund scheide ein Versicherungsschutz aus, da eine wissentliche Pflichtverletzung vorliege.
229Dass die Zeugen E und F wussten, dass Mehrkosten bei der Neuregelung entstehen würden, ist unstreitig. Der den Zeugen zum Vorwurf zu machende Pflichtenverstoß, auf den sich ein Vorsatz der Zeugen beziehen müsste, liegt hier jedoch nicht darin, dass sie eine Änderung der Kostenerstattungspraxis auf den Weg brachten, die irgendwelche Mehrkosten in nicht näher quantifizierter Höhe verursacht hat. Den Zeugen wäre es insoweit unbenommen gewesen, eine Neuregelung einzuführen, bei der sich Mehrkosten noch im Auslegungsbereich des in § 5 Abs. 1 VO PR 30/53 verankerten Begriffs der Angemessenheit bewegt hätten.
230Der Vorwurf eines Pflichtenverstoßes liegt vielmehr darin, dass sie nicht erkannt haben, in welchem Umfang die Praxisänderung zu einer Kostensteigerung führen würde und es daraufhin versäumt haben, im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auch eine Prüfung der preisrechtlichen Zulässigkeit der Umstellung durchzuführen. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bzw. der Pflichtenverstoß liegt mithin in einem Unterlassen der Zeugen, nicht in der aktiven Verabschiedung einer Neuregelung in dem bloßen Wissen, dass irgendwelche Mehrkosten entstehen, deren Höhe nicht weiter eruiert wird.
231Zur Überzeugung der Kammer ist durch die Zeugenaussagen klar widerlegt, dass einer der Beteiligten Überlegungen zur Notwendigkeit einer konkreten Kostenprognose oder zur konkreten Höhe von Mehrkosten angestrengt hätte und eine solche gleichwohl – wissentlich - unterblieb. Mithin ist auch ein Vorsatz der Beteiligten, Mehrkosten in der entstandenen Höhe zu produzieren, nicht erwiesen. Der Zeuge D hat hierzu ausgesagt, er könne sich nicht daran erinnern, dass in irgendeiner Form quantifiziert worden sei, was die neue Methode für finanzielle Unterschiede mit sich bringen würde, oder dass Überlegungen zur preisrechtlichen Abrechnungsfähigkeit angestellt worden wären (Sitzungsprotokoll S. 4, Bl. 2603). Das hat der Zeuge E in seiner Vernehmung bestätigt, nach dessen Aussage in Bezug auf die Maßnahme insgesamt keine spezielle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorgenommen worden sei. Beide haben dies letztlich damit begründet, dass sie die Maßnahme in ihren Auswirkungen auf der Kostenseite vollkommen unterschätzt haben.
232Der Focus der Betrachtung lag nach den Angaben der Zeugen klar auf der Seite der Einsparung von Personalaufwand. Sofern diese Einsparungen im späteren Verlauf vom BMZ für das Jahr 2013 mit 82.585 EUR, dem Aufwand für eine Jahresstelle nach Tarifband 2 und 3 festgesetzt wurden (vgl. Fußnote 5 im Schreiben vom BMZ vom 24.05.2019, Anlage K27, Bl. 154), erscheint dies der Kammer als eine Größenordnung, die angemessen ist und von den Beteiligten lebensnah auch erwartet worden sein dürfte. Die Beteiligten verkannten jedoch pflichtwidrig, dass die zu erwartenden Mehrkosten diesen Betrag um ein Vielfaches übersteigen würden. Dass mit Mehrkosten von mehr als dem doppeltem gerechnet worden sein soll, eine genauere Kalkulation gleichwohl unterblieb und Kostensteigerungen in dieser Höhe wissentlich auf den Weg gebracht worden wären, ist für die Kammer durch nichts belegt.
233bb) Vor dem gleichen Grund scheidet auch die Annahme aus, die Umstellung der Kostenerstattungspraxis sei eine freie, wissentliche unternehmerische Entscheidung der Klägerin gewesen; zu Gunsten von Erleichterungen des Personalbereiches hat man zur Überzeugung der Kammer nicht wissentlich Mehrkosten verursacht, die zwar vom BMZ nicht erstattet werden konnten, aber unternehmensintern die gewünschte Erleichterung verschaff sollten.
234Aus den bereits zitierten Zeugenaussagen ergibt sich, dass eine fehlende Abrechenbarkeit der Mehrkosten den Handelnden in keiner Weise bewusst war. Dass die Klägerin in Anbetracht ihres Refinanzierungsmodells eine „unternehmerische Entscheidung“ überhaupt treffen würde, nach der projektübergreifend in BMZ finanzierten Projekten Kosten produziert werdenn, von denen die Klägerin von vornherein weiß – also nicht nur billigend in Kauf nimmt – dass diese vom BMZ später nicht zurückerstattet werden, hält die Kammer für lebensfern. Die Klägerin ist in ihrer gesamten Finanzierung weit überwiegend von einer Erstattung ihrer Kosten durch das BMZ abhängig. Eine solche, bewusst preisrechtswidrige Kostenfestlegung zu beschließen, konnte für die Klägerin nur bedeuten, dass sie von vornherein nicht erstattbare Mittel erfolgswirksam zu Lasten ihres Jahresergebnisses verbuchen muss.
235Eine solche „Ausbuchung“ von Kosten ist in dem hier vorliegenden Fall dementsprechend gerade nicht bereits im Jahr 2014 sondern erst nach Aufdeckung der Fehlentscheidung im Jahr 2019 veranlasst worden. Auch in dieser Situation wurde der Weg der Ausbuchung lediglich als „Notlösung“ für einen Karenzzeitraum bis zur Findung einer anderweitigen Lösung gewählt (vgl. hierzu die als Anlage K 29 vorgelegte Entscheidungsvorlage für die Vorstandssitzung vom 25.06.2019, Bl. 142). Auch dies belegt, dass die anfängliche Entscheidung noch nicht einmal ein bewusstes In-Kauf-Nehmen der fehlenden Abrechenbarkeit darstellte. Aufgrund der fast vollständigen Abhängigkeit der Klägerin von einer BMZ-Gegenfinanzierung ist vielmehr davon auszugehen, dass die Klägerin vor einem solchen Schritt andere Wege in Erwägung zieht, um einen von vornherein sicheren Verlustposten im Jahresergebnis zu vermeiden.
236cc) So wenig, wie sich aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme eine wissentliche Pflichtverletzung bzw. Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Zeugen E und F ergibt, so wenig ist auch ein diesbezügliches Wissen der Klägerin selbst als Versicherungsnehmerin, das im Rahmen des § 81 VVG relevant wäre, belegt.
237Zwar ergibt sich insbesondere aus den Vernehmungen der Zeugen D und E, dass die Maßnahme der umgestellten Erstattungspraxis bei Direktumsetzungen in den Gesamtvorstand getragen wurden. Der Zeuge E hat sich insoweit erinnert, von einem Vorstandsmitglied explizit auf das Maßnahmenpaket und darauf, was „dem Haus damit zugemutet würde“, angesprochen worden zu sein (Sitzungsprotokoll vom 05.11.2024, S. 7, Bl. 2605).
238Dies erfolgte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme allerdings nur im Rahmen der Vorstellung des Gesamtpaketes, das nach der vorgelegten Anlage K10 eine Vielzahl von Aufgabenänderungen umfasste. Die hier streitgegenständliche nimmt auf dem dreieinhalb seitigen Dokument lediglich den Raum eines „Spiegelstrichs“ ein (Anlage K 10, dort S. 2, Bl. 279). Dass über die Maßnahme im Detail gesprochen worden wäre, hat die Beweisaufnahme nicht belegt.
