Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
für Recht erkannt:
Der Angeklagte ist schuldig der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Er wird zu einer Freiheitsstrafe von
2 Jahren
verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Von dieser Strafe gelten wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwei Monate als bereits vollstreckt.
Gegen den Angeklagten wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 60.000 Euro angeordnet. Er ist insoweit Gesamtschuldner.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften:
§§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, 27, 56 Abs. 1, 2, 73 Abs. 1 Alt. 2, 73 c StGB
Inhaltsverzeichnis
2A. Vorspann
3B. Feststellungen zur Person des Angeklagten
4C. Feststellungen zur Sache
5I. Allgemeine Feststellungen
61. Grundstruktur der CumEx-Geschäfte
72. Abgrenzung zu sog. CumCum-Geschäften
83. Einsatz von Future-Kontrakten bei CumEx-Geschäften
94. Probleme bei CumEx-Geschäften mit Leerverkäufen
105. Eliminierung des Kursrisikos und Gewinnverschiebung durch Absicherungsgeschäfte
116. Entwicklung des CumEx-Marktes in den 2000er-Jahren
12II. Vortat- und Rahmengeschehen
131. Darstellung der A Unternehmensgruppe und des ursprünglichen Geschäftsmodells
142. CumEx-Transaktionen mit Beteiligung von A im Jahr 2009 – nicht angeklagt –
15a. Zusammenarbeit des Angeklagten mit B
16b. Der BK Fonds 2009
17c. Beteiligung des Angeklagten in der Dividendensaison 2009 – nicht angeklagt –
18d. Vorstellungsbild des Angeklagten während der Handelssaison 2009
19e. Ausstieg B bei A
203. Planung der Dividendensaison 2010
21a. Einstellung von N und M
22b. Einarbeitung von N und M
23c. Arbeitsweise und Entscheidungsfindung innerhalb der A in Bezug auf die Dividendensaison 2010
24d. Festlegung der Handelsstrategie („German Standard Trade“ oder „German Enhanced Trade“)
254. der BK Fonds 2010 – nicht angeklagt –
26III. Feststellungen zur Tat
271. Kontakte zur C Wertpapier- und Handelsbank
282. Einbindung von Dr. D und Dr. E
29a. Entscheidung zur gemeinsamen Zusammenarbeit
30b. Aufgabenbereich von Dr. D und Dr. E
313. Auswahl der Leveragegeber
324. Auswahl der Depotbank
335. Vereinbarungen mit der Leerverkäuferseite
346. Planung der Profitverteilung auf Leerkäuferseite („Fundlevel“, „Marketlevel“, „Floorlevel“)
357. Umgehungsstrategien, Rechtsgutachten, Risikoanalyse von AP
36a. Umgehungsstrategien
37b. Rechtsgutachten von Dr. D, „Fact Pattern“ und Besprechung vom 22.03.2010
38c. Risikoanalyse von KPMG
398. Schaffung der Fondstruktur, Abschluss der Verträge und Gewinnung der Investoren
40a. Gründung C InvAG und des BU II Equity Fund
41b. Abschluss der wesentlichen Verträge
42c. Verkaufsprospekt, Anlagebedingungen, Due Diligence Unterlagen
43d. Investoren
449. Durchführung der Transaktionen des BU II Equity Fund
45a. Aufgaben des Angeklagten unmittelbar vor bzw. während der Handelssaison
46b. Darstellung der konkreten Handelsabläufe
4710. Darstellung der einzelnen Transaktionen
4811. Einreichung der Erstattungsanträge
49a. Darstellung des Erstattungsverfahrens
50b. Schreiben der F vom April 2010
51c. Kapitalertragsteueranmeldungen der F Bank
52d. Auszahlungsverfügung und Auszahlung
5312. Auskehr der Gewinne an die Investoren/Schließung des Fonds
5413. Verteilung der in dem BV Fund und dem BW Fund vereinnahmten Gewinne
5514. Interne Gewinnverteilung bei A
5615. Berufsträgerbescheinigungen
5716. Zusammenfassende Darstellung der Tatbeiträge, der Partizipation und des Vorstellungsbildes des gesondert verfolgten N
58a. Tatbeiträge
59b. Partizipation am Taterfolg
60c. Vorstellungbild
6117. Zusammenfassende Darstellung der Tatförderungsbeiträge und des Vorstellungsbildes des Angeklagten
62IV. Nachtatgeschehen
631. Gang des Ermittlungs- und Strafverfahrens
642. Rückforderungsverfahren
65D. Beweiswürdigung
66I. Zur Person
67II. Zur Sache
681. Einlassung des Angeklagten
692. Würdigung der Einlassung
703. Bestätigung der Einlassung durch die Beweisaufnahme
71a. Beweiswürdigung zu den allgemeinen Feststellungen
72b. Beweiswürdigung zu Vortat- und Rahmengeschehen
73c. Beweiswürdigung zum Tatgeschehen
74d. Beweiswürdigung zum Nachtatgeschehen
75E. Rechtliche Würdigung
76I. Fehlen von Verfahrenshindernissen – Keine Verjährung
77II. Beihilfe zur Steuerhinterziehung (in einem besonders schweren Fall)
781. Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat
79a. Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen
80b. Tätigen der Angaben gegenüber einer Finanzbehörde
81c. Unrichtigkeit der Angaben
82d. Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile
83e. Täterschaft des gesondert Verfolgten N
84f. Vorsatz des Haupttäters
85g. Rechtswidrigkeit der Haupttat
862. Beihilfe des Angeklagten (§ 27 Abs. 1 StGB)
87a. Objektiver Gehilfenbeitrag
88b. Gehilfenvorsatz hinsichtlich Haupttat und Gehilfenbeitrag
893. Rechtswidrigkeit und Schuld des Angeklagten
904. Konkurrenzen
91F. Strafzumessung
92I. Strafrahmenwahl
93II. Konkrete Strafzumessung
94III. Bewährungsentscheidung
95G. Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
96H. Einziehung
97I. Erlangtes Etwas
98II. Höhe des Erlangten
99III. Kein Ausschluss der Einziehung
100IV. Gesamtschuld
101I. Kosten
102Gründe
Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind CumEx-Geschäfte, die im Jahr 2010 maßgeblich von der in London ansässigen Gesellschaft A Asset Management Ltd (i. F. A) mit dem eigens hierfür von der C Investment Aktiengesellschaft aufgelegten B II Equity Fund durchgeführt wurden. Der Angeklagte war dabei BackOffice-Mitarbeiter der A.
104Das Verfahren war ursprünglich gegen den Angeklagten und die drei Partner der A, G, H, I, gerichtet.
105Nachdem A bereits 2009 Cum/Ex-Geschäfte mit der Unternehmensgruppe BK durchgeführt hatte und für die Dividendensaison 2010 einen neuen BK-Fonds projektiert hatte, schuf man eine weitere parallele Struktur mit dem BU II Equity Fund, um mit dieser weitere CumEx-Geschäfte durchzuführen und zusätzlichen Gewinn zu generieren. Die Geschäfte mit BK sind nicht Gegenstand der Anklage, aber als Vortat- und Rahmengeschehen für die hiesige Tat relevant.
106Für den BU II Equity Fund übernahm A unter anderem die Aufgabe, den Handel zu strukturieren, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie notwendigen Absprachen mit den Leerverkäufern zu treffen, Kreditmittel zu besorgen und die eigentlichen Transaktionen für den Fonds durchzuführen.
107Weitere wesentliche Beteiligte außerhalb der A waren die C Bank, dort insbesondere die gesondert Verfolgten J, K, L, und die ebenfalls gesondert Verfolgten Rechtsanwälte Dr. D und Dr. E, die die Geschäfte gemeinsam mit den Beteiligten der A planten und durchführten sowie jeweils in erheblichen Maße an den erzielten Profiten profitierten
108Innerhalb der A nahm der gesondert Verfolgte N eine zentrale Rolle für die Planung und Durchführung der Geschäfte in der Dividendensaison 2010 ein. Er wurde gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten M zum Chief Investment Officer (CIO) ernannt, bereitete die tatgegenständlichen Geschäfte federführend vor und führte sie mithilfe des Angeklagten durch. N war spätestens ab Herbst 2009 entschlossen, mit dem – damals noch zu gründenden – BU II Equity Fund im Jahr 2010 umfangreiche CumEx-Geschäfte durchzuführen, um durch diese in erheblichem Umfang die „Erstattung“ einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuer (Kapitalertragsteuer – i. F. „KESt“ – zzgl. Solidaritätszuschlags – i. F. „SolZ“) zu erzielen. Er hielt es – ebenso wie jedenfalls die Zeugen H, l und Dr. E – zumindest für möglich und billigte, dass es hierdurch zu unrechtmäßigen Steuererstattungen kam.
109Neben N und M waren auf Seiten der A insbesondere die vormals mitangeklagten Partner der Gesellschaft, G, H und I, eingebunden. Das Verfahren gegen diese Partner wurde – nach Eröffnung des Hauptverfahrens – durch die Kammer zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.
110Der Angeklagte war operativer Mitarbeiter bei der A und in dieser Funktion N unterstellt. Er unterstützte ihn in verschiedener Weise bei der Durchführung der Geschäfte, insbesondere erteilte er – auf Anweisung N – den eingeschalteten Brokern die Kauf- und Verkaufsaufträge bezüglich der einzelnen Transaktionen. Er kannte hierbei die Struktur und Wirkweise der von N geplanten CumEx-Geschäfte. Er hielt es bereits im Vorfeld der Handelssaison für möglich und billigte, dass aufgrund der CumEx-Geschäfte mit dem BU II Equity Fund eine unrechtmäßige Steuererstattung erfolgen würde.
111Der über einen längeren Zeitraum im Detail ausgearbeitete und fortlaufend konkretisierte Tatplan wurde während der von April bis Juni 2010 andauernden Dividendensaison entsprechend umgesetzt. Als Depotbank schrieb die F Bank dem Fonds jeweils einen Betrag in Höhe der Bruttodividende gut und beantragte in der Folge mit drei – im Mai, Juni und Juli 2010 (für den jeweiligen Vormonat) beim Finanzamt München gestellten – Anträgen, die Erstattung der KESt nebst SolZ, ohne offen zu legen, dass den Geschäften Leerverkäufe zugrunde lagen, bei denen eine Steuer auf die Dividendenkompensationszahlung nicht einbehalten und abgeführt worden war. Die Steuererstattungen erfolgten jeweils antragsgemäß. Insgesamt wurden durch die Geschäfte des BU II Equity Fund im Jahr 2010 rund 92 Mio. Euro an KESt zzgl. SolZ zu Unrecht erstattet.
112Während die Beteiligung N als vorsätzliche und rechtswidrige Steuerhinterziehung zu werten ist, handelte der Angeklagte nicht täterschaftlich, sondern als Gehilfe. Ob die weiteren in den Handel involvierten Personen – soweit nicht ausdrücklich festgestellt – vorsätzlich handelten und ob ihre Beteiligung gegebenenfalls als Täterschaft oder Beihilfe einzuordnen ist, hat die Kammer in diesem Verfahren nicht festgestellt.
113Der Strafrahmen für den Angeklagten war dem nach §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO zu entnehmen, da unter Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ein besonders schwerer Fall der (Beihilfe zur) Steuerhinterziehung vorliegt.
114Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Kammer für den nicht vorbestraften und geständigen Angeklagten eine Strafe von 2 Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
115Zwei Monate dieser Strafe waren wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt zu erklären.
Hier Angaben zum Lebenslauf und zur Person des Angeklagten.
117Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
Bei sog. CumEx-Geschäften handelt es sich um Geschäfte mit Aktien (im hiesigen Kontext regelmäßig Aktien deutscher Emittenten), bei denen die schuldrechtliche Einigung – also der Kaufvertrag – vor oder am Tag der Hauptversammlung des Emittenten abgeschlossen wird und sich auf Aktien mit Dividendenanspruch bezieht („cum“), die Lieferung aber erst nach dem Tag der Hauptversammlung – dann ohne Dividendenanspruch („ex“; daher CumEx-Geschäft) – stattfindet. Die Lieferung der Aktienstücke und die Zahlung des entsprechenden Kaufpreises, auch „Settlement“ genannt, findet an der Börse üblicherweise zwei Bankarbeitstage nach dem Vertragsschluss („t+2“) statt, wobei diese Usancen auch unterschiedlich sein können (z.B. im Tatzeitraum „t+4“ bei der ehemaligen Terminbörse London International Financial Futures and Options Exchange, „LIFFE“). Die Abwicklung erfolgt dann in Deutschland zentral über die BQ Banking AG („BQ“) in Frankfurt, die die Aktienbestände ihrer Kunden als zentrale Sammelverwahrstelle verwaltet (sog. Giro-Sammelverwahrung).
119Dass die Lieferung der Aktien „ex“ Dividende, also ohne Dividendenanspruch, stattfindet, hat seinen Grund in der Art und Weise der Dividendenausschüttung. Der zur Aktienurkunde gehörende Kupon, der den Anspruch auf die von der betreffenden Aktiengesellschaft gezahlte Dividende verkörpert, wird bereits unmittelbar nach der Hauptversammlung von der Aktienurkunde getrennt – wobei dieser Vorgang völlig digitalisiert abläuft. Der Verlust des Dividendenanspruchs spiegelt sich im Preis der Aktie am Markt nach dem Hauptversammlungstag wieder, der regelmäßig um den Wert der Dividende gemindert ist. Der Erwerber in einer CumEx-Konstellation, die auch dann entstehen kann, wenn Parteien ohne weitergehende Absichten kurz vor oder am Dividendenstichtag mit Aktien handeln, erhält somit Aktien geliefert, die entgegen der schuldrechtlichen Vereinbarung den Anspruch auf die bei der Hauptversammlung beschlossene Dividende nicht mehr beinhalten und entsprechend weniger wert sind. Der Käufer erleidet so einen finanziellen Nachteil, da er den Kaufpreis für eine Aktie „cum“ Dividende gezahlt, aber lediglich eine Aktie „ex“ Dividende erhalten hat. Um dies auszugleichen, haben die professionellen Marktakteure im Rahmen der Abwicklung Mechanismen entwickelt, die im Ergebnis dazu führen, dass die Original-Dividende vom Verkäufer zum Käufer „umgeleitet“, d. h. den Käufern grundsätzlich die Nettodividende – also ohne den Steueranteil (vgl. sogleich im nächsten Absatz) – gutgeschrieben wird. Dass der Käufer „nur“ eine Zahlung in Höhe der Nettodividende erhält, liegt daran, dass auch der Aktieninhaber nur die Nettodividende ausgezahlt bekommt. Dies ist einer Besonderheit im Zusammenhang mit der Besteuerung von Dividenden geschuldet:
120Die von Aktionären bezogenen Dividenden sind und waren auch zur Tatzeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen und unterliegen als solche der Einkommensteuer, § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Die Einkommensteuer wird dabei gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben, wobei deren Satz seit dem Jahr 2009 – und damit auch im Tatzeitraum – bei 25% (jeweils nebst weiterer 5,5% des Steuerbetrages als Solidaritätszuschlag bzw. SolZ, insgesamt also 26,375 %) liegt. Im Tatzeitraum wurde die auf Dividenden zu entrichtende KESt nebst SolZ zudem nach § 44 Abs. 1 Satz 3 Var. 1 EStG [VZ 2010] regelmäßig unmittelbar von den Emittenten einbehalten und für ihre Aktionäre an ihr jeweiliges Betriebsstättenfinanzamt abgeführt. Die Aktionäre als Gläubiger der Kapitalerträge bekamen von ihren Depotbanken daher lediglich die Nettodividende (entspricht der Dividende abzgl. Steueranteil) gutgeschrieben. Zusätzlich erhielten die Aktionäre jedoch von ihrer Depotbank gemäß § 45a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG [VZ 2010] eine Steuerbescheinigung über die auf Verkäuferseite einbehaltene und abgeführte KESt nebst SolZ, mit der sie die einbehaltenen Beträge im Rahmen ihrer Veranlagung unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG [VZ 2010] anrechnen lassen konnten.
Neben CumEx-Transaktionen wurden im Tatzeitraum am Markt regelmäßig auch sogenannte CumCum-Geschäfte getätigt. Auch bei solchen Transaktionen werden Aktien deutscher Emittenten vor dem Hauptversammlungstag gehandelt. Allerdings sind diese Geschäfte im Gegensatz zu CumEx-Geschäften so aufgesetzt, dass sowohl der Vertragsschluss als auch die Belieferung spätestens am Hauptversammlungstag abgeschlossen sind. Die schuldrechtliche Verpflichtung bezieht sich demnach auf Cum-Aktien und es werden auch Cum-Aktien geliefert. So erlangt der Käufer regelmäßig die Originaldividende und eine inhaltlich zutreffende Steuerbescheinigung, auf deren Grundlage er in der Folge die Anrechnung oder Erstattung der darin bescheinigten KESt nebst SolZ beantragen kann. Im Anschluss erfolgt die Rückabwicklung (das sog. „Closing“, auch „Unwind“ genannt). Die Aktieninhaber sind bei CumCum-Transaktionen regelmäßig im Ausland ansässige Investoren, die deutsche Aktien halten und bei denen der Abzug von KESt nebst SolZ definitiv ist (im Tatzeitraum gem. §§ 2 Nr. 1, 32 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F.). Hat – was regelmäßig der Fall ist – der Investor seinen Sitz in einem Staat, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen hat, erfolgt nur eine anteilige Erstattung. Durch die Verschiebung der Aktien über ein CumCum-Geschäft kann die vollständige Zahlung der Brutto-Dividende an einen – steuerbefreiten – Steuerinländer bewirkt werden und es entsteht ein Gewinn, der unter den Beteiligten aufgeteilt wird. Dieser entsteht in Höhe der Differenz zwischen dem Steueranteil der Dividende (im Tatzeitraum 26,375 %) und dem nach dem Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Steuersatz.
Grundsätzlich können CumEx-Geschäfte in zwei Grundvarianten betrieben werden: Entweder werden die benötigten Aktien direkt („Kassageschäft“) oder über sog. „Futures“ erworben. Bei Futures handelt es sich um Derivate, mit denen eine Aktie zu einem zukünftigen Zeitpunkt gekauft bzw. verkauft wird, d.h. die Parteien einigen sich bereits zu einem Zeitpunkt (t) über den Kauf einer Aktie zu dem vereinbarten Preis (Future- oder Terminpreis) nach Ablauf der Laufzeit (Fälligkeitstag, z. B. „t+14“). Der technische Ablauf einer Futures-Transaktion gestaltet sich dabei wie folgt: Am Tag des Vertragsabschlusses werden die Parameter festgelegt, d.h. der Verkäufer muss am vertraglich vereinbarten Fälligkeitstag die Aktie liefern und der Käufer den Kaufpreis zahlen. Die tatsächliche Lieferung findet dann nach den Börsenusancen zwei (oder vier, wenn die Transaktion über die „LIFFE“ abgewickelt wird) Bankarbeitstage nach dem Fälligkeitstag statt. Es handelt sich bei Futures im Grundsatz um standardisierte Kontrakte mit vorgegebenen Laufzeiten und Kontraktgrößen. Sie werden an eigenen Terminbörsen gehandelt, z. B. an der Terminbörse European Exchange („EUREX“) oder – zumindest im hiesigen Tatzeitraum – an der ehemaligen Londoner Terminbörse „LIFFE“. Bei außerbörslichen Geschäften („over the counter“ oder kurz „OTC“) können die Vertragspartner die jeweiligen Parameter der Future-Transaktionen, etwa die Laufzeit und Lieferfrist, unabhängig von den Regularien der Börse frei vereinbaren. OTC-abgeschlossene Futures können dann über bestimmte Funktionen bei den Terminbörsen (sog. „Trade-Entry-Funktion“, z. B. „BClear“ bei LIFFE) eingepflegt und über die Infrastruktur der Börse abgewickelt werden.
123Futures existieren in zwei Varianten: In ihrer Grundform, wenn tatsächlich Aktien geliefert werden, bezeichnet man solche Geschäfte als „physically settled“. Solche „physically settled“ Futures kamen vorrangig – insbesondere ab 2009 (vgl. sogleich unter C.I.6) –im Rahmen von CumEx-Transaktionen für den Aktienerwerb zu Anwendung. Alternativ dazu existieren auch „cash settled“ Futures, bei denen auf eine physische Lieferung verzichtet und lediglich der Gewinn (entspricht der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Wert des Underlyings bzw. Basiswerts – z. B. der gehandelten Aktie – am Fälligkeitstag) von derjenigen Partei, die einen Verlust erlitten hat, an die Gegenpartei ausgezahlt wird. Diese Art von Futures wurde im CumEx-Kontext vor allem für Absicherungsgeschäfte gewählt (vgl. sogleich unter C.I.4).
124Bei der Verwendung von Futures für CumEx-Konstellationen sind dabei die Laufzeiten so ausgestaltet, dass die Geschäfte am Dividendenstichtag oder einen Tag davor fällig werden und sich daher auf Aktien beziehen, die noch einen Anspruch auf die Dividende beinhalten. Die Lieferung findet dann aufgrund der oben dargestellten Börsenusancen „ex“ Dividende statt. So wird das gleiche Ergebnis erzielt wie bei einem Kassageschäft. Futures-Transaktionen boten aber den professionellen Marktakteuren bei CumEx-Geschäften unter anderem den Vorteil, dass man sie wegen der längeren Laufzeiten weiter im Vorfeld des Hauptversammlungstages abschließen konnte, was die Planung und Abwicklung der Geschäfte vereinfachte.
CumEx-Transaktionen sind zunächst keineswegs ungewöhnlich, da Aktien und Derivate ohne Rücksicht auf das Datum der Hauptversammlung an jedem Börsentag gehandelt werden können. Durch die oben beschriebene „Umleitung“ der Original-Dividende wird dabei in solchen Fällen sichergestellt, dass dem Käufer kein finanzieller Nachteil entsteht.
126Ein Problem entsteht erst, wenn der CumEx-Transaktion ein – an sich ebenfalls nicht ungewöhnlicher – Leerverkauf zugrunde liegt. Ein Leerverkauf liegt vor, wenn der Verkäufer Aktien verkauft und dabei gar nicht über entsprechende Aktienbestände verfügt. Grundsätzlich muss der Leerverkäufer – unabhängig vom Vorliegen einer CumEx-Konstellation – bei jedem Leerverkauf zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung sicherstellen, dass er zur Lieferung der geschuldeten Aktien in der Lage ist. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn er die Aktien mit einer kürzeren Lieferfrist erwirbt, als er mit dem Käufer vereinbart hatte oder sich die Aktien „leiht“ (rechtlich ein Sachdarlehen). Die zweite Option besteht für den Leerverkäufer jedoch nur dann, wenn er die Aussicht hat, die zunächst leer verkauften Aktien schon bald wieder zurückkaufen zu können, um seine Rückgabepflicht aus dem Sachdarlehen zu erfüllen.
127Deckt sich der Leerverkäufer nun in einer CumEx-Konstellation lediglich mit Ex-Aktien ein, weil er seinen Deckungskauf erst nach der Hauptversammlung (aber vor Lieferung an den Leerkäufer) getätigt oder weil er sich Ex-Aktien erst dann „geliehen“ hat, ist es nicht möglich, die Original-Dividende – wie beim Inhaberverkauf – im Settlement-Prozess an den Leerkäufer umzuleiten, da der Leerverkäufer diese nie erhalten hat. Die Dividende ist ja bereits vorher an den ursprünglichen Aktieninhaber geflossen, bei dem sich der Leerverkäufer erst nach dem Hauptversammlungstag eingedeckt bzw. von dem er die zur Belieferung erforderlichen Stücke erst nach diesem Tag „geliehen“ hat.
128Der Sammelverwahrer BQ löst dieses Problem technisch dadurch, dass dem Leerverkäufer im Settlement-Prozess ein der Nettodividende entsprechender Betrag belastet und dieser dem Leerkäufer bzw. der Depotbank des Leerkäufers gutgeschrieben wird. Diese sog. „Dividendenkompensationszahlung“ stellt letztlich eine Art automatisierten Schadensersatz dafür dar, dass die eigentlich geschuldete Verschaffung der Originaldividende bei einem Leerverkauf mit Ex-Aktien-Eindeckung nicht möglich ist. Die Dividendenkompensationszahlungen wurden mit dem Jahressteuergesetz 2007 ebenfalls der KESt unterworfen (bis einschließlich 2006 fiel für die Dividendenkompensationszahlung keine KESt an). Eine Einbehaltung und Abführung der KESt zzgl. SolZ erfolgte aber nach den §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, 44 Abs. 1 S. 3 EStG [VZ 2010] tatsächlich nur, wenn inländische Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute den Verkaufsauftrag ausführten. Doch auch wenn die Leerverkäufer auf ausländische verkaufsausführende Stellen zurückgriffen, die nicht zur Einbehaltung und Abführung der Steuer verpflichtet werden konnten und die Steuer auch nicht einbehielten und abführten, stellten die Depotbanken der Leerkäufer ihren Kunden gleichwohl regelmäßig Steuerbescheinigungen für die Kompensationszahlungen aus. Obgleich diese Steuerbescheinigungen objektiv zu Unrecht und sachlich falsch ausgestellt wurden, weil von der verkaufsausführenden Stelle des Leerverkäufers keine Steuer einbehalten und abgeführt worden war, konnte sie bei den zuständigen Finanzbehörden zum Zwecke der Beantragung von Steueranrechnungen oder -erstattungen, etwa nach § 11 Abs. 2 Satz 1 InvStG [VZ 2010], verwendet werden. Kam es dazu, wurden Steuern seitens des Fiskus angerechnet oder erstattet, die zuvor gar nicht einbehalten und abgeführt worden waren. Diesen Umstand nutzten manche Marktteilnehmer gezielt und systemwidrig aus, um Gewinne zu erzielen.
129Um bei diesem Vorgehen den Profit zu maximieren, mussten jedoch große Aktienstückzahlen gehandelt werden, da die Höhe der Erstattungen pro Aktie im Regelfall im Cent-/ bzw. einstelligen Euro-Bereich lag. Eine faktische Obergrenze für die Anzahl an zu handelnden Aktien bildete dabei die 3-%-Meldeschwelle des § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F., die die CumEx-Akteure nicht überschreiten wollten, um nicht in den Blick der Aufsichtsbehörden zu geraten. Die für die Geschäfte erforderlichen finanziellen Mittel wurden von den CumEx-Akteuren entweder selbst zur Verfügung gestellt (sog. „Eigenhandel“) oder – ab 2009 (vgl. C.I.6) – auch von ausgesuchten Privatanlegern eingeworben. Die Einlagen wurden dann über sog. „Leveragegeber“ – ebenfalls professionelle Marktakteure – mehrfach gehebelt, sodass für den Aktienerwerb ein höherer Kapitalbetrag zur Verfügung stand. Da der Aktienerwerb nur stattfand, um die Erstattung der KESt nebst SolZ zu erreichen, hatten die Leerkäufer keinerlei Interesse, die in großem Ausmaß erworbenen Aktien länger als notwendig zu halten, sodass die Aktien im Anschluss an den Aktienerwerb über diverse Rückabwicklungsgeschäfte („Closing“ bzw. „Unwind“) umgehend wieder zurück an die ursprünglichen Inhaber gelangten.
Gleichzeitig eliminierten die beteiligten Akteure jegliches mit dem Besitz oder dem Leerverkauf der Stücke verbundene – und bei der großen Stückzahl der gehandelten Aktien ganz erhebliche – Kursrisiko und damit andererseits jegliche kursbedingte Gewinnchance (sog. „marktneutrales Geschäft“). Hierzu setzten sie regelmäßig gegenläufige „cash settled“ Futures ein. Der Ablauf war dabei wie folgt:
131Durch die gegenläufigen Absicherungsgeschäfte (auch „hedging“ oder „Hedge-Geschäft“ genannt) in Form von „cash settled“ Futures sichert sich der Leerkäufer bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Leerkaufes (t) den an diesem Tag vereinbarten Kaufpreis als Preis für seinen Verkauf im Rahmen der späteren Rückabwicklung. Sollen die Aktien z. B. zwei Wochen gehalten werden, schließt der Leerkäufer am Tag „t“ sogleich ein Verkaufsgeschäft mit zweiwöchiger Lieferfrist (t+14). Dies ist das Absicherungsgeschäft in Gestalt eines Single-Stock-Futures, da es sich auf eine Aktiengattung (z. B. BMW-Stammaktien und nicht auf einen ganzen Aktienindex) bezieht. Der Leerkäufer nimmt damit die entgegengesetzte Position ein und wird zum Terminverkäufer, der Leerverkäufer zum Terminkäufer.
132Werden die CumEx-Geschäfte in einer Leerverkaufskonstellation durchgeführt, kommt es zu folgendem Ergebnis: Der Leerkäufer zahlt in dieser Konstellation den Kaufpreis für eine Aktie „cum“ Dividende und erhält im Gegenzug Ex-Aktien und die Dividendenkompensationszahlung. Lässt er sich die KESt nebst SolZ erstatten bzw. anrechnen, ist dieses Geschäft durch die Eliminierung des Kursrisikos für ihn somit im Grundsatz wirtschaftlich neutral, wobei aber faktisch durch die anfallenden Transaktionskosten sogar Verluste entstehen. Demgegenüber fällt der durch die Nichtabführung und Erstattung der Steuern entstehende Profit zunächst beim Leerverkäufer an und zwar in Höhe der auf die geleistete Dividendenkompensationszahlung nicht entrichteten KESt nebst SolZ, da der Leerverkäufer den vollen Kaufpreis für eine Cum-Aktie erhält, aber nur Ex-Aktien liefert und die (Netto-)Kompensationszahlung leistet.
133Um eine Beteiligung der Leerkäufer an diesem Profit zu erreichen, verschoben die CumEx-Akteure den Gewinn des Leerverkäufers nach vorheriger Absprache typischerweise über eine nicht marktgerechte Bepreisung der Absicherungsgeschäfte. Der Leerverkäufer zahlte so im Ergebnis an den Leerkäufer einen zu hohen Preis für die Absicherungsfutures.
134Der marktgerechte Preis für Futures lässt sich dabei im transparenten Derivatemarkt allgemein rechnerisch aus dem Preis eines Kassageschäftes ableiten. Der Kassapreis entspricht dabei aber nicht vollständig dem Futures-Preis, da folgende Besonderheiten bestehen:
135- Dem Terminkäufer entsteht ein Zinsvorteil, da er den Kaufpreis – im Gegensatz zum Kassageschäft – nicht sofort entrichten muss. Der Future-Preis wird daher marktüblich um den Zinsvorteil erhöht.
136- Wird während der Laufzeit des Futures die Dividende ausgeschüttet, erzielt der Terminverkäufer im Vergleich zu einem Kassageschäft einen Vorteil, weil er die Dividende noch vereinnahmt. Der Terminkäufer erleidet spiegelbildlich einen Nachteil. Dies hat der Terminverkäufer auszugleichen, indem von dem Verkaufspreis der Wert der während der Laufzeit gezahlten Dividende abgezogen wird.
137- Schließlich wäre noch zu berücksichtigen, dass der Terminverkäufer bei Ausschüttung einer Dividende während der Laufzeit diese bereits am Dividendenstichtag erhält, während er dem Terminkäufer den entsprechenden Ausgleich in Gestalt des Preisabschlages erst am Fälligkeitstag gewähren muss. Auch dies ist grundsätzlich durch Ermittlung des entsprechenden Zinsvorteils im Preis abzubilden. Da dieser Effekt regelmäßig und erst recht bei kurzfristigen Geschäften im Tatzeitraum – als die Zinssätze allgemein auf sehr niedrigem Niveau waren – sehr gering ist, soll er in der folgenden Darstellung ignoriert werden.
138Zusammenfassend lässt sich der Preis eines Future- bzw. Termingeschäftes (PTermin), soweit in der Laufzeit eine Dividende gezahlt wird, vereinfacht wie folgt aus dem Preis eines Kassageschäftes (PKassa) ableiten:
139PTermin = PKassa + Zinsen für die Laufzeit - Wert der Dividende
140Die oben erwähnte Gewinnverschiebung wurde von den Beteiligten technisch dadurch erreicht, dass im Rahmen der Bepreisung der Operator „Wert der Dividende“ nicht zu 100 Prozent, sondern lediglich zu einem prozentual geringeren Teil angesetzt wurde. Dadurch fiel der vom Leerkäufer im Absicherungsgeschäft erzielte Terminpreis entsprechend höher aus. Die Höhe dieser Differenz wird als „Dividendenlevel“ bezeichnet. Der Steueranteil der Bruttodividende (26,375 %), der beim Leerverkäufer als Gewinn verblieb, konnte über die Bepreisung der Absicherungsgeschäfte verteilt werden, sodass der „Minimalwert“ des Dividendenlevels – mit dem sämtlicher Gewinn vom Leerverkäufer auf den Leerkäufer übertragen werden würde – 73,625 % betrug. Faktisch würde dies aber wegen der Transaktionskosten schon zu einem Verlust bei dem Leerverkäufer führen. Bei einem Dividendenlevel von 100 % wäre die Dividende vollständig eingepreist und es fände keine Gewinnverschiebung statt.
141Tatsächlich sanken im Laufe der Zeit die am Markt vereinbarten Dividendenlevel bei CumEx-Leerverkaufsgeschäften kontinuierlich. Während 2007 noch Level im unteren 90er-Bereich gehandelt wurden, sanken diese bis 2011 teilweise auf unter 80 und lagen damit deutlich unter den Dividendenleveln, die sich am Markt für CumCum-Geschäfte etabliert hatten (ca. 95 % und mehr), da bei diesen lediglich ein Gewinn in Höhe des Steueranteils der Bruttodividende abzüglich des nach dem Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Steuersatzes entstehen konnte (s.o. unter C.I.1).
CumEx-Geschäfte haben sich mit der Zeit fortwährend weiterentwickelt. Ihren Ursprung haben sie im Inter-Banken-Handel. In den 2000er-Jahren tätigten deutsche Finanzinstitute CumEx-Geschäfte noch mit eigenen Mitteln (Eigenhandel). Ab Mitte der 2000er-Jahre entstanden zusätzlich auch CumEx-Strukturen, die Fremdkapital von privaten Investoren anwarben. Anfangs handelte es sich dabei etwa um einen einzelnen vermögenden Privatinvestor. Die im Ergebnis erfolgreiche Strategie wurde mit einer GmbH umgesetzt, die bei den Transaktionen als Leerkäufer auftrat und die Steuererstattungen beantragte. Die Anrechnung wurde dann bei der Körperschaftsteuererklärung für das jeweilige Geschäftsjahr geltend gemacht, die regelmäßig erst in der ersten Jahreshälfte des übernächsten Jahres eingereicht wurde.
143Der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung versuchten früh, CumEx-Geschäfte einzudämmen. Die professionellen Marktakteure, die weiterhin CumEx-Geschäfte betreiben wollten, reagierten entsprechend, indem sie ihre Vorgehensweise änderten und den jeweiligen Neuregelungen anpassten. Einerseits vermieden die CumEx-Akteure – jedenfalls in ihrer schriftlichen Kommunikation – zunehmend, offen über die tatsächliche Natur der Geschäfte zu sprechen und die Begriffe „Leerverkauf“, „CumEx“ o.ä. zu verwenden. Stattdessen sprach man von der „Ausnutzung von Marktineffizienzen“ oder von „Dividendenarbitrage“. Die CumEx-Akteure schalteten zudem bei den Transaktionen Intermediäre – etwa Broker – zwischen, um die Geschäfte zu verschleiern und Absprachen unter den Beteiligten leugnen zu können. Gleichzeitig vermieden die CumEx-Akteure es, soweit möglich, ihre Verhältnisse schriftlich festzuhalten und schlossen die Geschäfte untereinander oftmals auf Grundlage einer mündlichen Zusage im gegenseitigen Vertrauen (auch als „soft commitment“ oder „gentlemen’s agreement“ bezeichnet) ab. Schließlich wurden auch die Struktur und die Strategie der Geschäfte angepasst. Als beispielsweise – wie bereits dargestellt – durch das Jahressteuergesetz 2007 in § 44 Abs. 1 S. 3 EStG eine Abführungspflicht bzgl. der KESt nebst SolZ für in Deutschland sitzende verkaufsausführende Stellen der (Leer-)Verkäufer eingeführt wurde, reagierten einige deutsche Finanzinstitute, indem sie von der Leerverkäufer- auf die Käuferseite wechselten und auf einen ausländischen Leerverkäufer bzw. ausländische verkaufsausführende Stellen zurückgriffen, um die CumEx-Geschäfte weiter betreiben zu können.
