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Die Beschwerde wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
2I.
3Die Betroffene leidet an einer mittelgradigen Intelligenzminderung bei Morbus Down.
4Mit Beschluss vom 04.06.2004 richtete das Amtsgericht Siegburg erstmals eine Betreuung für die Betroffene ein. Damals wurden die Beteiligte zu 1, die Schwester der Betroffenen, zur Betreuerin sowie Frau A, die mittlerweile verstorbene Mutter der Betroffenen, zur Verhinderungsbetreuerin bestellt. Der Aufgabenbereich der Betreuung umfasste zum damaligen Zeitpunkt die Gesundheitsfürsorge, die Bestimmung des Aufenthalts, Vermögens- und sonstigen finanziellen Angelegenheiten und die Wahrnehmung von Behördenangelegenheiten (Bl. 22 d.A.). Nach Ansicht des damals zuständigen Richters herrschte ein vertrautes familiäres Verhältnis, wobei die Betroffene und ihre Mutter in einem Haushalt lebten (Bl. 17 d.A.). Mit Beschluss vom 25.06.2004 änderte das Amtsgericht Siegburg die Betreuerbestellung dahingehend, dass die Mutter der Betroffenen zur Hauptbetreuerin und die Beteiligte zu 1 zur Verhinderungsbetreuerin bestellt wurden (Bl. 29 d.A.).
5Mit Beschluss vom 17.04.2009 verlängerte das Amtsgericht Siegburg die Betreuungsanordnung mit einer Überprüfungsfrist zum 16.04.2016 ohne weitere Änderungen (Bl. 92 d.A.). Eine weitere Verlängerung der Betreuung erfolgte mit Beschluss des Amtsgerichts Siegburg zum 24.03.2016. Als Überprüfungsfrist setzte das Amtsgericht den 23.03.2023 fest (Bl. 238 d.A.).
6War die Betroffene zu Beginn der Betreuung noch in der Lage, ein Gespräch zu führen und selbstständig Dinge zu erledigen, so verschlechterte sich ihr geistiger und körperlicher Zustand im Laufe der Zeit stetig (vgl. u.a. Mitteilung der Beteiligten zu 1 im Jahresbericht bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.10.2019, Bl. 209 f. d.A.). Auch aufgrund der fortschreitenden gesundheitlichen Probleme zog die Beteiligte zu 2, eine Tochter der Beteiligten zu 1, in den Haushalt der Betroffenen, um diese zu pflegen. Das Amtsgericht Siegburg verlängerte mit Beschluss vom 16.02.2023 die Betreuung – unverändert – bei einer Überprüfungsfrist von weiteren sieben Jahren (Bl. 332 d.A.).
7Kurz darauf teilte die Beteiligte zu 1 mit, dass die Mutter der Betroffenen aus Altersgründen nicht mehr in der Lage sei, die Betreuung fortzuführen, und bat insofern um die Bestellung der Beteiligten zu 2 als Verhinderungsbetreuerin (Bl. 348 und Bl. 357 d.A.). Am 00.05.2023 verstarb Frau A.
8Bereits am 00.00.2011 hatte Frau A in einem notariell beurkundeten Testament die Betroffene als nicht befreite Vor- und Alleinerbin eingesetzt. In der letztwilligen Verfügung ist weiter bestimmt, dass bei Versterben der Betroffenen der Nacherbfall eintreten soll, wobei als Nacherben die drei Kinder der Beteiligten zu 1 zu gleichen Teilen eingesetzt sind. Die Beteiligte zu 1 ist als Testamentsvollstreckerin im Rahmen einer Dauervollstreckung zur Verwaltung des Nachlasses bestimmt. Weiter heißt es im Testament unter Ziffer III. Nrn. 4 ff.:
9„4. Der Testamentvollstrecker wird verbindlich angewiesen meiner Tochter T aus den Erträgen des Nachlasses solche Geld- oder Sachleistungen zukommen zu lassen, die für ihren standesgemäßen Unterhalt zweckmäßig sind und die zur Verbesserung ihrer Lebensqualität beitragen. Der Testamentsvollstrecker hat ferner dafür Sorge zu tragen, dass meine Tochter T in ihrer bisherigen Umgebung weiter wohnen kann und dass sie von einer Betreuungsperson im Hause ganztägig betreut wird.