239Die bloße Kenntnis davon, dass die Kostenerstattungspraxis bei Direktumsetzungen umgestellt wird, dürfte dabei bei den anderen Vorstandsmitgliedern noch nicht einmal zwingend zu der Vorstellung geführt haben, dass durch die Umstellung Mehrkosten verursacht werden. In dem von der Klägerin vorgelegten Dokument „Kommunikation Leistungskürzung OE 63“ (Anlage K 11, S. 1, Bl. 276) ist zwar zu dieser Maßnahme in kursiv gesetzt der Kommentar enthalten: „Folge: Durch die Abschaffung der Direktumsetzung entstehen höhere Kosten in den Vorhaben“. Bei dem Dokument handelt es sich jedoch ersichtlich um ein internes Vorbereitungsdokument. Denn gerade die kursiv gedruckten Zusätze sind erkennbar rein interne Kommentierungen, die allein für den internen Abteilungsgebrauch auf mögliche Nachteile der zu verabschiedenden Maßnahmen aufmerksam machen sollen (vgl. beispielsweise: „Folge: Das Risiko, dass Gutachterverträge abgeschlossen werden, die im Rechtssinn Arbeitsverträge sind, könnte steigen“).
240In der von der Klägerin vorgelegten Kommunikation der Maßnahmen an das Executive Management Committee (EMC) vom 23.12.2023 (Anlage K 13, Bl. 271 f.) findet die Einzelmaßnahme noch nicht einmal Erwähnung.
241Zu dem Schluss, dass die Umstellung der Kostenerstattungspraxis überhaupt zu Mehrkosten führt, hätten die anderen Vorstandsmitglieder damit allein bei einer relativ detaillierten Kenntnis von der bisherigen Abrechnungsweise und den dabei vorliegenden Unterschieden zwischen einer Direktumsetzung und einem „normalen“ Auslandseinsatz kommen können. Dass eine solche Kenntnis bei ihnen Vorlag, hält die Kammer für unwahrscheinlich. Dies gilt allein schon vor dem Hintergrund, dass selbst Herr E als Bereichsleiter, der in seiner Arbeit inhaltlich wesentlich engere Bezugspunkte zu diesem Thema hatte, in seiner Vernehmung angegeben hat, er hätte weder damals noch heute eine Ahnung davon gehabt, in welcher Größenordnung Direktumsetzungen stattfanden und welche Mehrkosten mit der Änderung verbunden waren (Sitzungsprotokoll vom 05.11.2024, S.9, Bl. 2608).
242Selbst wenn bei den übrigen Vorstandsmitgliedern ein Bewusstsein zur Verursachung von Mehrkosten vorhanden gewesen sein sollte, bestand zur Überzeugung der Kammer jedenfalls kein Wissen bezüglich einer fehlenden Abrechenbarkeit der Mehrkosten gegenüber dem BMZ. Die oben dargestellten Überlegungen geltend hier entsprechend.
243Da ein solches hier allein für die Leistungspflicht relevantes Wissen bei keinem der Vorstandsmitglieder nachgewiesen ist, kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob angesichts der Zurechnungsregelung in Abschnitt VI. 2 AVB nur die Kenntnis der Vorstandsvorsitzenden Frau B und des Finanzvorstands im Rahmen des § 81 VVG von Bedeutung wäre, nicht entscheidungserheblich an.
2443. Leistungsausschluss oder Leistungskürzungsmöglichkeit wegen Verstoßes gegen Schadensminderungsobliegenheiten
245Nach § 82 Abs. 1 VVG obliegt es dem Versicherungsnehmer, bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Bei Verstoß gegen diese Obliegenheit steht dem Versicherer nach § 82 Abs. 2 VVG die Möglichkeit zu, seine Leistung je nach Verschuldensgrad bis auf Null zu kürzen. Da der hier streitgegenständliche Versicherungsvertrag hierzu keine eigenständigen, abweichenden Regelungen aufweist, ist von einer ergänzenden Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Regelungen auszugehen.
246Durch die Pflichtverletzungen der Zeugen E und F ist der Klägerin in Höhe des Betrages, der als preisrechtlich nicht zulässige Mehrkosten vom BMZ zurückgefordert werden konnte, ein Schaden entstanden. Ein Verstoß gegen ihre Obliegenheit, diesen Schaden nach Möglichkeit zu mindern, ist der Klägerin zur Überzeugung der Kammer nicht vorzuwerfen.
247a) Rückforderungsanspruch gegenüber den betroffenen Mitarbeitern
248Ein Schaden entfällt nicht etwa deshalb, weil die Klägerin die Zuvielzahlungen von den Mitarbeitern, die die Umzugspauschalen ausbezahlt bekommen haben, hätte zurückfordern können.
249Ein eigener vertragsrechtlicher Rückforderungsanspruch ist bereits nicht vereinbart. Das vom BMZ ausgesprochene Rückforderungsverlangen hat bloß Wirkung für das Innenverhältnis zwischen der Klägerin und dem BMZ, nicht aber für das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen der Klägerin und ihren Mitarbeitern.
250Soweit ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB in Betracht kommen könnte, scheitert dieser daran, dass die ausgezahlten Pauschalen den von der Direktumsetzung betroffenen Mitarbeitern in konkreter Höhe zugesprochen waren und eine Zahlung mithin mit Rechtsgrund erfolgte.
251Die Klägerin hat beispielhaft für den Mitarbeiter G die Schreiben vorgelegt, mit denen die Heimreise- und Ausreisepauschale zugesagt wurden (Anlagen K44 und K 45, Bl. 584 ff.). Aus den Schreiben ist ersichtlich, dass nicht nur eine Pauschale nach den Richtlinien für den Übersiedlungskostenersatz als solche, sondern ein konkreter Betrag in bestimmter Höhe aufgeführt wird. Die Formulierung „zur Durchführung der Heimreise erhalten Sie … EUR 7.720 brutto“ durfte der betroffene Mitarbeiter als feste Zusage der Leistung und nicht als bloße Ankündigung einer ggf. zu erwartenden zukünftigen Leistung verstehen. Dies gilt bereits vor dem Hintergrund, dass das Schreiben an den Mitarbeiter vor Ende des aktuellen Auslandseinsatzes versandt wurde und nach dessen konkretem Wortlautes die Information e, „damit Sie Ihre Heimreise vorbereiten können“, was auch eine Planungssicherheit bezüglich der zu erwartenden Umzugskostenerstattung durch die Klägerin voraussetzte.
252Rechtsgrundlage für die Zahlung der Pauschalen waren mithin die unmittelbar den Mitarbeitern gemachten Zusagen. Dass diese – für die Mitarbeiter nicht erkennbar – auf einer preisrechtlich falschen Grundlage erfolgten, war allein das Rechtsrisiko der Klägerin, das sie nicht auf die Mitarbeiter abwälzen konnte.
253Dass die Pauschalen der konkreten Höhe nach den Mitarbeitern auch in den anderen Fällen durch entsprechende Schreiben zugesagt wurden, hat die Zeugin S als zuständige Personalsachbearbeiterin für die administrative Begleitung der Auslandsmitarbeiter bestätigt (Sitzungsprotokoll vom 05.11.2024, S. 14, Bl. 2613). Im Übrigen ist aufgrund der Vielzahl der Umsetzungsfälle bei der Klägerin auch lebensnah davon auszugehen, dass die Direktumsetzungen nach einem Prozess mit vorgeschriebenen Druckvorlagen abgewickelt wurden und nicht zu jedem Fall eigene Schreiben mit eigenen Formulierungen aufgesetzt wurden.