144Dieses Muster von staatlicher Aktion und darauf folgender Reaktion der CumEx-Akteure zeigte sich auch im weiteren Verlauf. So erlangte etwa das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Kenntnis davon, dass am Markt auch weiterhin CumEx-Leerverkaufstransaktionen – jetzt aber mit ausländischen Leerverkäufern bzw. ausländischen verkaufsausführenden Stellen – durchgeführt wurden. Zur kurzfristigen Unterbindung entsprechender Geschäfte sollte noch im Laufe der Dividendensaison des Jahres 2009 ein BMF-Schreiben veröffentlicht werden, um möglichst zeitnah die unrechtmäßigen Erstattungen im Rahmen von CumEx-Geschäfte zu unterbinden. Bei einem solchen Schreiben handelt es sich um eine allgemeine Weisung im Sinne der Art. 108 Abs. 3 S. 2, 85 Abs. 3 GG, die im Einvernehmen mit den Obersten Finanzbehörden der Länder erteilt wird. Es dient der Verbesserung und Erleichterung des Vollzugs von Steuergesetzen sowie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und ist entsprechend von der Steuerverwaltung beim Vollzug der Steuergesetze zu beachten. Die Steuerpflichtigen und Gerichte werden durch die verwaltungsinterne Natur der Schreiben zwar nicht unmittelbar gebunden; die Finanzverwaltung bindet sich durch die in einem BMF-Schreiben enthaltene Verwaltungsanweisung jedoch selbst. Die Steuerpflichtigen und ihre Berater orientieren sich daher regelmäßig an den BMF-Schreiben, weil sie so die Verwaltungsauffassung erkennen und sich mit ihr auseinandersetzen können.
145Erste Entwürfe des BMF-Schreibens wurden im März 2009 erstellt und kursierten kurze Zeit später bereits im Markt. Veröffentlicht wurde die endgültige Fassung am 05.05.2009. Im Schreiben wird im Kern ausgeführt, dass die KESt in Fällen, in denen zwischen dem Leerverkäufer und dem Käufer Absprachen bestehen, nicht anzurechnen sei. Dem Käufer sei ja bekannt, dass ihm eine Steuerbescheinigung ausgestellt werde, obwohl die KESt nie abgeführt bzw. erhoben worden sei. Wörtlich hieß es:
146„[…] Bestehen zwischen dem Leerverkäufer und dem Käufer Absprachen, die einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Leerverkauf und dem Kauf begründen, ist dem Käufer […] bekannt, dass ihm eine Steuerbescheinigung ausgestellt wurde, obwohl die darin ausgewiesene Kapitalertragsteuer nicht erhoben bzw. abgeführt worden ist.
147In diesen Fällen ist die in der Bescheinigung ausgewiesen Kapitalertragsteuer nicht gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 31 KStG anzurechnen, weil sie nicht erhoben worden ist. […]“
148Das amtliche Muster der Steuerbescheinigung sollte daher um einen Passus ergänzt werden, aus dem hervorgeht, in welchem Umfang im Antrag Kapitalerträge aus Aktien enthalten sind, die mit Dividendenanspruch erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert wurden. Der Käufer sollte fortan nach dem BMF-Schreiben für diese Kapitalerträge im Rahmen der Veranlagung oder im Erstattungsverfahren Bescheinigungen eines Berufsträgers gemäß §§ 3, 3a StBerG oder eines Wirtschaftsprüfers (sog. „Berufsträgerbescheinigung“) vorlegen, in denen bestätigt werden musste, dass keine Absprachen vorlagen.
149Bereits der Entwurf des BMF-Schreibens führte zu unmittelbaren Reaktionen am Markt. Teilweise nahmen einzelne Akteure von geplanten CumEx-Strategien für die Dividendensaison 2009 Abstand. Teilweise wurde in dem BMF-Schreiben jedoch lediglich ein Hindernis gesehen, das es mit einer entsprechenden Anpassung der Strategie zu umgehen galt. So nutzten einzelne CumEx-Akteure als Reaktion auf das BMF-Schreiben für die Durchführung von CumEx-Transaktionen vermehrt Futures und vermieden Kassageschäfte, da sie sich auf den Standpunkt stellten, das BMF habe in dem Schreiben nur zu erkennen gegeben, dass Kassageschäfte problematisch seien. Weiter stiegen einzelne Akteure auf Leerkäuferseite vom GmbH-Modell auf einen als Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken nach § 112 InvG a.F. aufgesetzten Fonds um. Wurde der Fonds als Publikumsfonds (dabei handelt es sich um Fonds, die grundsätzlich jedem Anleger offenstehen) ausgestaltet, hatte dies für die CumEx-Akteure den Vorteil, dass Publikumsfonds im BMF-Schreiben nicht ausdrücklich erwähnt waren (sondern nur „inländische Spezial-Sondervermögen oder Spezial-Investmentaktiengesellschaften“, die nur für spezielle institutionelle Anleger bestimmt sind). Die Einrichtung von Publikumsfonds als Sondervermögen bot so auch den Vorteil, dass sich Gelder privater Investoren direkt in dem Fonds für die CumEx-Geschäfte sammeln ließen. Ein weiterer gewichtiger Punkt war, dass bei den Fonds-Modellen nach § 112 InvG a.F. der § 11 Abs. 2 InvStG a.F. zur Anwendung kam. Dies führte dazu, dass die Depotbank die Erstattung an den Fonds unmittelbar selbst vornahm und die Summe der Erstattungsbeträge ihrerseits im Anschluss bei der Steueranmeldung angab und von der von ihr abzuführenden KESt absetzte. Die Depotbank zahlte also im Ergebnis direkt einen Betrag in Höhe der Bruttodividende an den Fonds aus und beantragte im Nachgang im Rahmen der monatlich abzugebenden Kapitalertragsteueranmeldungen eine Erstattung (bis Ende 2009 war das Bundeszentralamt für Steuern [BZSt] für die Erstattungen zuständig, ab 2010 das jeweilige Betriebsstättenfinanzamt). Die Beteiligten mussten somit nicht mehr die Erteilung der Steuerbescheinigungen durch die Depotbank abwarten, die Erstattung anschließend selbst beantragen und sodann längere Zeit – im GmbH-Modell wurde die Körperschaftsteuererklärung für das jeweilige Geschäftsjahr erst zur ersten Jahreshälfte des übernächsten Jahres eingereicht – auf eine Erstattung warten, sondern bekamen diese über die Depotbank umgehend ausgezahlt. Nach Erlangung der Erstattung konnte der Profit nach dem oben beschriebenen Muster verteilt und der Fonds zeitnah aufgelöst werden, um einer etwaigen Haftung bzw. Rückforderungen zu entgehen.
Dem eigentlichen Tatgeschehen bezüglich der CumEx-Geschäfte mit dem BU II Equity Fund im Jahr 2010 ging eine umfangreiche Planungs- und Vorbereitungsphase voraus:
Die A-Gruppe wurde im Jahr 2002 durch die früheren Mitangeklagten G und I gegründet. Ab 2008 stieß auch der frühere Mitangeklagte H hinzu, der in der Folge auch zum Chief Executive Office (CEO) der A-Gesellschaften ernannt wurde (i. F. „die Partner“). Von den Partnern hielten G und I je 30 % der Unternehmensanteile und H 23 %. Die übrigen 17 % befanden sich in Streubesitz.
152Die Struktur der A-Gruppe stellte sich wie folgt dar:
153Unter einer im Tatzeitraum in Luxemburg ansässigen Holding Gesellschaft waren verschiedene Unternehmen angesiedelt. Neben der „A Alternative Investments Ltd.“ und der „A Private Equity Ltd.“, welche für das hiesige Tatgeschehen keine Bedeutung haben, bestand unter dem Dach der Holding die „A Asset Management Ltd.“. Bei dieser handelte es sich um ein britisches Unternehmen, welches von der Financial Services Authority (FSA) in Großbritannien als Vermögensverwalter zugelassen und entsprechend im FSA-Register aufgeführt war. Die meisten der von der A-Gruppe aufgelegten Fonds waren bei der A angegliedert.
154Das Geschäftsmodell von A bestand ursprünglich darin, ein breites Spektrum von Fonds aufzulegen, die jeweils durch einen Manager geleitet wurden, der als Chief Investment Officer (CIO) bezeichnet wurde. Typischerweise gestaltete sich dies so, dass A keine eigenen Fondsstrategien entwickelte, sondern interessierte externe Manager die Idee für einen Fonds den Partnern präsentierten. Sofern diese das Konzept für erfolgversprechend hielten, verständigten sie sich mit dem Interessenten auf eine Zusammenarbeit. Hierbei war es grundsätzlich so, dass der entstehende Gewinn eines Fonds nach Abzug der Kosten hälftig zwischen dem Fondsmanager und den Eigentümern der A geteilt wurde.
155Die Fondmanager agierten in der Folge auf der Grundlage der jeweiligen Geschäftsidee weitgehend unabhängig, wobei die Partner in die grundsätzlichen strategischen Entscheidungen eingebunden wurden und auch berechtigt waren, ihr „Veto“ gegen bestimmte Anlageentscheidungen oder die Zusammenarbeit mit einzelnen Unternehmen einzulegen.
156Die Aufgabe von A bestand darin, den Fond aufzulegen sowie ihm Unterstützung insbesondere im operativen Bereich zu gewähren und hierfür Mitarbeiter bereit zu stellen. Darüber hinaus unterstützte A den Fondsmanager bei Bedarf bei der Suche nach Prime-Brokern und anderen für das Geschäft wichtigen Beteiligten. A verfügte insoweit über gefestigte Kontakte und Geschäftsbeziehungen, an die die CIOs anknüpfen konnten. In vergleichbarer Weise half A auch bei der Vermarktung des Fonds, insbesondere dem Einwerben von Investoren.
157Unabhängig von der A Gruppe gab es noch ein Offshore-Unternehmen namens „A Capital SA“, welches aber keine direkte gesellschaftsrechtliche Verbindung zu den weiteren A Gesellschaften hatte und dessen Anteile je zur Hälfte von G und I gehalten wurden. Die „A Capital SA“ wurde im Jahr 2010 zur Vereinnahmung der Gewinne aus den CumEx-Transaktionen genutzt, worauf noch einzugehen sein wird.
Nachdem der Angeklagte 2007 trotz anfänglicher Bedenken von G eingestellt worden war, hatte er – wie erwähnt – zunächst für andere Fonds gearbeitet, wurde dort jedoch aufgrund der Einstellung eines anderen Mitarbeiters im operativen Bereich nicht mehr benötigt. Im Juni/Juli 2008 bat er die Partner daher um eine neue Tätigkeit. Im Zuge dieses Gesprächs erfuhr der Angeklagte – wie bereits geschildert –, dass ein neuer Fondsmanager zu A stoßen und der Angeklagte diesem zugeteilt werden würde.
159Bei diesem neuen Fondmanager handelte es sich um B. Dieser hatte zuvor bei O in führender Position in einer Abteilung gearbeitet, die sich mit steuermotivierten Anlagestrategien befasst hatte, und hatte in dieser Zeit auch H kennengelernt. Auch B war – einige Monate nach H – im Zuge der Finanzkrise bei MO entlassen worden.
160B nahm Kontakt zu H auf und berichtete diesem, dass er derartige steuermotivierte Strategien nunmehr in einem eigenen Fonds umsetzen wolle und auf der Suche nach einem passenden Asset-Manager sei. H lud ihn ein, seine Geschäftsidee den drei Partnern von A zu präsentieren (zu „pitchen“).
161In diesem Termin im Juli 2008 erläuterte B den Partnern seine Absicht, in verschiedenen europäischen Ländern, unter anderem Deutschland, Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag durchzuführen. Er stellte die verschiedenen Geschäfte sowie die dabei jeweils zu erwartenden Profite vor. Es handelte sich nach der Darstellung B um marktneutrale Geschäfte, deren Gewinn allein aus der Steuererstattung resultieren werde. B und die Partner besprachen dabei auch die Risiken derartiger Strategien. So erörterten sie unter anderem, dass es Reputations- und (steuer)rechtliche Risiken gebe und zudem die Gefahr bestünde, dass die Behörden oder Gesetzgeber der jeweiligen Länder gegen diese Strategien einschreiten könnten. Die Kammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob bereits in diesem Gespräch CumEx-Geschäfte ausdrücklich und detailliert zwischen den Beteiligten erörtert wurden.
162Nach dem Termin besprachen die Partner die Chancen und Risiken des von B vorgestellten Geschäftsplans nochmals untereinander und entschieden sich letztlich, dass sie angesichts der in Aussicht gestellten Profite zur Eingehung der Risiken bereit waren. H bestand allerdings darauf, dass die Strategie nicht auf amerikanische Aktien erweitert werden dürfe, da Geschäfte um den Dividendenstichtag dort bereits Gegenstand einer staatlichen Untersuchung waren und er deshalb fürchtete, dass derartige Geschäfte der A vereitelt oder aufgedeckt werden könnten. Auch Geschäfte mit italienischen Werten verbat sich H, da er diesbezüglich in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hatte.
163Jedenfalls H hielt es allerdings auch für die beabsichtigten Geschäfte mit deutschen Aktien bereits damals zumindest für möglich, dass diese zu einer unberechtigten Steuererstattung führen könnten. Diese Erkenntnis verfestigte sich in der Folge, als er erkannte, dass sich die Strategie B angesichts der immensen Profite nicht auf CumCum-Geschäfte beschränken konnte. Mit derartigen Geschäften war er in seiner Zeit bei O in Berührung gekommen und wusste daher, dass diese weit weniger profitabel waren als die von B geplanten und in der Folge durchgeführten Transaktionen, bei denen es sich folglich um etwas Anderes handeln musste. Dennoch hielten er und die Partner an der Entscheidung, die Geschäfte umzusetzen, fest.
Mit dem Einstieg B legte A einen neuen Fonds auf, den A Equity lncome Fund. B wurde zu dessen CIO ernannt, der Angeklagte wurde dem Fonds als operativer Mitarbeiter zugewiesen. Über diesen Fonds wurden einige Gelder von Investoren eingeworben. Zudem wurde unter diesem ein Unterfund, der Subfund B, als sogenanntes „Special Purpose Vehicle“ (i. F. SPV) errichtet, über den die Gewinne der späteren Transaktionen im Jahr 2009 vereinnahmt werden sollten.
165Die eigentlichen CumEx-Geschäfte wurden allerdings nicht durch den A Equity lncome Fund, sondern durch den X Multi Asset Fund I der X-Gruppe getätigt. Bei der X-Gruppe handelte es sich um mehrere deutsche lnvestmentaktiengesellschaften, die jeweils über Teilgesellschaftsvermögen verfügten, unter anderem auch den X Multi Asset Fund I. Der maßgebliche Ansprechpartner der A bei BX war der gesondert Verfolgte Q.
166Die Handelsstrategie für den X Multi Asset Fund I umfasste jedenfalls im Schwerpunkt CumEx-Geschäfte mit deutschen Aktien, aus denen auch der weit überwiegende Profit generiert werden sollte. Daneben wurden 2009 in weitaus geringerem Umfang auch einige CumCum-Geschäfte mit spanischen Aktien durchgeführt.
167Die A konnte aufgrund ihrer Zulassung durch die FSA hierbei als externer Asset-Manager des Fonds beauftragt werden und damit die Transaktionen im Namen des Fonds selbst vornehmen. Dies bot A einen Marktvorteil gegenüber anderen Konkurrenten, wie der BY-Gruppe oder BZ, die offiziell nur als Berater agieren konnten und die eigentliche Ausführung der Transaktionen anderen überlassen mussten. Die Aufgabe von A als Investmentmanager des X-Fonds umfasste auch, einen Prime-Broker bzw. ein entsprechendes Leverage (Hebeln des Eigenkapitals durch Fremdkapital) zu besorgen, Vereinbarungen über die zu liefernden Aktien zu treffen und hierbei insbesondere sicherzustellen, dass die Trades zu den abgesprochenen Dividendenleveln durchgeführt werden können, also ein Leerverkäufer zu entsprechenden Cum/Ex-Verkäufen bereit ist und auf Stückegeber mit einer entsprechen Aktienanzahl (Ex/Ex) zurückgreifen kann, um die Lieferpflicht nach dem Dividendenstichtag zu erfüllen.
168Neben A und X waren maßgeblich der gesondert Verfolgte Dr. D, ein ehemaliger Beamter der hessischen Finanzverwaltung, der nun als Steueranwalt tätig war und sein Kanzleipartner der gesondert Verfolgte Dr. E beteiligt. Dr. D und Dr. E waren damals Partner der Kanzlei R und bereits seit 2006 im Bereich der CumEx-Geschäfte aktiv. So waren sie insbesondere daran beteiligt, nicht nur institutionellen Anlegern und Banken, sondern auch vermögenden Privatkunden Zugang zu den Geschäften zu gewähren. Nachdem dies ab 2006 zunächst über GmbHs als Trading-Vehikel durchgeführt worden war, hatten sie ab 2009 das Modell der Nutzung von steuerbefreiten Spezial- oder Publikumsfonds entwickelt, durch welche – wie erwähnt - der Profit wesentlich schneller realisiert werden konnte.
169B kannte Dr. D und Dr. E aus seiner früheren Tätigkeit bei O und stellte den Kontakt zu A her. G begleitete B zu einem Treffen mit Dr. D und Dr. E in Frankfurt, in dem auch die Strategie des Fonds erörtert wurde. Im Februar 2009 kam Dr. D nach London und traf dort jedenfalls B und H, möglicherweise auch G.
170Für den X-Fonds 2009 übernahmen Dr. D und Dr. E neben der (steuer)rechtlichen Beratung auch die Anwerbung des wesentlichen Teils der Investorengelder. Als deutsche Depotbank fungierte die F Bank Deutschland GmbH (i. F. F Bank). Durch Kontakte der Partner von A konnte die Großbank S als Prime-Broker gewonnen werden.
171Unter den Beteiligten wurde in Gesprächen dabei offen über die Natur der Geschäfte gesprochen und dabei auch die Begriffe „CumEx“, „Leerverkäufe“ und „doppelte Steuererstattung“ (auch „double dip“ genannt) verwandt. Schriftlich waren die Akteure allerdings spätestens in Reaktion auf das BMF-Schreiben vom 05.05.2009, dessen Entwürfe bereits einige Monate zuvor unter den Marktteilnehmern zirkulierten, zunehmend zurückhaltender und nutzten abweichende Begrifflichkeiten, wie die „Ausnutzung von Marktineffizienzen“ oder „Dividendenarbitrage“.
172Auf Seiten der A oblagen die Verhandlungen und Entscheidungen, mit welchen Parteien zu welchen Dividendenleveln zusammengearbeitet werden sollte, im Wesentlichen B; möglicherweise in Abstimmung mit den Partnern und den weiteren Beteiligten. Der Angeklagte war in diese Entscheidungen hingegen nicht eingebunden.
173Zur Umsetzung der CumEx-Handelsstrategie erstellte B sodann eine Kalkulationstabelle, einen so genannten Handelsplan („Trading Schedule“). Dabei handelte es sich um eine Excel-Tabelle, in der die einzelnen Kauf- und Verkaufsaufträge aufgeführt waren, insbesondere die jeweiligen Wertpapiere, die Menge, die Kauf- und Verkaufsdaten, die zu benutzenden Broker sowie die Preise, bei denen die im Vorfeld durch Abreden vereinbarten Dividendenlevel berücksichtigt wurden. Dieser Handelsplan wurde fortlaufend aktualisiert und, umso näher die Handelssaison kam, zunehmend konkreter. B achtete bei der Planung der Volumina darauf, dass die nach dem Wertpapierhandelsgesetz ab einer Beteiligung von 3 % der Aktien bestehenden Meldeschwelle nicht erreicht wurde.
174An den Handelstagen wurde anhand diese Tabelle und der tagesaktuellen Wertpapierkurse sodann der konkrete Handel durchgeführt, wobei sämtliche auf Deutschland bezogenen Geschäfte CumEx-Geschäfte waren.
175Die Hauptprofiteure der Geschäfte waren hierbei nicht die Investoren des X-Fonds, sondern A, X und Dr. D/Dr. E. Denn die zunächst im Fonds angefallenen Gewinne wurden, soweit sie die den Investoren versprochene Rendite und die Kosten überschritten, aus diesem wieder herausgehandelt. Dies erfolgte mit Futures auf französische Akten, die nicht marktgerecht bepreist wurden, sodass auf diese Weise Gewinne aus dem Fonds in den Subfund B des A Equity Income Fund verschoben wurden. Dieser Gewinn wurde anschließend zwischen A, X und D/E verteilt.
176Allein A vereinnahmte für die CumEx-Geschäfte im Jahr 2009 einen Gewinnanteil in Höhe von rund 40 Millionen Euro, von denen B entsprechend der bei A üblichen Verteilungsvereinbarung nach Abzug der Kosten die Hälfte erhielt. Die Einnahmen aus den CumEx-Geschäften machten einen erheblichen Anteil an den Gesamteinnahmen von A im Jahr 2009 aus.
Der Angeklagte war B zugeordnet und war als einziger Mitarbeiter des Fonds für das operative Geschäft zuständig. Beide saßen gemeinsam in einem Büro im Londoner Geschäftssitz der A.
178Zu den Aufgaben des Angeklagten gehörte die regelmäßige Kommunikation mit den Brokern und anderen Handelsbeteiligten bezüglich der konkreten „technischen“ Umsetzung der von B geplanten Handelsgeschäfte. So stimmte er insbesondere die bei den Aufträgen zu verwendenden Dateiformate und die notwendige Dokumentation mit diesen ab.
179Am jeweiligen Handelstag oblag es dem Angeklagten, die einzelnen Kauf- und Verkaufsaufträge basierend auf der von B erstellten Excel-Tabelle an die jeweiligen Broker zu senden, die Bestätigung der Ausführung der Geschäfte entgegen zu nehmen, zu prüfen, ob die Ausführung dem Auftrag entspricht, und die Berichterstattung vorzubereiten. Sowohl der Angeklagte als auch B saßen dafür in ihrem Büro und hatten den Handelsplan („Trading Schedule“) auf ihrem PC geöffnet, der Angeklagte las den Preis, den Broker und die Menge ab, ließ sich dies von B bestätigen und schrieb dann eine Bloomberg-Nachricht mit dem Auftrag an die jeweiligen Broker. Zu den Aufgaben des Angeklagten gehörte es auch, den Nettoinventarwert des Fonds zu überwachen und den weiteren Beteiligten zu melden.
180Auch bei den – in weitaus geringerem Umfang durchgeführten – CumCum-Geschäften mit spanischen Werten waren die Aufgaben des Angeklagten im Kern dieselben.
Die Kammer konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte die CumEx-Geschäfte bereits während der Handelssaison 2009 in Gänze verstanden hatte, insbesondere dass ihm bereits damals bekannt war, dass sie auf ungedeckten Leerverkäufen basierten und infolgedessen eine unberechtigte Steuererstattung erfolgte, da dieser keine entsprechende Einbehaltung und Abführung der Steuer auf die Dividendenkompensationszahlung gegenüberstand.
182Allerdings kannte der Angeklagte aus seiner Tätigkeit nicht nur die einzelnen Handelsschritte, sondern bemerkte darüber hinaus eine Vielzahl von Auffälligkeiten, die sich von seinen bisherigen Erfahrungen unterschieden und die bei ihm bezüglich der Rechtmäßigkeit der Geschäfte bereits während der Handelssaison 2009 ein Störgefühl verursachten.
183Der Angeklagte wusste bereits damals, dass der Profit allein aus einer Steuererstattung stammte und dass die Strategie ohne diese Erstattung zu Verlusten führen würde. Er wusste, dass es sich um „marktneutrale“ Geschäfte handelte; das heißt jedes Marktrisiko aber auch jede Gewinnchance durch Kursveränderungen waren durch das Absicherungsgeschäft ausgeschlossen. Er wusste, dass es für das Gelingen der Geschäfte unabdingbar war, dass die Geschäfte vor dem Dividendenstichtag geschlossen aber erst danach abgewickelt werden. Er wusste um die mit den – ihm namentlich nicht bekannten – Verkäufern vereinbarten Dividendenlevel, welche deutlich unter dem Niveau der in Spanien durchgeführten CumCum-Geschäfte lagen. Er hatte den Eindruck, dass die Geschäfte mit unnötig komplexen Strukturen und unter Einschaltung zahlreicher, aus seiner Sicht überflüssiger, Beteiligter durchgeführt wurden. Er bemerkte auch, dass die zusätzlich zwischengeschalteten Broker weniger Transaktionsgebühren als üblich erhielten, was er auch darauf zurückführte, dass sie weniger Aufwand als bei anderen Geschäften hatten, da ihnen alle wesentlichen Parameter der Geschäfte vorgegeben wurden. Das im Fonds verfügbare Kapital wurde über Kredite um das bis zu 20-Fache gehebelt, was deutlich mehr war, als ihm aus anderen Fonds bekannt war. Ihm fiel auf, dass alle sich sehr geheimnistuerisch verhielten und man gegenüber Dritten nicht offen über die Geschäfte redete und insbesondere die Steuerrelevanz der Strategie verschleierte. Hierzu passte für ihn auch die konsequente Unterschreitung der 3-%-Schwelle, um „unter dem Radar“ zu bleiben. Auch die Abwicklung der auch für ihn ersichtlich außerbörslich geschlossenen Geschäfte über die vermeintlich anonyme Börse fügte sich insofern in sein Vorstellungsbild ein. Hinsichtlich des Fonds fiel ihm weiter als ungewöhnlich auf, dass keine Vermarktung des Fonds erforderlich war, was in anderen Fonds bei A einen gewichtigen Teil der Arbeit in Anspruch nahm. Ferner fand er außergewöhnlich, dass trotz erheblichen Aufwands und der Kosten, welche die Aufsetzung eines Fonds mit sich brachte, von vornherein beabsichtigt war, den Fonds bereits kurz nach der Saison aufzulösen und ihn nicht über längere Zeit zu nutzen. Ein weiteres Störgefühl ergab sich für den Angeklagten daraus, dass B darauf bestand, dass der Angeklagte die Geschäfte ausführte, wobei ihm zugleich die Überwachung der ordnungsgemäßen Ausführung übertragen war. Nach den Erfahrungen des Angeklagten waren beide Funktionen normalerweise nicht miteinander vereinbar und streng getrennt. Er war selbst sehr erstaunt, wie hoch der durch die Strategie geplante und in der Folge tatsächlich erzielte Gewinn war und erkannte auch, dass die Profite deutlich oberhalb der Gewinne aus den in Spanien durchgeführten CumCum-Geschäften lagen. Er bekam schließlich auch mit, dass sich unmittelbar nach dem Ende der Handelssaison der Fondsadministrator „geschockt“ über die Höhe die Gewinne zeigte und – sehr zum Missfallen B – vor einer Auszahlung eine nähere Prüfung vornehmen wollte.
Ende Juni 2009, d.h. kurz nach dem Ende der Handelssaison 2009, teilte B dem ehemaligen Mitangeklagten H mit, dass er nicht bereit sei, die CumEx-Geschäfte auch 2010 unter dem Dach von A durchzuführen, wenn sein Gewinnanteil bei lediglich 50% verbliebe. Dem bisherigen Gewinnanteil von A stünde kein entsprechender Nutzen gegenüber. B forderte für die Saison 2010 daher einen Gewinnanteil von 90%. Als die A-Partner dies ablehnten, verließ B A im Streit und gründete sein eigenes Unternehmen namens C1, mit dem er in der Folgezeit eigene CumEx-Geschäfte durchführte. B bot dem Angeklagten an, ihn zu begleiten und stellte ihm ein höheres Gehalt in Aussicht. Der Angeklagte entschied sich aber nach einem Gespräch mit H dafür, bei A zu bleiben.
Am 29.06.2009 informierte Hi die Geschäftspartner der A per E-Mail darüber, dass B die A verlassen habe. Er kündigte an, dass alle laufenden Geschäfte von A, in die B involviert gewesen sei, unbeeinträchtigt weitergeführt würden. Als Hauptansprechpartner in Handelsfragen wurde der Angeklagte benannt.
186Die Partner der A hatten zuvor bereits entschieden, die von B betriebenen CumEx-Geschäfte auch in der Dividendensaison 2010 durchzuführen. Sie beschlossen daher, einen Nachfolger für B zu suchen und mit der Fortführung bzw. Neuauflage der Geschäfte zu betrauen. Dies stellte eine einmalige Abweichung von üblichem Geschäftsprinzip der A dar, dass potentielle Fondmanager eine eigene Strategie „mitbringen“ mussten, die dann unter dem Schirm der A als Fonds aufgelegt wurde. Hintergrund hierfür war einerseits das persönliche Motiv der Partner, B nicht „das Feld“ zu überlassen. Vor allem aber beruhte die Entscheidung auf der hohen Profitabilität der CumEx-Geschäfte und deren Bedeutung für das Gesamtergebnis von A im Geschäftsjahr 2009.
187Um ihre Bereitschaft zur Fortführung der Geschäfte zu signalisieren, vereinbarten die Partner noch am 29.06.2009 für den 03.07.2009 ein persönliches Treffen in Frankfurt mit Q, Dr. D und Dr. E, an dem seitens der A die früheren Mitangeklagten G und I teilnahmen.
188Zudem beauftragten sie mehrere Headhunter mit der Suche nach geeigneten Kandidaten für die Nachfolge B. Sie suchten dabei ausdrücklich nach einem oder mehreren Kandidaten, die bereits Erfahrungen im Bereich steuergetriebener Strategien mit deutschen Aktien rund um den Dividendenstichtag haben sollten. Sie beabsichtigten, wenn möglich zwei Personen einzustellen, um die Abhängigkeit von einer Einzelperson zukünftig zu vermeiden.
189Nachdem seitens der Headhunter mehrere Kandidaten benannt worden waren, führte der Zeuge H bereits in der ersten Juliwoche Vorstellungsgespräche mit den gesondert Verfolgten N und M.
190N hatte zuvor bei BR gearbeitet und war dort als Mitarbeiter der „Instructional Solutions Group“ bereits mit CumEx-Geschäften in Berührung gekommen. Allerdings hatte BR die Beteiligung daran zum damaligen Zeitpunkt aufgrund des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 kurzfristig gestoppt, da die Risiken zu hoch erschienen. N kannte aufgrund dieser Vorerfahrungen bereits die Struktur der CumEx-Geschäfte einschließlich der Umstände, dass es sich um ungedeckte Leerverkäufe handelte, dass der Gewinn aus der Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuer stammte und welche Dividendenlevel und Profite in Abgrenzung zu CumCum-Geschäften im Markt erzielbar waren.
191In dem Vorstellungsgespräch am 03.07.2009 sprachen H und N offen darüber, dass A mit B unter anderem CumEx-Geschäfte mit deutschen Aktien getätigt hatte und deren Fortführung auch 2010 angesichts ihrer hohen Profitabilität besondere Priorität zukommen sollte. Auch im zweiten Gespräch, welches G – möglicherweise auch in Anwesenheit von I – wenige Tage später mit N führte, wurden die CumEx-Geschäfte offen besprochen.
192Der gesondert Verfolgte M hatte bei U im Bereich marktneutraler Strategien gearbeitet und war zuvor bei der V London und W tätig gewesen. Er war deutschsprachig, verfügte über viele Kontakte im deutschen Markt und erschien den Partnern daher als passende Ergänzung zu N.
193Kurz darauf begannen N und M, die beide als Co-CIO des weiterhin bestehenden A Global Equity Fund ernannt wurden, ihre Arbeit. Das bedeutete zunächst einmal, P als Geschäftspartner für die Dividendensaison 2010 zu halten. Neben einigen erwogenen, aber letztlich nicht umgesetzten, Dividenden-Strategien in anderen Ländern, ging es hier – wie schon im Vorjahr – maßgeblich um den Handel mit deutschen Aktienwerten rund um den Dividendenstichtag.
Da eine geordnete Übergabe mit B nicht möglich war, standen N und M vor der Aufgabe, die im Jahr 2009 getätigten Geschäfte sowie die daran Beteiligten und deren jeweilige Aufgaben im Einzelnen nachzuvollziehen, um die Geschäfte fortführen zu können. Beide kannten die grundsätzliche Handelsstrategie, aber nicht die Details der einzelnen im Jahr 2009 durchgeführten X-Geschäfte.
195Der Angeklagte war insoweit der einzige im Unternehmen Verbliebene, der an der praktischen Durchführung der konkreten Geschäfte in der Saison 2009 beteiligt gewesen war. Er wurde daher von den Partnern beauftragt, N und M bei der Einarbeitung bestmöglich zu unterstützen. Der Angeklagte, N und M hatten ihre Arbeitsplätze in einem gemeinsamen Raum, sodass sie sich permanent austauschen konnten.
196B und der Angeklagte hatten ein gemeinsames Gruppenlaufwerk genutzt und verfügten zudem jeweils über ein eigenes E-Mail-Konto. Auf dem Gruppenlaufwerk waren Dokumente und Unterlagen gespeichert, die für die Ausführung der Geschäfte unerlässlich waren und die auch der Angeklagte kennen musste, um seine administrativen und operativen Aufgaben zu erfüllen. Unter anderem waren hier der Handelsplan und die Handelsdaten der vergangenen Geschäfte gespeichert, sowie die weiteren dazugehörigen Dokumente. Der Angeklagte erklärte N und M die Struktur des Laufwerks sowie die dort gespeicherten Dokumente und was er in der Saison 2009 getan hatte. Er erläuterte insbesondere anhand des Handelsplans im Detail, wie die bisherigen Transaktionen mit X funktioniert hatten. Hieraus ergaben sich Umfang und Häufigkeit der Geschäfte, was konkret gehandelt wurde, wie die Geschäfte abgesichert und wie die Gewinne über den Subfund B vereinnahmt wurden. Aus den in der Excel-Tabelle gespeicherten Formeln konnte man auch den Preisbildungsmechanismus und insbesondere die Höhe und Bedeutung der Dividendenlevel nachvollziehen. Zudem half der Angeklagte den gesondert Verfolgten N und M bei der Durchsicht des E-Mail-Kontos B und gab Informationen aus seinem eigenen E-Mail-Konto weiter. Darüber hinaus informierte er sie über die beteiligten Unternehmen, soweit sie ihm bekannt waren, deren konkrete Einbindung und die dortigen Ansprechpartner.
197Als weitere Informationsquellen standen N und M auch die Partner und der für rechtliche Fragen zuständige Mitarbeiter BI zur Verfügung.
198Mittels dieser verschiedenen Erkenntnisquellen gelang es N und M, unterstützt durch den Angeklagten, binnen weniger Wochen die 2009 umgesetzten konkreten Geschäfte und hierbei genutzten Kontakte nachzuvollziehen und die darauf basierende Planung für die Saison 2010 zu beginnen bzw. fortzuführen.
Innerhalb des Duos N und M übernahm der Zeuge N schnell die Führungsrolle. Während M eher die Kontaktpflege insbesondere zu den deutschsprachigen Beteiligten übernahm, war N der Dreh- und Angelpunkt der Planung und Vorbereitung der CumEx-Geschäfte.
200N und M informierten die Partner regelmäßig, was sowohl über E-Mails als auch Telefonate und persönliche Treffen erfolgte. Die Tür des Partnerbüros – das nur eine Etage tiefer lag – stand ihnen immer offen, sodass insbesondere N dort oftmals für spontane Gespräche vorbeikam. Bis N und M im März 2010, d. h. kurz vor Beginn der Handelssaison, ein Büro in C 2 bezogen, kam es wöchentlich zu mehreren persönlichen Gesprächen mit einem oder mehreren Partnern der A. Auch danach bestand durch gemeinsame Telefonate und Videokonferenzen sehr regelmäßiger Kontakt. Sofern bei der Schaffung der Strukturen Zahlungen durch A vorgenommen werden mussten, bedurften diese grundsätzlich der Genehmigung des Zeugen H als CEO.