10Darüber hinaus soll der Testamentsvollstrecker aus den Erträgen des Nachlasses meiner Tochter T insbesondere zuwenden
11 Geschenke zum Geburtstag und zu den üblichen Festtagen (z.B. Weihnachten, Ostern etc.),
12 Zuwendungen zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse geistiger und künstlerischer Art, insbesondere hinsichtlich Freizeitgestaltung und Hobbies,
13 Zuwendungen für die Teilnahme an Ferien- und Kuraufenthalten.
14Bei der Verwendung der Mittel hat der Testamentsvollstrecker stets die Bedürfnisse und Wünsche meiner Tochter T zu berücksichtigen.
15Soweit die Erträge des Nachlasses nicht in voller Höhe für die vorgenannten Zwecke verwendet werden, soll der Testamentsvollstrecker diese Erträge zunächst als Rücklage anlegen und nach seinem Ermessen ggfs. für notwendige Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen bei dem zum Nachlass gehörenden Grundbesitz verwenden.
165. Der Testamentsvollstrecker ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
176. Der Testamentsvollstrecker hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung sowie Ersatz seiner Auslagen. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach der neuesten Rheinischen Tabelle des Deutschen Notarvereins in der zum Zeitpunkt des Erbfalls geltenden Fassung.“
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 00.00.2011 (Bl. 427 ff. d.A.) Bezug genommen.
19Die Beteiligte zu 1 nahm im Nachgang die Bestellung zur Testamentsvollstreckerin an und machte ihren Pflichtteil als nicht bedachte Tochter nicht geltend.
20Das Amtsgericht Siegburg bestellte in Ansehung dieser Umstände sodann mit Beschluss vom 20.07.2023 die Beteiligte zu 1 zur Betreuerin der Betroffenen sowie die Beteiligte zu 2 zur Verhinderungsbetreuerin, wobei die Aufgabenbereiche weiterhin unverändert blieben (Bl. 370 d.A.). Im Rahmen der Verpflichtung der Beteiligten zu 1 und 2 stellte die zuständige Rechtspflegerin fest, dass die Beteiligte zu 2 (weiterhin) in häuslicher Gemeinschaft mit der Betroffenen lebt und diese versorgt und pflegt, wobei sie im Gegenzug eine geringe Vergütung erhält und keine Miete zahlt. Diesbezüglich und mit Rücksicht auf die Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Betreuerin und zugleich als Testamentsvollstreckerin kündigte sie an zu prüfen, ob eine Ergänzungsbetreuung einzurichten sei (Bl. 384 f. d.A.).
21Nach Einsicht in die entsprechende Nachlassakte bestellte die zuständige Rechtspflegerin sodann mit Beschluss vom 12.10.2023 den Beteiligten zu 3 zum Ergänzungsbetreuer für die Betroffene. Sein Aufgabenbereich umfasst die „Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen gegenüber der Testamentsvollstreckerin sowie den Abschluss einer Miet- und Pflegevereinbarung mit der Verhinderungsbetreuerin“ (Bl. 391 d.A.).
22Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 08.11.2023, eingegangen beim Amtsgericht Siegburg am 10.11.2023, „Einspruch“ eingelegt, wobei eine Begründung für einen späteren Zeitpunkt angekündigt wurde (Bl. 402 d.A.). Der Beteiligte zu 3 hat hierzu mit Schreiben vom 16.11.2023 Stellung genommen. Seines Erachtens besteht eine Interessenkollision, da die Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sei, die Tätigkeiten der Beteiligten zu 1 in ihrer Stellung als Testamentsvollstreckerin zu hinterfragen und zu überwachen, so dass ihr Kontrollrecht ins Leere laufe (Bl. 406 f. d.A.).
23Mit Schreiben vom 29.11.2023 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 die entsprechende anwaltliche Vertretung angezeigt und die von der Beteiligten zu 1 eingelegte Beschwerde begründet. Zur Begründung wird ausgeführt, dass eine Interessenkollision allein aufgrund der Doppelstellung der Beteiligten zu 1 nicht bestehe. Es hätte vielmehr eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden müssen, wobei es konkreter Anhaltspunkte für eine Interessenkollision bedürfe, um die Einrichtung einer Ergänzungsbetreuung zu rechtfertigen. Da die Führung der Betreuung durch die Beteiligte zu 1 aber bislang einwandfrei gelaufen sei, sei eine Ergänzungsbetreuung nicht notwendig (Bl. 423 d.A.).