254Eine Rückforderungsmöglichkeit bestand für die Klägerin damit insgesamt nicht. Dass sie gleichwohl vereinzelte, wenn auch – wie in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2023 mitgeteilt – erfolglose Rückforderungsversuche unternommen hat, ändert an dieser rechtlichen Einschätzung nichts.
255a) Teilweise preisrechtliche Zulässigkeit der gezahlten Pauschalen
256Ein Schaden entfällt auch nicht dadurch, dass die von der Klägerin im Rahmen der Direktumsetzung ausgezahlten Pauschalen zumindest teilweise angemessen gewesen wären.
257Die Beklagte stellt hier in den Raum, dass es aufgrund der Schwierigkeiten der Klägerin, die Attraktivität des Auslandseinsatzes für ihre Mitarbeiter aufrechtzuerhalten, im Sinne der Branchenüblichkeit notwendig gewesen sein könnte, bei Direktumsetzungen Kosten zu erstatten, die oberhalb der nach dem Merkblatt Direktumsetzungen geschuldeten Zahlungen lagen. Jedenfalls in dieser Höhe seien die Zahlungen dann auch mit dem Preisrecht vereinbar gewesen und an das BMZ nicht zurückzuerstatten gewesen, so dass sich eine – gleichwohl – vorgenommene Erstattung an das BMZ als freiwilliges Vermögensopfer und nicht als Schaden darstelle.
258Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Verträge mit dem BMZ eine Vereinbarung von Selbstkostenpreisen vorsahen. Orientierungsmaßstab für die Festsetzung der Kosten war mithin die Höhe der tatsächlich anfallenden Preise.
259Das bis April 2014 zum Einsatz kommenden Systems der Erstattung der Kosten bildete diesen Maßstab konkret ab, da tatsächlich die Kosten für den konkret vorzunehmenden Umzug ausgezahlt wurden, wie sie im jeweiligen Einzelfall durch Angebote ermittelt werden mussten. Das bedeutet jedoch gleichzeitig, dass sich das neue System von diesem Maßstab nur marginal – innerhalb der Grenzen einer ggf. pauschal zu bemessenden Angemessenheit – entfernen durfte.
260Soweit das BMZ in der Berechnung seines Rückforderungsanspruchs anhand der Daten für das Jahr 2013 zum einen Personalkosten in Höhe von rund 80.000 EUR in Abzug gebracht hat und zum anderen eine ermittelte Überbezahlung von 107% auf lediglich 100% heruntergekürzt hat (vgl. hierzu die insoweit nicht bestrittenen Ausführungen im Klageschriftsatz S.18., Bl. 21 f., sowie das Schreiben des BMZ vom 27.05.2019, Anlage K 27), hat es die mögliche Grenze einer Erhöhung der eigentlich nur geschuldeten, tatsächlich anfallenden Kosten aus Sicht der Kammer bereits ausgereizt.
261Dass zur Mitarbeiterbindung und zur Steigerung der Attraktivität des Auslandseinsatzes möglicherweise „branchenüblich“ weitergehende Leistungen als Anreiz hätten gezahlt werden können, bedeutet nicht, dass die vereinbarten Selbstkostenpreise in Bezug auf „Sachleistungen“ wie eine Umzugskostenerstattung grenzenlos hätten erhöht werden dürfen. Andere Leistungen wie die geschuldete Monatsvergütung mögen in diesem Zusammenhang in weiteren Grenzen erhöhungsfähig gewesen sein. Bei Kostenerstattungen, denen eine preisgebundene Sachleistung zu Grunde liegt, war dies nach § 5 Abs. 1 VOPR gerade nicht der Fall.
262b) Ausschluss des Rückforderungsanspruchs des BMZ nach § 814 BGB
263Der Rückzahlungsanspruch des BMZ beruhte auf § 812 BGB, da die gezahlten und im Wege des Mittelabrufs vom BMZ erstatteten Pauschalen die vertraglich vereinbarte Selbstkostenhöhe überschritten und somit ohne Rechtsgrundlage geleistet wurden.
264Nach § 814 BGB hätte das BMZ die Leistung dann nicht zurückfordern können, wenn es gewusst hätte, dass eine vertragswidrige Abrechnung der Direktumsetzungskosten erfolgte und es mithin zur Mittelerstattung nicht verpflichtet gewesen wäre.
265Im Rahmen des § 814 BGB ist dabei positive Kenntnis im Zeitpunkt der Leistung erforderlich. Der Leistende muss konkret wissen, dass er nichts schuldet. Kennen müssen genügt nicht, selbst wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. (Grüneberg, BGB, 81. Auflage, § 814 Rn. 4.). Für eine Kenntnis „des BMZ“ würde darüber hinaus die einfache Kenntnis der Prüfer des BMZ nicht ausreichen. Nach § 31 BGB analog müssten vielmehr die maßgeblichen Führungspersonen des Ministeriums über einen möglichen Rückforderungsanspruch informiert gewesen sein.
266Zur Überzeugung der Kammer ist das BMZ mit der Thematik der geänderten Abrechnungspraxis bei Direktumsetzungen erst im Rahmen der Prüfung des Projektes „Landwirtschaftliche Wasserproduktivität zur Klimaanpassung, Ägypten“, zu dem sich die eingereichten BMZ-Prüfberichte verhalten (vorläufiger Prüfbericht vom 18.01.2018, Anlage K 17, S. 16, Bl. 251, endgültiger Prüfbericht vom 10.07.2018, Anlage K 20, S. 21, Bl. 192), aufmerksam geworden. Insbesondere der E-Mail-Verkehr, der im Rahmen der Prüfberichterstattung zwischen den Prüfern des BMZ und der Klägerin abgewickelt wurde (vgl. hierzu beispielsweise Anlagen K15 und K16, Bl. 266 ff.), zeugt davon, dass vor dieser Prüfung keine Erkenntnisse beim BMZ vorlagen. Andernfalls ließe sich nicht erklären, wieso die Prüfer überhaupt Rückfragen zu Hintergrund und Entstehung der geänderten Abrechnungspraxis geäußert haben sollten.
267Auch die Behauptung der Beklagten, dass die Änderung der Kostenerstattungspraxis mit dem Aufsichtsrat der Klägerin bereits im Jahr 2014 abgestimmt worden wäre und das BMZ insoweit Kenntnis davon erlangt hätte, hat die durchgeführte Beweisaufnahme nicht ergeben.
268Von einer Kenntnis des BMZ als Leistendem ist damit frühestens mit Vorlage des endgültigen Prüfungsberichts vom 10.07.2018 auszugehen. Da die Kammer ihrer Entscheidung ohnehin nur den „Entstehungszeitraum“ des Schadens, mithin die Jahre 2014-2017 zugrunde gelegt hat (vgl. dazu die weiteren Ausführungen zur Schadenshöhe unter I. 4.), ist eine mögliche Kenntnis des BMZ ab dem Jahr 2018 hier jedoch nicht entscheidungsrelevant. Für eine frühere Kenntnis ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet, da sie sich auf einen Anspruchsausschluss des BMZ nach § 814 BGB und eine daraus resultierende Schadensminderungsobliegenheit beruft. Anhaltspunkte für eine frühere Kenntnis sind wie dargestellt jedoch insgesamt nicht vorgetragen noch ersichtlich
269c) Verjährung des Rückzahlungsanspruchs des BMZ
270Die Klägerin hat auch nicht in schuldhafter Verkennung der Rechtslage auf einen bereits verjährten Rückforderungsanspruch des BMZ gezahlt.
271Wie oben dargestellt, hat sich das BMZ frühestens im Rahmen der Ende 2017 stattfindenden Projektprüfung mit der Erstattung der Direktumsetzungskosten durch die Klägerin befasst. Vor diesem Zeitpunkt kann weder eine Kenntnis noch eine grob fahrlässige Unkenntnis davon, dass die Klägerin in diesem Bereich preisrechtlich unzulässige Kosten gegenüber dem Ministerium abrechnete, angenommen werden.