201Infolge seiner zentralen Rolle war N an allen zu treffenden Entscheidungen maßgeblich beteiligt. Er bezog die Partner aber jedenfalls bei strategischen Grundsatzentscheidungen und sonstigen Fragen entsprechender Tragweite mit ein und versicherte sich, dass diese seine Vorstellungen billigten. Teils erfolgte dies in gemeinsamen Gesprächen mit allen drei Partnern, teils sprach er auch nur mit G und/oder H. Den Partnern kam bei den grundlegenden Entscheidungen ein Vetorecht zu. Teils machten sie N Vorgaben, beispielsweise mit welchen Akteuren – etwa Prime-Brokern – eine Zusammenarbeit aus persönlichen oder geschäftlichen Gründen ausgeschlossen sei.
202Über interne Entscheidungen hinaus waren die Partner von A auch dadurch in die Vorbereitung der Handelssaison eingebunden, dass sie N und M bei den anderen Beteiligten, insbesondere Dr. D, Dr. E und Q, vorstellten und sie zu Treffen begleiteten, bei denen offen über die CumEx-Strategie, das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 und den Umgang damit gesprochen wurde. Im Laufe der Monate erhielten N und M zunehmend freie Hand für die Umsetzung der gemeinsam mit den Partnern getroffenen Entscheidungen. N nahm daher häufiger auch allein bzw. „nur“ mit M an Treffen mit den übrigen Beteiligten teil und berichtete anschließend innerhalb der A über die Inhalte. Auf einige dieser Treffen wird noch gesondert eingegangen.
203Der Angeklagte war nicht an gemeinsamen Besprechungen mit den Partnern der A beteiligt, da diese oberhalb seiner Hierarchieebene angesiedelt waren. Insbesondere die grundsätzlichen Entscheidungen zur Strategie, der Zusammenarbeit mit den weiteren Beteiligten und der Gewinnverteilung wurden ohne ihn getroffen. Allerdings war er teilweise in die Kommunikation im Vorfeld und Nachgang auch zu Inhalten der Besprechungen eingebunden. Grundsätzlich oblag es ihm, erhaltene Anweisungen zu befolgen bzw. operativ umzusetzen.
Wie erwähnt gab es seit Jahren verschiedene Bestrebungen der deutschen Gesetzgeber und Behörden die mit den CumEx-Geschäften verbundene Erstattung einer nicht gezahlten Steuer zu unterbinden, welche zu dem BMF-Schreiben vom 05.05.2009 geführt hatten. Diese wirkte sich auch auf die Planung der Dividendensaison 2010 aus:
205Jedenfalls der Zeuge N pflegte schon seit seiner Zeit bei AG vielfältige Kontakte zu Rechtsanwälten und anderen Marktteilnehmern und war auch im Sommer 2009 in Diskussionen um erfolgte oder drohende Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen eingebunden. Im Sommer und Herbst 2009 waren die Diskussionen davon geprägt, ob und wie es möglich sein könnte, den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 zu umgehen. Zugleich gab es die Befürchtung, dass noch vor der Dividendensaison weitere Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen drohen könnten, die CumEx-Geschäfte verhindern könnten. N gab die wesentlichen Informationen hierzu auch innerhalb der ‚A weiter, sei es durch die Weiterleitung oder Verfassung von E-Mails oder – insbesondere bei wesentlichen Entwicklungen, die die geplanten Transaktionen beeinflussen konnten – durch persönliche Gespräche mit den Partnern der A.
206Aufgrund dieser Unsicherheit gab es bei A und den weiteren Beteiligten parallel zu den angestrebten CumEx-Geschäften Überlegungen zur Durchführung von CumCum-Geschäften. Diese – deutlich weniger profitablen – Geschäfte sollten als „Plan B“ dienen, falls sich die CumEx-Geschäfte als nicht umsetzbar erweisen sollten.
207Als Reaktion auf die Bemühungen der deutschen Finanzbehörden hatten die Beteiligten – wie erwähnt – schon 2009 begonnen, ihre Kommunikation umzustellen bzw. anzupassen. Insbesondere in schriftlichen Äußerungen wie E-Mails oder sonstigen Dokumenten nannte man die projektierten Geschäfte nicht mehr so unbefangen beim Namen wie bislang, sondern verwendete unverfängliche Umschreibungen. So wurde etwa bei A sowohl innerhalb als auch in der Kommunikation mit den (potentiellen) weiteren Beteiligten CumCum-Geschäfte als „Standard German Trades“ und CumEx-Geschäfte als „Enhanced German Trades“ bezeichnet. N erstellte für beide Strategien Profitkalkulationen, die nicht nur die deutlich unterschiedliche Profitabilität, sondern auch die den Berechnungen zugrundeliegenden stark abweichenden Dividendenlevel erkennen ließen.
208Die Diskussionen um den Inhalt des BMF-Schreibens vom 05.05.2009, die Fortführbarkeit der CumEx-Strategie, ein mögliches Ausweichen auf CumCum-Strategien und die Unterschiede beider Strategien wurden dabei auch innerhalb des gemeinsamen Büros des Angeklagten, N und M besprochen. Spätestens im Herbst 2009 erkannte daher auch der Angeklagte, dass die CumEx-Geschäfte, wie er sie mit B 2009 durchgeführt hatte und wie sie auch für 2010 angestrebt waren, auf ungedeckten Leerverkäufen beruhen und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuer resultiert.
209Im Herbst 2009 wurde schließlich entschieden, sich vollständig auf die (erneute) Umsetzung der CumEx-Strategie zu konzentrieren. Der Angeklagte war an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt, ihm wurde sie lediglich mitgeteilt.
Der Fokus der A lag zunächst darauf, die erfolgreiche Zusammenarbeit von B mit P im Jahr 2009 auch in der Handelssaison 2010 fortzusetzen. Zu diesem Zweck fanden am 19.08.2009 mehrere Treffen in C 3 statt, in denen die Partner der A, namentlich H und G, die neu eingestellten N und M vorstellten und in denen die weitere Zusammenarbeit besprochen wurden:
211Nach einem vorherigen Besuch bei der Y Bank, einem potentiellen Leveragegeber, kamen H, G, N, M um 18:00 Uhr mit Dr. D und Dr. E in deren Büroräumen im Skyper-Gebäude in Frankfurt zusammen. Gegenstand des Gesprächs waren unter anderem allgemeine Steuerstrukturen in Deutschland. Um 19:00 Uhr kamen dann die gesondert Verfolgten Q und Z von X hinzu. Gemeinsam wurden die Möglichkeiten einer weiteren Zusammenarbeit für die Dividendensaison 2010 besprochen, unter anderem anhand eines von N gefertigten, oben bereits erwähnten, Spreadsheets zu Renditeprognosen der verschiedenen Strategien. Wie in persönlichen Gesprächen üblich, wurde auch bei diesem Treffen offen über die Einzelheiten der CumEx-Geschäfte gesprochen. Die Anwesenden kamen überein, die gemeinsamen CumEx-Geschäfte mit deutschen Aktienwerten – soweit möglich – erneut durchzuführen.
212Ende September 2009 kam es zu einem weiteren Treffen der Beteiligten, an dem von Seiten der A N teilnahm und in dem die Planungen weiter vorangetrieben und konkretisiert wurden. Konkret wurden die Aufsetzung des Fonds, das zur Verfügung stehende Leverage und die Gewinnung der Investoren besprochen.
213Da die Beteiligten bei den Transaktionen unbedingt unterhalb der 3-%-Meldeschwelle bleiben wollten, war das Handelsvolumen bezüglich eines Fonds limitiert, selbst wenn in übersteigendem Maße Investoren, Leveragegeber und Leerverkäufer zur Verfügung standen. Wollte man in größerem Umfang handeln und trotzdem keine Meldepflichten auslösen, musste man die Geschäfte daher auf mehrere, rechtlich selbstständige, Fonds verteilen. Deshalb bemühte sich A intensiv darum, für zwei von X aufgelegte Fonds als Investmentmanager ausgewählt zu werden. Allerdings stand A insoweit im Wettbewerb mit anderen vergleichbaren Firmen wie der BM-Gruppe, der von B gegründeten BS oder der maßgeblich von dem gesondert Verfolgten AA geleiteten BT.
214N traf sich im Vorfeld der Dividendensaison 2010 in C 2 mit AA, wobei auch der Angeklagte anwesend war. N und AA besprachen sich hierbei unter anderen darüber, welche Dividendenlevel gegenüber X als am Markt erzielbar angegeben werden und welche Gewinnanteile verlangt werden sollten, um einen gewinnschmälernden Unterbietungswettbewerb zu vermeiden.
215Im November 2009 kam es zu einem weiteren Treffen in C 3, an dem jedenfalls G, N und Dr. D teilnahmen. G berichtete H, I und M anschließend, dass sie die Übereinkunft erzielt hätten, dass A zwei Fonds zu je 75 Millionen Euro erhalten werde und A 30 % aller Gewinne zustünden. Letztlich entschied X im Februar 2010 sehr zur Enttäuschung der A und insbesondere G aber doch, bezüglich des zweiten Fonds mit BT zusammen zu arbeiten und nur einen ihrer Fonds an A zu vergeben.
216Hinsichtlich dieses Fonds kam es wenige Wochen vor Beginn der Handelssaison am 02.03.2010 zu einem weiteren Treffen mit Vertretern von X sowie Dr. D und Dr. E, an dem seitens der A auch H teilnahm.
217Über den X-Fonds führte A im Jahr 2010 CumEx Geschäfte durch. Diese erbrachten für A einen Profit von rund 15 Millionen Euro, was rund 25 % des Gesamtprofits der A im Jahr 2010 ausmachte.
218Diese Geschäfte sind nicht Gegenstand der hiesigen Anklage. Die diesbezüglichen Ermittlungen werden durch die Staatsanwaltschaft München geführt.
Neben der Zusammenarbeit mit X hatte N schon früh geplant, für die Handelssaison 2010 eine weitgehend identische Fondstruktur mit einer weiteren Gesellschaft aufzusetzen, um über diese zusätzliche CumEx-Geschäfte durchführen zu können und so unabhängig von X weitere Profite zu erzielen.
220In Umsetzung dieses von N und weiteren Beteiligten gefassten Plans wurde der BU II Equity Fonds aufgelegt und über diesen im Jahr 2010 CumEx-Geschäfte in erheblichen Umfang durchgeführt, die zu einer unberechtigten Steuererstattung in Höhe von rund 92 Millionen Euro führten und die Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind. Im Einzelnen:
Als Fondgesellschaft zog N bei der Planung die in C 4 ansässige C Wertpapier- und Handelsbank (i. F. C) in Betracht. Diese war eine durch die BaFin regulierte Bank und in der Lage – über eine zu gründende Investment AG –, einen Publikumsfonds nach § 112 InvG aufzusetzen, der als (Leer-)Käufer im Rahmen einer CumEx-Strategie genutzt werden konnte. Die Einstufung als „deutscher Hedgefonds“ nach § 112 InvG bot hierbei neben der Steuerbefreiung und der Möglichkeit der Investition durch Privatpersonen auch den Vorteil, dass dieser im Gegensatz zu anderen Publikumsfonds berechtigt war, selbst Kredite aufzunehmen, was die Zusammenarbeit mit den Leveragegebern wesentlich erleichterte.
222C war ursprünglich eine kleine, Mitte der 1990er-Jahre maßgeblich von den gesondert Verfolgten J und K gegründete GmbH, die mit sehr geringen Volumina Derivatgeschäfte durchführte bzw. vermittelte. 1997 begann der gesondert Verfolgte L dort zunächst als Schülerpraktikant und stieg über die Jahre neben J und K zur drittwichtigsten Person im Unternehmen auf. J, K und L führten die Geschicke des Unternehmens gemeinsam, wobei J nach außen der Kopf des Unternehmens war, während K vor allem intern wirkte. L war hierarchisch unmittelbar unter diesen beiden angesiedelt und vor allem für den Bereich des Vertriebs zuständig.
223Im Zuge einer KWG-Novelle im Jahr 1998 wurde C nach Durchführung eines entsprechenden Zulassungsverfahrens, bei dem sie durch Dr. E beraten wurden, rund um die Jahrtausendwende formell zu einer „Wertpapier- und Handelsbank“, wobei das Geschäftsaufkommen auch in den Folgejahren überschaubar blieb. Erst 2005 erfolgten der Börsengang und ein bescheidener wirtschaftlicher Aufschwung. Die Finanzkrise 2008 traf allerdings – wie den Rest der Finanzbranche – auch C schwer.
224Im Jahr 2008 kamen J, K und L erstmals in Kontakt mit CumEx-Geschäften. Der Zeuge Dr. E trat damals an sie heran und stellte ihnen gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten AD von der AE Bank gegenüber J, K und L ein Geschäftsmodell vor, bei dem die C einen von der Kapitalertragsteuer befreiten Spezialfonds gründen sollte, über den während der Handelssaison 2009 CumEx-Geschäfte abgewickelt werden konnten. Bei C sah man hierdurch die Möglichkeit in „eine andere Liga aufzusteigen“, erklärte sich dazu bereit und legte den Fonds mit Unterstützung von Dr. E auf. Die geplanten Geschäfte wurden jedoch letztlich nicht durchgeführt, da die als Investmentmanager vorgesehene AF aufgrund der bereits kursierenden Entwürfe des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 und nach Einholung einer darauf basierenden Risikoanalyse ihres Wirtschaftsprüfers kurz vor Beginn der Handelssaison erklärte, für CumEx-Geschäfte nicht zur Verfügung zu stehen.
225Zwischen den gesondert Verfolgten N und J hatte es bereits im April/Mai 2009 einen Austausch über die gemeinsame Durchführung von CumEx-Geschäften gegeben, als N noch bei AG war. Diese blieben jedoch ergebnislos, da auch AG aufgrund des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 (bzw. dessen Entwürfen) entschieden hatte, keine derartigen Geschäfte mehr durchzuführen.
226Unmittelbar nach seinem Wechsel zu A nahm N die Gespräche mit J wieder auf. Bereits am 21.08.2009 kam es auch zu einem persönlichen Treffen zwischen N, M und J im C 5 Büro der A, in welchem die Pläne für eine zukünftige Zusammenarbeit konkretisiert wurden. Neben der Möglichkeit über eine Investment-AG einen steuerbefreiten Fonds aufzulegen, konnte C in einem weiteren Punkt wertvolle Beiträge erbringen: Denn C verfügte aus den Erfahrungen im Vorjahr über Kontakte zu einigen Investoren bzw. Investorenvermittlern, die für die geplanten Geschäfte Kapital bereitstellen konnten. N holte in der Folge das Einverständnis der Partner für die Zusammenarbeit mit C ein, welche unter anderem bei einem Treffen mit den Partnern am 22.09.2009 näher erörtert wurde.
227J, K und L wussten dabei um die Struktur der geplanten CumEx-Geschäfte, einschließlich des Umstandes, dass diese auf ungedeckten Leerverkäufen beruhen würden und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuererstattung resultiert. Sie wussten um das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 und wussten auch, dass die AF, die daraus resultierenden Risiken für so hoch erachtet hatte, dass sie die Geschäfte kurz vor Beginn der Dividendensaison 2009 gestoppt hatten. Jedenfalls der Zeuge L hielt es schon damals für möglich, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führen würde.
228Der Angeklagte hatte persönlich kaum Kontakt zu J, K und L. Seine Ansprechpartner bei C waren vielmehr Mitarbeiter im operativen Bereich. Allerdings war er häufig in den entsprechenden E-Mail-Verkehr eingebunden bzw. in Cc. gesetzt.
Wie erwähnt hatte A bereits 2009 beim X-Fonds eng mit Dr. D und Dr. E zusammengearbeitet, was beim X-Fonds 2010 eine Fortsetzung fand. Da auch C bereits Kontakt zu Dr. E gehabt hatte, lag es nahe, diese auch für den nunmehr geplanten C-Fonds für die Saison 2010 einzubinden.
230Hauptansprechpartner für Dr. D/Dr. E und C war seitens der A der Zeuge N, der die Gesprächsinhalte anschließend innerhalb der A weitergab. Teilweise führte zumindest G auch direkte Gespräche mit den übrigen Beteiligten, insbesondere mit Dr. D, wenn grundlegende Entscheidungen (beispielsweise zur Gewinnverteilung) anstanden.
231Am 06.10.2009 kam es zu einem persönlichen Treffen der drei maßgeblich beteiligten Parteien im C 6-Gebäude in C 7. Für A nahmen N und M teil, C war durch J, L und K vertreten, zudem nahmen Dr. D und Dr. E teil. In diesem Gespräch wurde die mögliche Zusammenarbeit im Einzelnen besprochen und auch die verschiedenen in Deutschland möglichen Strategien (CumCum und CumEx) sowie deren Unterschiede erörtert, wobei alle Beteiligten aufgrund der um ein Vielfaches höheren Profitabilität möglichst die Umsetzung einer CumEx-Strategie anstrebten. Auch die Gewinnverteilung wurde in diesem Gespräch bereits erörtert. Am Ende des Gesprächs war man sich einig, dass in der Handelssaison 2010 – sofern durchführbar – gemeinsam CumEx-Geschäfte durchgeführt und hierdurch erzielte Profite untereinander aufgeteilt werden sollten.
232Während C und Dr. D/Dr. E dies bereits vor Ort verbindlich zusagten, konnten N und M derart grundsätzliche Entscheidungen – wie erwähnt – nicht ohne Einbindung der Partner treffen. Nach internen Besprechungen mit den Partnern der A am 08.10.2009 und rund um den 14.10.2009 stand auch bei A die Entscheidung zur gemeinsamen Zusammenarbeit fest.
233In der Folge kam es noch zu weiteren persönlichen Treffen der Beteiligten, unter anderem einem Treffen im Büro der A zwischen Dr. D und Dr. E und G, an dem möglicherweise auch H teilnahm. Ferner reiste H am 02.03.2010 zu C nach C 4. Zudem fand am 22.03.2010 in C 5 ein Treffen zwischen Vertretern von A und C statt, an dem auch der Angeklagte teilnahm und auf das noch gesondert eingegangen wird (vgl. C. III. 7 b.). Am 25.03.2010 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen N/M, Dr. D/Dr. E und J/L/K.
Während A als Asset Manager die Transaktionen, einschließlich der Beschaffung des Leverage, federführend planen und umsetzen und C die Struktur für deren Durchführung bereitstellen sollte, umfasste der Aufgabenbereich von Dr. D und Dr. E – wie bei der parallelen BK-Struktur – folgende Bereiche:
235Dr. E wirkte entscheidend an der Aufsetzung der Fondstruktur mit und begleitete hierbei auch die erforderlichen Genehmigungsprozesse durch die BaFin. Dr. D lieferte ein rechtliches Gutachten, welches den geplanten Transaktionen den Anschein der Legalität geben sollte und auf das noch näher eingegangen wird (vgl. C. III. 7 b.). Darüber hinaus verfügten Dr. D und Dr. E über gute Kontakte zu möglichen Investoren, durch die sie mehr als die Hälfte der benötigten Gelder für den Fonds gewinnen sollten. Aufgrund ihrer über eine reine Anwaltstätigkeit hinausgehenden Einbindung sollten sie – wie bei BK auch – über Beratungsgebühren hinaus in erheblichem Umfang an dem Gewinn aus den Transaktionen beteiligt werden.
236Dr. D und Dr. E kannten die Struktur der CumEx-Geschäfte in allen Details, einschließlich der steuerlichen Fragen. Jedenfalls Dr. E ging ab der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führen würde.
237Der Angeklagte hatte praktisch keinen direkten Kontakt zu Dr. D und Dr. E, da sie nicht nur hierarchisch auf unterschiedenen Ebenen agierten, sondern auch ihre jeweiligen Aufgabenbereiche kaum Berührungspunkte miteinander hatten. Er war aber jedenfalls teilweise in die umfangreiche E-Mail-Kommunikation zwischen A, C und Dr. D/Dr. E eingebunden, aus der sich der jeweilige Planungsstand und die notwendigen nächsten Schritte ergaben.
Eine der Hauptaufgaben der A innerhalb des arbeitsteiligen Vorgehens war die Akquise von Leveragegebern, die dem Fonds die Mittel zur Verfügung stellen würden, um die geplanten Geschäfte durchzuführen. Wie bei CumEx-Geschäften üblich war die Bereitstellung erheblicher Kreditmittel angesichts der geringen auf die einzelnen Aktien entfallenden Profite besonders essentiell. Durch das sogenannte Leverage sollte das im Fonds vorhandene Investorenkapital bis auf das 20-Fache gehebelt werden.
239Allerdings hatten sich – wie erwähnt – eine Reihe von Unternehmen aufgrund der regulatorischen Bemühungen zur Unterbindung der CumEx-Geschäfte, wie sie auch in dem BMF-Schreiben vom 05.05.2009 zum Ausdruck gekommen waren, aus dem CumEx-Markt zurückgezogen oder waren zumindest deutlich zurückhaltender bezüglich großvolumiger Kredite geworden als in den Vorjahren. Dementsprechend stellte die Suche nach geeignetem Leveragekapital eine besondere Herausforderung dar.
240In diese Suche waren neben N und M auch die Partner von A eingebunden, die in diesem Bereich über langjährige Erfahrung verfügten und entsprechende Kontakte hatten. In diesem Zuge kam es – wie bereits an anderer Stelle erwähnt – am 19.08.2009 zu einem Gespräch mit dem CEO der Y Bank in C 7, an dem auch H und G teilnahmen. Tatsächlich gelang es A in der Folge, Y als Leveragegeber zu gewinnen. Hinzu kam die Bank AH, zu welcher N Kontakte aus seiner Zeit bei AG hatte. Als dritter Leveragegeber wurde AI gewonnen. Durch diese drei Leveragegeber stand A – wie gewünscht – insgesamt ein bis zu 20-facher Hebel des Investorenkapitals zur Verfügung.
241Die Leveragegeber wurden hierbei nicht – wie eigentlich üblich – über feste Gebühren bezahlt, sondern es wurde vereinbart, dass sie eine bestimmte Anzahl Dividendenprozentpunkte (C 8 4,5 %; C 9 2,4 %, AI 2 %) erhielten. Diese sollten ihnen dergestalt gewährt werden, dass ihnen die Aktien im Zuge des „Unwinds“ durch den Fonds zu einem entsprechend reduzierten Preis unterhalb des Marktpreises verkauft werden sollten, sodass die Leveragegeber bei einem Weiterverkauf zum Marktpreis einen entsprechenden Gewinn vereinnahmen konnten. Auch diese Preisabsprachen wurden nicht schriftlich gefasst, sondern lediglich mündlich vereinbart.
242Ob und inwieweit die Mitarbeiter von AH, Y und AI ein tieferes Verständnis der geplanten und nachher durchgeführten CumEx-Geschäfte aufwiesen und ob sie zumindest für möglich hielten, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führt, hat die Kammer nicht festgestellt.
243Der Angeklagte war an den grundlegenden Entscheidungen zur Zusammenarbeit mit den Leveragegebern nicht beteiligt. Allerdings war er häufig in den entsprechenden E-Mail-Verkehr eingebunden bzw. in Cc. gesetzt, sodass er diesbezüglich im Bilde war. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung der konkreten Transaktionen kam es in der Folge lediglich zu Kontakten des Angeklagten „auf Arbeitsebene“; also mit im operativen Bereich tätigen Mitarbeitern der entsprechenden Unternehmen.
Die gemeinsame Planung der Geschäfte sah vor, dass eine deutsche Depotbank genutzt werden sollte, welche bereit war, dem Fonds unmittelbar eine Gutschrift in Höhe der jeweiligen Bruttodividende zu erteilen und anschließend gem. § 44b Abs. 6 EStG [VZ 2010] die Steuererstattung zu beantragen.
245Als Depotbank für den von C aufgelegten Fonds strebten die Beteiligten hierbei eine Zusammenarbeit mit der F Bank an, welche diese Rolle bereits 2009 und auch 2010 für die BK-Fonds übernommen hatte bzw. übernehmen sollte.
246Am 11.02.2010 reisten N und M nach C 10, um mit den gesondert Verfolgten AJ und AK von der F Bank die bestehenden und zukünftigen Geschäftsmöglichkeiten zu erörtern. Die F Bank erklärte sich zu einer Zusammenarbeit bereit.
247Am 15.03.2010 fand ein gemeinsames Treffen von Vertretern der A, der F Bank und der C statt, die die praktische Umsetzung der Planungen zum Gegenstand hatten.
248Ob und inwieweit die Mitarbeiter der F Bank ein tieferes Verständnis der geplanten und nachher durchgeführten CumEx-Geschäfte hatten und ob sie es zumindest für möglich hielten, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führen würde, hat die Kammer nicht festgestellt. Dies gilt insbesondere bezüglich desjenigen, namentlich nicht bekannten, Mitarbeiters der F Bank, der die späteren Erstattungsanträge gestellt hat.
249Der Angeklagte war an den Entscheidungen bezüglich der Zusammenarbeit mit der F Bank nicht beteiligt. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung der konkreten Transaktionen kam es in der Folge lediglich zu Kontakten „auf Arbeitsebene“.
Wie für CumEx-Geschäfte charakteristisch, war es auch für die geplanten Transaktionen mit dem C-Fonds 2010 erforderlich, dass die Konditionen der Geschäfte zwischen den wesentlichen Beteiligten des CumEx-Geschäftes, insbesondere dem Leerverkäufer und dem Leerkäufer, im Vorfeld des eigentlichen Handels vereinbart wurden. Nur so konnte am Handelstag sichergestellt werden, dass der Nachfrage des Fonds ein passendes Angebot gegenüberstand. Dies wurde vorliegend noch dadurch verstärkt, dass die Beteiligten in Reaktion auf das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 keine Kassageschäfte durchführen, sondern mit physisch gesettelten Futures handeln wollten, deren Markt deutlich weniger liquide ist.
251Allerdings achteten die Beteiligten in Reaktion auf das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 darauf, dass die Kommunikation nicht unmittelbar zwischen der Leerverkäufer- und Leerkäuferseite stattfand, sondern über zwischengeschaltete Broker oder Intermediäre erfolgte. Auf der Suche nach einer passenden Gegenpartei stützten sich N und M zum Teil auf die bestehenden Kontakte der A, von denen sie wussten, dass B sie bereits zuvor genutzt hatte. Zum Teil nutzten sie auch eigene Kontakte aus ihrer früheren Tätigkeit. Sie führten eine Vielzahl von Gesprächen mit den unterschiedlichsten Personen und Unternehmen.
252Tatsächliche Übereinkünfte wurden hierbei mit W, AL und AM erzielt, die ihrerseits im Kontakt zu interessierten Leerverkäufern und Stückegebern standen.
253N übermittelte W, AL oder AM hierbei die Vorstellungen der A über die Aktiengattung, die Menge und den Preis bzw. das Dividendenlevel. Daneben ging es um weitere Details wie den Handelstag, die Laufzeit und die zur Abwicklung genutzte Terminbörse (EUREX oder LIFFE). Die Intermediäre gaben diese Parameter an die dahinterstehenden Leerverkäufe weiter und übermittelten ggf. deren Gegenangebote zurück an A. Sofern im Zuge dieser Verhandlungen eine Einigung erzielt werden konnte, wurde diese nicht vertraglich festgehalten. Es bestand aber die allgemeine Auffassung der Beteiligten, dass derartige, als „gentlemen’s agreements“ oder „soft commitments“ bezeichnete, Vereinbarungen unbedingt einzuhalten waren, was für das reibungslose Gelingen der Geschäfte auch unabdingbar war.
254N gelang es bei den Absprachen, ein durchschnittliches Dividendenlevel von 79 % durchzusetzen, das heißt 21 % der Bruttodividende für A und die weiteren Beteiligten auf der Leerkäuferseite zu vereinnahmen, während auf der Leerverkäuferseite nur ein Anteil von durchschnittlich 5,375% der Bruttodividende verbleiben sollte. Für einen Inhaberverkäufer wäre, was auch N wusste, ein Verkauf zu einem derartig niedrigen Dividendenlevel angesichts der mit den meisten Ländern bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und den damaligen am Markt erzielbaren CumCum-Leveln wirtschaftlich unrentabel und daher sinnlos.
255Der Angeklagte war an diesen Absprachen nicht beteiligt, auch wenn er allein über seine Anwesenheit im gemeinsamen Büro Teile der Gespräche mitbekam. Ihm war jedenfalls bereits in der Vorbereitungsphase bewusst, dass (auch) bezüglich des C-Fonds Absprachen mit der Verkäuferseite stattfanden und dass man eine direkte Kommunikation mit der Gegenseite dadurch vermied, dass Broker oder Intermediäre zur Verschleierung zwischengeschaltet wurden. Wie erwähnt wusste er dabei spätestens ab Herbst 2009, dass es sich bei den Verkäufern um Leerverkäufer handelte.
Im Jahr 2009 war der komplette Gewinn zunächst in den Fonds und sodann durch nicht marktgerecht bepreiste Futuregeschäfte mit französischen Aktien teilweise wieder abgezogen und – zur weiteren Verteilung zwischen A, X und Dr. D/Dr. E – in den Subfund B gehandelt worden.
257Für die Saison 2010 entschieden die Beteiligten (auch) für den C Fonds, dass diesmal von vornherein nur ein geringer Anteil des Gesamtprofits in den Fonds gehandelt werden sollte. Der Großteil der durch die Geschäfte erzielten Profite sollte bereits im Vorfeld abgeschöpft werden und gar nicht erst im Fonds anfallen. Hierdurch sollte sichergestellt werden, dass die hohen Gesamtprofite bei Betrachtung des Fonds weder für die Investoren noch für die Behörden ersichtlich würden. Der Ertrag auf der Ebene des C-Fonds sollte – wie der X-Fonds 2010 – lediglich zur Deckung der Kosten, einschließlich der Gewinnbeteiligung der Leveragegeber und der Gebühren der Depotbank, und der den Investoren zugesicherten Rendite genügen, wofür nach den Berechnungen N lediglich ein durchschnittliches Dividendenlevel von etwa 93% erforderlich war. Die Beteiligten bezeichneten dieses als „Fundlevel“, welches den weiteren Vorteil bot, dass es relativ nahe an einem marktüblichen CumCum-Level lag und so die Erkennbarkeit als CumEx-Geschäft reduzierte, sofern man lediglich den Fonds betrachtete. Dies bedeutet, dass nur rund 7 % der Bruttodividende als Gewinnanteil in den Fonds gehandelt werden sollten. Alle darüber hinausgehenden Gewinne sollten gar nicht erst im Fonds landen und den Investoren verheimlicht werden.
258A gab in diesem Zusammenhang gegenüber C und Dr. D/Dr. E – wahrheitswidrig – an, dass sie durch die Absprachen mit den Leerverkäufern ein Dividendenniveau von 83 %, das sogenannten „Marketlevel“, erzielen könnten. Dieser über den Gewinn des Fonds von 7 % – hinausgehende zusätzliche Profit von 10 % der Bruttodividende sollte zwischen den Hauptbeteiligten aufgeteilt werden.
259Zur Vereinnahmung dieser Gewinnspanne („Spread“) sollte – wie schon 2009 bei X – ein SPV genutzt werden, wobei sich die Beteiligten letztlich dafür entschieden, dieses von der bereits erwähnten A Capital SA auflegen zu lassen. Für die Geschäfte mit C wurde daraufhin der C 11 gegründet, während für den Handel mit X 2010 mit dem C 12 eine parallele Struktur geschaffen wurde. Die praktische Umsetzung sollte dergestalt erfolgen, dass ein in das Absicherungsgeschäft eingeschalteter Intermediär (anfangs AL Capital, später AM) im Hedging-Geschäft mit dem C Fonds lediglich den sogenannten Fond-Level von 93 % weitergeben und den weiteren Gewinnanteil zurückhalten sollte. Sodann sollte der er mit dem C 11 über einen – letztlich beliebigen – anderen Aktienwert vollständig abgesicherte, das heißt marktneutrale, Geschäfte vereinbaren, die absichtlich so bepreist würden, dass beim Intermediär ein Verlust und beim C 11 ein entsprechender Gewinn entstünde, der den 10 % der Bruttodividende aus den deutschen CumEx-Geschäften entsprechen würde. Für die Gewinnverschiebung zwischen dem Intermediär und dem C 11 sollten ähnlich wie im Vorjahr Futures über französische Aktien genutzt werden.
260Bei dem bereits erwähnten Treffen zwischen A, C und Dr. D/Dr. E am 06.10.2009 wurde hinsichtlich der Aufteilung der Extraprofite vereinbart, dass die auf diese Weise in den C 11 gehandelten Profite im Verhältnis 40 % für A, 40 % für Dr. D/Dr. E und 20 % für C bzw. J/K/L geteilt werden sollten. Zum Beginn der Handelssaison wurde dies nach entsprechenden Nachforderungen von C und unter anderem nach direkten Gesprächen zwischen G und Dr. D auf 39 % A, 39 % Dr. D/Dr. E und 22 % J/K/L abgeändert. Die Gewinne wurden entweder über die direkte Beteiligung an dem C 11 oder über Scheinverträge ausgeschüttet.
261Dr. D und Dr. E wickelten dies über eine ihnen zuzurechnende C 13 ab. Hierbei handelte es sich um eine ursprünglich auf den britisch Virgin Islands und später in Luxemburg angesiedelte Gesellschaft, die keine tatsächliche Geschäftstätigkeit entfaltete, sondern ausschließlich zur Vereinnahmung der Gewinne aus den verschiedenen von Dr. D und Dr. E betriebenen CumEx-Geschäfte diente. J, K und L nutzten – jedenfalls überwiegend – die für diesen Zweck eigens gegründete Gesellschaft C 14, welche ebenfalls keine anderweitige Geschäftstätigkeit entfaltete.
262Neben dem C 11 gab es ein zweites Instrument zur Gewinnabschöpfung, den ebenfalls unter dem Dach der A Capital aufgelegten BW. Wie erwähnt hatte A – vermittelt durch die Intermediäre – mit den Leerverkäufern tatsächlich ein durchschnittliches Dividendenlevel von 79 % aushandeln können. Innerhalb der A wurde dies als das sogenannte „Floorlevel“ bezeichnet. Die Differenz von 4 % zwischen diesem Floorlevel und den 83 % des Marketlevels wurde ebenfalls mittels Geschäften über nicht marktgerecht bepreiste Futures auf französische Aktien in einen weiteren Fonds, den BW, gehandelt. Diesen Umstand verschwiegen die auf Seiten der A Beteiligten jedoch gegenüber Dr. D, Dr. E, J, K und L.
263Der Angeklagte war in die Gespräche zur Gewinnverteilung nicht eingebunden. Er wurde aber über die Ergebnisse und die geplante praktische Umsetzung informiert.
Wie erwähnt waren die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die CumEx-Geschäfte durchgeführt wurden, fluide, wurden von den verschiedenen Marktteilnehmern aufmerksam im Blick behalten und auch unter den an den hiesigen Taten beteiligten Personen besprochen und diskutiert. Insbesondere das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 stellte hierbei für die professionellen Marktteilnehmer erkennbar den Versuch der Behörden dar, die Gefahr von Steuermindereinnahmen bei der Erstattung von Kapitalertragsteuer durch CumEx-Leerverkaufsgestaltungen zu beseitigen. Zwischen der A, C und Dr. D/ Dr. E wurden verschiedene Strategien erörtert, um befürchtete Probleme mit den deutschen Finanzbehörden bereits im Vorfeld zu umgehen, die Dr. D in Besprechungen teilweise ausdrücklich als „Verteidigungslinien“ bezeichnete. Zu diesen Strategien gehörte unter anderem Folgendes:
265Dr. D sollte ein umfangreiches schriftliches Rechtsgutachten erstellen, welches den Eindruck einer Unbedenklichkeit der Transaktionen erwecken sollte. Auf dieses wird noch gesondert eingegangen werden (vgl. C. III. 7b.).
Wie bereits erwähnt, sollte die Meldeschwelle von 3 % nie überschritten werden, um keine Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden zu erzeugen.
Statt eines in dem BMF-Schreiben ausdrücklich erwähnten Spezialfonds sollte ein Publikumsfonds verwandt werden, um behaupten zu können, dass der Anwendungsbereich des Schreibens nicht eröffnet sei.
Aus demselben Grund sollte, die – für die Geschäfte notwendige – Belieferung mit Aktien nicht durch die in dem Schreiben thematisierten Kassageschäfte, sondern durch den Kauf physisch zu beliefernder Futures erfolgen, die zudem die Möglichkeit eröffneten, die Zeitspanne zwischen der Hauptverhandlung und der schuldrechtlichen Einigung zu vergrößern.