24Das Amtsgericht Siegburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer mit Beschluss vom 08.12.2023 zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 436 d.A.).
25Die Kammer hat mit Beschluss vom 20.12.2023 zunächst die Beteiligte zu 4 zur Verfahrenspflegerin der Betroffenen bestellt (Bl. 43 f. d.A.). Sodann hat sie die Betroffene sowie die weiteren Beteiligten am 23.01.2024 persönlich angehört. Ein Gespräch mit der Betroffenen war in diesem Rahmen aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr möglich. Im Verlauf der Anhörung wurde unter anderem ein Mietvertrag aus dem Jahre 2012 vorgelegt, welcher zwischen der verstorbenen A und der Beteiligten zu 2 geschlossen wurde. Als Miete weist dieser einen Betrag von 250,00 EUR aus, welcher durch Pflegeleistungen abgegolten wird. Hierneben erhält die Beteiligte zu 2 eine Aufwandsentschädigung in Höhe weiterer 250,00 EUR monatlich. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsprotokoll vom 23.01.2024, Bl. 68 f. d.A. des LG, verwiesen.
26Mit Schreiben vom 06.02.2024 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 ergänzend Stellung genommen und unter Wiederholung seiner bisherigen Ausführungen weiter dargelegt, es lägen keine Anhaltspunkte für eine konkrete Interessenkollision vor, so dass die Einrichtung einer Ergänzungsbetreuung zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen „Beobachtungspflegschaft“ führe (Bl. 74 f. d.A.).
27II.
28Die gemäß §§ 58, 59 FamFG zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.
291. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beteiligte zu 1 aus § 59 FamFG beschwerdebefugt, da ihr als bisher alleinige Betreuerin ein Ergänzungsbetreuer an die Seite gestellt worden ist (Roth in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1817 BGB, Rn. 18).
302. Zurecht hat das Amtsgericht Siegburg mit Beschluss vom 12.10.2023 eine Ergänzungsbetreuung mit den Aufgabenbereichen „Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen gegenüber der Testamentsvollstreckerin sowie Abschluss einer Miet- und Pflegevereinbarung mit der Verhinderungsbetreuerin“ eingerichtet.
31Ein Ergänzungsbetreuer ist gemäß § 1817 Abs. 5 BGB zu bestellen, soweit ein Betreuer aus rechtlichen Gründen gehindert ist, einzelne Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen. Dies ist zum einen der Fall, wenn der Betreuer aus Rechtsgründen, welche sich für das Betreuungsrecht aus § 1824 und 181 BGB ergeben können, nicht die Möglichkeit hat, einzelne Angelegenheiten für die Betroffene zu besorgen, oder zum anderen eine Interessenkollision im Sinne des § 1789 Abs. 2 BGB vorliegt (vgl. BeckOGK/Schmidt-Recla, 1.8.2023, BGB § 1817 Rn. 49,50; Jürgens/Brosey, 7. Aufl. 2023, BGB § 1817 Rn. 13; MüKoBGB/Schneider, 9. Aufl. 2024, BGB § 1817 Rn. 32). Liegen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers vor, so hat das Gericht einen solchen zu bestellen. Dem Gericht ist hierbei kein Ermessen eingeräumt (Reh in: Bienwald, Betreuungsrecht, 7. Auflage 2023, VI. Ergänzungsbetreuer (Abs. 5), Rn. 52).
32Eine Interessenkollision im vorgenannten Sinne ist gegeben, wenn das Interesse der Betroffenen zu dem Interesse der Betreuerin in erheblichem Gegensatz steht, vgl. § 1789 Abs. 2 BGB.