272Selbst wenn man einen Verjährungsbeginn mit Ende des Jahres 2017 annehmen würde, wäre ein Rückforderungsanspruch nach den §§ 195, 199 BGB erst Ende 2020 verjährt. Die Rückforderung im Jahr 2019 erfolgte mithin jedenfalls in unverjährter Zeit.
2734. Schadenshöhe
274a) Zahlung der Pauschalen an die Mitarbeiter und Refinanzierung durch das BMZ
275Die Klägerin hat an das BMZ am 02.04.2020 eine Zahlung in Höhe von 8.984.153,96 EUR sowie am 22.05.2020 und am 30.06.2020 Zahlungen in Höhe von 721.206,53 EUR und 121.545,37 EUR auf die erstatteten Direktumsetzungskosten zurückgezahlt (vgl. die Überweisungsnachweise Anlagen K 33 und K 34, Bl. 99 ff.).
276Nach den vorgelegten Unterlagen steht zur Überzeugung der Kammer ferner fest, dass die Klägerin sowohl Auszahlungen in dieser Höhe an ihre Mitarbeiter vorgenommen hat, als auch, dass diese Kosten im Rahmen des mit dem BMZ vereinbarten Abrufverfahrens von der Bundeskasse an die Klägerin gezahlt wurden.
277Die Beklagte hat die entsprechenden Zahlungsflüsse der (Re-)Finanzierung beispielhaft an den Unterlagen für den Fall der Direktumsetzung des Mitarbeiters T, Personal-Nummer Pers-Nr. 0, nachgezeichnet (Anlagen K 51.1 und K 51.2, Bl. 703 ff.). Aus Anlage K 51.1, dort S. 1 f, Bl. 703, ergibt sich die Zahlung einer Heimreisepauschale in Höhe von 10.934 EUR im August 2019 zur genannten Personalnummer, aus Anlage K 51.2, S. 1. Bl. 735, die Zahlung der Ausreisepauschale von 8.120 EUR im September 2019.
278Anhand der weiter eingereichten Unterlagen hat die Klägerin schlüssig dargestellt, dass eine Refinanzierung der an die Mitarbeiter zu zahlenden Kosten nicht für jede getätigte Auszahlung erfolgt, sondern über die Projekte, denen jeweils 12-stellige Buchungsnummern zugewiesen sind, nachvollzogen werden muss.
279Die Buchungstabellen in Anlage K 51.3 (Bl. 769 ff.) belegen, dass die genannte Heimreisepauschale für den Mitarbeiter T (10.934 EUR) in den Gesamtausgaben des Projekts P16.1844.6-002.00 im August 2019 aufgeführt ist (Anlage K 51.3, S. 2, Bl. 770). Die Ausgaben für die Ausreisepauschale im September 2019 in Höhe von 8.120 EUR findet sich in der Gesamtausgabenliste des (Anschluss-)Projekts P16.2056.6-001.00 (Anlage K 51.3, S. 5, Bl. 773).
280Weiter lässt sich aus den Unterlagen entnehmen, dass die entsprechenden Gesamtausgaben unter Angabe der Projektnummern beim BMZ unter dem Titel 68706 durch Mittelabruf refinanziert wurden (Anlage K 51.3, S. 3 und 6, Bl. 771 und Bl. 774). Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass die dargestellte Finanzierungshandhabung auch auf die anderen Fälle der Direktumsetzungen Anwendung fand. Gründe dafür, dass die Klägerin für eine Fallkonstellation, die von ihr regelmäßig gut hundertmal pro Jahr verwaltungstechnisch zu bearbeiten ist, kein standardisiertes Verfahren anwenden sollte, sind nicht ersichtlich.
281b) Schadenshöhe
282aa) Schadensschätzung nach § 287 ZPO
283Zur Überzeugung der Kammer lagen den getätigten Überweisungen mindestens in Höhe von 2,5 Mio. EUR – dem Sublimit der streitgegenständlichen Versicherung – Direktumsetzungskosten zugrunde, die die Klägerin an ihre Mitarbeiter ausbezahlte, obwohl eine preisrechtliche Zulässigkeit nicht gegeben war.
284Nach den Regelungen der ZPO ist die Höhe eines Schadens gemäß § 287 Abs. 1 und Abs. 2 festzustellen. Unter diese gesetzliche Regelung fallen alle Tatsachen, die im Einzelfalle der Wertberechnung zugrunde zu legen sind (Prütting in Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 287 Rn. 16). Die Darlegungslast des Geschädigten unterliegt dabei geringeren Anforderungen als bei § 286 ZPO. Er genügt seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichend greifbare Anhaltspunkte bieten (BGH NJW-RR 2007, 569 Rn. 21). Welche Anforderungen sich daraus ergeben, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere auch von den Möglichkeiten, die dem Geschädigten zur Verfügung stehen, seinen Vortrag zu konkretisieren (BGH NJW 1998, 1633 (1634), BeckOK ZPO/Bacher, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 287 Rn. 14).
285Steht der Eintritt eines Schadens fest, muss das Gericht prüfen, ob aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts im Wege der Schätzung zumindest ein Mindestschaden festgestellt werden kann (BGH NJW 2015, 867 Rn. 73; 2013, 2584 Rn. 20; NJW-RR 2000, 1340 (1341)). Eine Schätzung darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und deshalb willkürlich wäre (BGH NJW 2013, 525 Rn. 23; NJOZ 2022, 1417 Rn. 10; BAG NJW 2013, 331 Rn. 19; BeckOK ZPO/Bacher, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 287 Rn. 15).
286§ 287 ZPO reduziert darüber hinaus die Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts (BGH NJW 2008, 2910 Rn. 18). Je nach Lage des Falles kann eine erhebliche (BGH NJW 2013, 2584 Rn. 20; 2002, 128), das heißt eine mehr oder minder hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit (BGH NJW 2015, 934 Rn. 45; NJW-RR 2006, 1238 Rn. 13) genügen (BeckOK ZPO/Bacher, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 287 Rn. 17).
287Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs kann zur Überzeugung der Kammer ein Mindestschaden Höhe von 2,5 Mio. EUR im Wege der Schadensschätzung bejaht werden. Eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts im Wege einer Überprüfung jeder einzelnen Überweisung in den von der Klägerin aufgelisteten mehr als 700 Fällen überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die im hiesigen Verfahren allein geltend gemachte Anspruchshöhe als auch im Hinblick auf den verwaltungstechnischen Aufwand, der betrieben werden müsste, um die von der Beklagten geforderte Einzelaufklärung bis zum Erreichen einer Schadenshöhe von 2,5 Mio. EUR zu bewerkstelligen.