Trotz der vermeintlichen Unanwendbarkeit des Schreibens aufgrund der vorgenannten Umstände sollten die im Anwendungsbereich geforderte Berufsträgerbescheinigung eingeholt werden, wonach keine Erkenntnisse über Absprachen des Steuerpflichtigen im Hinblick auf den über den Dividendenstichtag vollzogenen Erwerb der Aktien im Sinne der Steuerbescheinigung sowie entsprechende Leerverkäufe, bei denen § 44 Abs. 1 Satz 3 i. V. mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG keine Anwendung gefunden hat, vorlägen. Hierfür sollte der Begriff der Absprachen – ohne Offenlegung – dahingehend verengend interpretiert werden, dass hiermit nur in unmittelbarem Kontakt vorgenommene Vereinbarungen gemeint seien, während bei einem zwischengeschalteten Intermediär, der die jeweiligen Verhandlungspositionen als Bote überbringt, keine solche vorläge.
Die außerbörslich (OTC) geschlossenen Geschäfte sollte über die Trade-Entry-Funktion der Börse abgewickelt werden, um zu suggerieren, diese seien anonym und ohne Absprache geschlossen worden.
In schriftlichen Dokumenten wie dem Verkaufsprospekt oder A Diligence Unterlagen sollte verschwiegen werden, dass der Profit aus der Steuererstattung resultiert. Ebenfalls sollten die von N mithilfe der Intermediäre getroffenen Absprachen nicht erwähnt werden.
Durch die Nutzung eines Fonds sollte zudem sichergestellt werden, dass durch die Depotbank unmittelbar eine Auszahlung der Bruttodividende erfolgte und so ein Zugriff auf den Profit gewährleistet wäre, bevor überhaupt eine Befassung des Finanzamtes erfolge. Dies wurde von Dr. D in Besprechungen als „market at source“ bezeichnet.
Der Großteil der Gewinne sollte von vornherein nicht im Fonds anfallen. Das Fondlevel sollte vielmehr einem CumCum-Level ähneln, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Durch die zeitnahe Auszahlung der Investoren und Auflösung des Fonds sollte auch ein späterer Zugriff der Behörden auf die erzielten Profite vereitelt werden.
Der Angeklagte nahm an diesen Besprechungen nicht teil. Er wusste aber, dass über die Zeit immer mehr regulatorische und rechtliche Barrieren aufgebaut wurden, die es immer schwieriger machten, diese Transaktion umzusetzen und dass die Beteiligten hierauf durch verschiedene Maßnahmen reagierten. Er bekam auch die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die geplanten Geschäfte mit.
Zu dem vereinbarten Aufgabenbereich von Dr. D gehörte die Erstellung eines rechtlichen Gutachtens für den geplanten C-Fonds.
278Dr. D hatte entsprechende Gutachten bereits in der Vergangenheit für verschiedene Teilnehmer an CumEx-Geschäften erstattet und fortlaufend an sich ändernde Rechtslagen angepasst. Die Kosten, die mit rund 500.000,- Euro veranschlagt wurden, sollte der Fonds tragen.
279Der Gutachtenauftrag sollte hierbei nicht dazu dienen, nach einer ergebnisoffenen Prüfung eine neutrale rechtliche Einschätzung zu erhalten. Dem stand bereits entgegen, dass Dr. D über die rechtliche Beratung hinaus vielfältig in die Geschäfte involviert war und finanziell erheblich am Gewinn beteiligt werden sollte. Insofern diente das Gutachten lediglich dazu, den Eindruck einer Unbedenklichkeit der Transaktionen zu erwecken, deren Durchführung von den Beteiligten bereits beschlossen war.
280Durch das Gutachten sollte insbesondere den Problemen begegnet werden, die durch das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 aufgeworfen worden waren. Dr. D beschränkte sich hierbei auch nicht darauf, einen korrekt dargestellten Sachverhalt rechtlich einseitig zu bewerten. Vielmehr ging es bereits auf Sachverhaltsebene darum, die Art der konkreten Geschäfte zu verschleiern. Der Sachverhalt, der dem Gutachten zugrunde liegen sollte, wurde eng zwischen Dr. D/Dr. E und der A, hier insbesondere in Person von N, abgestimmt und in einem sogenannten „Fact Pattern“ festgehalten. Auch N wusste dabei, dass die dort beschriebene Tatsachengrundlage nicht zutreffend war.
281So benannten weder der „Fact Pattern“ noch das 84-seitige Gutachten („Steuerliches Gutachten zur Ausnutzung von Marktineffizienzen bei dem Handel mit Aktien über den Hauptversammlungsstichtag“), welches Dr. D der C Investment AG unter dem 31.03.2010 zur Verfügung stellte, offen, dass der Gewinn der Geschäfte allein aus einer Steuererstattung resultiert. Stattdessen wurde die Ausnutzung – tatsächlich nicht existenter – Marktineffizienzen als Grund für die Gewinne behauptet. Ferner wurde zugrunde gelegt, dass sämtliche Geschäfte zu drittüblichen Konditionen und Preisen eingegangen werden, obwohl die Absicherungsgeschäfte gerade nicht marktgerecht bepreist waren, um so den beim Leerverkäufer eingetretenen Gewinn zu verteilen. Ferner wurde angegeben und zur Grundlage der rechtlichen Bewertung gemacht, dass den Geschäften keine Absprachen zwischen der Verkäufer- und Käuferseite zugrunde liegen, obwohl die langfristig geplanten Geschäfte umfangreiche Verhandlungen und Vereinbarungen („soft commitments“) voraussetzten. Dass dem insofern eine stark verengende Interpretation des Begriffs der Absprache zugrunde lag, wurde nicht offengelegt.
282Das Gutachten wurde wie erwähnt für den Fonds bzw. die diesem übergeordnete C AG erstellt. Der Angeklagte hat das – auf Deutsch verfasste Gutachten – nicht gelesen. Er kannte aber den Inhalt des dem Gutachten zugrundeliegenden englischsprachigen „Fact Patterns“, das in gleicher oder lediglich leicht veränderter Form an weitere zwischen A und C ausgetauschte Dokumente angehängt wurde.
283Zudem kam es am 22.03.2010 in den Räumlichkeiten der A in C 5 zu einem – bereits erwähnten – Treffen zwischen J und einem weiteren Mitarbeiter von C, AO, mit N und M, an dem auch der Angeklagte teilnahm. Dieses Treffen erfolgte im Rahmen einer Due Diligence Prüfung, die für die von der C beabsichtigte Auslagerung der Anlageverwaltung auf A regulatorisch vorgeschrieben war. Der Prozess sah nicht nur vor, dass C die für A handelnden Personen persönlich kennenlernen musste, sondern auch, dass die beabsichtigte Strategie näher besprochen und in einem entsprechenden Protokoll niedergelegt wurde. In diesem Protokoll wurde dann zwar ein Aktienerwerb Cum-Dividende und eine Lieferung Ex-Dividende beschrieben, zugleich wurde aber im Weiteren – entsprechend dem „Fact Pattern“– ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt: So wurde wahrheitswidrig behauptete, dass der Gewinn aus der Ausnutzung von Marktineffizienzen resultiere und die Transaktionen zu marktgerechten Preisen abgewickelt würden. Ferner heißt es dort:
284„Die für das Investmentvermögen handelnden Personen sind angewiesen worden, keine ungedeckten Verkäufe (naked short Sales) über Aktien einzugehen und auch keine Absprachen mit Verkäufern von Aktien und Future Kontrakten diesbezüglich zu treffen. Alle handelnden Personen erfüllen ihre Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, Anmeldungen etc. gegenüber den Finanzbehörden rechtzeitig, richtig und vollständig.“
285Der Angeklagte wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass diese Angaben falsch waren. Ihm war insoweit auch bewusst, dass die Gründe für die falsche Darstellung in den Unterlagen wie dem „Fact Pattern“ oder dem Protokoll steuerliche Gründe hatte und ging daher davon aus, dass (auch) gegenüber den Steuerbehörden keine Offenlegung des tatsächlichen Sachverhalts erfolgen würde.
Am 01.12.2009 nahmen J und K hierzu an einem Treffen mit Vertretern von BU teil, in welchem die geplante CumEx-Strategie eindeutig benannt und auch das Risiko einer zu Unrecht erstatteten Kapitalertragsteuer diskutiert wurde.
287Dr. D und Dr. E waren mit dem Vorgehen J nicht einverstanden, weil sie hierin ein unnötiges Risiko sahen, dass die Einschätzung gegebenenfalls nicht das erwünschte Ergebnis erbringen könnte. Um auf das Ergebnis der Risikoeinschätzung Einfluss zu nehmen, übersandte Dr. D eine Vorversion des von ihm erstellten Gutachtens an BU und führte ein persönliches Gespräch mit einem ihm bekannten Partner von BU.
288Dennoch kam BU in ihrem am 31.03.2010, d.h. vor Beginn der Handelssaison, an J übersandten Entwurf der Risikoanalyse („Steuerliche Risiken der geplanten Anlagestrategie des „BU“) zu dem Ergebnis, dass die geplanten CumEx-Geschäfte erheblichen steuerrechtlichen Risiken unterlägen. So wurde unter anderem der von Dr. D vertretene Übergang wirtschaftlichen Eigentums nach § 39 Abs. 2 AO kritisch beurteilt. Selbst bei einer nicht unmittelbaren Anwendbarkeit des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 sei eine entsprechende, ggf. auch nachträgliche Ausweitung auf das Jahr 2010 zu befürchten. Bezüglich der Berufsträgerbescheinigungen sei davon auszugehen, dass „ein beauftragter Berufsträger bei der Prüfung, ob sich im Rahmen der vorliegenden Transaktion Anhaltspunkte für ‚Absprachen‘ im Sinne des BMF-Schreibens identifizieren lassen, ein weites Verständnis von ‚Absprachen‘ zugrunde legen wird. Denn eine am reinen Wortlaut orientierte Auslegung von Absprachen als unmittelbare und direkte Kommunikation zwischen den Parteien eines Aktienkaufs und darauf gestützte Prüfungshandlungen durch den Berufsträger [gehe] am beabsichtigten Zweck des BMF-Schreibens vorbei.“
289Im Ergebnis sah BU als einzig wirksames Mittel zur Minderung aller bestehenden Risiken nur die Vermeidung sämtlicher vorgesehenen CumEx-Geschäfte.
290Trotz dieser Einschätzungen entschied C in Abstimmung mit Dr. D und Dr. E die geplanten Transaktionen wie geplant durchzuführen. C entzog BU den Auftrag, sodass die Risikoeinschätzung im Entwurfsstadium verblieb.
291Der Angeklagte kannte den Inhalt dieses Entwurfs nicht.
Nachdem die Planungen und weiteren vorbereitenden Maßnahmen zwischen den Beteiligten abgestimmt und vorbereitet worden waren, entschieden N und die weiteren Beteiligten ab Februar 2010 mit der Schaffung der für die Geschäfte benötigten Struktur zu beginnen, die als Doppelung neben den ebenfalls geplanten BK-Fonds treten sollten und mit der die CumEx-Geschäfte entsprechend der in den Vormonaten vorgenommenen Tatplanung umgesetzt werden sollten:
Mit notarieller Urkunde vom 10.02.2010 gründeten J, K und L die C Investmentaktiengesellschaft mit Teilgesellschaftsvermögen (BV). Als Sitz der Gesellschaft war zunächst C 3 bestimmt, welcher später nach C 4 verlegt wurde.
294Die Aktien an der BV wurden zu 49 % von der C Wertpapierhandelsbank AG gehalten und zu 51 % von einer BW GbR, welche von J, K und L eigens für diesen Zweck gegründet worden war und diesen zu gleichen Teilen gehörte.
295Unter dem Dach der BV wurde sodann zum 31.03.2010 der BU aufgelegt. Als Publikumsinvestmentvermögen mit zusätzlichen Risiken nach § 112 BV war der BU nach § 11 Abs. 1 S. 2 lnvStG a.F. von der Errichtung von Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag befreit. Eine entsprechende Nichtveranlagungsbescheinigung wurde auf Antrag am 29.03.2010 durch das Finanzamt C 3 erteilt.
Mit dem als „discretionary investment managment and marketing agreement“ bezeichneten Vertrag vom 22.03.2010 lagerte die BV das Investment Management für den BU auf A aus. Dies versetzte A in die Lage, die geplanten Transaktionen durchzuführen und selbst die hierfür erforderlichen Kauf- und Verkaufsaufträge für den Fonds zu erteilen.
297Als Fondsadministrator, der unter anderem die Buchhaltung des Fonds übernehmen sollte, wurde die BXl lnvestmentaktiengesellschaft mbH (im Folgenden: BXl) mit Vertrag vom 17./23.03.2010 eingesetzt.
298Mit Vertrag vom 26./29.03.2010 wurde die F Bank Deutschland GmbH als Depotbank des BU beauftragt. Diese Auswahl hatte die BaFin bereits am 17.03.2010 genehmigt.
299Dr. D und Dr. E wurden über ihre damalige Kanzlei AQ & ARf ein Mandat für die rechtliche Beratung der C InvAG erteilt.
300AS Capital und Link wurden als Broker im Zusammenhang mit den physisch gesettelten Futures und den gegenläufigen auf Barausgleich gerichteten Futures ausgewählt.
301Darüber hinaus wurden in der Folge zahlreiche weitere Rahmenverträge mit den Leveragegebern, weiteren Brokern sowie Future-Clearern geschlossen, um sowohl die eigentlichen CumEx-Geschäfte, als auch den „Unwind“ und die Gewinnverteilungsgeschäfte durchzuführen.
Der im März 2010 fertig gestellte Verkaufsprospekt des BU legte nicht offen, dass die Anlagestrategie des Fonds darin bestand, CumEx-Geschäfte durchzuführen und hierdurch einen Profit aus der Steuererstattung zu generieren. Die „Anlagepolitik“ wurde – in enger Anlehnung an Formulierungen aus dem Gutachten von Dr. Dr – darin vielmehr wie folgt beschrieben:
303„Das Teilgesellschaftsvermögen wird vornehmlich marktneutrale Arbitrage-Strategien, insbesondere in Bezug auf Aktien und Futures verfolgen. Die Umsetzung der Anlagestrategie beinhaltet insbesondere das Eingehen von Investments in Aktien, (Aktien-)Futures, Optionen und Aktienderivaten. Grundsätzlich werden im Rahmen der verfolgten Anlagestrategie Transaktionen eingegangen, bei denen von Preisineffizienzen der verschiedenen Finanzinstrumente partizipiert wird. Das Marktrisiko wird bei diesen Transaktionen üblicherweise durch entsprechende Gegenpositionen abgesichert. Insbesondere sollen im Rahmen der verfolgten Anlagestrategie Preisineffizienzen zwischen Aktien oder von Aktien abgeleiteten Derivaten und anderen, mit diesen korrelierenden Derivaten und Finanzinstrumenten genutzt werden.“
304Eine identische Beschreibung der Anlagestrategie war auch in den mit Bescheid vom 17.03.2010 durch die BaFin genehmigten Anlagebedingungen enthalten.
305Auch die bei A erstellten Due Diligence Unterlagen für den BU beschreiben die Strategie – in englischer Sprache – entsprechend. Als größtes Risiko wurde nicht das steuerrechtliche Risiko angegeben, sondern operationelle Risiken. Der Angeklagte, der an der Erstellung dieses Dokuments beteiligt war, erkannte, dass die Handelsstrategie des Fonds dadurch auch in diesem Dokument unzutreffend dargestellt wurde.
Sowohl Dr. D/Dr. E, als auch A und C brachten jeweils Investoren in den BU ein.
307Dr. D und Dr. E hatten – vermittelt über den gesondert verfolgten AD – AT für ein Investment von 50 Millionen Euro gewinnen können. Hierfür erhielt AD eine Provision von Dr. D/Dr. E von 3 Millionen Euro. AT unterschrieb dementsprechend am 26.03.2010 einen Zeichnungsschein über 500.000 Stück Aktien des BU zum Preis von 100,- Euro pro Aktie.
308Der von A eingebrachte Investor war der C 15. Es handelte sich um einen bestehenden Kontakt der A, der bereits zuvor in Produkte der A investiert hatte. Der Angeklagte war in die insoweit maßgeblich von N geführten Verhandlungen insoweit eingebunden, als dass er Unterlagen vorbereitete und versandte und an einem Treffen mit Vertretern des C 15 teilnahm. Der C 15 erwarb am 16.04.2010 Aktien des BU im Wert von 19.999.953,16 Euro.
309Die übrigen Investoren wurden durch die C Bank über den gesondert Verfolgten Prof. Dr. AU vermittelt. Dr. AV und AW investierten über eine C 16 12 Millionen Euro. Dr. AX investierte 2.500.000 Euro. Weitere Zeichnungsscheine wurden durch AY über die AZ AG (3.000.000 Euro) und durch BY (150.000 Euro), sowie durch den gesondert Verfolgten Prof. Dr. AU selbst (100.000 Euro) eigereicht.
310Insgesamt stand dem BU damit ein Betrag von rund 87,75 Millionen Euro an privaten Investorengeldern zur Verfügung.
Sobald die Entscheidung über die Zusammenarbeit mit einem der beteiligten Unternehmen gefallen war, wurde der Angeklagte in die Festlegung bzw. Erörterung operativer Aspekte einbezogen. Er übernahm den Versand und Empfang von Unterlagen im Zusammenhang mit der Einrichtung des Fonds und den entsprechenden Vereinbarungen. Er erledigte Back-Office-Arbeiten, wie den Austausch von erforderlichen Informationen und Dokumenten zur Vorbereitung der Zusammenarbeit mit den weiteren beteiligten Unternehmen. Er war stark eingebunden in die technischen Fragen, etwa wie sich der – von N erstellte – Handelsplan praktisch umsetzen lasse. Hierzu war die Festlegung von konkreten Abläufen am Handelstag, passenden Kommunikationswegen und Dateiformaten erforderlich, um das notwendige reibungsloses Zusammenspiel der Beteiligten zu gewährleisten.
312Sowohl N als auch M bezogen im März 2010, d. h. vor Beginn des britischen Steuerjahres ein Büro in C 2, um die erwarteten persönlichen Profite aus den CumEx-Transaktionen nicht in Großbritannien versteuern zu müssen. Der Angeklagte folgte ihnen während der Handelsphase für mehrere Monate nach C 2, damit er enger mit beiden zusammenarbeiten konnte.
313Am Handelstag bestand die Aufgabe des Angeklagten darin, die Käufe und Verkäufe gemäß den Handelsplänen auf Anweisung N umzusetzen. Der Angeklagte ließ sich sowohl bei den eigentlichen CumEx-Geschäften als auch den Geschäften zur Gewinnverteilung jeweils die einzelnen Parameter des durchzuführenden Trades nochmals von N bestätigen und gab dann den Auftrag an den jeweiligen Broker weiter. Auch bei der Auflösung der Aktienpositionen war der Angeklagte entsprechend eingebunden.
314Die Aufgabe des Angeklagten bestand ferner darin, die Handelsbestätigungen der Broker über die Ausführung der Aufträge zu prüfen und diese in Tabellenkalkulationen einzugeben, die erforderlichen Berichte zu erstellen und an die anderen Beteiligten, z. B. den Fondsadministrator, zu übermitteln. Er hatte auch den Nettoinventarwert des Fonds im Auge zu behalten.
315Dem Angeklagten war dabei aufgrund seiner Vorerfahrungen mit dem BK Fonds 2009, sowie der mittlerweile von ihm erlangten weiteren Kenntnisse zur Herkunft der Gewinne, der Verheimlichung der wahren Strukturen der Transaktionen (etwa Absprachen und Leerverkäufe) sowie der exorbitanten Profiterwartungen bereits im Vorfeld der Handelssaison 2010 klar, dass diese Transaktionen dazu führen konnten, dass steuerrechtlich unzulässige Steuererstattungen generiert werden. Er ging insbesondere davon aus, dass bei Offenlegung des wahren Sachverhalts die Steuer nicht erstattet werden würde. Er ging insoweit jedenfalls von einem hohen Risiko aus, dass von N und den weiteren Beteiligten steuerrechtswidrige Handlungen vorgenommen werden würden, um dennoch eine Steuererstattung zu erhalten. Dies nahm er jedoch in Kauf und setzte seine Tätigkeit für den Fonds fort.
Wie bereits erwähnt, enthielt der Handelsplan die Angaben zu den Wertpapieren, die Menge, den Preis sowie die jeweiligen Broker. N berechnete hierbei die Preise anhand einer Preiskalkulation, die die aktuellen Aktienkurse, Zinseffekte und das vereinbarte Dividendenlevel berücksichtigte. Tatsächlich erstellte N auf diese Weise nicht nur ein, sondern drei Trading Sheets, eines für den unmittelbaren Handel mit dem BU und je eines für die Geschäfte mit dem C 11 und dem BW. Aufgrund des hohen Handelsvolumens wurden wenige Geschäfte pro Tag ausgeführt. Am Vormittag wurden die Geschäfte für den BU ausgeführt, am Nachmittag die französischen Futures für den C 11 und BW getätigt.
317Der Tatplanung und dem Handelsplan entsprechend übermittelte der Angeklagte namens des C 11 über Bloomberg an den Broker AS für die jeweiligen Aktiengattungen den Auftrag, physikalisch gesettelte Futures außerbörslich (OTC) zu erwerben und über die B-Clear Funktion der Londoner Derivatebörse LIFFE abzuwickeln. Der Kauf erfolgte hierbei in der Regel mehrere Tage vor dem Hauptverhandlungstag, teilweise auch erst an diesem selbst. Allen Transaktionen war gemein, dass die Futures kurz vor oder spätestens am Hauptverhandlungstag ausliefen, während die tatsächliche Lieferung erst nach diesem erfolgte, es sich mithin um CumEx-Geschäfte handelte. AS wandte sich sodann in Umsetzung dieses Auftrages an den Leerverkäufer bzw. den vorgeschalteten Intermediär. In jedem Fall handelte es sich um im Vorfeld abgesprochene ungedeckte Leerverkäufe.
318Allen Transaktionen war zudem weiterhin gemein, dass sie sich auf Aktienwerte deutscher DAX-Konzerne bezogen, bei denen die erwartbare Dividende der Kapitalertragsteuer unterfiel. Da dies für die Dividende der Deutschen Telekom im Jahr 2010 nicht der Fall war, war der Handel mit Telekom-Aktien bereits im Vorfeld ausgeschlossen worden. Die Dividende war für die geplanten CumEx-Geschäfte mangels Steuerbelastung unbrauchbar.
319A und die Beteiligten nutzten bei ihren Geschäften gezielt den Umstand, dass die B-Clear Funktion eine viertägige Lieferfrist (t+4) vorsah, was im Vergleich zur Abwicklung über die vergleichbare Trade Entry Funktion der EUREX (t+2) eine größere Flexibilität der Handelstage und damit die größtmögliche Ausschöpfung des vorhandenen Leveragekapitals ermöglichte.
320Zugleich mit dem Kaufauftrag erteilte der Angeklagte über den Broker C 17 an AL (bzw. später AM) den Auftrag, einen auf Barausgleich gerichteten („cash-settled“) Future über die gleiche Aktiengattung außerbörslich zu verkaufen, um das physische Geschäft abzusichern und hierdurch alle Kursrisiken, aber auch die Chance auf Kursgewinne auszuschließen. Auch für diese Geschäfte wandte sich der Broker entsprechend der im Vorfeld getroffenen Absprache an die Leerverkäuferseite und auch dieses außerbörslich geschlossene Geschäft wurde anschließend über die B-Clear Funktion der LIFFE abgewickelt.
321In die Absicherungsgeschäfte (cash-settled Futures) waren die verschiedenen Dividendenlevel zur Gewinnverteilung eingepreist. Während AL/AM gegenüber der Leerverkäuferseite entsprechend der im Vorfeld getroffenen Absprachen den „Floorlevel“ von durchschnittlich 79 % der Bruttodividende zugrunde legte, wurde an den BU wie geplant nur der „Fundlevel“ von durchschnittlich 93% weitergegeben. Die Spanne von durchschnittlich 14 % wurde zunächst bei AL/AM zurückgehalten und zu einem späteren Zeitpunkt des Tages über Futures auf französische Aktien in den BV bzw. BW gehandelt. Hierfür nutzte A Konten bei BA und BB Financial.
322Bereits vor der tatsächlichen Lieferung der Aktien wurden die Geschäfte für den „Unwind“ abgeschlossen, die eine Lieferung der Aktien Ex-Dividende an den jeweiligen Leveragegeber AH, Y oder AI vorsahen. Während dies bei Y und AI über „normale“ Aktienverkäufe erfolgten, wurde dies bei AH durch die Kombination gegenläufiger Kaufs- und Verkaufsoptionen („put-call-Kombination“) über die entsprechende Gattung und Anzahl der Aktien erreicht. Den Geschäften war gemein, dass sie nicht marktgerecht bepreist waren, sondern so, dass der vom Leveragegeber zu zahlende Preis um die vereinbarte Leveragegebühr reduziert war. Auch die Aufträge an die jeweiligen Broker für diese Geschäfte wurden – auf Anweisung N – durch den Angeklagten erteilt.
323Zum Zeitpunkt der Lieferung der Aktien an den Fonds aus den physikalisch gesettelten Futures wurden diese in dem Depot des Fonds verbucht, woraufhin die Gutschrift der Dividendenkompensationszahlung samt Steueranteil, d. h. eine Gutschrift in Höhe der Bruttodividende, durch die F Bank erfolgte. Die Aktie wurde allerdings nicht längere Zeit vom Fonds gehalten, sondern aufgrund des zuvor abgeschlossenen „Unwinds“ und der daraus folgenden Lieferverpflichtung des Fonds gegenüber dem Leveragegeber regelmäßig unmittelbar wieder „ausgebucht“. Dies bot den Vorteil, dass auch die für die Durchführung der Geschäfte benötigten Geldmittel nur sehr kurz gebunden waren und so zeitnah für weitere Transaktionen verwandt werden konnte. Das im Fonds eingezahlte Investorenkapital wurde hierbei wie geplant bis zum 20-Fachen gehebelt.
Auf die vorstehend beschriebene Weise wurden in der Dividendensaison 2010 folgende CumEx-Leerkauftransaktionen über den Dividendenstichtag für den BU getätigt:
325Sammelantrag vom 06.05.2010 (Fall 1 der Anklage) |
|||||
Transaktionsheft |
Gattung |
Stückzahl Aktien |
Tag der Hauptversammlung |
Höhe der Bruttodividende pro Aktie in EUR |
Summe KESt zzgl. SolZ in Euro |
1.1 |
MAN |
80.000 |
01.04.2010 |
0,25 |
5.275,00 |
1.2 |
Merck |
1.906.000 |
09.04.2010 |
1,00 |
502.707,50 |
1.3 |
Bilfinger |
1.357.000 |
15.04.2010 |
2,00 |
715.817,50 |
1.4 |
Henkel |
5.375.000 |
19.04.2010 |
0,53 |
751.357,81 |
1.5 |
VW |
3.500.000 |
22.04.2010 |
1,66 |
1.532.387,50 |
1.6 |
RWE |
13.037.000 |
22.04.2010 |
3,50 |
12.034.780,62 |
1.7 |
Münchner Rück. |
5.700.000 |
28.04.2010 |
5,75 |
8.644.406,25 |
1.8 |
BASF |
22.658.000 |
29.04.2010 |
1,70 |
10.159.280,75 |
1.9 |
Beiersdorf |
5.600.000 |
29.04.2010 |
0,70 |
1.033.900,00 |
= 35.379.912,93 |
Sammelantrag vom 07.06.2010 (Fall 2 der Anklage) |
|||||
Transaktionsheft |
Gattung |
Stückzahl Aktien |
Tag der Hauptversammlung |
Höhe der Bruttodividende pro Aktie in EUR |
Summe KESt zzgl. SolZ in Euro |
2.1 |
Bayer |
20.800.000 |
30.04.2010 |
1,40 |
7.680.400,00 |
2.2 |
Linde |
2.790.000 |
04.05.2010 |
1,80 |
1.324.552,50 |
2.3 |
Allianz |
12.250.000 |
05.05.2010 |
4,10 |
13.246.843,75 |
2.4 |
Metro |
5.400.000 |
05.05.2010 |
1,18 |
1.680.615,00 |
2.5 |
EON |
43.200.000 |
06.05.2010 |
1,50 |
17.091.000,00 |
2.6 |
Adidas |
5.700.000 |
06.05.2010 |
0,35 |
526.181,25 |
2.7 |
Fresenius Medical Care |
1.300.000 |
11.05.2010 |
0,61 |
209.153,75 |
2.8 |
K + S |
3.800.000 |
11.05.2010 |
0,20 |
200.450,00 |
2.9 |
Hochtief |
700.000 |
11.05.2010 |
1,50 |
276.937,50 |
2.10 |
Fresenius SE |
2.000.000 |
12.05.2010 |
0,76 |
400.900,00 |
2.11 |
BMW |
17.750.000 |
18.05.2010 |
0,30 |
1.404.468,75 |
2.12 |
Deutsche Börse |
5.750.000 |
27.05.2010 |
2,10 |
3.184.781,25 |
2.13 |
Deutsche Bank |
17.750.000 |
27.05.2010 |
0,75 |
3.511.171,87 |
2.14 |
Lanxess |
2.450.000 |
28.05.2010 |
0,50 |
323.093,75 |
= 51.060.549,37 |
Sammelantrag vom 05.07.2010 (Fall 3 der Anklage) |
|||||
Transaktionsheft |
Gattung |
Stückzahl Aktien |
Tag der Hauptversammlung |
Höhe der Bruttodividende pro Aktie in EUR |
Summe KESt zzgl. SolZ in Euro |
3.1 |
Fraport |
2.700.000 |
02.06.2010 |
1,15 |
818.943,75 |
3.2 |
SAP |
36.000.000 |
08.06.2010 |
0,50 |
4.747.500,00 |
= 5.566.443,75 |
Gesamtsumme KESt zzgl. SolZ: 92.006.906,05 Euro
Für das Erstattungsverfahren war aufgrund einer Gesetzesänderung im Gegensatz zum Jahr 2009 nicht mehr das Bundeszentralamt für Steuern zuständig, sondern nunmehr das Betriebsstättenfinanzamt der Depotbank, vorliegend das Finanzamt München.
330Die elektronischen Erstattungsanträge wurden dort dergestalt bearbeitet, dass ausschließlich formale Überprüfungen erfolgten, beispielsweise der örtlichen Zuständigkeit und ob für einen Vorgang doppelte Erstattungsanträge eingereicht wurden. Im Anschluss an diese Prüfungen wurde regelmäßig die Auszahlung der angemeldeten Erstattungsbeiträge verfügt, ohne dass eine weitergehende Prüfung der materiellen Erstattungsvoraussetzungen erfolgte.
Anlässlich des Zuständigkeitswechsels vom Bundeszentralamt für Steuern auf das Betriebsstättenfinanzamt wandte sich die F Bank bereits vor der Stellung des ersten Erstattungsantrages mit einem Schreiben vom 22.04.2010 an das Finanzamt München. In diesem gab sie an, dass zu ihren Kunden derzeit überwiegend Kapitalanlagegesellschaften gehören würden, welche für die von ihnen verwaltete Investmentvermögen handelten, die über eine Nichtveranlagungsbescheinigung verfügen würden. Erzielten die inländischen Investmentvermögen Kapitalerträge, bei denen die KESt durch den Emittenten einbehalten worden sei (dies betreffe im Wesentlichen inländische Dividenden) vergüte die F Bank dem inländischen Investmentvermögen diese KESt schon bei Gutschrift der Dividenden. Aufgrund des Aktienbesitzes der inländischen Investmentvermögen sei während der Dividendensaison zwischen April und Juni aufgrund der vorgenannten Erstattungen mit einer erheblichen Erhöhung der Forderungen im Rahmen der Kapitalsteueranmeldungen zu rechnen. Man gehe seitens der F Bank von Forderungen von 250 bis 300 Millionen für die Monate April bis Juni aus. Vor diesem Hintergrund bitte man das Finanzamt abweichend von der gesetzlichen Regelung aus Billigkeitsgründen nicht monatliche, sondern wöchentliche Erstattungen vorzunehmen.
332Einen Hinweis darauf, dass jedenfalls den auf den BU entfallenden Erstattungen CumEx-Leerverkaufsgeschäfte zugrunde liegen würden, bei denen die Steuer von der Dividendenkompensationszahlung zuvor nicht abgezogen und mit der weder der Verkäufer noch eine andere Stelle belastet worden war, enthielt das Schreiben nicht. Ein solcher Hinweis erfolgte auch nicht später bzw. nachträglich.
333Das Finanzamt München lehnte die Bitte um eine wöchentliche Erstattung mit Schreiben vom 11.05.2010 ab.
Die F Bank erteilte dem BU jeweils unmittelbar eine Gutschrift in Höhe der Bruttodividende. Anschließend meldete sie – wie von N und den weiteren Beteiligten von Anfang an geplant – in ihren monatlichen Kapitalertragsteueranmeldungen für die Monate April, Mai und Juni 2010 unter anderem die auf die hier verfahrensgegenständlichen CumEx-Geschäfte des BU entfallenden Beträge zur Erstattung der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlägen gegenüber dem Finanzamt München an. So entfielen in den Erstattungsanmeldungen der F für April 35.379.912,03 Euro, für Mai 51.060.549,37 Euro und für Juni 5.566.443,75 Euro, mithin insgesamt 92.006.906,05 Euro, auf den BU.
335In den elektronisch erstellten und an das Finanzamt München übermittelten Anmeldungen vom 06.05.2010 (für April), vom 07.06.2010 (für Mai) und vom 05.07.2010 (für Juni) wurde zudem nicht darauf hingewiesen, dass den Anrechnungsbeträgen im Umfang von zusammen 92.006.906,05 Euro CumEx-Leerverkäufe des BU zugrunde lagen, bei denen die Steuer von der Dividendenkompensationszahlung zuvor nicht abgezogen und mit der weder der Verkäufer noch eine andere Stelle belastet worden war. In den Anmeldungen hieß es in der hierfür vorgesehenen Zeile 10 stattdessen jeweils ausschließlich:
336„… |
|||
Kapitalertragsteuer EUR I CT |
Solidaritätszuschlag EUR I CT |
||
… |
|||
10 |
Summe der Erstattungsbeträge i.S.d. § 44b Abs. 6 Satz 1 bis 3 EStG |
[Bezifferung des jew. Betrages] |
[Bezifferung des jew. Betrages] |
…“ |
Gegenüber dem Finanzamt München wurde auch ansonsten nicht angezeigt, dass den geltend gemachten Erstattungsbeträgen CumEx-Leerkaufgeschäfte zugrunde lagen, bei denen ein Steuerabzug auf die Dividendenkompensationszahlung an keiner Stelle erfolgte. Auch wurde nicht darauf hingewiesen, dass den einzelnen Transaktionen jeweils Absprachen zugrunde lagen. Auch nachträglich erfolgte eine entsprechende Offenlegung nicht.
338Die Kammer hat nicht festgestellt, ob die bei der F Bank für die Einreichung der Steuererklärung Verantwortlichen bei Abgabe der jeweiligen Kapitalertragsteuer-Anmeldungen Kenntnis von den Details der zugrundeliegenden Geschäfte hatten, insbesondere davon, dass die für den BU geltend gemachten Steuererstattungen im Umfang von 92.006.906,05 Euro zuvor nicht einbehalten und abgeführt worden waren.
Die in den Erstattungsanträgen angegebenen Beträge wurden durch das Finanzamt München ohne Überprüfung der materiellen Erstattungsvoraussetzungen übernommen. Insbesondere erfolgte – wie in diesen Verfahren üblich – keine Prüfung bezüglich der Frage, ob den geltend gemachten Beträgen überhaupt entsprechende Steuerabzüge bzw. -abführungen gegenüberstanden.
340Die zuständigen Mitarbeiter des Finanzamtes München hatten im Jahr 2010 keine Kenntnis davon, dass auf CumEx-Leerkauftransaktionen zurückgehende Erstattungsbeträge im Millionenbereich zur Verrechnung bzw. Erstattung angemeldet wurden, obwohl diesen keine vorherigen Steuerabführungen in entsprechendem Umfang gegenüberstanden. Auch hatte seitens des Finanzamtes München – wie bereits erwähnt – keine eigenständige Prüfung der Erstattungsvoraussetzungen im Falle eines CumEx-Leerverkaufs stattgefunden.