33Aufgrund welcher Umstände ein Interessengegensatz die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers erfordert, wird in Rechtsprechung und Literatur dahingehend diskutiert, ob eine erhebliche Interessenkollision in solchen Fällen, in denen der Betreuer rechtlich auf zwei verschiedenen Seiten steht, generalisierend anzunehmen oder ob dem gegenüber eine konkretisierende Betrachtungsweise angezeigt ist. So wird vertreten, dass wenn bspw. der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Erben zugleich als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, von einem hinreichend erheblichen Interessengegensatz auszugehen sei. Der Testamentsvollstrecker habe gegenüber dem Erben die in §§ 2215 bis 2217 BGB bestimmten Pflichten und könne ihm unter den Voraussetzungen des § 2219 BGB schadensersatzpflichtig werden. Die Wahrnehmung der Aufgaben der beiden Ämter durch ein und dieselbe Person sei deswegen ausgeschlossen (Zimmermann, Anm. z. BGH, Beschl. v. 05.03.2008, FamRZ 2008, 1156, 1158 m.w.N.; ähnlich für die Erbauseinandersetzung im Rahmen einer zwischen dem Betreuer und Betreuten bestehenden Miterbengemeinschaft Reh in: Bienwald, Betreuungsrecht, 7. Auflage 2023, VI. Ergänzungsbetreuer (Abs. 5), Rn. 48).
34Dem gegenüber soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Frage der Notwendigkeit einer Ergänzungspflegerbestellung für einen minderjährigen Erben bei Testamentsvollstreckung seines das Sorgerecht innehabenden Vaters darauf abzustellen sein, ob konkreter Anlass zu der Annahme besteht, der Vertreter werde - unbeschadet seiner eigenen Interessen - die Belange des Vertretenen nicht im gebotenen Maße wahren und fördern. Die Risikogeneigtheit eines „typischen" Interessengegensatzes führe nicht zwangsläufig zur Anordnung einer Pflegschaft. Vielmehr liege es auch im Rahmen tatrichterlicher Verantwortung, nach einer Abwägung aller Umstände zu entscheiden, ob eine vorbeugende Pflegschaftsanordnung geboten oder ein Zuwarten - auch im wohlverstandenen Interesse des Vertretenen - ratsam erscheint (BGH FamRZ 2008, 1156, 1158).
35Überträgt man die vorstehend zu der Frage der Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft aufgestellten Grundsätze des Bundesgerichtshofes auf die hier vorliegende Konstellation, ist die Anordnung der Ergänzungsbetreuung unter Berücksichtigung der hier gegebenen Umstände gerade nicht zu beanstanden.
36Der erhebliche Interessengegensatz liegt bei der Betrachtung des vorliegenden Falles zum einen konkret darin, dass die Beteiligte zu 1 zugleich multiple Rollen einnimmt. So ist sie im Rahmen der Betreuungsanordnung die rechtliche Vertreterin der Betroffenen, im Rahmen des angefallenen Erbfalles nicht berücksichtigter Abkömmling der verstorbenen Mutter sowie Testamentsvollstreckerin für die Betroffene als Vorerbin. Gleichzeitig füllt sie die Funktion der Testamentsvollstreckerin – mit allen damit einhergehenden Rechten und Pflichten – auch für die Nacherben, welche sogleich ihre eigenen Abkömmlinge sind, aus. Folglich hat sie nicht nur ihre eigenen Interessen und die der Betroffenen, sondern auch die Interessen der Nacherben im Rahmen der Testamentsvollstreckung zu berücksichtigten. Zum anderen ist eine konkrete Interessenkollision hinsichtlich des Abschlusses eines Miet- und Pflegevertrages mit der Beteiligten zu 2 gegeben. Dabei ist diese ihre Tochter und zugleich einer der drei Nacherben, so dass dem Interesse der Betroffenen als Vorerbin, eine möglichst hohe Miete zu erhalten, das mutmaßliche Interesse der Beteiligten zu 2, diese möglichst gering zu halten, entgegensteht. Dies gilt umso mehr, als die weiteren Nacherben ihrerseits wiederum – objektiv – ein Interesse an einer möglichst hohen Miete haben, da dies dem Umfang der künftigen Nacherbschaft zu Gute kommt.