288Bereits aus den seitens der Klägerin vorgelegten Stichproben hat sich für die Kammer gezeigt, dass die Überprüfung der Kostenerstattungen fast in jedem Fall nicht nur eine reine Kontrolle der Höhe der ausgezahlten Heim- und Ausreisepauschale notwendig macht. Darüber hinaus sind regelmäßig weitere, für die Auszahlung relevante Einzelfallaspekte anhand der jeweiligen Personalakte zu verifizieren, wie beispielsweise die Frage, ob ein Partner des Mitarbeiters oder Kinder (ggf. in welcher Anzahl) von der Direktumsetzung betroffen war, und mithin auch Partner- oder Kinderpauschalen in Höhe von 40%, bzw. 20% anfielen. Weiter hat insbesondere die Vernehmung der Zeuginnen S und R in der mündlichen Verhandlung vom 05.11.2024 (Sitzungsprotokoll S. 14, Bl. 2613 und S. 12, Bl. 2611) belegt, dass es hinsichtlich des Zeitpunkts der Auszahlungen zahlreiche Sonderfälle gab. Die Zeugin R hat hier insbesondere ausgeführt, dass bei einer Familiendirektumsetzung die Familien durchaus auch getrennt heim- und ausreisen, weil beispielsweise ein Schuljahr noch zu Ende geführt werden soll. Auch seien Pauschalen deshalb teilweise in mehreren Tranchen gezahlt worden. Ein zeitliches Auseinanderfallen sei auch dadurch bedingt gewesen, dass eine Zahlung der Ausreisepauschale erst erfolgt sei, wenn der Mitarbeiter einen entsprechenden Antrag gestellt hat, der auch erst nach Ankunft im neuen Einsatzland gestellt werden konnte. Soweit hier verzögert gehandelt wurde, spiegele sich das in der Zahlung wieder. Auch die Zeugin S hat bestätigt, dass eine Heimreisepauschale bis ca. 3 Monate vor dem jeweiligen Vertragsende gezahlt wurde, dies auch bedingt durch im Vorhinein ausgezahlte Vorschüsse, um den Umzug frühzeitig – je nach den finanziellen Verhältnissen des Mitarbeiters - organisieren zu können.
289Die Aussagen der Zeuginnen sind glaubhaft und lebensnah. Anhaltspunkte, um an der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen zu zweifeln, sieht die Kammer nicht. Beide haben zu ihren jeweiligen Arbeitsbereichen flüssig und sachlich und widerspruchsfrei ausgeführt, ohne Belastungs- oder Begünstigungstendenzen erkennen zu lassen.
290Für die Kammer ergibt sich insoweit, dass allein aufgrund des zeitlichen Ablaufs in einer Vielzahl von Fällen, in denen die Auszahlung der Pauschalen zeitlich versetzt erfolgte, umfangreiches Personalaktenstudium betrieben werden müsste, um im Einzelfall mit völliger Sicherheit feststellen zu können, ob tatsächlich eine Direktumsetzung vorliegt oder aber ein – ungewöhnlicher jedoch theoretisch möglicher – dazwischengeschalteter vertraglicher Einsatz im Inland, der nicht mehr der Kategorie der Direktumsetzung unterfallen würde. In Anbetracht einer lediglich zu beweisenden Schadenshöhe von 2,5 Mio. EUR, der eine von Klägerseite behauptete Schadenshöhe von fast 10 Mio. EUR gegenüber steht, steht der zu betreibende Aufwand bei einer Aufklärung jedes Einzelfalles in keinem Verhältnis zu einem möglichen Mehr an Gewissheit.
291bb) Schätzung der „Mehrkostenquote“
292Die vom BMZ angewandte Methode, bei der das Ministerium die im Jahr 2013 tatsächlich gezahlten Direktumsetzungskosten mit denjenigen verglichen hat, die bei Anwendung der Neuregelung bereits im Jahr 2013 entstanden wären, und diese sodann ins Verhältnis zueinander gesetzt hat, stellt sich für die Kammer zunächst als ein valider Weg dar, um eine „Mehrkostenquote“ zu ermitteln. Es ist bereits zweifelhaft, dass es überhaupt möglich wäre, für die Jahre 2014-2019 in über 700 Einzelfällen zu ermitteln, welche Kosten für die pauschal abgerechneten Umzüge bei der Einholung von zwei Umzugsangeboten tatsächlich angefallen wären, um eine „exakte“ Vergleichsgröße für die zu Unrecht abgerechneten Pauschalen zu erhalten. Jedenfalls wäre der dafür notwendige Aufwand völlig unverhältnismäßig.
293Zwar sind nach der eingereichten Liste (Anlage K31/K31a) im Jahr 2013 offenbar weniger Direktumsetzungen durchgeführt worden als in den Folgejahren (ca. 73, vgl. die Tabelle in der Klageschrift (S. 18 f., Bl. 22 f.)). Die Anzahl ist aus Sicht der Kammer allerdings (noch) ausreichend für die Annahme eines Stichprobenumfangs, der mögliche Fallvarianten bei den Direktumsetzungen aufgrund der denkbaren Länderkombinationen aussagekräftig genug abdeckt.
294Aus dem Vergleich der in 2013 tatsächlich und fiktiv gezahlten Direktumsetzungskosten hat das BMZ kalkulatorisch eine Überzahlung von 107% festgestellt. Bei der Feststellung dieser Quote hat das BMZ allerdings angenommene Personalkosteneinsparungen in Höhe von 82.584 EUR – aus hiesiger Sicht nicht nachvollziehbar – doppelt angesetzt, nämlich als „Draufschlag“ für die tatsächlichen Ausgaben im Jahr 2013 und als Abzug bei den fiktiv für das Jahr 2013 ermittelten Werten. Die genannte Quote von 107,5 % ergibt sich insoweit als Quotient aus 747.590,80 EUR (= 830.174,80 EUR - 82.584 EUR) zu 695.363,20 EUR (= 612.779,20 EUR + 82.584 EUR), (vgl. die angegebenen Werte der Klageschrift S. 20, Bl. 23).
295Ohne Berücksichtigung der Personalkosten ergaben sich tatsächliche Ausgaben für das Jahr 2013 in Höhe von 612.779,20 EUR und fiktiv zu erstattende Ausgaben in Höhe von 830.174.80 EUR. Die Überhöhungsquote hätte danach sogar 135 % betragen.
296Gleichwohl hat das BMZ eine Überzahlungsquote von lediglich 100 % angenommen und nur die Hälfte der ausgezahlten Pauschalen zurückgefordert.
297Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass eine leichte Erhöhung der zu erstattenden Kosten – beispielsweise in Höhe der einfach anzusetzenden, ersparten Personalkosten – noch als angemessen und preisrechtlich zulässig angesehen werden könnte, geht die Kammer insoweit davon aus, dass die Klägerin unter preisrechtlichen Gesichtspunkten mehr als die angesetzten 50% von den ausgezahlten Pauschalen an das BMZ hätte zurückzahlen müssen.
298bb) Schätzung der Höhe der insgesamt ausgezahlten Direktumsetzungskosten
299Soweit die Höhe der von der Klägerin tatsächlich im Rahmen der Direktumsetzungen an ihre Mitarbeiter erstatteten Umzugskosten zu bestimmen ist, kann die Schätzung einer (Mindest-)Höhe anhand der von der Klägerin zuletzt mit Schriftsatz vom 09.01.2024 eingereichten Exceltabelle (Anlage Exceltabelle Direktumsetzungen K 68, im Folgenden K68 Excel, Bl. 1497 ff.) bestimmt werden.
300Die Kammer verkennt dabei nicht, dass bereits die als Vorgänger zu dieser Tabelle eingereichten Aufstellungen im Verfahrensverlauf mehrmals von der Klägerin korrigiert werden mussten, weiter ist die zuletzt eingereichte Tabelle selbst auch Gegenstand weiterer Korrekturen durch die Klägerin gewesen (vgl. Klägerschriftsatz vom 01.07.2024, Bl. 1665 ff.). Aufgrund dieser Umstände und im Übrigen bereits aufgrund der Komplexität der Materie, der Vielzahl der bei der Erstellung beteiligten Personen und der Notwendigkeit der Zusammenführung mehrerer Tabellenwerte geht die Kammer davon aus, dass die Anlage K68 Excel sicherlich nicht dazu geeignet gewesen wäre, die dort ausgewiesenen Zahlungen in ihrer vollen Höhe zu beweisen.