341Das Finanzamt München stimmte den angemeldeten Erstattungen mit Verfügungen vom 19.05.2010 (für April), 14.06.2010 (für Mai) und 13.07.2010 (für Juni) im beantragten Umfang, mithin auch im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen 92.006.906,05 Euro zu und zahlte sie an die F Bank aus.
Wie von Anfang an beabsichtigt, erklärten sämtliche Investoren die Rückgabe ihrer Anteile an dem BU zum 30.06.2010. Ihnen wurde daraufhin ihre Einlage zuzüglich einer Rendite in Höhe von rund 10 % zurückgezahlt.
343Wie von Anfang an geplant, wurde der Fonds zum 31.03.2011 endgültig geschlossen.
Während die am Ende der Handelssaison im BU verfügbaren Gelder dazu genutzt wurden, um den Investoren ihre Anlagesummen nebst der zugesicherten Rendite auszuzahlen, standen den weiteren Beteiligten die in den BV und den BW gehandelten Profite zur Verfügung.
345In Übereinstimmung mit dem gemeinsamen Tatplan waren 10 % der Bruttodividende (Differenz zwischen 83 % und 93 %), d. h. rund 35 Millionen Euro, in den BV gehandelt worden.
346Entsprechend der im Vorfeld getroffenen Gewinnvereinbarung erhielten A und Dr. D/Dr. E hieraus jeweils rund 13,6 Millionen Euro, während zusammen rund 7,7 Millionen Euro an J, K und L flossen. Wie geplant vereinnahmten Dr. D/ Dr. E ihren Anteil über die BC Gesellschaft und J, K und L – zumindest überwiegend – über die AN Hedge Dubai. Teilweise wurden hierzu Scheinverträge über tatsächlich nicht werthaltige Leistungen geschlossen, um die Herkunft der Gelder aus den CumEx-Geschäften zu verschleiern.
347Zudem hatte A - ohne Kenntnis der übrigen Beteiligten – 4 % der Bruttodividende (Differenz zwischen 79 % und 83 %) in den BW gehandelt, wodurch A aus den Geschäften mit den BU weitere rund 14 Millionen Euro vereinnahmen konnte.
348Der Gesamtprofit von A aus den Geschäften mit den BU betrug damit rund 27,6 Millionen Euro, zuzüglich „regulärer“ Management-Gebühren von knapp einer Million Euro. Dies machte für das Jahr 2010 mehr als 45 % des Gesamtertrages der A-Gruppe aus. Zusammen mit dem BK Fond entfielen sogar rund 70% des Gesamtertrages auf CumEx-Geschäfte.
Nach der internen Verteilungsvereinbarung erhielt N hiervon nach Abzug der Kosten 25 % und M 15 %. Ein geringer Gewinnanteil wurde für verschiedene Bonuszahlungen einbehalten. Der übrige Gewinn entfiel zu gleichen Teilen auf die Partner.
350Der Angeklagte erhielt zusätzlich zu seinem Gehalt einen Bonus in Höhe von umgerechnet rund 190.000 Euro. Dieser Bonus bezog sich sowohl auf seine Tätigkeit für den BU als auch für den BK-Fonds. Von dem nach Abzug der Steuern verbleibenden Auszahlungsbetrag entfielen mindestens 60.000 Euro auf seine Beteiligung am BU.
Es war schon vor Beginn der Handelssaison beabsichtigt, für die Geschäfte des BU trotz der vermeintlichen Nichtanwendbarkeit des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 die in diesen beschriebenen Berufsträgerbescheinigungen über die Nichtvorlage von Absprachen als weitere „Verteidigungslinie“ zu erstellen und den Steuerbehörden einzureichen.
352Auf Anraten von Dr. D/Dr. E beauftragte die BV im Mai 2010 die Steuerberatungsgesellschaft BD AG mit deren Erstellung.
353Der Angeklagte war in diese Vorgänge insoweit eingebunden, als dass er auf Anweisung von N sämtliche Handelsdaten für alle Geschäfte, einschließlich derjenigen des „Unwind“ zusammenstellte. Nach der Handelssaison forderte er – wie von Anfang an geplant – von den Brokern AS Capital und Link sowie von AH, AI und Y – inhaltlich unzutreffende – Bestätigungen über die Offenlegung sämtlicher Vereinbarungen und vermeintliche Anonymität der Geschäfte an, die in der Folge erteilt wurden. So bestätigte AS beispielsweise am 17.06.2010, dass „alle Geschäfte nach den üblichen Handels- und Ausführungsgrundsätzen ausgeführt wurden und dass alle Käufer und Verkäufer anonym bleiben und einander nicht bekannt sind“.
354Seitens A wurde am 01.09.2010 eine von G unterzeichnete Bescheinigung ausgestellt, dass alle zugehörigen Vereinbarungen (egal ob schriftlich oder mündlich) und alle weiteren zugehörigen Dokumente mit allen zugehörigen Parteien in Bezug auf den Fonds gegenüber der BD offengelegt worden seien. In einer weiteren, von G unterzeichneten Bescheinigung vom 15.02.2011, bestätigte A, dass keine Absprachen über Leerverkäufe im Zusammenhang mit dem Dividendenstichtag bestünden bzw. A bekannt seien.
355Dem Angeklagten war schon vor Beginn der Handelssaison bewusst, dass es tatsächlich Absprachen über Leerverkäufe gab und diese gegenüber BD nicht offengelegt worden waren. Ihm war deshalb bewusst, dass die übermittelten Bescheinigungen unzutreffend waren, er leitete sie trotz dieser Kenntnis an die BD weiter.
356Daraufhin erstellte die BK am 28.03.2011 für den BU eine Berufsträgerbescheinigung für das Geschäftsjahr 2010. In dieser heißt es wörtlich:
357„Uns liegen auf Grund des uns möglichen Einblicks in die Unternehmensverhältnisse und nach Befragung der Investmentaktiengesellschaft keine Erkenntnisse über Absprachen der Investmentaktiengesellschaft im Hinblick auf einen über den Dividendenstichtag vollzogenen Erwerb von Aktien (…) sowie entsprechende Leerverkäufe, bei denen § 44 Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 4 EStG keine Anwendung (...) gefunden hat, vor. Hinsichtlich der von der Investmentaktiengesellschaft beauftragten externen Portfoliomanager oder Portfolioberater liegen keine Erkenntnisse vor, dass diese durch die lnvestmentaktiengesellschaft aufgefordert worden sind, solche Absprachen zu treffen und es liegen auch keine Erkenntnisse vor, dass solche Absprachen getroffen wurden.“
358Die Kammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob den handelnden Personen bei der BD bekannt war, dass den Transaktionen tatsächlich umfangreiche Absprachen zugrunde lagen.
Wie dargestellt waren an der Vorbereitung und Durchführung der Taten eine Vielzahl von Personen beteiligt. Eine ganz zentrale Figur war dabei jedenfalls der gesondert Verfolgte N, der auf Seiten der A die Planung/Strukturierung vorgenommen hat, und an zahlreichen, für den Taterfolg entscheidenden, Punkten eine bedeutende Rolle eingenommen hat, auch wenn er an der späteren Einreichung der Steuererklärung selbst nicht unmittelbar beteiligt war. So war er bereits im Spätsommer/Herbst 2009 an der Grundsatzentscheidung von A beteiligt, die CumEx-Geschäfte fortzuführen und es nicht bei CumCum-Geschäften zu belassen. Er war auch bei allen weiteren wesentlichen Entscheidungen auf Seiten der A beteiligt. Er war es, der maßgeblich die Kontakte zu den die Leerverkäufer repräsentierenden Intermediären pflegte und die entsprechenden Vereinbarungen traf. Er war in die Verhandlungen mit Leveragegebern involviert und auch an den Vereinbarungen mit der F Bank, der C Bank, sowie Dr. D/Dr. E beteiligt. Er hat mit Dr. D den „Fact Pattern“ als (falsche) Tatsachengrundlage des Gutachtens abgestimmt. Er war in die Gewinnung von C 15 als Investor eingebunden. Er hat maßgeblich das „Trading Sheet“ erstellt und dem Angeklagten die Anweisungen zu dessen Umsetzung erteilt.
N hat selbst auch in besonders hohem Maß am Taterfolg partizipiert, indem er 25 % der bei A entstanden Gewinne erhalten hat, was sich auf rund 6 Millionen Euro summierte. Jedenfalls innerhalb der A war er damit die Einzelperson mit dem höchsten Profitanteil.
N kannte alle objektiven Vorgänge und wusste insbesondere, dass es Absprachen mit Leerverkäufern gab und dass die marktneutrale Strategie allein durch die Erstattung der Steuer profitabel wurde, die zuvor nicht einbehalten und abgeführt worden war. Er wusste, dass der Sachverhalt den Steuerbehörden nicht wahrheitsgemäß offengelegt wurde, sondern vielmehr verschiedene Maßnahmen zur Verschleierung ergriffen wurden.
362N hielt es zudem bereits im Vorfeld der Taten jedenfalls für möglich und billigte, dass es infolge der falschen Angaben zu einer unberechtigten Steuererstattung kommen könnte. An diesem Vorstellungsbild hat sich im Laufe der Tatbegehung nichts geändert.
a) Tatbeiträge
364Die Beiträge des Angeklagten waren gegenüber N und weiteren Beteiligten von deutlich untergeordneter Natur. Insbesondere war er an den gewichtigen Entscheidungen zur Strategie, Beteiligung und Gewinnverteilung nicht oder nur am Rande beteiligt. Dennoch war er an verschiedenen Stellen eingebunden und trug durch seine Mitwirkung zur Umsetzung des Tatplans bei.
365So unterstützte er N und M bei der Einarbeitung in die bei A im Jahr 2009 durchgeführten Geschäfte, welche die Blaupause für den Handel im Jahr 2010 darstellten, wobei er in dieser Phase die Handelsstrategie der CumEx-Geschäfte einschließlich dessen, dass diese auf Leerverkäufen beruht, möglicherweise noch nicht in Gänze verstanden hatte.
366Aber auch nachdem ihm diese bewusst geworden war, wirkte er unmittelbar vor und während Handelssaison in verschiedener Weise mit:
367Während die eigentliche Strukturierung und Planung von anderen übernommen wurde, war er bei deren Umsetzung im unmittelbaren Vorfeld der Handelssaison in verschiedener Weise eingebunden, von der Erstellung und Versendung der notwendigen Dokumentation bis hin zur Abstimmung mit den weiteren Handelsbeteiligten, um eine reibungslose Durchführung der Transaktionen zu gewährleisten.
368Insbesondere war er während der Handelssaison stark in die Umsetzung der konkreten Transaktionen eingebunden, in dem er – wenn auch auf Anweisung – die Kauf- und Verkaufsaufträge an die Broker weitergab, deren korrekte Ausführung überprüfte und dafür sorgte, dass die jeweiligen Beteiligten die notwendige Dokumentation erhielten.
369b) Partizipation
370Der Angeklagte hat an den aus den Taten generierten Profiten nur in deutlich geringerem Maße als andere Beteiligte partizipiert. Vertraglich vereinbart war nur die Zahlung eines Festgehaltes, welches nicht an seine Beteiligung an den CumEx-Geschäften oder deren Erfolg geknüpft war.
371Nach Abschluss der Handelssaison erhielt er Ende Juni einen Bonus in Höhe von umgerechnet rund 190.000 Euro brutto, von denen nach Abzug der Steuern mindestens 60.000 Euro netto für sein Tätigwerden für den BU ausgezahlt wurden. Dass es überhaupt einen Bonus für ihn geben würde, war ihm im Vorfeld jedoch nicht zugesagt worden.
372c) Vorstellungsbild
373Der Angeklagte hatte die Handelsstrategie der CumEx-Geschäfte bereits vor Beginn der Handelssaison 2010 verstanden. Er wusste insbesondere spätestens seit Herbst 2009 dass die Strategie nicht auf „normale“ Inhaberverkäufe gerichtet war, sondern dass die Futures von Leerverkäufern erworben wurden. Er wusste, dass die Gewinne des Fonds aus der Steuerrückerstattung stammen, ohne dass vorher ein entsprechender Steuerabzug vorgenommen worden wäre, und dass man ohne die Steuerrückerstattung Verluste machen würde. Ihm war bekannt, dass hinter dem Broker noch andere Parteien standen und dass der Broker nur zwischengeschaltet wurde, um den Schein zu wahren. Er wusste, dass aus steuerlichen Gründen geplant war, (Anonymitäts-)Bestätigungen für den BU zu erstellen und dass der Inhalt dieser Bestätigungen falsch sein würde. Denn er wusste, dass es tatsächlich umfangreiche Absprachen über Leerverkäufe gab und dass diese der Steuerberatungsgesellschaft nicht offengelegt werden würden. Ihm war klar, dass die außerbörslich geschlossenen Geschäfte über die Börse abgewickelt wurden, um zu suggerieren, diese seien anonym und ohne Absprache geschlossen worden. Ihm war bekannt, dass es regulatorische Bemühungen des Gesetzgebers bzw. der Finanzbehörden gab, CumEx-Geschäfte zu unterbinden, auch wenn er sich nicht näher mit den Details befasste. Er wusste, dass in Dokumenten ein falscher Sachverhalt dargestellt wurde (Marktineffizienzen, Arbitrage, marktgerechte Preise, keine Absprachen) und diese Darstellung auch zur Verschleierung der tatsächlichen Gegebenheiten gegenüber den (Steuer)Behörden diente. Er wusste, dass eine wesentliche Vorgabe bei der Planung und Umsetzung der Geschäfte war, dass die 3-%-Schwelle nicht überschritten wurde, um keine Aufmerksamkeit der Behörden zu erzeugen, sondern „unter dem Radar zu fliegen“.
374Der Angeklagte wusste auch bereits im Vorfeld der Handelssaison, dass auch den Steuerbehörden nicht der wahre Sachverhalt offengelegt werden sollte, sondern vielmehr so getan werden sollte, als habe es keine Absprachen mit den Leerverkäufern gegeben. Daher ging er jedenfalls von einem hohen Risiko aus, dass von N und den weiteren Beteiligten steuerrechtswidrige Handlungen vorgenommen werden würden. Der Angeklagte ging ferner davon aus, dass bei Offenlegung des wahren Sachverhalts die Steuer nicht erstattet worden wäre. Er hielt es daher bereits vor Beginn der Handelssaison zumindest für möglich, dass die von ihm geförderten Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führen würden, was er zumindest in Kauf nahm. An diesem Vorstellungsbild hat sich im Laufe der Tatbegehung nichts mehr geändert.
375Der Angeklagte wusste schließlich bereits im Vorfeld der Handelssaison, welche Tätigkeiten der Zeuge N zur Umsetzung der geplanten CumEx-Geschäfte entfaltete, auch wenn er von diesem nicht laufend in alle Details eingeweiht wurde. Ebenso wusste er, welche Bedeutung die reibungsglose und verlässliche Umsetzung der von N vorgegebene Transaktionen für die geplanten Geschäfte hatte. Der Angeklagte wusste und wollte daher auch, dass seine eigenen Handlungen N bei seinem Handeln zur Umsetzung des Tatplanes unterstützten.
Das Verfahren gegen den Angeklagten hat seinen Ursprung in der Durchsuchung der Firma „BE Archivservice GmbH“ im Oktober 2014 im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die gesondert Verfolgten Dr. D und Dr. E. Unter den dort beschlagnahmten Unterlagen fanden sich auch zehn Aktenordner betreffend den BU. Im Rahmen der Auswertung dieser Unterlagen wurde im Herbst 2015 ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Der Angeklagte selbst wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Köln vom 19.08.2016 erstmals als Beschuldigter erfasst.
377Seitdem wurde das Verfahren bis in das Jahr 2019 durch zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen – insbesondere Zeugenvernehmungen, Durchsuchungen und Auswertungen der umfangreichen beschlagnahmten Unterlagen – gefördert. Nachdem die Durchsuchungen und Zeugenvernehmungen weitestgehend durchgeführt worden waren, wurden im Zeitraum zwischen Januar 2019 und Anfang 2020 lediglich Asservate gesichtet und ausgewertet.
378Auf Grundlage des vom Amtsgericht Bonn hinsichtlich des hiesigen Tatgeschehens erlassenen Haftbefehls vom 19.02.2020 (Az. 51 Gs 281/20) wurde der Angeklagte am 30.06.2020 in Großbritannien verhaftet und auf Kaution freigelassen. Mit der Festnahme erfuhr er erstmals, dass gegen ihn in Deutschland ermittelt wurde. Bis zu seiner Auslieferung am 20.10.2021 trug der Angeklagte eine elektronische Fußfessel. Mit Beschluss vom 21.10.2021 wurde der Angeklagte gegen Zahlung einer Sicherheit in Höhe von 150.000 Euro vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont und am 19.11.2021 – nach Abschluss seiner Vernehmungen – aus der Justizvollzugsanstalt Köln entlassen. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren bereits ausermittelt und abschlussreif.
379Im Hinblick auf den bereits abschlussreifen Verfahrensstand wäre der Staatsanwaltschaft Köln eine Anklageerhebung gegen den Angeklagten bereits im April des Jahres 2023 möglich gewesen. Tatsächlich wurde jedoch erst am 22.09.2022 Anklage gegen den Angeklagten erhoben.
380Mit dem Eröffnungsbeschluss vom 03.02.2023 hat die Kammer das Verfahren gegen den Angeklagten sowie die ehemaligen Mitangeklagten G, H und I eröffnet. Im Anschluss hat die Kammer mit Beschluss vom 14.02.2023 das Verfahren gegen die ehemaligen Mitangeklagten abgetrennt, dieses wird nunmehr unter dem Aktenzeichen 29 KLs 1/23 geführt.
Das Finanzamt München hat unter dem 30.04.2019 gegen die F Bank einen Nachforderungsbescheid betreffend die KESt nebst SolZ für die Monate April bis Juni 2010 in Höhe von 311.790.348,05 Euro erlassen. Auf den BU entfallen dabei 92.006.906,07 Euro für die Monate April bis Juni 2010 (Fälle 1 – 3 der Anklage). Die Rückforderung betrifft auch mehrere X-Fonds, die nicht verfahrensgegenständlich sind. Die F Bank hat gegen den Nachforderungsbescheid Einspruch eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Nachdem das Finanzamt München die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte und die F Bank auch hiergegen Einspruch eingelegt hatte, zog die Finanzkasse München die festgesetzte Nachforderung der KESt nebst SolZ von einem Konto der F Bank ein. Das Finanzamt München wies im Jahr 2022 die Einsprüche der F Bank als unbegründet zurück. Diese erhob sodann mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.12.2022 Klage vor dem Finanzgericht München mit dem Ziel, die Nachforderungsbescheide aufheben zu lassen. Die Klage ist derzeit beim Finanzgericht München anhängig, eine Entscheidung ist noch nicht ergangen.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seiner diesbezüglichen Einlassung, der die Kammer insoweit uneingeschränkt gefolgt ist. Die Kammer hat keinen Anlass, an den nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und insgesamt glaubhaften Angaben zu zweifeln. Dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ergibt sich auch aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug.
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten, welche durch die weiteren ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung ausgeschöpften Beweismittel bestätigt und, insbesondere im Hinblick auf Umstände außerhalb der Wahrnehmung des Angeklagten, ergänzt wurden.
Der Angeklagte hat sich umfangreich zur Sache eingelassen und hierbei die Tatvorgeschichte, das Rahmengeschehen und das Tatgeschehen entsprechend der Feststellungen geschildert, soweit diese – gegebenenfalls auch über Dritte oder die Einbindung in schriftliche Kommunikation – Gegenstand seiner Wahrnehmung und Erinnerung waren. Er hat sich dabei nicht darauf beschränkt, die Anklagevorwürfe pauschal zu bestätigen oder einer Verteidigererklärung zuzustimmen, sondern hat der Kammer nach einer umfänglichen einleitenden und von ihm als zutreffend bestätigten Erklärung seines Verteidigers jederzeit „Rede und Antwort“ gestanden. Er war hierbei stets in der Lage, seine Einlassungen auf Nachfragen oder im Zusammenhang mit verlesenen Urkunden oder Angaben der vernommenen Zeugen zu präzisieren und um weitere Details zu ergänzen, die sich stimmig in ihre bisherige Schilderung einfügten. Sofern er – angesichts der Zeitabläufe verständlich – keine Erinnerung zu konkreten Einzelheiten, beispielsweise einzelnen E-Mails, hatte, räumte er diese Erinnerungslücken offen ein, konnte diese Einzelheiten auf Vorhalt aber regelmäßig in das damalige zeitliche und inhaltliche Rahmengeschehen einordnen und erläutern. Der Angeklagte hat auch zu seinem persönlichen Kenntnisstand und Vorstellungsbild detaillierte und umfassende Angaben gemacht. Auch diese liegen den Feststellungen zugrunde. Im Einzelnen:
385Der Angeklagte schilderte die Tatvorgeschichte einschließlich der Dividendensaison 2009 entsprechend den Feststellungen. Insbesondere hat er wie festgestellt geschildert, wie sich die Zusammenarbeit mit B gestaltete, welche weiteren Parteien und Personen beteiligt waren, welche Geschäfte durchgeführt wurden, welche Gewinne angefallen sind, und was seine Aufgaben waren.
386Auch zu seinem damaligen Vorstellungsbild hat sich der Angeklagte umfänglich eingelassen. Er hat insoweit insbesondere angegeben, dass über den BK-Fonds bereits 2009 CumEx-Geschäfte in Deutschland getätigt worden seien. Allerdings könne er nicht sagen, dass er diese damals bereits in Gänze verstanden habe. Ihm sei anfangs insbesondere noch nicht klar gewesen, dass das Geschäftsmodell auf ungedeckten Leerverkäufen beruht. Er habe aber die einzelnen Handelsschritte aus Sicht von A gekannt und darüber hinaus eine ganze Reihe von Auffälligkeiten bemerkt, die sich von seinen bisherigen Erfahrungen im Finanzmarkt unterschieden und die bei ihm bezüglich der Rechtmäßigkeit der Geschäfte bereits damals ein Störgefühl verursacht hätten. Hierbei sei bedeutsam, dass B ein sehr verschlossener Typ gewesen sei, der auch ihm gegenüber nur das Nötigste erklärt habe. Im Laufe der Zusammenarbeit seien ihm aber immer mehr Umstände bekannt geworden, die sich zu einem gewissen Bild zusammengesetzt hätten und aus denen er seine eigenen Rückschlüsse gezogen habe. Es falle ihm daher teilweise schwer, genaue Zeitpunkte dieser Erkenntnisse zu benennen. Sicher sei aber, dass er bereits im Rahmen der Zusammenarbeit mit B gewusst habe, dass der Profit der Geschäfte allein aus einer Steuererstattung stammte. Jedes Marktrisiko, aber auch jede Gewinnchance durch Kursveränderungen sei durch das Hedging ausgeschlossen gewesen. Nähere Informationen über das Zustandekommen der profitgenerierenden Steuererstattung habe er aber damals nicht gehabt. Er habe gewusst, dass es für das Gelingen der Geschäfte unabdingbar war, dass diese vor dem Dividendenstichtag geschlossen aber erst danach gesettelt werden. Er habe die hinter den Brokern stehenden Verkäufer zwar nicht namentlich gekannt, da diese Verhandlungen von B geführt worden seien. Er habe aber die Ergebnisse dieser Gespräche und insbesondere die vereinbarten Dividendenlevel mitbekommen. Deren Eingabe in den Preiskalkulator habe B vorgenommen, er selbst habe die Geschäfte dann anweisungsgemäß ausgeführt. Da es neben den deutschen CumEx-Geschäften auch einige spanische CumCum-Geschäfte gegeben habe, sei ihm auch aufgefallen, dass die Dividendenlevel für die CumEx-Geschäfte signifikant niedriger gelegen hätten und die deutschen Geschäfte andererseits deutlich profitabler gewesen seien. Es sei ihm schon bei den Geschäften 2009 aufgefallen, dass diese unter Einschaltung ungewöhnlich vieler Beteiligter und mit unnötig komplexen Strukturen durchgeführt wurden. Er habe auch bemerkt, dass die zusätzlich zwischengeschalteten Broker weniger Transaktionsgebühren als üblich erhielten, was er auch darauf zurückgeführt habe, dass sie weniger Aufwand hatten, da ihnen alle Parameter der Geschäfte einschließlich der – vermeintlich anonymen – Gegenpartei vorgegeben wurde. Über die Höhe der Profite im Verhältnis zum Investorenkapital sei er sehr erstaunt gewesen; diese seien ungewöhnlich hoch gewesen. Dies habe nicht nur ihn erstaunt, sondern auch andere. Der damalige Fondsadministrator BZ sei „geschockt“ über die Höhe der Gewinne gewesen und sie hätten vor der Ausschüttung erst einige Überprüfungen durchführen wollen, weshalb B „ausgerastet“ sei. Eine weitere Auffälligkeit sei gewesen, dass das im Fonds verfügbare Kapital über Kredite um das bis zu 20-Fache gehebelt wurde, was deutlich mehr gewesen sei, als ihm aus anderen Fonds bekannt gewesen sei. Generell sei ihm aufgefallen, dass sich die Beteiligten sehr geheimnistuerisch verhalten hätten und gegenüber Dritten insbesondere verschleiert hätten, dass der Profit auf einer Steuererstattung beruhen würde. Hierzu passe auch, dass man die 3-%-Schwelle an Aktienbesitz extra nie überschritten habe, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Auch die Abwicklung der außerbörslich geschlossenen Geschäfte über die vermeintlich anonyme Börse habe hierzu gepasst. Auffällig sei auch gewesen, dass keine Vermarktung des Fonds erforderlich gewesen sei, was bei den anderen Fonds sonst ein wesentlicher Teil der Arbeit und des Beitrags der A gewesen sei. Er habe es auch als seltsam empfunden, dass von vornherein geplant gewesen sei, den BK-Fonds 2009 kurz nach der Handelssaison aufzulösen. Dies habe angesichts des Aufwandes und der Kosten, die mit einer Aufsetzung verbunden seien, eigentlich keinen Sinn ergeben. Ein weiteres Störgefühl habe sich daraus ergeben, dass B darauf bestanden habe, dass er, der Angeklagte, die Geschäfte ausführte, wobei ihm zugleich die Überwachung der ordnungsgemäßen Ausführung übertragen war. Nach seinen Erfahrungen seien beide Funktionen normalerweise streng zu trennen.
387Auch bezüglich der Dividendensaison 2010 und insbesondere dem Tatgeschehen im Zusammenhang mit dem BU hat sich der Angeklagte sowohl zum objektiven Geschehen als auch zum subjektiven Vorstellungbild umfänglich und entsprechend der getroffenen Feststellungen eingelassen.
388Er hat insoweit insbesondere geschildert, dass B kurz nach dem Ende der Handelssaison 2009 von A weggegangen sei. B habe die Geschäfte in einem eigenen Unternehmen fortführen wollen und ihm, dem Angeklagten angeboten, ihn zu begleiten. Er habe ihm auch ein höheres Gehalt angeboten. In diesem Zuge habe er einen seiner wenigen direkten Kontakte zu einem der Partner gehabt. H sei zu ihm gekommen und habe ihn vor einer weiteren Zusammenarbeit mit B gewarnt, da dieser „ein Cowboy“ und nicht vertrauenswürdig sei. Letztlich habe er sich dann entschieden, bei A zu bleiben. Ihm sei von den Partnern mitgeteilt worden, dass sie schnell einen Ersatz für B einstellen würden und die Planungen für 2010 fortlaufen sollten. Er selbst sei dann in einer E-Mail an die Geschäftspartner als Hauptansprechpartner für den Handel angegeben worden.
389Kurz darauf hätten dann N und M als neue CIOs angefangen. Er habe fortan diesen zugearbeitet. Zunächst einmal sei es darum gegangen, den beiden die 2009 unter B getätigten Geschäfte zu erklären, damit diese die Arbeit B fortführen konnten. Beide hätten die grundsätzliche Struktur der CumEx-Geschäfte bereits gekannt, aber nicht die Details der einzelnen bei A getätigten BK-Geschäfte. Da er, der Angeklagte, als einziger Mitarbeiter zur Verfügung gestanden habe, der 2009 an der praktischen Durchführung der konkreten Geschäfte mitgearbeitet hatte, sei er diese mit N und M anhand der zur Verfügung stehenden Dateien und Unterlagen im Einzelnen durchgegangen. Sie hätten zu dritt in einem relativ kleinen Büro gesessen und sich so permanent austauschen können. Aus der Zeit von B habe es ein Gruppenlaufwerk gegeben, auf das auch er Zugriff gehabt habe. Sowohl B als auch er selbst hätten zudem ein eigenes E-Mail-Postfach gehabt. Auf dem Gruppenlaufwerk und im E-Mail-Konto seien Dokumente gespeichert gewesen, die für die Ausführung der Geschäfte unerlässlich gewesen seien und die auch er, der Angeklagte, kennen musste, um seine administrativen und operativen Aufgaben zu erfüllen. Er habe N und M die Struktur des Gruppenlaufwerks sowie die dort gespeicherten Dokumente erklärt und was er im Einzelnen bei den BK-Geschäften getan hatte. Insbesondere seien hier der Handelsplan und die Handelsdaten der vergangenen Geschäfte gespeichert gewesen, sowie die dazugehörigen Dokumente. Er habe N und M anhand des Handelsplans im Detail erklärt, wie die bisherigen BK-Transaktionen funktioniert hatten. Hieraus hätten sich Umfang und die Häufigkeit der Geschäfte ergeben, was konkret gehandelt wurde und wie die Geschäfte abgesichert wurden. Aus den in der Excel-Tabelle gespeicherten Formeln habe man auch den Preisbildungsmechanismus und insbesondere die Höhe und Bedeutung der Dividendenlevel nachvollziehen können. Zudem habe er Ihnen bei der Durchsicht des E-Mail-Kontos B geholfen und sie mit Informationen aus seinem eigenen E-Mail-Konto versorgt.
390Die Führungsrolle zwischen N und M habe relativ schnell N übernommen. Er sei auch für ihn der Hauptansprechpartner gewesen, da er die Planung und Strukturierung der Geschäfte federführend übernommen habe. An Gesprächen von N oder M mit den Partnern sei er, der Angeklagte, nicht beteiligt worden. In die E-Mail-Kommunikation rund um solche Gespräche sei er aber häufig jedenfalls in Cc. eingebunden gewesen; zudem hätte er im Nachgang durch Gespräche der beiden in dem gemeinsamen Büro etwas mitbekommen. Teilweise sei es ja auch für seine Arbeit wichtig gewesen, wenn Entscheidungen getroffen worden seien, z.B. mit wem zusammengearbeitet werden solle. Allerdings sei es nicht so, dass ihm auch über das für die operative Umsetzung Notwendige hinaus in allen Einzelheiten über solche Besprechungen berichtet worden wäre. Er könne deshalb auch keine konkreten Gesprächsinhalte erinnern oder zeitlich genau zuordnen. Grundsätzlich seien N und M aber deutlich gesprächiger gewesen als B.
391Insbesondere die grundsätzlichen Entscheidungen zur Strategie, der Zusammenarbeit mit den weiteren Beteiligten und der Gewinnverteilung seien ohne ihn getroffen worden. Das sei auf einer anderen Hierarchieebene erfolgt. Er habe allenfalls in operativen Fragen eigene Entscheidungen getroffen. Grundsätzlich habe ihm oblegen, Anweisungen zu befolgen bzw. operativ umzusetzen.
392Für ihn sei immer klar gewesen, dass A auch 2010 die CumEx-Strategie, die von den Beteiligten damals als „Enhanced German Trades“ benannt worden sei, umsetzen würde, wenn dies möglich sei. Diese sei ja hochprofitabel gewesen und auch in den Prognosen für 2010 sehr viel profitabler als CumCum-Geschäfte, die sie als „German Standard Trades“ bezeichnet hätten. In die rechtlichen Diskussionen und den Austausch mit Rechtsanwälten zur Möglichkeit der Durchführung der CumEx-Geschäfte 2010 sei er nicht eingebunden gewesen. Sofern er teilweise in E-Mail-Verkehr hierzu in Cc. gesetzt worden sei, habe er sich nicht näher mit den Details auseinandergesetzt. Dies sei ja auch nicht sein Aufgabenbereich gewesen. Er habe aber mitbekommen, dass über die Zeit immer mehr regulatorische und rechtliche Barrieren aufgebaut worden seien, die es immer schwieriger gemacht hätten, diese Transaktion umzusetzen. Das habe wohl dazu dienen sollen, die Transaktionen zu verhindern.
393Er könne sich heute nicht mehr sicher erinnern, wie viel er aus Diskussionen zur Strategie im Sommer/Herbst 2009 an Details mitbekommen habe. Zwar habe er mit N und M in einem Büro gesessen, aber hierdurch ja auch nur Ausschnitte erfahren. Irgendwann habe er endgültig verstanden, dass die CumEx-Geschäfte auf ungedeckten Leerverkäufen basierten und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuererstattung resultierte. Den Zeitpunkt dieser Erkenntnis könne er aber heute nicht mehr sicher erinnern, es sei ihm irgendwann im Verlauf der Zusammenarbeit mit N und M klargeworden. Wenn der Zeuge N angegeben habe, dass im Sommer/Herbst 2009 auch innerhalb des gemeinsamen Büros offen über die Unterschiede der Strategien und Begrifflichkeiten wie Leerverkäufe („shortseller, short market“) und eine „zweifache“ Steuererstattung („double dip“) geredet worden sei, sodass er dies mitbekommen haben müsse, könne er dies mangels valider Erinnerung zu diesem Punkt weder bestätigen noch verneinen. Irgendwann im Herbst sei ihm jedenfalls mitgeteilt worden, dass sie auch 2010 die „Enhanced German Trades“, also CumEx-Geschäfte, durchführen würden.
394Der Angeklagte schilderte insoweit zum einen die Geschäfte mit dem BK-Fonds 2010 entsprechend den Feststellungen.
395Auch hinsichtlich des eigentlichen Tatgeschehens, den CumEx-Geschäften mit dem BU, hat sich der Angeklagte wie festgestellt eingelassen. Er gab hierzu insbesondere an, dass anstelle von BK die C Bank ins Spiel gekommen sei, die über eine BC einen vergleichbaren Fonds wie BK habe auflegen können. Die juristische Seite hätten wie bei BK die Herren Dr. D und Dr. E übernommen. Als Depotbank sei erneut die F Bank ausgewählt worden, mit der A schon unter B zusammengearbeitet habe und die auch für den BK-Fonds 2010 als Depotbank fungiert habe. Für das Leverage hätten letztlich drei Beteiligte zur Verfügung gestanden. AH, Y und AI. Diese seien dadurch „bezahlt“ worden, dass man ihnen die Aktien im Zuge des „Unwinds“ um bestimmte Dividendenprozentpunkte günstiger überlassen hätte, sodass sie beim Weiterverkauf der Aktien entsprechende Gewinne vereinnahmen konnten. Auch hier seien die Entscheidungen über die Zusammenarbeit an anderer Stelle getroffen worden. Er sei aber vielfach in die Kommunikation eingebunden gewesen.
396Mit der Verkäuferseite hätten insbesondere N sowie teilweise auch M umfangreiche Gespräche geführt und hierbei genaue Vereinbarungen über die Parameter der Geschäfte getroffen. Dies sei erforderlich gewesen, damit am Handelstag der Nachfrage des Fonds ein passendes Angebot gegenüberstehen würde. Hierbei seien lange im Vorfeld des eigentlichen Handels Kontakte geknüpft, mögliche Handelsvolumina – unter Beachtung der 3-%-Schwelle – abgesteckt, Preisverhandlungen über Dividendenlevel geführt, sowie Handelspläne aufgestellt und fortlaufend aktualisiert worden. Auch hier habe er, der Angeklagte, im Büro nur Ausschnitte der Gespräche mitbekommen und die Ergebnisse der Gespräche dann später in den jeweiligen Handelsplänen gesehen. Er könne daher auch nicht genau sagen, mit wem N und M genau gesprochen hätten. Für ihn sei jedenfalls bereits im Vorfeld der Handelssaison klar gewesen, dass hinter den bei den Geschäften eingesetzten Brokern weitere Beteiligte als Verkäufer standen, mit denen die vorgenannten Vereinbarungen getroffen worden seien. Eine direkte Kommunikation mit der Gegenseite sei bewusst dadurch vermieden worden, dass man Broker oder Intermediäre zur Verschleierung der Absprachen zwischengeschaltet habe. N und M sei es bei den Absprachen gelungen, ein durchschnittliches Dividendenlevel von 79 % durchzusetzen.