37Die verstorbene Mutter der Betroffenen hat im Rahmen der von ihr getroffenen letztwilligen Verfügung die Betroffene als alleinige Vorerbin und die drei Abkömmlinge der Beteiligten zu 1 als Nacherben zu gleichen Teilen eingesetzt. Weiter hat sie die Beteiligte zu 1 als Dauertestamentsvollstreckerin eingesetzt. Insoweit ist die Beteiligte zu 1 unter anderem verpflichtet, der Betroffenen Geld- und Sachleistungen zukommen zu lassen, welche für deren standesgemäßen Unterhalt zweckmäßig sind und zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Zudem soll die Wohnsituation so gut es geht aufrechterhalten und eine ganztätige Pflege sichergestellt werden. Weiter soll die Beteiligte zu 1 als Testamentsvollstreckerin dafür sorgen, dass die Betroffene zu bestimmten Anlässen wie ihrem Geburtstag Geschenke erhält und dass Zuwendungen für die Befriedigung von individuellen Bedürfnissen, wie z.B. einem Kuraufenthalt, fließen. Anders als noch zu Lebzeiten der Erblasserin A. liegt es dabei nunmehr ausschließlich in der Hand der Beteiligten zu 1, den Umfang der der Betroffenen zukommenden Vermögenswerte zu bestimmen und den Nachlass zu verwalten, wobei sie insoweit nicht allein in deren Interesse, sondern gemäß § 2222 BGB auch im Interesse der Nacherben tätig werden muss.
38Mithin geht die Risikogeeignetheit des konstellativ bedingten Interessengegensatzes hier über die von dem Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung so bezeichnete „typische Interessenkollision“, auch bezogen allein auf die Interessen der Betroffenen und der Beteiligten zu 1, hinaus.
39Die Kammer verkennt dabei nicht, dass vorliegend keinerlei konkreter Anlass, der ein Eingreifen erforderlich oder eine Überprüfung dringend notwendig erscheinen lässt, ersichtlich ist. Vielmehr spricht – zuletzt nach dem persönlichen Eindruck aus der Anhörung vom 23.01.2024 – alles dafür, dass sich die Beteiligte zu 1 bei gefestigten finanziellen Verhältnissen geradezu aufopfernd um die Betroffene kümmert und um ihre bestmögliche Versorgung bemüht ist. Ein solch – ggf. künftiger – konkreter Anlass würde indes in der vorliegenden Konstellation allerdings auch nicht ohne weiteres zur Kenntnis gelangen, da es keinerlei Kontrollinstanz gibt, die eine Prüfung diesbezüglich vornehmen würde. Zwar hat die Beteiligte zu 1 gegenüber dem zuständigen Amtsgericht als Betreuerin einen Jahresbericht zu fertigen. Im Rahmen dessen werden jedoch nur die Vermögens- und Versorgungsverhältnisse der Betroffenen anhand der Angaben der Beteiligte zu 1 überprüft. Die Ausübung der Testamentsvollstreckung und der Einfluss auf die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände der Betroffenen bleiben innerhalb dieser Prüfung unberücksichtigt. Das Nachlassgericht überprüft die Vollstreckung des Testaments ebenfalls nicht, soweit nicht ausnahmsweise ein Hinweis eingeht, der eine nochmalige Überprüfung rechtfertigt.
40Dies begründet – in Abweichung von einer schlichten Testamentsvollstreckung für eine betreute Person – ein Spannungsfeld der durch die rechtlichen und zudem verwandtschaftlich vorgegebenen Interessen, in deren Zentrum die Beteiligte zu 1 steht und bei dem jedenfalls die Betroffene aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Einschränkungen keine Möglichkeit zu Kontrolle hat. Erschwerend hinzu kommt, dass die Betroffene, anders als in Fällen der Pflegschaft für minderjährige Kinder, dabei auch zu keinem späteren Zeitpunkt in der Lage sein wird, diese Kontrollmöglichkeit selbst einmal auszuüben. Die Überlegung, ob ggf. eine vorbeugende Ergänzungsbetreuungsanordnung geboten oder lediglich ein Zuwarten - auch im wohlverstandenen Interesse des Vertretenen - ratsam erscheint, greift deswegen bei der hiesigen Fallgestaltung nicht Platz.