301Das ist vorliegend jedoch bereits nicht notwendig. Im Hinblick darauf, dass von der Klägerin lediglich ein Mindestschaden in Höhe von 2,5 Mio. EUR schlüssig dargelegt und bewiesen werden muss, entziehen auch die zweifelsohne vorliegenden, deutlichen Verlässlichkeitsmängel der Tabelle der eingereichten Aufstellung nicht ihre Geeignetheit als Schätzgrundlage im Ganzen. Im Hinblick auf die Mängel sind durch die Kammer großzügige Abschläge bei der Schätzung vorzunehmen. Auch diese lassen in ihrer Gesamtheit nach Würdigung sämtlicher Umstände durch die Kammer einen Mindestschaden jedoch nicht unter 2,5 Mio. EUR sinken. Im Einzelnen:
302(1) Ausweis von Direktumsetzungskosten als solcher
303Grundlage für die Tabelle K68 Excel ist die für das BMZ erstellte Anlage K 31 sowie die für den Rumpfzeitraum 26.05.2019-30.09.2019 erstellten weiteren Tabellen (vgl. erneut Klageschriftsatz, S. 20 ff., Bl. 23 ff.).
304Die Zeugin P hat hierzu in ihrer Vernehmung (Sitzungsprotokoll S. 9 f., Bl. 2608 f.) glaubhaft dargelegt, die streitgegenständlichen Direktumsetzungszahlungen zunächst über eine Filterung nach dem „Maßnahmegrund“ im SAP-Buchungssystem der Klägerin vorgenommen zu haben. Unbestritten enthält das Buchungssystem für eine Direktumsetzung zwei verschiedene „Maßnahmeziffern“ (vgl. Screenshot SAP, Anlage K 72: Maßnahmegrund 03: befristete Umsetzung innerhalb Ausland; Maßnahmegrund 04: Umsetzung innerhalb Ausland). Nach den Aussagen der Zeugin R handelte es sich bei der Angabe in diesem Buchungsfeld auch um ein Pflichtfeld.
305Zwar ist lebensnah davon auszugehen, dass die Auswahl des Buchungsfelds im Einzelfall durch „Verklicken“ fehlerhaft erfolgt ist, zumal die Zeugin R ausgeführt hat, dass eine Falschangabe für die weitere Bearbeitung folgenlos ist. Dies dürfte jedoch in beide Richtungen erfolgt sein, also im Sinne einer „Falsch-Positiven“ Auswahl der Direktumsetzung als auch im Sinne eines fälschlicherweise nicht als Direktumsetzung deklarierten Vorgangs, der dem Schaden eigentlich hinzuzurechnen gewesen wäre.
306Zum Ausschluss der Vorgänge, in denen eine „Falsch-Positive“ Auswahl erfolgt ist, hat die Zeugin P nach ihrer Aussage darüber hinaus aber auch mithilfe einer „Und-Verknüpfung“ das Kriterium „unterschiedliche Einsatzländer innerhalb eines Jahres“ angewandt. Einzug in die Tabellen haben nach der Aussage der Zeugin P damit nur diejenigen Zahlungen gefunden, die beide Kriterien (Maßnahmegrund 3 oder 4 und zwei Einsatzländer in einem Jahr) erfüllt haben. Das reicht zur Überzeugung der Kammer aus, um bei der vorzunehmenden Schätzung grundsätzlich davon ausgehen zu dürfen, dass in der Tabelle Direktumsetzungsfälle und nicht zwei hintereinandergeschaltete „normale“ Auslandseinsätze mit Zwischenumzug nach Deutschland erfasst werden.
307(2) Filterung der Zahlungen nach Zahlungsjahr
308In der Exceltabelle sind die einzelnen Direktumsetzungsfälle von der Klägerin nach verschiedenen Unterscheidungskriterien kategorisiert dargestellt. Für ihre Entscheidung hat die Kammer zunächst diejenigen Zahlungen herausgefiltert, die nach der Tabelle in den Jahren 2014-2017, mithin in der hier allein betrachteten „Entstehungsphase“ des Schadens, ausbezahlt wurden (Spalte J). In Summe ergibt diese Filterung einen Betrag in Höhe von 10.368.050,97 EUR.
309(3) Filterung der Zahlungen nach Besonderheiten
310Der Tabelle hat die Klägerin eine neue Spalte M beigefügt, der folgende Legende zu Grunde liegen soll (vgl. Klägerschriftsatz vom 21.03.2024, S.2, Bl. 1494).
311 Mit „1“ sollen alle Zahlungen gekennzeichnet sein, bei denen es keinerlei Besonderheiten gibt. Diese Zahlungen hat die Kammer bei der vorzunehmenden Schätzung als Grundlage zunächst voll eingestellt.
312 Mit „2“ seien alle Zahlungen markiert, bei denen die einzige Besonderheit darin bestehe, dass zwischen den beiden Zahlungen mehr als drei Monate lagen. In der durchgeführten Beweisaufnahme ist für die Kammer insbesondere durch die bereits zitierten Aussagen der Zeuginnen S und R belegt, dass auch ein Auseinanderfallen der Zahlungen von Heim- und Ausreisepauschale nicht gegen die Annahme einer Direktumsetzung spricht. Durch die von der Zeugin P bereits bei Erstellung der Tabelle vorgegebene zusätzlich Filterung (zwei Einsatzländer in einem Jahr) ergibt sich darüber hinaus eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch diese Zahlungen Direktumsetzungsfälle betrafen. Auch diese Zahlungen sind daher durch die Kammer zunächst ungekürzt als Schätzgrundlage einzustellen.
313 Mit „3“ hat die Klägerin alle Zahlungen markiert, bei denen es Fragen gibt, die nur durch aufwändige weitere Recherche aufklärbar wären. Diese Zahlungen (Summe 578.071,66 EUR) wurden von der Kammer für die spätere Schätzung vollständig herausgenommen, so dass sich der Zahlungsbetrag auf 9.789.979,31 EUR reduziert.
314 Mit „4“ schließlich sind Mehrfach-Listungen markiert, die ebenfalls herauszustreichen sind (Summe 147.246 EUR). Mit Schriftsatz vom 01.07.2024 hat die Klägerin darüber hinaus angegeben, durch nochmalige Überprüfung weitere Doppeltzahlungen in Höhe von 93.075,00 EUR identifiziert zu haben.
315Von den zuvor identifizierten Doppelungen liegt der Großteil im Jahr 2019 (laut Anlage K68 Excel 1.140.141,05 EUR von insgesamt 1.334.187,05 EUR). Das ist insoweit verständlich, als dass für das Jahr 2019 unstreitig mehrere Tabellen zu einer Tabelle zusammengefügt wurden, was die Entstehung von Doppelungen begünstigt haben dürfte.
316Die von der Klägerin zusätzlich identifizierten Doppelungen hat die Kammer für die Schätzung gleichwohl in voller Höhe abgezogen, obwohl damit auch Zahlungen in Abzug gebracht wurden, die die Jahre 2019 und 2018 betrafen und mithin bereits bei der Vorfilterung auf den Zeitraum 2014-2017 Abzugsposten dargestellt haben, so dass die Schätzungsgrundlage in diesen Fällen doppelt reduziert wird. Für die so ermittelten Doppeltzahlungen ergibt sich ein Gesamtabzug von 240.321 EUR, so dass 9.549.658,31 EUR verbleiben.
317(4) Filterung nach Auftraggeber/Finanzierer
318Nach Spalte L der Tabelle hat die Klägerin weiter eine Farbzuordnung vorgenommen. Diese soll kenntlich machen, welcher Finanzgeber für die Übernahme der Umsetzungskosten zuständig war. Weiß markierte Einträge (Farbcode 5 der Spalte L), betreffen nach Angabe der Klägerin Beträge, die unmittelbar vom BMZ oder einem anderen Bundeministerium beauftragt und bezahlt wurden.