397Zur geplanten Gewinnverteilung schilderte der Angeklagte entsprechend den Feststellungen, dass im Gegensatz zum Vorjahr nicht mehr alle Gewinne in den Fonds gehandelt werden sollten, sondern es einen sogenannten „Fundlevel“ von 93 % gegeben habe. Er gehe nicht davon aus, dass den Investoren gegenüber offengelegt worden sei, dass die tatsächlichen Profite deutlich höher werden würden. Denn daneben habe es nämlich den sogenannten „Marketlevel“ von 83% gegeben, der in den BV gehandelt worden sei und ferner den sogenannten „Floorlevel“ von 79 %. Die Differenz in Höhe von 4 % habe A über den Leopard Fund vereinnahmt, wovon seines Wissens nach weder C noch Dr. D/Dr. E etwas gewusst hätten. Der Handel in die vorgenannten SPVs sei über nicht marktgerecht bepreiste Futures mit französischen Aktienwerten als Underlying erfolgt. Es habe für alle drei Fonds (BU, BV und BW) einen eigenen Handelsplan gegeben, den er habe umsetzen sollen. Er habe auch gewusst, dass die im BV angefallenen Gewinne zunächst im Verhältnis 40 % A, 40 % BC, 20 % C verteilt werden sollten und im weiteren Verlauf A und BC auf je einen Prozentpunkt zugunsten von C verzichtet hätten. BC sei eine Gesellschaft von Dr. D und Dr. E gewesen. Er sei in die Gespräche zur Gewinnverteilung nicht eingebunden gewesen, aber über die Ergebnisse und die geplante praktische Umsetzung informiert worden.
398Wie bereits erwähnt hat der Angeklagte ferner angegeben, dass Dr. D und Dr. E die juristische Begleitung übernommen hätten. An Besprechungen mit Dr. D zu etwaigen Umgehungsstrategien und „Verteidigungslinien“ habe er zwar nicht teilgenommen. Ihm seien aber die Ergebnisse mitgeteilt worden bzw. er habe die Auswirkungen auf die praktische Umsetzung der Geschäfte gekannt. Er habe insbesondere gewusst, dass bewusst keine Aktienkäufe erfolgen sollten, sondern mit physisch zu beleifernden Futures gehandelt wurde. Auch sei ihm bekannt gewesen, dass Berufsträgerbescheinigungen eingeholt werden sollten und hierzu von A und den weiteren Beteiligten Bescheinigungen erstellt werden sollten, die wahrheitswidrig das Fehlen von Absprachen behaupten sollten. Er habe gewusst, dass – wie schon 2009 – die außerbörslich (OTC) geschlossenen Geschäfte über die Trade-Entry-Funktion der Börse abgewickelt werden sollten, damit sie wie ein anonym geschlossenes Geschäft aussehen. Er habe auch gewusst, dass im Gegensatz zu 2009 der Großteil der Gewinne von vornherein nicht im Fonds anfallen sollte. Es sei ihm klar gewesen, dass – wie schon bei dem BK-Fonds 2009 – von vornherein beabsichtigt war, die Investoren zeitnah auszuzahlen und den Fonds aufzulösen, ohne dass es hierfür einen wirtschaftlichen Grund gegeben habe. Er habe auch bereits im Vorfeld der Handelssaison gewusst, dass der steuerliche Aspekt in Unterlagen stets verschwiegen oder verschleiert worden sei. Auch die für den BU bei A erstellten Due Diligence Unterlagen, an deren Bestellung er beteiligt gewesen sei, habe die Strategie nicht offen benannt. Als größtes Risiko sei dort zu Unrecht nicht das steuerrechtliche Risiko, sondern „operationelle“ Risiken genannt worden.
399Es habe ein Gutachten von Dr. D gegeben, welches aber auf Deutsch gewesen sei und welches er nie gelesen habe. Er habe allerdings den Inhalt des englischsprachigen „Fact Patterns“ gekannt, das für verschiedene weitere Unterlagen und Besprechungen verwandt worden sei. Er habe auch gewusst, dass darin falsche Angaben und Annahmen enthalten gewesen seien, insbesondere das angebliche Fehlen von Absprachen und die angeblich marktgerechte Bepreisung der Geschäfte.
400Ihm sei auch bereits im Vorfeld der Handelssaison bewusst gewesen, dass diese falsche Darstellung der Verschleierung des wahren Sachverhaltes gegenüber den Steuerbehörden dienen sollte. Er sei insofern auch davon ausgegangen, dass auch gegenüber den Steuerbehörden nicht der tatsächliche Sachverhalt offengelegt werden würde. Er habe es daher jedenfalls für möglich gehalten, dass aufgrund dieser falschen Darstellung eine unrechtmäßige Steuererstattung erfolgen würde. Er habe dies jedoch hingenommen und seine Tätigkeit trotzdem weitergeführt.
401Dass C eine Risikoanalyse bei BU beauftragt habe sei ihm hingegen nicht bekannt gewesen.
402Der Angeklagte hat auch die Schaffung der Fondsstruktur und die mit den verschiedenen Beteiligten geschlossenen Verträge entsprechend den Feststellungen geschildert. Er hat hierbei auch angegeben, dass schon in der Vorbereitungsphase per E-Mail regelmäßige Zwischenstände und Planungen der nächsten Schritte zwischen den Beteiligten versandt worden seien und er in diese häufig eingebunden gewesen sei.
403Zu den Investoren hat er sich dahingehend eingelassen, dass er selbst nur bei der Gewinnung des C 15 als von A akquiriertem Investor eingebunden gewesen sei, wobei es sich auch hier nur um unterstützende und administrative Aufgaben gehandelt habe. Es habe daneben weiteren Investoren aus den Sphären von Dr. D/Dr. E und C gegeben. Zu diesen Investoren habe er aber keine direkten Kontakte gehabt. Insgesamt hätten dem Fond rund 90 Millionen Euro an Investorengeldern zur Verfügung gestanden.
404Auch zu seinen Aufgaben unmittelbar vor und während der Handelssaison hat sich der Angeklagte wie festgestellt eingelassen und insbesondere angeben, dass er meist erst in die Festlegung bzw. Erörterung operativer Aspekte einbezogen worden sei, nachdem die jeweilige Entscheidung über die Zusammenarbeit mit den Beteiligten gefallen war. Er habe den Versand und Empfang von Unterlagen im Zusammenhang mit der Einrichtung des Fonds und den entsprechenden Vereinbarungen übernommen. Er habe diese an N oder M geschickt oder von diesen erhalten. Er habe Back-Office-Arbeiten wie die Bestätigung der Art von Informationen und Dateien, die für die Übermittlung von Handelsinformationen an die Beteiligten erforderlich gewesen seien, geleistet. In die technischen Fragen, wie sich der – von N erstellte – Handelsplan praktisch umsetzen ließe, sei er insgesamt stark eingebunden gewesen. Hierzu seien Vereinbarungen von konkreten Abläufen am Handelstag, passenden Kommunikationswegen und Dateiformaten erforderlich gewesen, um reibungslose Abläufe zu gewährleisten.
405Als N und M vor Beginn des britischen Steuerjahres ein Büro in Dubai bezogen hätten, sei er ihnen während der Handelsphase für mehrere Monate nach Dubai gefolgt, um weiterhin eine enge Zusammenarbeit zu ermöglichen. Während der Handelssaison hätten seine Aufgaben wie folgt ausgesehen: Er habe am Handelstag die Käufe und Verkäufe gemäß den Handelsplänen auf Anweisung N durchgeführt. Diese hätten die Angaben zu den Wertpapieren, die Menge und den Preis sowie die jeweiligen Broker enthalten. Es hätte drei solcher Trading Sheets gegeben, eines für jeden Fonds (BU, BV, BW). N habe die Preise unter Berücksichtigung der vereinbarten Dividendenlevel auf der Grundlage der aktuellen Aktienkurse berechnet. Es seien angesichts des hohen Handelsvolumens nur wenige Geschäfte pro Tag ausgeführt worden. Vormittags seien die Geschäfte für den BU ausgeführt worden, am Nachmittag die französischen Futures für den BV und BW.
406Der Angeklagte hat auch diesbezüglich nochmals betont, dass die grundlegenden Entscheidungen nicht von ihm getroffen worden seien. Vielmehr habe er sich sowohl bei den eigentlichen CumEx-Geschäften als auch den Geschäften zur Gewinnverteilung die einzelnen Parameter des durchzuführenden Trades nochmals von N bestätigen lassen und dann den Auftrag über Bloomberg an den Broker weitergegeben, d. h. AS für physische Futures und C 17 für das auf Barausgleich gerichtete Absicherungsgeschäft, sowie den Handel mit den französischen Futures. Auch bei der Auflösung der Aktienpositionen sei er auf die gleiche Art und Weise eingebunden gewesen. Seine Aufgabe habe auch darin bestanden, die ordnungsgemäße Ausführung der Aufträge anhand der Handelsbestätigungen der Broker zu überprüfen, diese dann entsprechend in Tabellenkalkulationen einzugeben und an die anderen Beteiligten, z. B. den Fondsadministrator, zu übermitteln. Er habe auch den Nettoinventarwert des Fonds im Auge behalten müssen.
407Alle für den BU getätigten Geschäfte seien CumEx-Geschäfte gewesen, das heißt die Lieferverpflichtung der Aktien sei vor dem Dividendenstichtag entstanden, die tatsächliche Lieferung erst danach erfolgt. Jedenfalls aufgrund seines heutigen Wissens könne er sagen, dass es sich in allen Fällen um im Vorfeld abgesprochene ungedeckte Leerverkäufe gehandelt habe. Sowohl der Kauffuture als auch das Absicherungsgeschäft seien außerbörslich geschlossen und dann über die BClear-Funktion der LIFFE abgewickelt worden. Es habe hier eine Lieferfrist von vier Tagen gegeben, die mehr Flexibilität ermöglicht hätten als bei der vergleichbaren Trade Entry Funktion der EUREX, die nur zwei Tage vorsehe. Im Absicherungsgeschäft sei entsprechend der Vorgaben N der jeweilige Dividendenlevel eingepreist gewesen. An den BU sei wie geplant nur ein Level von durchschnittlich 93 % weitergegeben worden, die weiteren 14 % zum „Floorlevel“ von 79 % seien dann nachmittags mittels der französischen Futures in den BV bzw. BW gehandelt worden.
408Auch bei der Auflösung der Aktienposition habe er auf Anweisung N die Aufträge an die jeweiligen Broker übermittelt. Diese Geschäfte für den sogenannten „Unwind“ seien bereits vor der tatsächlichen Lieferung der Aktien abgeschlossen worden und hätten eine Lieferung der Aktien Ex-Dividende an den jeweiligen Leveragegeber (AH, Y oder AI) vorgesehen. Bei Y und AI seien einfach die Aktien als Kassageschäft verkauft worden, bei AH habe man eine „Put/Call-Kombination“ gewählt. Die Leveragegebühr sei dadurch realisiert worden, dass die Geschäfte in entsprechendem Umfang nachteilig für den BU bepreist worden seien. Die Fälligkeitszeitpunkte und Lieferfristen beim Unwind seien hierbei so gewählt gewesen, dass die Aktien nie länger beim Fond geblieben seien, sondern direkt weiter an die Leveragegeber gegangen seien. Dies sei notwendig gewesen, um das Leverage wieder für weitere Geschäfte nutzen zu können.
409Zu den einzelnen Transaktionen hat der Angeklagte sich dahingehend eingelassen, dass er naturgemäß nicht alle Parameter der Geschäfte hinsichtlich der Stückzahl und Preise in Erinnerung behalten habe. Die in der Anklage aufgeführten und durch die Verlesung der Belege in die Hauptverhandlung eingeführten einzelnen Transaktionen würden aber zu seiner Erinnerung passen. Es seien Aktien der großen deutschen Aktiengesellschaften gewesen, wobei man die Aktien der Telekom bewusst ausgelassen habe, da deren Dividende 2010 keiner Kapitalertragsteuer unterlegen habe, sodass sie für die CumEx-Geschäfte nutzlos gewesen sei. Er erinnere auch, dass für einzelne Aktiengattungen teils mehrere Transaktionen erfolgt seien, was vor allem daran gelegen habe, dass sie über verschiedene Leveragegeber verfügt hätten. Insgesamt gehe er davon aus, dass die Transaktionen wie in der Anklage aufgeführt ausgeführt worden seien.
410Zum Erstattungsverfahren hat der Angeklagte angegeben, dass er in dieses mit Ausnahme der Bescheinigungen für BD nicht eingebunden gewesen sei. Er habe lediglich mitbekommen, dass dem Fonds die Bruttodividende gutgeschrieben worden sei und die F Bank erfolgreich die Steuererstattung geltend gemacht habe. Er sei – wie erwähnt – bereits im Vorfeld der Handelssaison davon ausgegangen, dass den Steuerbehörden nicht der tatsächliche Sachverhalt offengelegt werden würde, der ja durchaus mit erheblichem Aufwand verschleiert worden sei.
411Er habe die Größenordnung der erwarteten und in der Folge auch realisierten Gewinne aus der Steuererstattung gekannt. Angesichts der Ergebnisse des Vorjahres, der Prognosen im Vorfeld der Handelssaison und der allein in den drei Fonds (BU, BV, BW) angefallenen Gewinne sei ihm klar gewesen, dass jedenfalls ein sehr hoher zweistelliger Millionenbetrag erstattet werden sollte und letztendlich auch wurde.
412Wie von Anfang an geplant hätten die Investoren kurze Zeit nach der Saison ihre Anteile am BU zurückgegeben. Ihnen sei ihre Einlage zuzüglich der im Vorfeld festgelegten Rendite in Höhe von rund 10 % zurückgezahlt worden. Irgendwann sei der Fonds dann endgültig geschlossen worden.
413Auch die Verteilung der in den BV gehandelten Profite und dem Gesamtgewinn der A hat der Angeklagte entsprechend den Feststellungen geschildert. Zur Gewinnverteilung innerhalb der BD hat er angegeben, dass sowohl N als auch M einen prozentualen Anteil erhalten hätten, dessen genaue Höhe er aber nicht kenne. Es seien jedenfalls mehrere Millionen gewesen. Hinsichtlich seines eigenen Profits hat er bestätigt, dass er nach der Saison einen – zuvor nicht angekündigten – Bonus von umgerechnet 190.000 Euro auch für seine Tätigkeit für den BU erhalten habe. Welchen Anteil dies ausgemacht habe, könne er allerdings nicht sagen, da ihm dies nicht offengelegt worden sei.
414Der Angeklagte hat auch das Geschehen bezüglich der Berufsträgerbescheinigung entsprechend der Feststellungen geschildert, wobei er einschränkend angab, dass er die – auf Deutsch verfasste – Stellungnahme von BD selbst nie gelesen habe. Er habe aber gewusst, was inhaltlich in dieser stehe.
415Zu den Beiträgen des gesondert Verfolgten N lasse sich zusammenfassend sagen, dass dieser bei A eine ganz zentrale Person gewesen sei und die Planung, Strukturierung und Durchführung maßgeblich verantwortet habe. Für ihn, den Angeklagten, sei N derjenige gewesen, der ihm in erster Linie Aufgaben zugewiesen und Anweisungen erteilt habe und der selbst in erheblichem Umfang an den Geschäften verdient habe.
416Soweit er dies beurteilen könne, habe N die Geschäfte im Einzelnen verstanden. Er habe CumEx-Geschäfte ja schon vor seinem Beginn bei A gekannt und die Strategie B dort fortgeführt. Er habe auch in Kontakt zu den anderen Beteiligten, einschließlich der rechtlichen Berater gestanden. Ob N für möglich gehalten habe, dass es infolge der falschen Angaben zu einer unberechtigten Steuererstattung kommt, könne er nicht beantworten. Er habe mit diesem nicht darüber geredet.
417Der Angeklagte hat die von ihm erbrachten Beiträge im Einzelnen entsprechend der Feststellungen geschildert und zu seiner Partizipation am Taterfolg die bereits erwähnten Angaben gemacht.
418Zu seinem eigenen Vorstellungbild hat er – wie erwähnt – angegeben, dass er den Zeitpunkt nicht mehr erinnere, ab wann ihm klar gewesen sei, dass die Strategie nicht auf „normale“ Inhaberverkäufe gerichtet war, sondern dass die Futures von Leerverkäufern erworben wurden. Im Übrigen entsprechen seine Angaben den Feststellungen. Insbesondere hat er insoweit angegeben, dass er bereits im Vorfeld der Handelssaison die grundsätzliche Handelsstrategie hinter den CumEx-Geschäften verstanden habe. Er habe damals schon gewusst, dass die Gewinne des Fonds – wie schon bei dem BK-Fonds 2009 – aus der Steuerrückerstattung stammen und dass man ohne die Steuerrückerstattung Verluste machen würde. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass hinter dem Broker für die Aktien noch andere Parteien standen und dass der Broker nur ein Vermittler war, um den Schein zu wahren. Er habe gewusst, dass aus steuerlichen Gründen geplant gewesen sei, (Anonymitäts-)Bestätigungen für den BU zu erstellen und dass der Inhalt dieser Bestätigungen falsch sein würde. Denn er habe auch gewusst, dass es tatsächlich umfangreiche Absprachen gegeben habe und dass diese der Steuerberatungsgesellschaft nicht offengelegt werden würden. Ihm sei klar gewesen, dass eigens so getan wurde, als ob es anonyme Geschäfte waren, die über die Börse abgewickelt wurden. Ihm sei bekannt gewesen, dass es regulatorische Bemühungen des Gesetzgerbers bzw. der Finanzbehörden gab, CumEx-Geschäfte zu unterbinden, auch wenn er sich nicht näher mit den Details befasst habe. Er habe auch gewusst, dass in Dokumenten ein falscher Sachverhalt dargestellt worden sei (Marktineffizienzen, Arbitrage, marktgerechte Preise, keine Absprachen), der auch zur Verschleierung der tatsächlichen Gegebenheiten gegenüber den (Steuer-)Behörden gedient habe. Er habe gewusst, dass eine wesentliche Vorgabe bei der Planung und Umsetzung der Geschäfte gewesen sei, dass die 3-%-Schwelle nicht überschritten wurde, um keine Aufmerksamkeit der Behörden zu erzeugen. Er habe ferner gewusst, dass den Steuerbehörden nicht der wahre Sachverhalt offengelegt werden würde, sondern vielmehr so getan wurde, als habe es keine Absprachen mit den Leerverkäufern gegeben. Daher sei er jedenfalls von einem hohen Risiko ausgegangen, dass von N und den weiteren Beteiligten steuerrechtswidriger Handlungen vorgenommen werden würden. Er sei ferner davon ausgegangen, dass bei Offenlegung des wahren Sachverhalts die Steuer nicht erstattet worden wäre. Er habe es daher bereits vor Beginn der Handelssaison zumindest für möglich gehalten und in Kauf genommen, dass die von ihm geförderten Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führen würden.
419Der Angeklagte hat auch erklärt, dass er wusste, welche Tätigkeiten der Zeuge N entfaltet habe, auch wenn er von diesem nicht laufend in alle Details eingeweiht worden sei. Er habe auch gewusst, dass seine eigenen Handlungen N bei seinem Handeln unterstützt hätten. Ebenso habe er gewusst, welche Bedeutung die reibungslose und verlässliche Umsetzung der von N vorgegebenen Transaktionen für die geplanten Geschäfte hatte. Beides habe er auch so gewollt.
420An diesem Vorstellungsbild habe sich im Laufe der Tatbegehung auch nichts geändert.
421Schließlich hat der Angeklagte auch bestätigt, dass er im Juni 2020 in Großbritannien verhaftet und auf Kaution freigelassen worden sei. Mit der Festnahme habe er erstmals erfahren, dass gegen ihn in Deutschland ermittelt wurde. Bis zu seiner Auslieferung habe er zudem eine elektronische Fußfessel getragen.
Die Einlassung des Angeklagten ist nachvollziehbar und überzeugend. Er hat sich gegenüber der Kammer umfassend geäußert und alle Nachfragen der Kammer und der weiteren Verfahrensbeteiligten beantwortet. Dabei waren seine Angaben detailreich, sowie stets nachvollziehbar und anschaulich. Dem Angeklagten war hierbei anzumerken, dass er sich um möglichst präzise Angaben bemühte. Er wies auch offen darauf hin, wenn er sich bei Einzelheiten nicht sicher war oder Informationen nicht aus erster Hand erhalten hatte. Er war ersichtlich darum bemüht, seinen damaligen Kenntnisstand von seinem heutigen Wissen, beispielsweise aufgrund des Studiums der Ermittlungsakten, abzugrenzen und auf diesbezügliche Unsicherheiten hinzuweisen. Er gab offen an, wenn er Einzelheiten, wie z. B. bestimmte E-Mail-Kommunikation, nicht erinnern konnte, war aber stets in der Lage diese in den Kontext einzuordnen und die damalige Entwicklung zu schildern.
423Obwohl die vorliegende Konstellation schon angesichts der Vielzahl der Beteiligten Möglichkeiten hierfür geboten hätte, hat der Angeklagte keine Versuche unternommen, die eigene Bedeutung für das Tatgeschehen zu Lasten der anderen herunterzuspielen. Seine Angaben ließen auch keinen Belastungseifer erkennen. Insbesondere hat er gerade nicht geltend gemacht, dass er von anderen über die vermeintliche Rechtmäßigkeit der Transaktionen getäuscht worden sei, sondern vielmehr ausdrücklich über die von ihm gezogenen Rückschlüsse und das schon 2009 auftretende Störgefühl berichtet. Er hat auch keine Versuche unternommen, die Partner der A übermäßig zu belasten, sondern insoweit stets betont, dass er zu deren Einbindung – über die schriftliche Kommunikation hinaus – keine näheren Angaben machen könne, da dies außerhalb seiner Hierarchieebene erfolgt sei. Die Kammer hat bereits vor diesem Hintergrund keinen Zweifel an der Richtigkeit der geständigen Einlassung. Sie liegt den Feststellungen zugrunde.
Darüber hinaus wird die Einlassung des Angeklagten durch die Angaben der vernommenen Zeugen sowie die zahlreichen eingeführten Urkunden vollumfänglich bestätigt und ergänzt.
425Insbesondere haben die Zeugen N, H, Dr. E und L, die selbst in unterschiedlicher Weise an den Taten beteiligt waren, das Geschehen umfänglich und glaubhaft aus ihrer Sicht geschildert und dabei die Angaben des Angeklagten jeweils bestätigt und ergänzt. Ihre Angaben bestätigten, ergänzten und vertieften sich zudem wechselseitig. Alle genannten Zeugen haben sich durch ihre Angaben in erheblichem Maße selbst belastetet und auch zu ihrem subjektiven Vorstellungsbild entsprechend den Feststellungen bekundet. Während der Zeuge H teils über umfangreichere Erinnerungslücken klagte, konnten insbesondere die Zeugen N, L und Dr. E das Geschehen sehr detailreich aus ihrer jeweiligen Sicht schildern und zahlreiche Einzelheiten erinnern, die sich wiederum nahtlos in die Angaben des Angeklagten und der weiteren Zeugen einfügten. Sie gaben hierbei auch übereinstimmend an, dass die Struktur der geplanten CumEx-Geschäfte, einschließlich des Umstandes, dass diese auf ungedeckten Leerverkäufen beruhten und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuererstattung resultiert, unter den Beteiligten in persönlichen Gesprächen sehr offen besprochen worden war. Die Diskussionen über die Möglichkeiten des Umgangs mit dem für alle professionellen Marktteilnehmer erkennbaren regulatorischen Bemühen zur Verhinderung der Geschäfte hätten gerade im Vorfeld der Dividendensaison großen Raum eingenommen. Sowohl N und L, als auch H haben hierbei über die objektiven Geschehnisse hinaus auch jeweils eingeräumt, dass sie bereits im Vorfeld der Tat jedenfalls für möglich erachtet haben, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führen würde. Dr. E ging im Tatzeitraum darüber hinaus sogar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führt. Die tatbeteiligten Zeugen haben hierbei jeweils auch nachvollziehbar und glaubhaft erklärt, dass sich an diesem Vorstellungsbild im Laufe der Tatbegehung nichts geändert habe und sie trotzdem weitergemacht hätten.
426Die Kammer erachtet die Angaben der Zeugen als glaubhaft. Allerdings war hierbei auch in den Blick zu nehmen, dass gegen alle tatbeteiligten Zeugen, also N, Dr. E, und L, eigene Ermittlungsverfahren geführt werden bzw. im Falle des Zeugen H eine Anklage zur Kammer vorliegt. Insofern hat die Kammer gesehen, dass für die benannten Zeugen durchaus ein Anreiz bestand, andere Beteiligte zu Unrecht zu belasten, sei es um von den eigenen Tatbeiträgen abzulenken, sei es um sich aufgrund von Aufklärungsbeiträgen eine Strafmilderung zu erwerben. Es war jedoch den Vernehmungen N, H, Dr. E und L gemein, dass sie gerade keine Versuche unternommen haben, die eigene Rolle im Geschehen herunterzuspielen oder andere Beteiligte einseitig zu belasten. Dies wurde nicht zuletzt bezüglich der Person des Angeklagten deutlich, dessen im Vergleich zu den anderen Beteiligten untergeordnete Rolle jeder der genannten Zeugen betonte.
427Ihre Angaben wiesen zudem ein hohes Maß an Übereinstimmungen auf, ohne dass Anhaltspunkte für Absprachen bestanden hätten. Vielmehr haben die Zeugen das Geschehen jeweils aus ihrer Sicht und auf dem Stand ihres heutigen Erinnerungsvermögens durchweg nachvollziehbar geschildert und die Fragen der Kammer und weiteren Verfahrensbeteiligten stets umfassend beantwortet. Hierbei räumten sie offen ein, wenn sie bei Einzelheiten unsicher waren oder Erinnerung erst aufgrund bestimmter Vorhalte wieder abrufbar war. Die Kammer hat vor diesem Hintergrund keinen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Angaben. Diese werden auch in vielfältiger Weise durch weitere Beweismittel gestützt.
428Die Zeugen G, I, M, J, AJ und Dr. D haben sich wegen der gegen sie laufenden Ermittlungen auf ihr umfängliches Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen und standen der Kammer daher nicht zur Verfügung. Gleiches gilt für B, dessen Aufenthalt unbekannt ist. Soweit Dr. D im Laufe des Verfahrens sodann schriftlich mitgeteilt hat, dass er erwäge, der Kammer eventuell zu einem späteren Zeitpunkt nach Abschluss der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem Landgericht Wiesbaden doch zur Verfügung zu stehen, haben die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend erklärt, auf den Zeugen Dr. D zu verzichten.
429Zu den Feststellungen im Einzelnen:
Die allgemeinen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit er Angaben dazu machen konnte, den im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten oder in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden, namentlich den Handelsbelegen aus den Transaktionsheften und den Angaben der Zeuginnen BD und BE sowie der Zeugen N, Dr. E, L sowie BF und schließlich den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. BG. Im Einzelnen:
Die Feststellungen zum grundsätzlichen technischen Ablauf von CumEx-/ und CumCum-Geschäften sowie zur Wirkungsweise und Natur von Future-Transaktionen beruhen insbesondere auf den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. BG. Dieser ist als Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzierung an der Universität C 18 mit den von ihm anschaulich erläuterten Marktmechanismen vertraut und hat diese wie festgestellt erläutert. Die Kammer folgt den stets nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Angaben des Sachverständigen – nach eigener Prüfung – ohne Einschränkung.
432Seine Ausführungen decken sich zudem mit den glaubhaften Angaben der von der Kammer vernommenen Zeugin BD und des Zeugen BF, die den technischen Ablauf von CumEx-/ und CumCum-Geschäften übereinstimmend mit den Ausführungen des Sachverständigen aus Sicht der Ermittlungsbehörden schilderten. Die Zeugin BD, eine Mitarbeiterin des BZSt, und der Zeuge BF, ein ehemaliger Mitarbeiter des BZSt und inzwischen beim Bundesrechnungshof tätig, waren dabei im Wesentlichen bei der Auswertung der Handelsbelege, der Erstellung der in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Transaktionshefte und bei der Berechnung der Dividendenlevel involviert. Die Zeugin BD und der Zeuge BF waren mit den Wirkmechanismen der Geschäfte unter anderem durch Erläuterungen des gesondert Verfolgten AA, eines geständigen Strukturierers aus einem anderen CumEx-Verfahrenskomplex, vertraut.
433Schließlich fügen sich die Ausführungen des Sachverständigen BG auch nahtlos und widerspruchfrei in die Angaben der Zeugen N und Dr. E, die zudem - inhaltlich jeweils übereinstimmend - die weiteren Details zur Wirkweise von CumEx-Leerverkaufsgeschäften sowie zu deren technischen Ablauf – auch in Abgrenzung zu CumCum-Geschäften – erläuterten. Auch die Angaben dieser beiden Zeugen waren stets inhaltlich nachvollziehbar und glaubhaft. Ihre Aussagen waren auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie beide (N und Dr. E) jeweils über eigene Vorerfahrungen verfügten und die Geschäfte aus der Perspektive zweier Akteure, die selbst an der Entwicklung und Umsetzung von CumEx-Geschäften mitgewirkt haben, schildern konnten. Der Zeuge Dr. E hatte bereits vor dem Tatzeitraum an CumEx-Geschäften mitgewirkt und die später umgesetzten Modelle teilweise selbst mitentwickelt. Der Zeuge N war von der A-Gruppe gezielt als Strukturierer für CumEx-Geschäfte mit entsprechender Vorerfahrung eingestellt worden und kannte die Wirkmechanismen bereits aus seiner Zeit bei der Großbank AG C 19. Schließlich war der Zeuge N auch an der Umsetzung der hier verfahrensgegenständlichen CumEx-Geschäfte in der Dividendensaison 2010 maßgeblich beteiligt (vgl. C.III).
434Die Ausführungen des Sachverständigen BG sowie die vorbezeichneten Angaben der Zeugen Dr. E und N fügen sich schließlich auch nahtlos in die weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme, etwa die verlesenen Handelsbelege ein. Die Handelsbelege selbst und die dazu verlesene Kommunikation in Form von E-Mails lassen erkennen, dass die CumEx-Geschäfte inklusive der jeweiligen Handelsdaten, Volumina und Sicherungsgeschäfte exakt anhand der von dem Sachverständigen und den genannten Zeugen beschriebenen Parameter strukturiert und umgesetzt wurden.
Die Feststellungen zum grundsätzlichen technischen Wirkmechanismus in Leerverkaufskonstellationen bei CumEx-Geschäften und dem Wesen der Dividendenkompensationszahlung sowie zur Eliminierung des Kursrisikos durch Absicherungsgeschäfte beruhen ebenfalls auf den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. BG sowie der Zeugin BD und der Zeugen BF, Dr. E und N.
436Zudem bestätigte der Angeklagte in seiner Einlassung – wie bereits ausgeführt – verschiedene (insbesondere technische) Aspekte, die er selbst mitbekommen oder sich erschlossen hat. So bestätigte er etwa, dass bei den CumEx-Geschäften durch die Absicherungsfutures jegliches Kursrisiko eliminiert wurde. Auch die Umstände, dass der Gewinn aus der Steuerrückerstattung stammte und es dafür essentiell war, dass die Geschäfte vor dem Dividendenstichtag geschlossen aber erst danach abgewickelt werden, sowie die gezielte Vermeidung einer Überschreitung der 3-%-Meldeschwelle hat der Angeklagte bestätigt. Schließlich hat sich der Angeklagte auch bestätigt, dass es Absprachen zwischen den Beteiligten gegeben hat, auch wenn ihm diese nicht alle – z. B. die konkreten Leerverkäufer – bekannt waren. Insoweit hat er auch nachvollziehbar und glaubhaft erläutern können, aus welchen Umständen er dies geschlossen hat.
437Hinsichtlich der Berechnung des Dividendenlevels beruhen die Feststellung insbesondere auf den Ausführungen des Zeugen BF, der von Seiten der Ermittlungsbehörden maßgeblich an der Erstellung der Excel-Tabelle zur Berechnung der Dividendenlevel beteiligt war. Er schilderte ausführlich und anhand mehrerer Beispiele, wie auf Grundlage der aus den Handelsbelegen ersichtlichen Parameter eine Berechnung des Dividendenlevels möglich ist. Der Zeuge BF hat die Berechnungen dabei basierend auf den Erläuterungen des gesondert Verfolgten AA im Ermittlungsverfahren angestellt. Dieser hatte (umgekehrt) anhand der mit den Leerverkäufern vereinbarten Dividendenlevel die notwendigen Parameter für die einzelnen Transaktionen berechnet, was auch die Zeugin BD bestätigt hat. Die Kammer hat sich die Berechnung im Einzelnen von dem Zeugen BF und auch von der Zeugin BD, die die Berechnungsmethode ebenfalls anwendete, erklären lassen und nachvollzogen. Da zudem der Sachverständige Prof. Dr. BG bestätigt hat, dass die den Berechnungen zugrundeliegende Formel geeignet ist, die Höhe der Dividendenlevel zuverlässig zu bestimmen, hat die Kammer keine Zweifel daran, dass die Ergebnisse zutreffend sind.
438Der Umstand, dass die Dividendenlevel zur Verteilung des Gewinns genutzt wurden sowie die Bedeutung der unterschiedlichen Dividendenlevel beruht ebenfalls auf der auch insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten, die auch diesbezüglich durch die nachvollziehbaren, widerspruchfreien und glaubhaften Angaben der Zeugen Dr. E und N bestätigt wird. Der Angeklagte wirkte bereits in der Dividendensaison 2009 an der Konzipierung und technischen Umsetzung der Gewinnverschiebung durch Geschäfte mit französischen Futures selbst mit. Die Zeugen Dr. E und N verfügten insoweit über eigene Erkenntnisse, denn sie waren insbesondere in der Planungsphase am Aushandeln und der Konzeption der Gewinnverteilung mittel der unterschiedlichen Bepreisung der Absicherungsfutures beteiligt und waren daher auch mit der Bedeutung der Dividendenlevel vertraut. Der Zeuge N nutzte sogar selbst einen Dividendenrechner, der – ähnlich wie der Rechner des gesondert Verfolgten AA – anhand des mit den Leerverkäufern vereinbarten Dividendenlevels die notwendigen Future-Preise berechnete.
439Zudem fügen sich die Angaben des Angeklagten, der Zeugen N und Dr. E auch nahtlos in die Erläuterungen des Zeugen BF ein, der nachvollziehbar erläuterte, wie und warum anhand der Dividendenlevel darauf geschlossen werden kann, dass über eine falsche Bepreisung der Absicherungsfutures Gewinne verschoben wurden. Seine Angaben wurden auch durch die Zeugin BD bestätigt. Dies wird letztlich auch bestätigt durch die eingeführten Handelsbelege aus den Transaktionsheften, die aufzeigten, dass die sich daraus ergebenden Dividendenlevel zu den tatsächlich durchgeführten Geschäften passten, die „cash-gesettelten“ Absicherungsfutures mithin im Ergebnis nicht marktgerecht bepreist waren.
440Die Angaben der Zeugin BD sowie der Zeugen Dr. E, N und BF stimmen schließlich auch überein, soweit sie die in den verschiedenen Jahren am Markt üblichen Dividendenlevel für CumEx- bzw. CumCum-Geschäfte beschrieben.