41Dies gilt auch unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die Erblasserin diese Rolle der Beteiligten zu 1 offensichtlich bewusst und zu einem Zeitpunkt zugedacht hat, zu dem die Beteiligte zu 1 jedenfalls als Verhinderungsbetreuerin bestellt war und die Erblasserin damit rechnen musste, dass diese im Falle ihres Ablebens weiterhin als Betreuerin fungieren würde. Darüber, ob die Beteiligte zu 1 für den Fall des Eintritts der Testamentsvollstreckung an der Vertretung der Betroffenen insoweit gehindert sein soll, vermochte die Erblasserin zwar nicht zu verfügen. Gleichwohl ist dem vorzitierten Inhalt des notariellen Testaments zu entnehmen, dass Art und Umfang der der Betroffenen zukommenden Erträge des Nachlasses mit hoher Detailliertheit vorgegeben sind, was seinerseits für ein besonderes Maß an intendierter Sorgfalt und Nachprüfbarkeit der Ausübung der Testamentsvollstreckung spricht (vgl. dazu Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. März 2019 – 9 WF 265/18 –, Rn. 21, juris). Der Beteiligten zu 1 mithin im Gefüge der wie vorstehend aufgezeigten Interessen der verschiedenen Beteiligten die Pflicht zur Rechenschaft im Sinne des § 1817 Abs. 5 BGB zuzudenken, widerspricht mithin nicht dem Geiste der Anordnung der Testamentsvollstreckung durch die Erblasserin A.
42Letztendlich schlägt sich die Interessenkollision auch bereits konkret in dem Umstand nieder, dass unter anderem ein Mietvertrag aus dem Jahre 2012 zugunsten der Beteiligten zu 2 existiert, wonach ein Mietzins in Höhe von 250,00 EUR vereinbart worden ist. Diese Miete wird jedoch nach Aussage der Beteiligten zu 1 nicht an die Betroffene bzw. deren gesetzliche Vertreterin entrichtet, sondern durch Pflegeleistungen abgegolten. Die Beteiligte zu 2 erhält darüber hinaus einer weiteren Aufwandsentschädigung in Höhe von 250,00 EUR, welche ebenfalls als Vergütung für Pflegeleistungen gedacht ist. Die Betroffene hat hier aufgrund ihrer Erkrankung nicht die Möglichkeit zu prüfen und zu entscheiden, ob diese bestehende Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des vereinbarten Mietzinses – unter anderem in Ansehung der Teuerungen der Lebenshaltungskosten in den vergangenen zwölf Jahren – weiterhin für sie als angemessen erscheint. Auch die fehlende Definition der Pflegeleistungen durch die Beteiligte zu 2, welche ihre Aufgabe nach Ansicht der Kammer ebenfalls zum jetzigen Zeitpunkt vernünftig und aufopferungsvoll ausführt, spricht dafür, dass im vorliegenden Einzelfall schon deshalb Bedarf an einer objektivierten Prüfung des jeweils berechtigten Interesses der Beteiligten besteht. Als sowohl allein im Interesse der Betroffenen tätige gesetzliche Betreuerin als auch als dauerhafte Vor- und Nacherbentestamentsvollstreckerin steht die Beteiligte zu 1 hier auf zwei Seiten. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass dieser Umstand durch die Bestellung des Ergänzungsbetreuers und einem etwaigen Abschluss einer Miet- und Pflegevereinbarung perspektivisch an Bedeutung verliert. Gleichwohl zeigt dies auf, dass vorliegend anlassbezogene Interessenkollisionen regelmäßig in Betracht kommen.
43Aus eben diesen Gründen hat das Amtsgericht den Ergänzungsbetreuer auch zurecht für den Aufgabenbereich „Abschluss einer Miet- und Pflegevereinbarung“ bestellt, um hier für konkrete Vereinbarungen bezogen auf das Verhältnis zwischen der Beteiligten zu 2 und der Betroffenen, bezogen auf das Mietverhältnis und die Pflegeleistungen, zu sorgen.
44III. Die Kammer lässt die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG zu da die vorliegende Konstellation eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betrifft, eine Zulassungsfreiheit nach § 70 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ist nicht gegeben (Sternal/Göbel, 21. Aufl. 2023, FamFG § 70 Rn. 50).
45IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
46Verfahrenswert: 5.000 EUR