319Welches Bundesressort den Auftrag erteilte, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht relevant. Auch, soweit im Einzelfall ein anderes Bundesressort den Auftrag erteilt hat, war rechtlich gesehen Auftraggeber, Vergütungsschuldner und Empfänger der Rückzahlungen stets die Bundesrepublik Deutschland als Gebietskörperschaft, so dass auch das öffentliche Preisrecht in gleicher Weise für diese Fälle galt und zu viel erstattete Beträge an die Bundeskasse zurückzuzahlen waren. Dass andere Bundesressorts eigenständig Forderungen geltend gemacht hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
320Blau markiert (Farbcode 6 der Spalte L) sind in der Tabelle nach den Angaben der Klägerin Direktumsetzungskosten der Mitarbeiter von Länderbüros, die zunächst nicht auf ein bestimmtes Projekt sondern auf die Kosten der betroffenen Länderbüros als solche verbucht werden.
321Die Klägerin hat hierzu – insoweit von der Beklagten unbestritten – dargetan, dass die Kosten der Länderbüros auf die Projekte in dem jeweiligen Land umgelegt werden, weil die Landesbüros Verwaltungsleistungen erbringen, die sonst in den Projekten finanziert werden müssten. Die Kosten der Landesbüros – und damit mittelbar auch die Direktumsetzungskosten – werden daher durch die Projekte und letztlich wiederum durch die Auftraggeber der Projekte vollständig getragen.
322Nach den Angaben der Klägerin wurden die Kosten der Länderbüros nur zu einem kleinen Teil durch andere Auftraggeber als die Bundesregierung finanziert, entsprechend dem Anteil, den diese durch private Auftraggeber finanzierte Projekte pro Jahr am Gesamtprojektvolumen der Klägerin hatten (Klägerschriftsatz vom 01.07.2024, S. 4, Bl. 1668). Im Durchschnitt seien 5,4% der Kosten, die durch Länderbüros finanziert worden seien, aufgrund einer Drittfinanzierung abzuziehen.
323Das von der Klägerin dargestellte Verhältnis der Projekte, die im gemeinnützigen Bereich der Klägerin von der Bundesregierung und von (privaten) Auftraggebern finanziert wurden, lässt sich anhand der von der Klägerin veröffentlichten, im Internet abrufbaren Jahresberichte als richtig verifizieren. Soweit die Beklagte „theoretisch“ in den Raum stellt, dass gleichwohl möglicherweise sämtliche Kosten der Länderbüros von privaten Auftraggebern finanziert wurden (Beklagtenschriftsatz vom 24.07.2024, S. 4 unten, Bl. 2065), stellte sich eine solche Annahme bereits als lebensfern dar.
324Im Wege der Schätzung hat die Kammer von den auf die Länderbüros in den Jahren 2014-2017 entfallenden Kosten gleichwohl 10% in Abzug gebracht, um etwaigen Einzelfällen einer überproportionalen Mitfinanzierung durch Dritte Rechnung zu tragen. Die Direktumsetzungskosten der Länderbüros belaufen sich nach Vornahme der oben dargestellten Filter (Jahre 2014-2017, Herausnahme der Kategorien 3 und 4 in Spalte M) noch auf 1.441.182 EUR. Ein 10%-iger Abzug (= 144.118,20 EUR) führt zu einem Betrag von 9.405.540,11 EUR.
325Gelb markiert (Farbcode 7, Spalte L) sind in der Tabelle die Direktumsetzungskosten, die von einem Dritten Auftraggeber finanziert wurden und mithin von der Klägerin nicht an das BMZ zu erstatten waren. Diese Kosten sind ebenfalls von den zu berücksichtigenden Zahlungen abzuziehen. Nach den angesetzten Filtern ergibt sich ein in Abzug zu bringender Betrag von 214.290,71 EUR, so dass ein Gesamtbetrag in Höhe von 9.191.249,40 EUR verbleibt.
326Nach der unter I. 4. b) bb) dargestellten „Mehrkostenquote“ musste die Klägerin 50% der zu viel geleisteten Zahlungen an das BMZ erstatten.
327Danach ergibt sich trotz der vorgenommenen pauschalen Streichungen noch ein Betrag von 4.595.624.70 EUR für den hier betrachteten Zeitraum. Unstreitig war die Klägerin zur Verzinsung des Rückerstattungsbetrags zu einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verpflichtet. Bereits beim bloßen Ansatz dieser geschuldeten Zinszahlungen ergibt sich ein Betrag, der mehr als doppelt so hoch ist wie der hier im Streit stehende Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 2,5 Mio. EUR. Daneben hat die Klägerin unstreitig auf die geleisteten Zahlungen noch Aufschläge für die Verwaltungsgemeinkosten und einen Gewinnzuschlag zurückgezahlt. Da beim Abruf der Projektmittel diese Kosten dem BMZ jeweils als Selbstkostenpreise in Rechnung gestellt wurden, waren diese bei der Rückabwicklung ebenso zurückzuerstatten, so dass sich auch insoweit ein Schaden der Klägerin ergab.
328Selbst, wenn damit mehr als jeder zweite Betrag in der nach den dargestellten Schritten bereits erheblich zu Lasten der Klägerin gekürzten Tabelle vollkommen falsch wäre und auf Null heruntergekürzt werden müsste, wäre weiterhin ein Mindestschaden von 2,5 Mio. erwiesen.
329Die Kammer ist den durchgeführten Stichproben und Überprüfungen im Verfahren insgesamt nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Daten der Tabelle eine solch außergewöhnliche Fehlerquote aufweisen , ist :
330In der ersten Stichprobe (Beweisbeschluss der Kammer vom 16.05.2023, Bl. 854 und Schriftsatz der Klägerin vom 28.06.2023, Bl. 871 ff.) hat sich lediglich ein Fall als nicht schadenserheblich erwiesen, weil er einer Drittfinanzierung zuzurechnen war. Dies wurde von der Kammer aber bereits bei der Vorfilterung herausgenommen . .
331Soweit sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 23.04.2024 (Bl. 1551 ff.) ausführlich mit der Anlage K68 Excel auseinandergesetzt hat, hat sich der überwiegende Teil ihrer Anmerkungen durch die spätere Beweisaufnahme, Klarstellungen der Klägerseite und Überprüfungen anhand der später eingereichten Dokumente erledigt:
332 Weitere doppelte Zahlungen (Unterpunkt 1.5.2 des Beklagtenschriftsatzes vom 23.04.2024) hat die Klägerin im Folgenden eingeräumt; die Kammer hat diese bei Ermittlung der Schätzgrundlage vollumfänglich in Abzug gebracht.