Die Feststellungen zur Entwicklung des CumEx-Marktes in den 2000er-Jahren beruhen insbesondere auf den stets nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. E, die die Kammer u. a. deswegen als besonders belastbar einschätzt, weil der Zeuge diese Entwicklung zumindest im deutschen Markt maßgeblich mitgeprägt hat. Denn er war Partner der Rechtsanwaltskanzlei AQ & AR (und später D, E & Kollegen), die einerseits selbst als CumEx-Akteur auftrat (insbesondere beim Anwerben von Investoren, vgl. C.III.2) und andererseits zahlreichen anderen CumEx-Akteuren beratend zur Seite stand. Die Angaben des Zeugen Dr. E werden – zumindest soweit es die spätere Entwicklung des CumEx-Marktes ab dem Jahr 2008 betrifft – zudem durch die Erläuterungen des Zeugen L bestätigt. Dieser hat glaubhaft geschildert, dass er selbst als einer der Verantwortlichen der C Bank erstmals im Jahr 2008 mit CumEx-Geschäften in Berührung gekommen sei. Da sich die Verantwortlichen der C Bank nach einem entsprechenden Vorschlag von Dr. E entschieden hatten, an den CumEx-Geschäften teilzunehmen und er selbst auch an mehreren Treffen bezüglich diese Geschäfte anwesend war, bekam der Zeuge L die Reaktionen des Marktes bzw. der anderen CumEx-Akteure – z. B. auf das BMF-Schreiben vom 05.05.2009, das im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt wurde – unmittelbar mit. Auch die von Dr. E geschilderte Änderung des Sprachgebrauchs in diesem Zusammenhang konnte der Zeuge L bestätigen. Ferner gab er nachvollziehbar an, er habe mitbekommen, dass Absprachen – etwa bezüglich der Verteilung des Gewinns – unter den Beteiligten nicht in schriftlichen Verträgen sondern mündlich im Wege eines „soft commitments“ getroffen wurden. Teilaspekte der Entwicklung des CumEx-Marktes in den späten 2000er-Jahren konnte auch der Angeklagte – soweit er dazu selbst Wahrnehmungen gemacht hatte – bestätigen. So ist dem Angeklagten etwa aufgefallen, dass die Beteiligten sich bezüglich der CumEx-Geschäfte geheimnistuerisch verhielten sowie Dritten gegenüber verschleiert hätten, dass der Profit aus einer Steuererstattung stammte. Er hat auch nachvollziehbar erläutert, dass von vornherein beabsichtigt war, die Fonds kurz nach der Handelssaison aufzulösen. Die Reaktionen des Marktes auf das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 konnte schließlich auch der Zeuge N bestätigen, der schon im Frühjahr 2009 mitbekam, dass sein damaliger Arbeitgeber AG eine Beteiligung an Cum/Ex-Geschäften in Reaktion auf das Schreiben stoppte und der nach seinem Einstieg bei A in der Planungsphase der Dividendensaison 2010 die Verschleierungstaktiken (insbesondere im Hinblick auf die Absprachen zwischen den CumEx-Akteuren) mitbekam und auch selbst umsetzte.
442Die Hintergründe der Umstellung auf die Fonds-Modelle und die damit unter anderem beabsichtigte Beschleunigung der Rückerstattungspraxis ergibt sich aus den auch insoweit überzeugenden und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen Dr. E. Er erläuterte ebenso glaubhaft den Zuständigkeitswechsel hinsichtlich der Kapitalertragsteueranmeldungen im Jahr 2010 vom BZSt zum jeweiligen Betriebsstättenfinanzamt der Depotbank, der auch von der Zeugin BH bestätigen wurde, die in dieser Zeit beim Finanzamt München als Sachbearbeiterin genau diese Anmeldungen bearbeitete und daher aus eigener Anschauung glaubhafte Angaben dazu und zum Ablauf des Kapitalsteuererstattungsverfahren insgesamt machen konnte.
Die Feststellungen zur A Unternehmensgruppe beruhen neben der Einlassung des Angeklagten maßgeblich auf den Angaben H, der insbesondere die Unternehmensstruktur, die Eigentumsverhältnisse, das Geschäftsmodell und die übliche Gewinnverteilung wie festgestellt berichtet hat.
444Bestätigt wurden diese Angaben auch durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden, unter anderem dem Verkaufsprospekt des BU, in dem A als von der FSA als Vermögensverwalter zugelassenes und registriertes Unternehmen beschrieben ist.
Die den Feststellungen zugrundeliegende Einlassung des Angeklagten zu den – nicht angeklagten – CumEx-Transaktionen mit Beteiligung von A im Jahr 2009 wurde durch die glaubhaften Angaben der Zeugen H und Dr. E jeweils bestätigt und ergänzt.
446Der Zeuge H berichtete der Kammer entsprechend den Feststellungen insbesondere, wie es zur Kontaktaufnahme B kam, über die Inhalte des von diesem durchgeführten Präsentationstermins bzgl. der geplanten Fondsstrategie sowie die dortigen und anschließend zwischen den Partnern geführten Diskussionen. H gab insoweit auch an, das B ihm und den weiteren Partnern seine Absicht vorgestellt habe, in verschiedenen europäischen Ländern, unter anderem Deutschland, Geschäfte rund um den Dividendenstichtag durchzuführen. Er habe dabei auch die verschiedenen Geschäfte und die damit jeweils zu erwartenden Profite vorgestellt. Dabei habe es sich um marktneutrale Geschäfte gehandelt, deren Gewinn allein aus der Steuererstattung resultieren würde. B und die Partner hätten dabei auch die Risiken derartiger Strategien besprochen. So sei Gegenstand des Gesprächs gewesen, dass neben Reputationsrisiken auch rechtliche und steuerliche Risiken bestehen würden und dass die Behörden/Gesetzgeber gegen diese Strategien einschreiten könnten. Ob in diesem Gespräch ausdrücklich eine CumEx-Strategie aufgezeigt worden sei, wisse der Zeuge H nicht mehr sicher. Möglicherweise sei es auch allgemeiner gehalten gewesen, sodass auch CumCum-Geschäfte, wie er sie aus seiner Zeit von O gekannt habe, umfasst gewesen sein könnten. Seine Erinnerung sei hier nicht eindeutig. Anschließend hätten die Partner, das heißt er selbst, G und I, die Chancen und Risiken des von B vorgestellten Geschäftsplans auch untereinander besprochen und sich letztlich entschieden, die Risiken angesichts der in Aussicht gestellten Profite einzugehen. Er selbst, der Zeuge H, habe allerdings darauf bestanden, dass die Strategie nicht auf amerikanische Aktien erweitert werden dürfe. Er habe gewusst, dass dort Geschäfte um den Dividendenstichtag bereits Gegenstand einer staatlichen Untersuchung gewesen seien und er habe deshalb gefürchtet, dass derartige Geschäfte der A vereitelt oder aufgedeckt werden könnten. Auch den Handel mit italienischen Aktien habe er aufgrund schlechter Vorerfahrungen nicht gewollt.
447Der Zeuge H berichtete ferner glaubhaft, dass er es schon damals auch bezüglich der beabsichtigten Geschäfte mit deutschen Aktien zumindest für möglich gehalten habe, dass diese zu einer unberechtigten Steuererstattung führen könnten. Dieser Eindruck habe sich dann in der Folge verdichtet, als ihm endgültig klar geworden sei, dass die von B beabsichtigte Strategie angesichts der immensen Profite gerade nicht auf CumCum-Geschäfte zur Ausnutzung der unterschiedlichen Besteuerungssätze zwischen inländischen und ausländischen Aktieninhabern ausgerichtet gewesen sein konnte. An diesem Vorstellungsbild habe sich auch im weiteren Verlauf, d. h. auch während der Handelssaison 2010, nichts geändert. Darüber hinaus habe es, so berichtete H, verschiedene weitere „rote Flaggen“ gegeben. Zum Beispiel habe er erkannt, dass Dr. D und Dr. E einerseits die (steuer-)rechtliche Beratung übernommen hätten, andererseits aber massiv selbst an den Gewinnen partizipiert hätten, was mit einer neutralen und ergebnisoffenen Beratung nicht vereinbar sei. Es sei ihm im Laufe der Saison 2009 zudem aufgefallen, dass B gegenüber S unzutreffende Angaben über steuerliche Aspekte gemacht habe, was die Beziehung von A zur S beschädigt habe. Es habe des Einsatzes der Partner bedurft, um S davon abzuhalten, die Zusammenarbeit mitten in der Handelssaison zu beenden. Ein weiteres Warnsignal sei für ihn gewesen, dass die Geheimnistuerei B so weit gegangen sei, dass er internen Rechtsberatern und dem CFO („Chief Financial Officer“) der A untersagen wollte, mit den Wirtschaftsprüfern der Gesellschaft über die Geschäfte zu reden. Dennoch hätten er und die anderen Partner auch in der Folge an den Geschäften festgehalten und weiter gemacht. Die Geschäfte in 2009 schilderte der Zeuge H aus seiner Sicht, auch wenn er insofern aufgrund seiner weiter vom Tagesgeschäft entfernten Rolle und bestehender Erinnerungslücken weniger Details benennen konnte, in Übereinstimmung mit den Angaben des Angeklagten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Organisation der Zusammenarbeit, der Aufgaben des Angeklagten als operativer Mitarbeiter in dem von B geleiteten Fonds, der verschlossenen und geheimnistuerischen Persönlichkeit B und der erzielten Profite. Auch zur Trennung von B und der Reaktion der Partner einschließlich des mit dem Angeklagten geführten Gesprächs machte der Zeuge H Angaben, die die Einlassung des Angeklagten bestätigen und sich in die übrigen Feststellungen nahtlos und widerspruchsfrei einfügen.
448Auch der Zeuge Dr. E hat die Einlassung des Angeklagten bestätigt und ergänzt. Er konnte aufgrund der damaligen Einbindung von Dr. D und ihm umfangreiche Angaben zur Natur und konkreten Struktur der durchgeführten CumEx-Geschäfte, den verschiedenen Beteiligten, der offenen Kommunikation über die Strategie unter den Beteiligten sowie zu den erzielten Profiten machen. Er bestätigte hierbei auch, dass die Geschäfte die vom Angeklagten bemerkten Auffälligkeiten aufwiesen. Dr. E berichtete ferner, dass es ein persönliches Treffen mit B und G gegeben habe, in dem die CumEx-Strategie des Fonds erörtert worden sei.
449Die Angaben des Angeklagten und der Zeugen werden ferner durch die verlesenen Urkunden gestützt. Neben E-Mails zur Vorbereitung der Dividendensaison 2009 (E-Mail v. 07.10.2008; 14:57 Uhr und 19.02.2009; 12:44 Uhr) sind hier insbesondere zwei E-Mails vom 29.06.2009 zu nennen. Mit einer E-Mail (E-Mail vom 29.06.2009, 09:19 Uhr) teilte der Zeuge H den Geschäftspartnern mit, dass B das Unternehmen verlassen habe, die Geschäfte aber „normal“ weitergehen würden und der Angeklagte der zuständige Ansprechpartner in Handelsfragen sei. Mit der weiteren E-Mail (E-Mail vom 29.06.2009, 16:55 Uhr) bestätigte H ein Treffen für den 03.07.20009 im C 6 in Frankfurt mit Dr. D und Q, an dem seitens der A G und I teilnehmen würden.
Die Feststellungen zur Fortführung der zuvor von B geführten Geschäfte und der diesbezüglichen Einstellung von N und M beruhen zunächst auf den glaubhaften Angaben H, der die Situation nach dem Abgang B und die Gründe der Entscheidung der Partner, abweichend vom üblichen Geschäftsmodell einen Nachfolger zu suchen, entsprechend nachvollziehbar und glaubhaft geschildert hat. Er berichtete insoweit auch davon, dass er sich für die Nachfolgersuche verantwortlich gefühlt habe, da er den ursprünglichen Kontakt zu B hergestellt habe. Er habe daher zwei Headhunter beauftragt, die ihm aus seiner Tätigkeit bei O bekannt gewesen seien. Deren Auftrag sei gewesen, jemanden zu suchen, dessen Profil dem B entsprach und der bereits Erfahrungen im Bereich steuergetriebener Strategien rund um den Dividendenstichtag mit deutschen Aktien gehabt habe. Es sei dann sehr schnell zu den Vorstellungsgesprächen gekommen. Das Erstgespräch mit N und M habe jeweils er selbst geführt, wie sich auch aus den aktenkundigen Einträgen in seinem Kalender ergebe. Anschließend habe es zumindest bezüglich N ein weiteres Gespräch mit G gegeben. Möglicherweise sei auch I bei diesem Gespräch anwesend gewesen. Sie hätten als Partner dann entschieden, beide einzustellen, da sie sich gut ergänzt hätten und sich eine Situation wie bei B, bei der der Abgang eines einzigen Mitarbeiters die Fortführbarkeit der Geschäfte gefährdet habe, nicht wiederholen sollte.
451Zum Inhalt des mit N geführten Vorstellungsgesprächs hat der Zeuge H allerdings angegeben, dass er nur noch erinnere, dass allgemein über die Strategie gesprochen wurde, also das marktneutrale Geschäfte durchgeführt werden sollen, deren Gewinn allein aus der Steuererstattung resultieren würden. Er erinnere heute nicht mehr sicher, ob dort auch explizit über CumEx-Geschäfte gesprochen worden sei. Er halte dies aber für gut möglich und werde dem, wenn N zu diesem Punkt eine bessere Erinnerung hätten, nicht wiedersprechen.
452Die diesbezüglichen Feststellungen zum Inhalt der Vorstellungsgespräche des Zeugen N beruhen auf dessen Angaben. Er hat dabei seinen Werdegang, seine Vorerfahrungen und den Einstellungsprozess im Einzelnen entsprechend den Feststellungen geschildert. Er hat hierbei auch darüber berichtet, dass sowohl in dem Gespräch mit H als auch mit G, möglicherweise in Anwesenheit von I, explizit darüber gesprochen worden sei, dass A 2009 eine CumEx-Strategie mit hohem Profit durchgeführt habe und nunmehr ein Nachfolger gesucht werde, um diese Strategie auch 2010 umzusetzen. Es seien auch Einzelheiten der Strategie besprochen worden, wobei er den Eindruck gehabt habe, dass sein jeweiliger Gesprächspartner bereits über entsprechende Kenntnisse verfügt habe. Er und die Partner der A hätten sich dann schnell auf eine Zusammenarbeit geeinigt, die kurz darauf begonnen habe.
453Die Kammer erachtet diese Angaben für nachvollziehbar und glaubhaft und hat sie den Feststellungen zugrunde gelegt. N konnte das Geschehen plastisch und detailreich schildern. Er belastete sich in erheblichem Maße selbst und ließ wiederum keinen Belastungseifer gegenüber anderen Beteiligten erkennen. Insbesondere hat er die Situation gerade nicht dahingehend dargestellt, dass er durch andere Mitarbeiter oder Partner der A zur Begehung der Tat verleitet worden wäre. Vielmehr legte er seine Vorbefassung und sein eigenes Interesse an der Umsetzung der CumEx-Geschäfte offen dar.
454Zudem hätte es aus Sicht der Kammer für die Partner der A auch kaum Sinn ergeben, einen Nachfolger für eine konkrete Strategie zu suchen, diese im Vorstellungsgespräch aber nicht bzw. nur ganz oberflächlich zu erörtern. Es ging für A ja gerade darum, N gegenüber darzustellen, was von ihm im Falle einer Einstellung zukünftig erwartet würde und herauszufinden, ob dieser die Anforderungen hierzu erfüllen kann. Auch dies spricht für die Richtigkeit der Angaben N.
Die Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten an der Einarbeitung von N und M beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und den glaubhaften Angaben des Zeugen N. Beide haben das Geschehen übereinstimmend geschildert.
456N bestätigte dabei auch, dass die Beiträge des Angeklagten wertvoll für ihn und M gewesen seien und ihre Einarbeitung erheblich beschleunigt hätten. Er und M hätten zwar die Grundstruktur von CumEx-Geschäften gekannt, aber nicht die Einzelheiten, wie diese bei A umgesetzt worden seien. Insofern hätten die Erklärungen des Angeklagten ihnen sehr geholfen. Er sei nicht unverzichtbar gewesen, aber ohne den Angeklagten wäre es sicherlich mühsamer gewesen und hätte länger gedauert. Es hätte auch durchaus Zeitdruck geherrscht, um Dr. D und Dr. E aber auch BK signalisieren zu können, dass A wieder handlungsfähig sei.
457Neben dem Angeklagten hätten ihnen auch die Partner und der für rechtliche Fragen zuständige Mitarbeiter BI als weitere Informationsquellen zur Verfügung gestanden. Es habe schließlich gerade in der Anfangszeit einen sehr häufigen Austausch mit den Partnern gegeben.
Die Feststellungen zur Arbeitsweise und Entscheidungsfindung innerhalb der A beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, die insbesondere durch die nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben N und H, die die Abläufe entsprechend den Feststellungen geschildert haben, bestätigt und ergänzt wird. Dies steht zudem im Einklang mit den in die Hauptverhandlung eingeführten Dokumenten.
459Der Zeuge N gab insbesondere an, dass er selbst an allen zu treffenden Entscheidungen maßgeblich beteiligt gewesen sei. Wenn besonders wichtige Entscheidungen strategischer oder sonstiger Art angestanden hätten („High-Level-Entscheidungen“), habe er diese aber nicht ohne Abstimmung mit den Partnern getroffen. Dies bedeute allerdings nicht, dass es immer formelle Treffen mit allen drei Partnern gemeinsam gegeben habe, wobei auch dies vorgekommen sei. Die Tür des Partnerbüros habe für ihn immer offen gestanden, sodass er oftmals für spontane Gespräche vorbeigekommen sei. Sein Hauptansprechpartner sei dabei G gewesen, der von den Partnern am stärksten involviert gewesen sei. Er habe sich normalerweise nicht in das Alltagsgeschäft eingemischt, aber schon eine größere Rolle gespielt. Auch mit H habe er häufiger über den Stand der (geplanten) Geschäfte gesprochen. Zu I habe er weniger Kontakt gehabt bzw. üblicherweise nicht allein, sondern nur in Anwesenheit von G oder H mit ihm gesprochen. Die Partner hätten bei den Entscheidungen ein Vetorecht gehabt. Es sei auch dazu gekommen, dass die Partner Vorgaben gemacht hätten, dass mit bestimmten Unternehmen nicht zusammengearbeitet werden dürfe. Die auf diese Weise intern getroffenen Entscheidungen hätten er selbst und M dann nach außen kommuniziert. Insbesondere zwischen G und Dr. D hätte daneben aber auch direkte Kommunikation bestanden.
460Grundsätzlich sei es – wie erwähnt – so gewesen, dass es gerade in der Anfangszeit einen sehr häufigen Austausch mit den Partnern gegeben habe. Auch im weiteren Verlauf hätten er, N, und M sich bemüht, die Partner regelmäßig zu informieren und auf dem neuesten Stand zu halten, was sowohl über E-Mails als auch Telefonate und persönliche Treffen erfolgt sei. Angesichts der Bedeutung der CumEx-Geschäfte für den Gesamtprofit der A sei es für ihn auch nachvollziehbar gewesen, dass den geplanten Geschäften auch für die Partner, und hier insbesondere G, ein besonderer Fokus gegolten hätte. Eine weitere Besonderheit gegenüber den anderen Fonds bei A habe ja darin bestanden, dass er und M gerade keine eigene Geschäftsidee zu A mitgebracht hätten, sondern als Nachfolger B, der nicht im Guten gegangen sei, eingestellt worden seien. Auch dies habe dazu geführt, dass die Partner, soweit er das beurteilen könne, involvierter gewesen seien als bei anderen Fonds. Gerade in der Anfangszeit hätten die Partner ihn und M bei den weiteren Beteiligten vorgestellt und insbesondere in Person von G und H teilweise auch zu Treffen begleitet. Mit der Zeit hätten die Partner ihm und M zunehmend freie Hand für die praktische Umsetzung der gemeinsam mit den Partnern beschlossenen Entscheidungen gelassen.
461Zur Kommunikation gab der Zeuge N überzeugend an, dass man zwischen schriftlichem und mündlichem Austausch differenzieren müsse. Schriftlich sei es damals so gewesen, dass aufgrund der bekannten Bemühungen der deutschen Behörden zur Eindämmung der CumEx-Geschäfte vor allem seit dem BMF-Schreiben vom 05.05.2009 in schriftlichen Dokumenten und überwiegend auch den E-Mails darauf geachtet worden sei, Schlageworte wie Cum/Ex, Leerverkauf und doppelte Steuererstattung („double dip“) zu vermeiden. So habe er selbst CumEx-Geschäfte regelmäßig nicht so benannt, sondern „Enhanced German Trades“ geschrieben. Auch die dahinterstehende Leerverkaufsgestaltung und der Umstand, dass durch die Strategie Steuern erstattet würden, die vorher so nicht einbezahlt wurden, sei schriftlich vermieden worden. In Gesprächen sei hingegen sowohl innerhalb der A als auch gegenüber den anderen Beteiligten immer offen diese Details kommuniziert worden. Nach seiner Auffassung hätten alle Beteiligten dieser Gespräche verstanden, was sich hinter dem Begriff „CumEx“ bzw. im Schriftverkehr dem Ausdruck „Enhanced German Trades“ verbirgt. Hinsichtlich des Angeklagten bestätigte der Zeuge N, dass seine Rolle grundsätzlich darin bestanden habe, Anweisungen zu befolgen bzw. operativ umzusetzen
462Die Angaben des Zeugen N sind auch zu diesen Punkten glaubhaft und liegen den Feststellungen zugrunde. Sie sind detailreich und lebensnah. Der Zeuge war ersichtlich um eine differenzierte Darstellung bemüht, beispielsweise bei dem unterschiedlichen Grad der Beteiligung der einzelnen Partner oder den Veränderungen im Verlauf des Geschehens. Seine Angaben waren frei von Belastungseifer. So gab er freimütig an, dass er nicht „nur“ die Entscheidungen der übergeordneten Partner umgesetzt habe, sondern an allen Entscheidungen selbst beteiligt gewesen sei und diese auch mitgetragen habe.
463Seine Angaben stehen zudem im Einklang mit den Angaben des Zeugen H. Auch wenn dieser weitaus weniger Erinnerung an Details abrufen konnte, schilderte auch er die grundsätzlichen Abläufe der Zusammenarbeit entsprechend. So gab auch er an, dass die Partner bei den grundsätzlichen Entscheidungen mit einbezogen worden seien und ein Vetorecht gehabt hätten. Wenn sie mit bestimmten Unternehmen beispielsweise schlechte Erfahrungen gemacht hätten, hätten sie N und M gesagt, dass sie mit diesen nicht zusammenarbeiten dürften. Sofern Zahlungen durch A erforderlich gewesen seien, beispielsweise bei der Aufsetzung des BV und C12 Funds, hätten diese immer seiner Zustimmung als CEO bedurft. Bei Meetings sei es so gewesen, dass – sofern N nicht einfach spontan vorbeigekommen sei – die Termine in den gemeinsamen Kalender eingetragen worden seien. Es sei dann sichergestellt worden, dass jedenfalls ein Partner zur Verfügung steht. Normalerweise habe es aber keine Garantie gegeben, dass alle Partner gleichzeitig anwesend seien. Sie hätten sich dann aber gegenseitig informiert und ihre Haltung zu bestimmten Dingen abgestimmt. Sie hätten als Partner ohnehin viele Informationen erhalten, teils durch Gespräche teils durch E-Mails. Er habe alle internen E-Mails grundsätzlich aufmerksam gelesen, egal ob er Hauptadressat gewesen sei oder nur in Cc. gesetzt worden sei. Gerade bei den anfänglichen Treffen, seien N und M mehrfach durch Partner begleitet worden, um sie vorzustellen. Auch im weiteren Verlauf sei es dazu gekommen, dass er oder einer der anderen Partner an solchen Treffen mit Externen teilgenommen hätte, wobei N und M zunehmend selbstständiger gearbeitet hätten. Der Angeklagte habe hierbei aus seiner Sicht keine größere Rolle gespielt. Er selbst habe – mit Ausnahme eines Gesprächs rund um den Abgang B – praktisch keinen Kontakt zum Angeklagten gehabt und glaube nicht, dass dies bei den anderen beiden Partnern anders gewesen sei. Diese Angaben bestätigen und stützen demnach die Angaben N.
464Auch der Zeuge Dr. E hat die Angaben N bestätigt und gestützt, auch wenn er „von außen“ nur einen eingeschränkten Blick in die internen Angelegenheiten bei A gehabt habe. Er hat aber insbesondere bestätigt, dass N jedenfalls bei der konkreten Planung der Dividendensaison 2010 auf Seiten A die Führungsrolle innegehabt habe. N sei – vergleichbar mit B im Jahr 2009 – für das Jahr 2010 das „Mastermind“ hinter den Geschäften gewesen. Ohne B 2009 bzw. N 2010, deren Kontakte, deren Intellekt und deren Kenntnisse, hätte die Umsetzung jeweils nicht funktioniert. Der Zeuge Dr. E bestätigte auch, dass es daneben auch unmittelbar Kontakte zu den Partnern gab, die teilweise auch persönlichen an Gesprächsrunden teilgenommen hätten. Zwischen G und Dr. D habe es auch direkte Gesprächskontakte gegeben, wenn Entscheidungen „auf Partnerebene“ angestanden hätten. Den Angeklagten habe er hingegen nur als untergeordneten Mitarbeiter Ns wahrgenommen, der dessen Anweisungen ausgeführt habe.
465Schließlich hat auch der Zeuge L bestätigt, dass N aus seiner Sicht bei A zentral für die Planung und Umsetzung der Geschäfte gewesen sei. Er gab darüber hinaus an, dass ihm J mehrfach berichtet habe, dass N vor Entscheidungen eine Zustimmung der Partner der A einholen habe müssen.
466Die Feststellungen stehen auch im Einklang mit den hierzu verlesenen Urkunden, aus denen sich die Einbindung der Partner in den E-Mail-Verkehr, die Vereinbarung von internen und externen Treffen und deren (geplanter) Inhalt ergeben (E-Mails vom 29.06.2009, 16:55 Uhr; 25.08.2009, 12:58 Uhr; 08.10.2009, 14:33 Uhr; 26.10.2009, 22:14 Uhr; 23.11.2009, 13:40 Uhr; 19.02.2010, 11:07 Uhr; 21.02.2010; 23:52 Uhr; 29.03.2010, 20:33 Uhr; 01.04.2010, 17:38 Uhr; 14:04, 15:22 Uhr, 01.06.2010, 12:22 Uhr, 11.08.2010, 14:21 Uhr). Aus dem E-Mail-Verkehr ergibt sich auch, dass der Angeklagte an den Treffen zwar nicht teilnahm, aber teilweise in die Kommunikation im Vorfeld und Nachgang auch zu den Inhalten der gemeinsamen Besprechungen mit den Partnern der A eingebunden war.
Die Feststellungen zur Festlegung der Handelsstrategie beruhen neben der Einlassung des Angeklagten insbesondere auf den diesbezüglichen Angaben des Zeugen N. Aus diesen schließt die Kammer auch, dass der Angeklagte, der den Zeitpunkt selbst nicht mehr sicher benennen konnte, spätestens im Herbst 2009 erkannte, dass die CumEx-Geschäfte, wie er sie mit B 2009 durchgeführt hatte und wie sie auch für 2010 geplant waren, auf ungedeckten Leerverkäufen beruhen und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuererstattung resultieren würde. Die Einlassung des Angeklagten und die Angaben des Zeugen N werden dabei bestätigt und ergänzt durch die Angaben des Zeugen Dr. E und die in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden. Im Einzelnen:
468Der Zeuge N berichtete entsprechend den Feststellungen über die im Sommer und Herbst 2009 geführten Diskussionen zur zukünftigen Umsetzbarkeit der CumEx-Transaktionen im Hinblick auf die rechtliche Situation nach dem BMF-Schreiben vom 05.05.2009 und die Befürchtung weiterer Verschärfungen der regulatorischen Rahmenbedingungen. Für A sei hierbei natürlich die Einschätzung von Dr. D besonders wichtig gewesen, ihn selbst hätten aber auch Beiträge anderer Rechtsanwälte erreicht. Diese Dinge seien damals von allen Marktteilnehmern beobachtet und diskutiert worden. Er habe diese Informationen innerhalb der A weitergegeben, teils durch schlichte Weiterleitung von E-Mails, teils in Gesprächen. Aufgrund der Unsicherheiten hätten sie eine Zeit lang zweigleisig geplant und sowohl CumEx-Geschäfte („Enhanced German Trades“) als auch CumCum-Geschäfte („Standard German Trades“) vorbereitet. Es sei klar gewesen, dass sie wenn irgend möglich CumEx-Geschäfte hätten machen wollten, da diese – was allen Beteiligten bekannt gewesen sei -– viel profitabler gewesen seien. Er habe dazu auch entsprechende Übersichten mit Prognosen für beide Varianten erstellt und an alle Beteiligten versandt. CumCum sei dabei sozusagen „Plan B“ gewesen. Wie erwähnt habe man zwar schriftlich spätestens nach dem BMF-Schreiben vom 05.05.2009 Begriffe wie CumEx und Leerverkauf weitgehend vermieden, in Telefonaten und persönlichen Gesprächen aber weiterhin völlig offen kommuniziert. Die unterschiedlichen Konzepte, Gewinnmöglichkeiten und Risiken seien dabei nicht nur in Gesprächen mit den Partnern oder den Entscheidungsträgern anderer Unternehmen besprochen worden, sondern auch in dem gemeinsamen Büro von ihm, M und dem Angeklagten. In diesem habe ja das Alltagsgeschäft stattgefunden und hier seien die Geschäfte geplant worden. Deshalb sei auch in diesem Büro und in Anwesenheit des Angeklagten offen darüber gesprochen worden, dass CumEx-Geschäften gerade keine Inhaberverkäufe zugrunde liegen, sondern Leerverkäufe und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuererstattung resultiert. Im Herbst hätten sie, d. h. er und M, in Abstimmung mit den Partnern und den Entscheidungsträgern der weiteren Beteiligten, dann beschlossen, dass sie sich nunmehr vollständig auf die CumEx-Strategie konzentrieren würden, von deren Durchführbarkeit im Jahr 2010 sie nunmehr ausgingen. Außerdem sei der Aufwand für eine parallele Planung auf Dauer zu groß geworden. Der Angeklagte sei an dieser Entscheidung nicht beteiligt gewesen, sie sei ihm lediglich mitgeteilt worden. Die Angaben N waren nachvollziehbar, ohne erkennbare Belastungstendenzen und durchweg glaubhaft.
469Aufgrund dieser glaubhaften Angaben ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte spätestens aufgrund der damaligen Diskussionen und Gespräche – auch innerhalb des gemeinsamen Büros – erkannte, dass die CumEx-Geschäfte, wie er sie mit B 2009 durchgeführt hatte, auf ungedeckten Leerverkäufen beruhen und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuer resultiert. Alles andere ist lebensfremd und auszuschließen. Insbesondere hatten N und M keinerlei Anlass, derartige Gespräche nur in Abwesenheit des Angeklagten zu führen und extra hierfür den Raum zu verlassen. Auch der Angeklagte hat diese beiden gerade nicht als so geheimnistuerisch wie B beschrieben. Auch mit der umfänglichen Einbindung des Angeklagten in den E-Mail-Verkehr wäre dies nicht vereinbar. Lediglich ergänzend ist insoweit anzuführen, dass einer der ausschlaggebenden Gründe des Angeklagten für den Wechsel zu A gerade das Interesse an den Arbeitsweisen und Strategien der Portfoliomanager war, weshalb es aus Sicht der Kammer nicht vorstellbar ist, dass er den Gesprächen über die CumEx-Strategie mit völligem Desinteresse begegnet sein könnte.
470Die Angaben N wurden dabei in vielen Punkten auch durch den Zeugen Dr. E bestätigt, der zwar die Gespräche innerhalb der A nicht kannte, aber die damaligen Diskussionen unter den Beteiligten aus seiner Sicht im Kern gleichlautend geschildert hat. Widersprüche sind dabei nicht zu Tage getreten. Vielmehr berichtete auch der Zeuge Dr. E, dass sich alle damals sehr genau damit beschäftigt hätten, wie auf die verschiedenen Bestrebungen des deutschen Gesetzgebers und der deutschen Behörden, die mit den CumEx-Geschäften verbundene Erstattung einer nicht gezahlten Steuer zu unterbinden, insbesondere das BMF-Schreiben vom 05.05.2009, reagiert werden könne. Es habe dazu einen regen Austausch gegeben, wobei alle Beteiligten dieser „Industrie“ hätten weitermachen wollen. Er und Dr. D hätten hier auch ihre Kontakte genutzt, um herauszufinden, ob weitere Verschärfungen, z. B. durch neue BMF-Schreiben zu befürchten seien. Während man sich in Gesprächen weiterhin sehr offen ausgetauscht habe, habe man im Nachgang zum BMF-Schreiben vom 05.05.2009 schriftlich zunehmend „verbrämter“ formuliert und als kritisch eingestufte Begriffe gemieden. Wenn wie hier von „Enhanced German Trades“ und „Standard German Trades“ geschrieben worden sei, sei aber allen Beteiligten klar gewesen, dass damit CumEx- und CumCum-Geschäfte gemeint gewesen seien. Gerade im Sommer/Herbst 2009 sei durchaus denkbar gewesen, dass eine Fortführung der CumEx-Geschäfte letztlich nicht möglich sein werde, zumal auch weitere Gesetzesänderungen oder BMF-Schreiben im Raum gestanden hätten. Insofern seien CumCum-Geschäfte damals durchaus ein Alternativplan gewesen, wenn auch viel weniger profitabel. Irgendwann im Herbst seien sie dann davon ausgegangen, dass CumEx-Geschäfte auch 2010 durchführbar seien und hätten die Planungen im Weiteren darauf konzentriert.
471Die Angaben der Zeugen N und Dr. E wurden auch durch in die Hauptverhandlung eingeführte Dokumente bestätigt. So versandte der Zeuge N am 09.09.2009 (14:06 Uhr) eine E-Mail an Beteiligte der C Bank, die in Cc. auch der Angeklagte erhielt. Unter Bezugnahme auf ein angehängtes Excel-Sheet heißt es dort: „Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem hervorgehobenen deutschen Geschäft um das Geschäft handelt, bei dem die Aktien vor dem Stichtag gekauft und gesettelt werden. Wir können natürlich auch die erweiterte [„enhanced“] Version besprechen.“ In einer E-Mail vom 18.09.2009 (13:41 Uhr), die der Angeklagte ebenfalls in Cc. erhalten hat, heißt es:
472„Wenn der Cum/ex-Handel im nächsten Jahr möglich ist, erwarten wir, dass bei einer Investition von 100 Mio. € der Gewinn nach Abzug der Kosten und der Investoren in der Größenordnung von 50 Mio. € liegen würde […]. Selbst wenn wir die regulären Aktiengeschäfte tätigen, dürfte der Gewinn bei einem Handel basierend auf einer Investition von 100 Mio. € mehr als 10 Mio. € betragen.“
473Mit einer A-internen E-Mail vom 08.10.2009, welche der Angeklagte erneut in Cc. erhielt, bat N die drei Partner um ein Treffen, welches sich unter anderem mit der Entscheidung befassen sollte, welche der im Raum stehenden Strategien umgesetzt werden sollte. Dies bestätigt, dass beide Strategien von den Parteien erwogen und kalkuliert wurden, wie N und Dr. E es geschildert haben und dass auch der Angeklagte die diesbezüglichen Informationen erhielt.
Die Feststellungen bezüglich des – nicht angeklagten – von A gemanagten BK Fonds im Jahr 2010 beruhen maßgeblich auf der entsprechenden Einlassung des Angeklagten, welche wiederum durch die glaubhaften Angaben der Zeugen N, Dr. E und H bestätigt und ergänzt werden. Sie stehen zudem im Einklang mit den in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden.
475Der Zeuge N hat die Entwicklungen hinsichtlich des BK Fonds 2010 entsprechend den Feststellungen detailliert und glaubhaft geschildert und hierbei auch über die persönlichen Treffen wie festgestellt berichtet. So gab er insbesondere an, dass H und G ihn und M bei dem Treffen am 19.08.2009 begleitet hätten, um sie vorzustellen. Es habe vorher schon telefonische Kontakte gegeben, aber es sei das erste Mal gewesen, dass er Dr. D und Dr. E und – eine Stunde später – die Beteiligten der BK persönlich getroffen habe. In der gemeinsamen Besprechung seien unter anderem die Renditeprognosen der verschiedenen Strategien anhand eines von ihm gefertigten Spreadsheets besprochen worden. Wie in persönlichen Gesprächen üblich, sei auch bei diesem Treffen offen über die Einzelheiten der CumEx-Geschäfte gesprochen worden. Auch die Unterschiede zu einer CumCum-Strategie seien erörtert worden, da es ja im Sommer noch unklar gewesen sei, ob sich 2010 CumEx-Geschäfte umsetzen ließen. Da er und M noch neu gewesen seien und die Beteiligten nicht gekannt hätten, seien die Gesprächsanteile auf Seiten der A im Wesentlichen von G und H bestritten worden. Dies habe ja auch den hierarchischen Verhältnissen entsprochen. Wie von Ihnen erhofft, sei man bei dem Treffen übereingekommen, die Zusammenarbeit zwischen A, Dr. D/Dr. E und BK fortzuführen und – wenn möglich – auch 2010 CumEx-Geschäfte mit deutschen Aktienwerten durchzuführen. N berichtete auch von den Hoffnungen, einen zweiten BK Fonds umsetzen zu können, den in den Feststellungen geschilderten Treffen, u. a. mit AA, und der Enttäuschung auf Seiten der A, als BK von der mündlichen Zusage eines zweiten Fonds abgewichen sei. Ferner berichtete N über die mit dem verbliebenen BK Fonds durchgeführten Geschäfte und den daraus erzielten Profiten.
