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Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Bonn vom 24.08.2023 (Az. 22 M 1939/23) aufgehoben.
Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
2I.
3Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn vom 30.12.2019 (Az. 204 C 160/19). Mit Vollstreckungsauftrag vom 12.04.2023 beantragte die Gläubigerin, das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft nach den §§ 802c, 802f ZPO einzuleiten, sofern der Schuldner wiederholt nicht anzutreffen ist. Ferner war in dem Vollstreckungsauftrag unter „H“ angekreuzt, dass die Gerichtsvollzieherin gebeten werde, den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gemäß § 802g Abs. 1 ZPO an das zuständige Amtsgericht weiterzuleiten und dieses zu ersuchen, nach Erlass des Haftbefehls diesen an die zuständige Gerichtsvollzieherin weiterzuleiten. Gegenüber der Gerichtsvollzieherin werde der Antrag auf Verhaftung des Schuldners gestellt. Weitere Kästchen waren in dem Formular unter „H“ nicht angekreuzt.
4Am 26.04.2023 blieb ein Pfändungsversuch der Gerichtsvollzieherin bei der Schuldnerin erfolglos. Daraufhin setzte die Gerichtsvollzieherin der Schuldnerin mit Schreiben vom 02.05.2023, der Schuldnerin zugestellt am 04.05.2023, eine zweiwöchige Frist zur Begleichung der titulierten Forderung. Zugleich forderte die Gerichtsvollzieherin die Schuldnerin zur Zahlung bis zum 19.05.2023 auf und lud sie zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 22.05.2023. Unter dem 19.05.2023 hob die Gerichtsvollzieherin den Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft aufgrund einer Aktenanforderung des Gerichts auf.
5Mit Beschluss vom 21.06.2023 (Az. 22 M 1113/23) wies das Amtsgericht Bonn eine Erinnerung der Schuldnerin vom 08.05.2023 gegen die Zwangsvollstreckung zurück. Daraufhin forderte die Gerichtsvollzieherin die Schuldnerin mit Schreiben vom 30.07.2023 zur Zahlung bis zum 08.08.2023 auf und lud sie zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 09.08.2023. Zugleich setzte sie der Schuldnerin in dem Schreiben versehentlich erneut eine zweiwöchige Frist zur Begleichung der titulierten Forderung. Die Zustellung dieses Schreibens erfolgte durch Übergabe durch die Gerichtsvollzieherin an die Schuldnerin persönlich am 30.07.2023. Hierbei wies die Schuldnerin, die den Brief öffnete, darauf hin, dass die gesetzten Fristen widersprüchlich seien. Zugleich teilte sie mit, dass sie nicht zahlen werde und auch nicht könne, da sie Leistungsempfängerin sei. Zu dem Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft am 09.08.2023 erschien die Schuldnerin nicht. Daraufhin stellte die Gläubigerin fernmündlich einen Verhaftungsauftrag bei der Gerichtsvollzieherin.
6Antragsgemäß erließ das Amtsgericht Bonn unter dem 24.08.2023 einen Haftbefehl gegen die Schuldnerin (Az. 22 M 1939/23), welcher am 25.08.2023 bei der Gerichtsvollzieherverteilerstelle und am 28.08.2023 bei der zuständigen Gerichtsvollzieherin einging. Mit Schreiben vom 01.09.2023 teilte die Gerichtsvollzieherin der Schuldnerin mit, dass sie beauftragt sei, die Schuldnerin zur Erzwingung der Vermögensauskunft zu verhaften, und forderte die Schuldnerin auf, am 20.09.2023 bei ihr zu erscheinen. Mit Schreiben vom 09.09.2023, eingegangen beim Amtsgericht Bonn am 12.09.2023, legte die Schuldnerin daraufhin sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl ein. Das Amtsgericht Bonn half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 02.10.2023 nicht ab und legte die Sache der Beschwerdekammer zur Entscheidung vor.
7Die Kammer hat die Sonderakte der Gerichtsvollzieherin (Az. DR II 522/23) beigezogen und unter dem 05.10.2023 einen Hinweis an die Gläubigerin erteilt.
8II.
9Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 09.09.2023 gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Bonn vom 24.08.2023 ist zulässig und begründet.
10Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft gemäß §§ 793, 567 ZPO und fristgemäß eingelegt gemäß § 569 Abs. 1 ZPO. Der Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass der Schuldnerin eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls weder zugestellt noch übergeben ist. Denn eine Beschwerde ist bereits dann zulässig, wenn der Haftbefehl mit Hinausgabe aus dem Geschäftsbetrieb des Gerichts existent geworden ist (BGH, NJW-RR 2022, 571, 572). Jedenfalls in dem Fall, in dem – wie vorliegend – eine Zustellung an den Schuldner unterbleibt, beginnt die Beschwerdefrist mit der Übergabe einer beglaubigten Abschrift des Haftbefehls an den Schuldner nach § 802g Abs. 2 Satz 2 ZPO (Voit in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 802g Rn. 10; BeckOK ZPO/Fleck, 51. Ed., Stand: 01.12.2023, § 802g Rn. 12; anders Zöller/Seibel, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 802g Rn. 15: Beginn der Beschwerdefrist auch bei Zustellung mit der Aushändigung der beglaubigten Abschrift des Haftbefehls an den Schuldner nach § 802g Abs. 2 Satz 2 ZPO). Mangels Übergabe einer beglaubigten Abschrift des Haftbefehls an die Schuldnerin lief die Beschwerdefrist im Zeitpunkt des Eingangs der sofortigen Beschwerde bei dem Amtsgericht S.. am 12.09.2023 noch nicht.
11Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft liegt nicht vor. Zwar ist die Schuldnerin dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft am 09.08.2023 unentschuldigt ferngeblieben. Allerdings ruft das Fernbleiben des Schuldners zum Termin dann keine Sanktionen hervor, wenn der Termin vor Ablauf der Zahlungsfrist liegt (LG Bamberg, Beschl. v. 19.09.2013 – 3 T 157/13, BeckRS 2013, 22992; AG Augsburg, Beschl. v. 26.04.2013 – 1 M 3542/13, DGVZ 2013, 140; BeckOK ZPO/Fleck, a.a.O., § 802f Rn. 1; MünchKommZPO/Forbriger, 6. Aufl. 2020, § 802f Rn. 28; Voit in Musielak/Voit, a.a.O., § 802f Rn. 2). Dies war vorliegend der Fall. Die Gerichtsvollzieherin setzte der Schuldnerin mit Schreiben vom 30.07.2023, der Schuldnerin zugestellt am selben Tag, neben der Zahlungsfrist bis zum 08.08.2023 auch eine zweiwöchige Zahlungsfrist ab Zustellung des Schreibens. Diese begann gemäß § 222 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 31.07.2023 zu laufen und endete gemäß §§ 188 Abs. 2, 193 ZPO am 14.08.2023. Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft war indes bereits auf den 09.08.2023 bestimmt.
12Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Gerichtsvollzieherin vorliegend gemäß § 802f Abs. 1 Satz 4 ZPO abweichend von § 802f Abs. 1 Satz 1 ZPO keine zweiwöchige Frist setzen musste. Nach dieser Vorschrift bedarf es einer solchen Fristsetzung nicht, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner bereits zuvor zur Zahlung aufgefordert hat und seit dieser Aufforderung verstrichen sind, ohne dass die Aufforderung Erfolg hatte. Die Gerichtsvollzieherin hatte der Schuldnerin vorliegend bereits mit Schreiben vom 02.05.2023 erfolglos eine zweiwöchige Zahlungsfrist gesetzt. Macht der Gerichtsvollzieher aber – wenn auch versehentlich – von der Ausnahmevorschrift des § 802f Abs. 1 Satz 4 ZPO keinen Gebrauch, sondern setzt gemäß § 802f Abs. 1 Satz 1 ZPO eine zweiwöchige Frist gegenüber dem Schuldner, muss er gemäß § 802f Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft „alsbald“ nach Fristablauf bestimmen.
13Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft ist auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Gerichtsvollzieherin zuvor bereits mit Schreiben vom 02.05.2023 einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 22.05.2023 bestimmt hatte. Denn diesen Termin hatte die Gerichtsvollzieherin unter dem 19.05.2023 aufgehoben.
14Etwas anderes folgt schließlich auch nicht daraus, dass teilweise vertreten wird, dass eine Fristsetzung dann entbehrlich ist, wenn nach den Umständen bereits sicher ist, dass der Schuldner nicht zahlungswillig oder zahlungsfähig ist und der Schuldner auf die Frist verzichtet (Voit in Musielak/Voit, a.a.O., § 802f Rn. 2; MünchKommZPO/Forbriger, a.a.O., § 802f Rn. 12; Harnacke/Bungardt, DGVZ 2013, 1, 7). Denn zum einen hat die Schuldnerin vorliegend die verschiedenen Fristsetzungen in dem Schreiben vom 30.07.2023 als widersprüchlich gerügt und damit nicht auf die Einhaltung der Frist verzichtet. Zum anderen musste sie mangels Eindeutigkeit der gesetzten Fristen nicht damit rechnen, dass ihr Ausbleiben zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft vor dem Ablauf der ihr gesetzten zweiwöchigen Zahlungsfrist bereits zu dem Erlass eines Haftbefehls führen kann.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
16Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).