333 Soweit die Beklagte weitere „nicht nachvollziehbare Beträge“ in Unterpunkt 1.5.3 benennt, die sich anhand der Anlage K 71 (Höhe der Heim- und Ausreisepauschalen) insgesamt nicht plausibilisieren ließen, konnte dies eine kammerseits durchgeführte Stichprobe nicht bestätigen. Die Beträge der Stichprobe konnten als mögliche Kombinationen der Pauschalen für eine/n Mitarbeiter/in und/oder ausreisende Partner ggf. mit Kind/ern nachvollzogen werden. Teilweise dürfte eine Falschbezeichnung der Pauschalenart (Heim- statt Ausreisepauschale und umgekehrt) vorliegen, was die Zahlung aber nicht als generell unplausibel erscheinen lässt. Hierzu beispielhaft: Personalnummer 16827, Honduras – Nicaragua, Ausreisepauschale 12.278 EUR = (Heimreise-) Pauschale für Mitarbeiter und Partner/in; Personalnummer 17350, Philippinen – Kabul, Heimreisepauschale 6.160 EUR = Pauschale für 1 Partner und 2 Kinder; Personalnummer 133467 Afghanistan (Kabul) – Philippinen, Heimreisepauschale 7.700 EUR = (Ausreise-)Pauschale für Mitarbeiter/in; Personalnummer 164939, Nepal- Ruanda, Ausreisepauschale 6.910 EUR = Pauschale für eine/n Mitarbeiter/in; Personalnummer 98484 Indonesien-Kolumbien, Ausreisepauschale 12.480 EUR = (Heimreise-)Pauschale für Mitarbeiter/in, Partner/in und Kind; Personalnummer 166643, Ghana-Nigeria, Heimreisepauschale 7.840 EUR = (Ausreise-)Pauschale für Mitarbeiter/in.
334 Dass ein zeitliches Auseinanderfallen von Heimreise- und Ausreisepauschale (Punkt 1.5.4) die Annahme einer Direktumsetzung nicht hindert und die in diesen Fällen angefallenen Kosten dem Schaden hinzuzurechnen sind, hat die Beweisaufnahme ergeben.
335 Gleiches gilt für den Kritikpunkt der Beklagten, es seien Zahlungen aufgeführt, die vor dem 01.04.2014 lägen (Unterpunkt 1.5.5). Die Zeugin S hat bestätigt, dass eine Heimreisepauschale zwar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsende liege, eine Zahlung aber auch 3 Monate vorher erfolgen könne, dies allein aufgrund von Vorschusszahlungen zur Organisation des Umzugs.
336 Die im Unterpunkt 1.5.6 des Beklagtenschriftsatzes vom 23.04.2023 aufgeführten Zahlungen in Höhe von 1.191.283,65 EUR, die sich in der dem BMZ übermittelten Aufstellung nicht wiederfinden lassen sollen, sind in den zur Akte gelangten Tabellenwerken (K 31, Klageschrift S. 21 ff. Bl. 24 ff.) enthalten. Die Einwendung der Beklagten erschließt sich der Kammer nicht.
337 Dass auch von anderen Bundesministerien finanzierte Projektkosten (Unterpunkt 1.5.7) vom BMZ zurückgefordert werden konnten, hat sich ebenfalls im Verlauf des Verfahrens für die Kammer – wie oben ausgeführt - geklärt.
338 Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die für Angehörige gezahlten Heim-und Ausreisepauschalen grundsätzlich zu Recht erfolgt seien und eine Erstattungspflicht der Klägerin nicht bestanden habe (Unterpunkt 1.5.8 des Schriftsatzes), folgt die Kammer dem nicht. Auch bei den Angehörigen bildete der Ansatz von zwei Pauschalen den tatsächlichen Umzugsaufwand nicht preisrechtlich zulässig ab. Dass Partner oder Kinder der Mitarbeiter „tatsächlich aus Deutschland ausgereist oder nach Deutschland eingereist“ sind, macht die Pauschalen ebenso wenig grundsätzlich zulässig. Denn abgerechnet wurde mithilfe der Pauschalen, wie sich auch aus der Übersiedlungskostenrichtlinie ergibt, nur die Kosten für den Umzug des Hausrats der Mitarbeiter. Reisekosten wurden getrennt hiervon erstattet. Die aufgeführten Pauschalen waren mithin nur dann nicht zu erstatten, wenn Angehörige der Mitarbeiter von einer Direktumsetzung nicht betroffen waren.
339 Dass es Einzelfälle gab, in denen Partner und/oder Kinder zeitlich versetzt zum Mitarbeiter ausgereist sind und dementsprechend auch bestimmte Überweisungen nur Partner-/Kinderpauschalen ausweisen (Unterpunkt 1.5.9), hat die Zeugin R in ihrer Vernehmung für die Kammer nachvollziehbar erläutert. Darüber hinaus hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.07.2024 (S. 17, Bl. 1681) erläutert, dass hier auch Fälle betroffen waren, in denen der ausreisende Partner selbst bei der Klägerin angestellt war, aber nur die Partnerpauschale erhalten hat, weil die Mitarbeiterpauschale bereits an den anderen Partner zu zahlen war. Diese Begründungen sind für die Kammer glaubhaft, nachvollziehbar und lebensnah.
340 Auch soweit die Beklagte bemängelt, dass in bestimmten Fällen mehrere Ausreise- bzw. mehrere Heimreisepauschalen gezahlt worden seien, lässt sich dies schlüssig mit der auch von der Kammer vorgefundenen Falschbezeichnung im System erklären, die für die Zahlung als solche und die Rückerstattungspflicht der Klägerin unbeachtlich ist. Auch das Vorkommnis von einzelnen Fällen, in denen nur eine Pauschale gezahlt wurde, hat die Klägerin anhand von Beispielsfällen erläutert. Soweit ein Mitarbeiter von einem Projekt, das ein privater Auftraggeber finanziert hat, in ein gemeinnütziges Projekt direkt umgesetzt wurde (oder umgekehrt), wurde entsprechend nur eine Pauschale gezahlt. Auch diese war jedoch in gleicher Weise überhöht wie die Zahlung von zwei Pauschalen bei einer „normalen“ Direktumsetzung, so dass auch insoweit eine Erstattungspflicht der Klägerin vorlag.
341 Zahlungen für das Jahr 2019 (Unterpunkt 1.5.11) hat die Kammer bei der Ermittlung ihrer Schätzgrundlage insgesamt nicht berücksichtigt.
342Auch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 01.07.2024 eingereichte Stichprobe, die sich im Wesentlichen aus Fällen speist, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.04.2024 angegriffen hat, weist keine Fehlerquote von über 50 % auf – was allein für die Leistungspflicht relevant wäre. Die Angriffe beziehen sich überwiegend auf Fälle, in denen nur eine Pauschale – wegen der Beteiligung eines weiteren Finanziers – zu zahlen war. Auch in diesen Fällen hatte die Klägerin die preisrechtliche Überhöhung bei der Pauschale zurückzuführen, denn auch isoliert betrachtet war jede einzelne Pauschale überhöht, da sie nicht die Hälfte der tatsächlich anfallenden Umzugskosten abbildete.
343In weiteren Fällen fehlen nach der Kritik der Beklagten einzelne Zahlungsbelege in Form von Gehaltsabrechnungen. Auch dies belegt aus Sicht der Kammer jedoch nicht, dass die Zahlung nicht stattgefunden hat, soweit – wie hier – die übrigen Unterlagen (Ankündigungsschreiben der Zahlung etc.) beigefügt wurden. Dass eine nachträgliche Digitalisierung der teils aus dem Jahr 2014 stammenden Akten teilweise nicht alle Dokumente erfasst, lässt die Kammer nicht daran zweifeln, dass gleichwohl eine Auszahlung wie angekündigt vorgenommen wurde.
344Zur Überzeugung der Kammer ist eine weitergehende Darlegung der Schadenshöhe durch die Klägerin damit nicht notwendig. Im Wege der Schadensschätzung kann ein Mindestschaden in Höhe von 2,5 Mio. EUR ermittelt werden. Unter Abzug des vereinbarten Selbstbehaltes in Höhe von 50.000 EUR und anschließendem Ansatz der seitens der Beklagten geschuldeten Haftungsquote von 35,25% ergibt sich eine Forderung in Höhe von 863.625 EUR. Die geltend gemachten Verzugszinsen beruhen auf den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.
345II.
346Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
347Der Streitwert wird auf 863.625,00 EUR festgesetzt.