476Bestätigt und ergänzt wurden diese Angaben durch die Angaben des Zeugen Dr. E, der an den CumEx-Geschäften auch bezüglich des BK-Fonds 2010 mitgewirkt und das Geschehen entsprechend der Feststellungen geschildert hat. Er hat hierbei auch über die verschiedenen Treffen berichtet, an denen er gemeinsam mit Dr. D teilgenommen hat und auch diesbezüglich nochmals die offene Kommunikation der Beteiligten über die geplanten Transaktionen betont. Es sei „frank und frei“ gesprochen worden. Auf die Frage, ob den Beteiligten dieser Gespräche bekannt gewesen sei, dass die CumEx-Strategie auf ungedeckten Leerverkäufen beruhte und der Profit aus der Erstattung einer zuvor nicht abgeführten Steuer resultierte, erklärte der Zeuge, dass man es nach diesen Gesprächen „nicht nicht wissen konnte.“ Dr. E berichtete auch darüber, dass die Größe der Fonds durch die 3-%-Schwelle, die man unbedingt habe einhalten wollen, limitiert gewesen sei. Insofern seien die Fonds „umkämpft“ gewesen. Er und Dr. D seien an der Konzeption und Umsetzung der beiden BK Fonds 2010 beteiligt gewesen, von denen einer an A gegangen sei und einer an ZFP von AA. Dr. E bestätigte auch die vereinbarte Gewinnverteilung und die erzielten Profite.
477Der Zeuge H hat zudem seine Teilnahme an den von Dr. E und N geschilderten Treffen mit den weiteren Beteiligten bestätigt, auch wenn er die Inhalte nicht mehr im Detail erinnern könne. Er bestätigte auch die Höhe der erzielten Profite und deren Bedeutung für den Gesamtumsatz der A.
478Die glaubhaften Angaben des Angeklagten und der Zeugen werden hierbei auch durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden gestützt, aus denen sich insbesondere Zeitpunkt, Teilnehmer und Inhalt der festgestellten Treffen ergeben. So gab es im Vorfeld des 19.08.2009 einen regen Austausch der Beteiligten per E-Mail zu Zeitpunkt und geplanten Inhalten des Treffens (E-Mails v. 06.08.2009, 11:45 Uhr – 11.08.2009, 14:37 Uhr; E-Mail v. 18.08.2009, 17:55 Uhr). G berichtete den weiteren Partnern sowie N und M mit E-Mail vom 19.11.2009 (17:00 Uhr) über die Ergebnisse des Treffens im November, wonach A zwei Fonds von BK erhalten sollte. Mit E-Mail vom 22.02.2010 informierte M D über die Enttäuschung bei A und insbesondere von G, dass entgegen dieser Besprechung nunmehr doch nur ein Fonds an A vergeben werde.
Die Feststellungen bezüglich der Kontakte zur C Bank beruhen maßgeblich auf den glaubhaften Angaben der Zeugen N, L und Dr. E. Auch diese wurden durch in die Hauptverhandlung eingeführte Urkunden bestätigt.
480N schilderte dabei auch seine ersten Kontakte in Sachen Cum/Ex zu J im April/Mai 2009 als er noch bei AG war, sowie die erneute Kontaktaufnahme nach seinem Wechsel zu A, das persönliche Treffen am 21.08.2009 und die, in der Folge von Seiten der Partner gebilligte, Entscheidung zur zukünftigen Zusammenarbeit wie festgestellt.
481Der Zeuge L berichtete nachvollziehbar und detailliert sowie sehr lebensnah und lebendig über die Entwicklung der C von einer kleinen GmbH zur börsennotierten Wertpapier- und Handelsbank. Er berichtete auch wie festgestellt über die ersten Kontakte zu CumEx-Geschäften im Jahr 2008, wobei er insbesondere das Treffen mit Dr. D und dem gesondert verfolgten AD sehr lebhaft beschrieb. Er berichtete ferner über die aufgenommenen Planungen und die Schaffung einer CumEx-Struktur, bis der Fortgang aufgrund der kursierenden Entwürfe des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 kurzfristig gestoppt worden sei. Der Zeuge L ging hierbei allerdings davon aus, dass J sich gemeinsam mit dem Verantwortlichen der AF gegen die Geschäfte entschieden habe, weil J dies ihm gegenüber so kommuniziert habe. Die Kontaktaufnahme J zu N schon im April/Mai 2009 habe er nicht mitbekommen.
482L berichtete zudem offen und nachvollziehbar darüber, dass er selbst, J und K die Struktur der geplanten CumEx-Geschäfte, einschließlich des Umstandes, dass diese auf ungedeckten Leerverkäufen beruhen und dass hieraus die Erstattung einer zuvor nicht einbehaltenen und abgeführten Steuer resultiert, gekannt hätten. Sie hätten auch das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 gekannt und auch gewusst, dass die AF – nach der Vorstellung L in Übereinstimmung mit der Einschätzung J – die daraus resultierenden Risiken für so hoch erachtet hatte, dass sie die Geschäfte kurz vor Beginn der Dividendensaison gestoppt hatten. Der Zeuge L räumte auch ein, dass er es bereits im Vorfeld der Handelssaison für möglich hielt, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte zu einer unberechtigten Steuererstattung führt. Trotzdem habe er – genauso wie die anderen Beteiligten – weitergemacht. Die Angaben des Zeugen L, durch die er sich in erheblichem Maße selbst belastet hat, waren dabei insgesamt durchweg nachvollziehbar und glaubhaft. Sie ließen auch keine Belastungstendenzen gegenüber anderen Beteiligten erkennen. Insbesondere unternahm der Zeuge keine Versuche, seine eigene Einbindung und Kenntnis gegenüber den gesondert Verfolgten J und K herunterzuspielen.
483Die Schilderungen des Zeugen L stehen zudem im Einklang mit den Angaben des Zeugen Dr. E über die Kontakte zur C im Jahr 2008 und die letztendlich gescheiterte Zusammenarbeit mit der AF aus seiner Sicht berichtete. Dr. E konnte insofern auch erinnern, dass die Geschäfte damals einseitig von der AF gestoppt worden seien.
484Bestätigt und ergänzt wurden diese Angaben durch die insoweit verlesenen Urkunden. So ergibt sich aus einem E-Mail-Verkehr zwischen dem 27.04. und 05.05.2009, dass sich J und N (damals noch bei AG) mit anderen in einem Austausch befanden, wie mit dem in Kürze erwarteten BMF-Schreiben umzugehen sei. J sprach bereits da (E-Mail vom 30.04.2009, 16:40 Uhr) die Möglichkeit an, sich vom unmittelbaren Wortlaut des Schreibens leiten zu lassen und dieses durch die Verwendung von Futures, welche über die BClear-Funktion der LIFFE abgewickelt werden könnten, zu umgehen. Mit E-Mail vom 05.05.2009 (12:55 Uhr) teilte ein anderer Mitarbeiter von AG dann allerdings mit, dass sie aufgrund von Reputationsrisiken derzeit nicht tätig werden könnten. Dies bestätigt die diesbezüglichen Angaben N. Ferner ist auf die bereits im Rahmen der Festlegung der Handelsstrategie genannten E-Mails Ns vom 09.09. und 18.09.2009 zu verweisen. J schrieb am 13.09.2008 (09:02 Uhr) als Antwort auf die E-Mail vom 09.09.2009, dass C die Gründung einer C 20 zur Auflegung eines Fonds binnen weniger Monate umsetzen könne. C habe Erfahrung mit „diesen Geschäften“ und sie wüssten genau, wie die Strategie funktioniere. J stellte in der E-Mail auch die Möglichkeit dar, dass C Investoren zur Verfügung stellen könnte. Mit E-Mail vom 22.09.2009 (18:26 Uhr) teilte N J mit, dass sie sich am Abend mit den Partnern zusammensetzen würden und schlug vor, am Folgetag die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Auch dies stützt die Angaben N und L.
Auf den glaubhaften Angaben N, Dr. E und L beruhen – insbesondere soweit sie über die Einlassung des Angeklagten hinaus gehen – auch die Feststellungen zur Einbindung von Dr. D und Dr. E.
486N stellte insbesondere dar, wie sich die Einbindung von Dr. D und Dr. E auch beim geplanten C Fonds entwickelte und machte Angaben zu den diesbezüglichen Treffen der Beteiligten. Insbesondere schilderte er den Verlauf des Treffens am 06.10.2009, einschließlich der dort getroffenen Absprachen und der nachgelagerten Entscheidungsfindung mit den Partnern der A. Danach, d. h. Mitte/Ende Oktober 2009 sei klar gewesen, dass A, Dr. D/Dr. E und C gemeinsam eine weitere CumEx-Struktur errichten und die entsprechenden Geschäfte in der Handelssaison 2010 durchführen wollten. N berichtete insoweit auch über der Aufgabenverteilung der drei „Unternehmen“ und dass klar gewesen sei, dass Dr. D und Dr. E aufgrund ihrer Bedeutung in erheblichem Maß am Gewinn partizipieren sollten.
487Diese Angaben wurden durch die Aussagen der Zeugen Dr. E und L, die die Entwicklung und insbesondere die bei dem Treffen am 06.10.2009 und den weiteren Treffen besprochenen Inhalte wie festgestellt geschildert haben, nachvollziehbar und glaubhaft bestätigt. Beide haben hierbei auch (erneut) bestätigt, dass außerhalb des Schriftverkehrs offen über CumEx, Leerverkäufe und die Erstattung zuvor nicht gezahlter Steuern gesprochen worden sei.
488Dr. E schilderte hierbei auch im Einzelnen, welche Aufgaben er und Dr. D innerhalb des arbeitsteiligen Zusammenwirkens der Beteiligten übernommen hätten. Ferner räumte er glaubhaft ein, dass er selbst und Dr. D die Struktur der CumEx-Geschäfte in allen Details, einschließlich der steuerlichen Fragen gekannt hätten. Jedenfalls sei er selbst ab der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 davon ausgegangen, dass die plangemäße Durchführung der Geschäfte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer unberechtigten Steuererstattung führen würde. Die Kammer hat auch insoweit keinen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben Dr. E.
489Die Angaben der Zeugen werden, auch Hinsichtlich des Zeitpunkts und Inhalts der festgestellten Treffen, durch den Inhalt der eingeführten Urkunden gestützt. So bedankte sich N mit E-Mail vom 07.10.2009 (18:55 Uhr) bei J und L für das Treffen vom Vortag und versandte sowohl diesen als Dr. D und Dr. E (E-Mail 07.10.2009, 16:27 Uhr) die Profitkalkulationen zu „German Standard“ und „Enhanced German Trades“. Am 08.10.2010 schrieb N an die Partner der A eine E-Mail mit folgendem Inhalt:
490„Freunde,
491wir wollten uns mit Ihnen zusammensetzen und Sie auf den neuesten Stand bringen. Wir hatten eine Reihe interessanter Gespräche mit BK, BL und C. Wir befinden uns jetzt an einem Punkt, an dem wir eine Entscheidung bezüglich mehrerer Aspekte treffen müssen, und möchten dazu Ihre Meinung wissen. […]
492Angehängt erhalten Sie die aktualisierten Zahlen für die drei Fremdkapitaltransaktionen; standardmäßige deutsche [„german Std.“], erweiterte deutsche Transaktionen [„Enhanced German Trade“] (die gleiche wie in diesem Jahr) und Spanien.
493Aspekte, über die wir sprechen müssen:
494welche Optionen zu verfolgen sind
495Gewinnaufteilung
496Honorare
497Gründungskosten (300.000 $)
498Eigentumsverhältnisse der Struktur. […]“
499H schlug daraufhin eine Uhrzeit für die Besprechung am selben Tag vor. Mit E-Mail vom 14.10.2009 (11:55 Uhr) teilte M dem Zeugen L mit, dass sie versuchen würden, sich mit den Partnern zusammen zu setzen, um „grünes Licht“ zu bekommen und sich dann melden würden.
Die Einlassung des Angeklagten zur Auswahl des Leveragegebers wurde bestätigt und ergänzt durch die glaubhaften Angaben der Zeugen N und H, die das Geschehen entsprechend der Feststellungen geschildert haben. N berichtete hierbei auch, dass die Marktsituation schwieriger geworden sei, da eine Reihe potentieller Leveragegeber in Reaktion auf das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 aus dem Markt ausgestiegen seien oder ihr Engagement jedenfalls deutlich zurückgefahren hätten. Unter anderem habe S aus Reputationsgründen nicht mehr zur Verfügung gestanden. Letztlich sei ihnen durch die Vereinbarungen mit AH, Y und S gelungen, einen Hebel zu realisieren, der dem 20-Fachen des Fondskapitals entsprach.
501Der Zeuge H hat hierbei auch den gemeinsamen Besuch mit G bei der Y Bank in Frankfurt bestätigt und auf Vorhalt eines entsprechenden Kalendereintrages auf den 19.08.2009 datiert.
Die Feststellungen zur Auswahl der Depotbank beruhen neben der Einlassung des Angeklagten auf den glaubhaften Angaben der Zeugen N, Dr. E und L.
503Die Angaben des Angeklagten und der Zeugen werden auch durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden bestätigt, unter anderem durch den E-Mail-Verkehr vom 12.03.2010 (18:00 Uhr und 21:08 Uhr) zu Inhalt und Teilnehmern des Gesprächs am 15.03.2010.
Auch die Feststellungen zu den Vereinbarungen mit der Leerverkäuferseite beruhen – neben der Einlassung des Angeklagten – maßgeblich auf den glaubhaften Angaben des Zeugen N, der dies wie festgestellt berichtet hat.
505N gab insbesondere an, dass es (auch) für die mit dem BU Fund durchgeführten CumEx-Geschäfte erforderlich gewesen sei, dass bereits weit vor dem eigentlichen Handelstag zwischen den wesentlichen Beteiligten, also insbesondere dem Leerverkäufer und dem Leerkäufer, die Parameter des Geschäfts festgelegt wurden. Nur so sei es möglich gewesen, am Handelstag sicherzustellen, dass der Nachfrage des Fonds ein passendes Angebot gegenüber stehen würde. Dieses grundsätzliche Erfordernis sei vorliegend noch wichtiger gewesen, da man sich in Reaktion auf das BMF-Schreiben vom 05.05.2009 entschieden hätte, anstelle vom Direkterwerb der Aktien mit physisch gesettelten Futures zu handeln. Der diesbezügliche Markt sei sehr illiquide, sodass der Handel an den Börsen in großen Volumina anders nicht möglich gewesen sei. Zudem habe es der Vereinbarungen auch deshalb bedurft, um einen Vertragspartner für den mit dem Dividendenlevel versehenen gegenläufigen cash gesettelten Future zu finden. Dieser sei ja gerade nicht zum „normalen“ Marktpreis verkauft worden, sondern habe das zur Gewinnverteilung erforderliche, reduzierte Dividendenlevel enthalten. Ferner hätten die Leerverkäufer Vereinbarungen mit ihren Stückegebern treffen müssen, damit sie die Aktien nach dem Dividendenstichtag dann auch würden liefern können. Es sei – neben dem Leverage – eine der Kernaufgaben der A gewesen, diese Vereinbarungen auszuhandeln, was insbesondere er, N, übernommen habe. N und auch M hätten hierzu eine Vielzahl von Gesprächen mit den unterschiedlichsten Personen und Unternehmen geführt. Teils hätten sie hierbei auf Kontakte der A aus dem Vorjahr zurückgegriffen, teils eigene Kontakte genutzt. Diese Gespräche hätten bereits im Sommer/Herbst 2009 begonnen und seien dann immer konkreter geworden, wenn einerseits A das verfügbare Leveragekapital näher bestimmen und die andere Seite die Verfügbarkeit der Aktien einschätzen konnte. Es sei erforderlich gewesen, hier mögliche Handelsvolumina – stets unter Beachtung der 3-%-Schwelle - abzustecken, Preisverhandlungen über Dividendenlevel vorzunehmen, Handelspläne aufzustellen und fortlaufend zu aktualisieren. Damit einhergehend seien ihre Pläne und auch die Gewinnprognosen zunehmend genauer geworden.
506Die Verhandlungen für die Saison 2010 hätten jedoch die Besonderheit aufgewiesen, dass „Absprachen über Leerverkäufe“ aufgrund des BMF-Schreiben vom 05.05.2009 nunmehr als problematisch erachtet worden seien. Eine Reihe früherer Marktteilnehmer hätte sich daraufhin auch ganz oder teilweise aus den CumEx-Geschäften zurückgezogen. Beispielsweise habe auch sein alter Arbeitgeber AG die Planungen, wie erwähnt, in unmittelbarer Reaktion auf das BMF-Schreiben gestoppt. A und die anderen verbliebenen Marktteilnehmer seien mit dem Problem dergestalt umgegangen, dass sie behauptet hätten, dass „Absprachen“ in diesem Sinne nur bei einer direkten Kommunikation zwischen Leerverkäufer und Leerkäufer gegeben seien, während schon die Einschaltung eines Boten eine hinreichende Anonymität gewährleiste. Deshalb seien die Verhandlungen dann über zwischengeschaltete Broker oder Intermediäre erfolgt. Vorliegend sei die Kommunikation vor allem über W, AL und AM geführt worden. Diese hätten sich den Bedarf der A mitteilen lassen und dann eine passende Gegenpartei gesucht. Er bzw. M hätten hierbei die konkreten Vorstellungen der A über die Aktiengattung, die Menge und den Preis bzw. das Dividendenlevel mitgeteilt. Daneben sei es um weitere Details wie den konkreten Handelstag, die Laufzeit und die zur Abwicklung genutzte Börse (EUREX oder LIFFE) gegangen. Die Intermediäre hätten diese an die dahinterstehenden Leerverkäufer weitergegeben und ggf. deren Gegenangebote zurück an A übermittelt. Wenn man sich einig geworden sei, habe man dies nicht in einem schriftlichen Vertrag festgehalten. Es habe aber damals die allgemeine Auffassung der Beteiligten bestanden, dass derartige als „gentlemen‘s agreements“ oder „soft commitments“ bezeichnete Vereinbarungen unbedingt einzuhalten waren, was für das reibungslose Gelingen der Geschäfte auch unabdingbar gewesen sei. Es sei ihnen insgesamt gelungen, bei den Absprachen ein Dividendenlevel von 79 % durchzusetzen. Da hinter den Intermediären unterschiedliche Leerverkäufer gestanden hätten, sei dies nicht einheitlich gewesen, sondern ein Durchschnittswert. Damit seien durchschnittlich 21 % der Bruttodividende an A und die weiteren Beteiligten auf der Leerkäuferseite gegangen. Auch wenn er aufgrund der Zwischenschaltung der Intermediäre nicht genau gewusst habe, wer der konkrete Verkäufer gewesen sei, sei bereits aufgrund des niedrigen Dividendenlevels klar gewesen, dass es sich um einen Leerverkauf handelt, bei dem der Verkäufer gerade nicht mit einer Steuer belastet wird. Für Inhaberverkäufe hätte ein solch niedriger Level schlicht keinen Sinn ergeben, weshalb dies angesichts der professionellen Beteiligten und der Größe der Transaktionen auszuschließen sei. Er gehe davon aus, dass dies auch die Intermediäre erkannt hätten, welche die vereinbarten Level ja gekannt hätten. N bestätigte auch, dass der Angeklagte an den Verhandlungen und getroffenen Vereinbarungen nicht beteiligt gewesen sei. Dies sei aber schon aufgrund des gemeinsamen Büros kein Geheimnis gewesen. Der Angeklagte habe vielleicht nicht alle Einzelheiten gekannt, aber sicher gewusst, dass den Geschäften Absprachen zugrunde lagen. Diese seien ja auch die Grundlage der sich ändernden Handelspläne gewesen, auf die auch der Angeklagte Zugriff gehabt habe.
507Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der detailreichen, lebensnahen und stets nachvollziehbaren Angaben N. Sie waren auch insoweit glaubhaft.
508Die Angaben wurden zudem auch durch die Zeugen Dr. E und L bestätigt, die zwar selbst nicht an den Verhandlungen beteiligt waren, aber glaubhaft berichtet haben, dass deren Stand in Gesprächen zwischen A, Dr. D/Dr. E und C erörtert worden sei.
509Dafür, dass sich die Absprachen wie festgestellt ereignet haben, sprechen auch die eingeführten Urkunden. So schrieb N am 29.03.2010 (18:09 Uhr) an Dr.D, dass sich zwar der Verkäufer und Käufer nicht kennen würden. Der Makler wisse aber natürlich, an wen er verkauft, „wie sollte er sonst Liquidität finden und Handel finden?“. Bei allen Interdealer-Geschäften wisse der Broker, wer die Käufer und Verkäufer seien. Vergleichbar äußerte sich N auch in einer weiteren, an Dr. E, M und J gerichteten E-Mail vom 09.04.2010 (15:44 Uhr), in der er die Rolle des Interdealer-Brokers entsprechend beschrieb und auch ausdrücklich angab, dass deren Zweck gerade darin liege, dafür zu sorgen, dass Verkäufer und Käufer einander nicht kennen würden und dass sie die Angebote der einen Seite an die jeweils andere übermitteln würden, um dann bei Übereinstimmung außerbörsliche Kontrakte zu schließen.
Die Feststellungen zur Profitverteilung auf Leerkäuferseite beruhen neben der Einlassung des Angeklagten und soweit sie über diese hinausgehen auf den glaubhaften Angaben der Zeugen N, H, Dr. E und L.
511N schilderte die vereinbarte Gewinnverteilung und deren Entwicklung entsprechend den Feststellungen, wobei er die Einlassung des Angeklagten bestätigte und aufgrund seiner persönlichen Einbindung in die Gespräche und Entscheidungen ergänzte. Er schilderte die Struktur und räumte insoweit auch ein, dass die Investoren des BU Fund nicht über die Profitspanne von 10 % zwischen dem „Fundlevel“ von 93 % und dem sogenannten „Marketlevel“ von 83 % informiert werden sollten und A gegenüber C und Dr. D/Dr. E ihrerseits die weitere Spanne in Höhe von 4 % für den BW Fund aufgrund des sogenannten „Floorlevels“ von 79 % verheimlicht habe. Er wisse auch nicht, ob diese geahnt hätten, dass am Markt ein geringer Level als 83 % erzielbar war.
512Dies wurde durch die Angaben von Dr. E glaubhaft bestätigt, der auch berichtete, dass er und Dr. D die Gewinne über die ihnen zuzurechnende BC Gesellschaft vereinnahmt hätten. Hierbei habe es sich um eine ursprünglich auf den britisch Virgin Islands und später in Luxemburg angesiedelte Gesellschaft gehandelt. Sie habe keine tatsächliche Geschäftstätigkeit entfaltet, sondern ausschließlich der Vereinnahmung der Profite aus den verschiedenen von ihm und Dr. D betriebenen CumEx-Geschäften gedient. Sie hätten die hohen Profite nicht über das Kanzleikonto laufen lassen wollen, da dies zu Rückfragen geführt hätte und sie den Gewinn dann mit anderen Kanzleipartnern hätten teilen müssen. Vom Zusatzgewinn der A im BW Fund hätten er und Dr. D damals nichts gewusst. Es überrasche ihn aber nicht, da es damals so gewesen sei, dass „jeder jeden beschissen habe“.
513Auch der Zeuge L bestätigte die Angaben N, wobei er sehr detailreich und lebhaft von den festgestellten Treffen berichtete. Er hat hierbei unter anderem erinnern, dass Dr. D auf ihren Versuch, die Gewinnverteilung nachträglich zu verändern, wütend und laut schreiend reagiert habe. In der Folge hätten sie sich dann mit der Erhöhung ihres Anteils auf 22 % zufriedengegeben, obwohl J eigentlich 1/3 gefordert habe. Zur Gewinnvereinnahmung hätten sie eine Firma AN Hedge Dubai gegründet, die von einem Strohmann geführt worden sei und keine Geschäftstätigkeit entfaltete habe. Die Gewinne sollten dann durch Scheinverträge über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen verteilt werden. Dies sei auch in weiten Teilen so passiert. Einen geringeren Teil ihres Gewinnanteils hätten sie nicht selbst entnommen, sondern an die C Bank fließen lassen.
514Der Zeuge H bestätigte dies dahingehend, dass er nach seiner Erinnerung zwar nicht selbst an den Verhandlungen zur Gewinnverteilung teilgenommen habe, aber darüber informiert worden sei. Er habe auch mitbekommen, dass vermieden werden sollte, zu große Gewinne im Fonds anfallen zu lassen, da dies zu große Aufmerksamkeit – auch der staatlichen Aufsicht – hätte hervorrufen können. Das habe man vermeiden wollen.
515Dass sich die Gewinnverteilung nach unmittelbaren Gesprächen zwischen G und Dr. D auf 39 % A, 39 % Dr. D/Dr. E und 22 % C veränderte, wird auch durch eine von M verfasste E-Mail vom 14.04.2010 (15:22 Uhr) innerhalb der A bestätigt, in der es unter anderem heißt: „unser Anteil wurde auf 39 % gesetzt (ebenso der von BC) und C auf 22 %, wie von E [G] und D [D] besprochen“.
Die Feststellungen zu den Umgehungsstrategien beruhen maßgeblich auf den glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. E. Er hat erläutert, dass er über die Umgehungsstrategien und „Verteidigungslinien“ als Kanzleipartner mit Dr. D zahlreiche Gespräche geführt habe und Dr. D sie auch in den Gesprächen mit den weiteren Beteiligten, bezogen auf den BU Fund also insbesondere A und C, so bezeichnet und im Einzelnen vorgetragen und erläutert habe. Beispielsweise habe D die schnelle Auszahlung und Auflösung des Fonds mit dem Bild versehen, dass man „einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen könne“.
517Dies wurde durch die Zeugen N und L, die an derartigen Besprechungen teilgenommen haben, bestätigt.
518Die Feststellungen zum diesbezüglichen Wissensstand und Vorstellungsbild des Angeklagten beruhen auf dessen Angaben. Dieser hat insbesondere bestätigt, dass er gewusst habe, dass die Beteiligten auf die regulatorischen Bemühungen zur Verhinderung der Transaktionen, durch verschiedene Maßnahmen reagiert hätten. Er habe auch die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die geplanten Geschäfte mitbekommen.
Die Feststellungen zum Inhalt des durch den gesondert verfolgten Dr. D erstellten Gutachtens vom 31.03.2010 und den dortigen Annahmen beruhen zunächst auf dem im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Gutachten selbst.
520Die Abstimmung des sogenannten „Fact Patterns“ zwischen N und Dr. D haben sowohl der Zeuge N als auch der Zeuge Dr. E glaubhaft geschildert. Dies wird zudem durch die eingeführten E-Mails vom 29.03.2010 (17:53 Uhr und – bereits erwähnt – 18:09 Uhr) bestätigt, in denen sich N und Dr. Dr über das Fact Pattern austauschen. Aus diesen E-Mails wird insbesondere deutlich, dass beiden bewusst ist, dass den Geschäften tatsächlich Vereinbarungen zwischen Leerverkäufer und Leerkäufer zugrunde liegen und der Broker lediglich zwischengeschaltet ist, um einen gegenteiligen Anschein zu erzeugen. Dies ergibt sich auch aus der bereits erwähnten E-Mail N vom 09.04.2010 (15:44 Uhr).
521N hat hierzu auch glaubhaft angegeben, dass ihm klar gewesen sei, dass ein solch enges Verständnis des Begriffs der „Absprache“ eigentlich unzutreffend sei und man dies auch nicht gegenüber den Steuerbehörden offenlegen würde. Es sei damals die von den Beteiligten gefundene Formel gewesen, um behaupten zu können, dass man die Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 05.05.2009 einhalte. N hat ferner berichtet, dass ihm klar gewesen sei, dass dem Gutachten weitere unzutreffende Annahmen zugrunde gelegen hätten. Insbesondere habe die Strategie nicht auf der Ausnutzung von Marktineffizienzen, sondern aus der „doppelten“ Steuererstattung resultiert. Es seien entgegen der Annahme im „Fact Pattern“ auch keine marktgerechten Preise gezahlt worden. Ihm sei schließlich auch klar gewesen, dass Dr. D schon aufgrund seiner eigenen Einbindung und Gewinnbeteiligung kein „neutrales“ Gutachten erstatten würde, sondern dieses dazu gedient habe, den Anschein der Ordnungsgemäßheit zu erzeugen.
522Dies wurde auch durch den Zeugen Dr. E entsprechend bestätigt, der das Gutachten Dr. D für die C InvAG ebenso wie diejenigen anderer im CumEx-Markt tätiger Rechtsanwälte als reine „Feigenblatt-Gutachten“ bezeichnete, was auch allen professionellen Beteiligten klar gewesen sei. Man habe den Sachverhalt für diese Gutachten so zusammengefasst und gebogen, dass am Ende das gewünschte Ergebnis herausgekommen sei.
523Dass der Angeklagte den Inhalt des „Fact Patterns“ und die dortigen Abweichungen vom tatsächlichen Sachverhalt kannte, beruht neben seiner diesbezüglichen Einlassung und entsprechenden Angaben des Zeugen N auch auf dem im Selbstleseverfahren eingeführten Protokoll, welches seitens der C zu einem Treffen unter Beteiligung des Angeklagten am 22.03.2010 in London erstellt worden ist. Der Zeuge L hat zu diesem Protokoll glaubhaft erläutert, dass es sich um ein Treffen im Zuge der bei der Auslagerung der Anlageverwaltung erforderlichen Due Diligence Prüfung gehandelt habe. Er habe an diesem allerdings nicht selbst teilgenommen, sondern J und ein weiterer Mitarbeiter namens AO. Ausweislich dieses Protokolls wurden dort die Inhalte des „Fact Patterns“ besprochen und in das Protokoll aufgenommen.
524Dass der Angeklagte bereits vor Beginn der Handelssaison erkannte, dass in dem „Fact Pattern“ und in der sonstigen schriftlichen Dokumentation stets unzutreffend behauptet wurde, dass es keine Absprachen über Leerverkäufe gegeben habe, obwohl diese tatsächlich – wie bereits 2009 von B – in umfangreicher Form durch N getroffen worden waren und dass diese falsche Darstellung der Verschleierung des wahren Sachverhaltes gegenüber den Steuerbehörden diente, beruht auf seiner auch insoweit glaubhaften Einlassung. Er hat dabei – wie erwähnt – auch eingeräumt, dass er es für möglich hielt, dass aufgrund dieser falschen Darstellung eine unrechtmäßige Steuererstattung erfolgen würde und trotzdem weitergemacht habe. Dies fügt sich nahtlos in die vorstehenden Beweisergebnisse zu den Kenntnissen des Angeklagten über die tatsächlichen Absprachen einerseits (s.o. D II 3. c) 5)) und die diese verschweigende schriftliche Dokumentation, wie dem „Fact Pattern“ oder dem vorgenannten Protokoll, andererseits ein.
Die Feststellungen zur Risikoanalyse von BU(bzw. deren Entwurf) und deren Inhalt beruhen maßgeblich auf der durch Selbstlesung eingeführten Risikoanalyse selbst.
526Die Feststellungen zum Treffen am 01.12.2009 basieren auf einer BU-internen Gesprächsnotiz über eine Besprechung mit J und K vom 01.12.2009 (E-Mail vom 01.12.2009, 22:18 Uhr), aus der sich ergibt, dass explizit über CumEx-Transaktionen und das mit diesen verbundene Risiko einer zu Unrecht erstatteten Kapitalertragsteuer gesprochen wurde.
527Die festgestellten Hintergründe, die Versuche Dr. D, auf das Ergebnis Einfluss zu nehmen, und die Reaktion der Beteiligten beruhen auf den entsprechenden Bekundungen der Zeugen Dr. E und L. Diese werden wiederum durch eingeführte Urkunden bestätigt, unter ergibt sich aus einer Mail von BU an J vom 11.03.2010 (10:18 Uhr), dass es in der Vorwoche ein Gespräch mit Dr. D und Dr. E gegeben habe. Ferner bestätigt eine interne E-Mail von BU vom 05.11.2010 (9:20 Uhr), dass „die Beratung auf Wunsch von Hr. J abgebrochen wurde, da es nicht in die von Ihm gewollte Richtung ging.“
Die Feststellungen zur der Schaffung der Fondstruktur, dem Abschluss der Verträge, dem Verkaufsprospekt und der Gewinnung der Investoren beruhen neben der Einlassung des Angeklagten auf den entsprechenden Angaben der Zeugen N, Dr. E und L.
529Sie wurden bestätigt und ergänzt durch die im Wege der Verlesung bzw. des Selbstleseverfahrens eingeführten Gesellschafts- und Gründungsunterlagen der InvAG und der BN GbR, der Nichtveranlagungsbescheinigung, den Auszügen aus dem Verkaufsprosekt und den Due Diligence Unterlagen der A, den Anlagebedingungen und dem Bescheid der BaFin vom 17.03.2010, mit dem die Anlagebedingungen und die Depotbankauswahl genehmigt wurden. Sie wurden ferner bestätigt durch ebenfalls im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Verträgen mit der F Bank und C 21 sowie der Mandatsbestätigung von AQ & AR.
530Dass diese Schritte, wie vom Angeklagten und den tatbeteiligten Zeugen geschildert, im Vorfeld zwischen den Beteiligten regelmäßig und engmaschig abgestimmt und vorbereitet wurden, ergibt sich aus der diesbezüglich eingeführten E-Mail-Kommunikation. Beispielhaft ist hier eine von N an J gesandte E-Mail vom 08.02.2010 (14:47 Uhr) anzuführen, die in acht Unterpunkten die nächsten erforderlichen Schritte enthält und diese C oder A zuordnet. Der Angeklagte ist in dieser E-Mail in Cc. gesetzt.
531Die Kammer hat auch die Zeichnungsscheine der Investoren im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt, die die Angaben des Angeklagten und der Zeugen N, Dr. E und L bestätigten und ergänzten.
532Die Einlassung des Angeklagten, dass er an der Gewinnung von C als Investor in unterstützender Funktion tätig war, wird bestätigt durch eine E-Mail vom 11.03.2010 (17:00 Uhr), in der er sich bei den Vertretern Cs für ein Treffen am selben Tag bedankt und eine Vielzahl von Dokumenten versendet.
Die den Feststellungen zugrundeliegende Einlassung des Angeklagten zu seiner Rolle unmittelbar vor und während der Handelssaison wurde insbesondere durch die glaubhaften Angaben des Zeugen N bestätigt und gestützt, der die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten aus seiner Sicht geschildert hat. Die Angaben N deckten sich hierbei vollumfänglich mit der Schilderung des Angeklagten, ohne dass Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Absprache bestanden hätten. N führte auch in diesem Zusammenhang aus, dass der Angeklagte bezogen auf seine Beteiligung in Zusammenhang mit dem konkreten Handel zwar sehr hilfreich, aber grundsätzlich ersetzbar gewesen sei, da seine Aufgaben nach entsprechender Einarbeitungszeit auch von jemand anderem mit vergleichbarem Hintergrund hätten übernommen werden können. Bei einem Ausstieg des Angeklagten unmittelbar zu Beginn der Handelssaison wären aber jedenfalls ein Teil der Transaktionen gefährdet gewesen.
534Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Angeklagten und des Zeugen N.
535Sie werden zudem durch die insoweit eingeführten Dokumente bestätigt. Während die E-Mail-Kommunikation auch in dieser Phase die Rollenverteilung zwischen beiden belegt, zeigen die eingeführten Transaktionsbelege, auf die noch eingegangen wird, dass der Angeklagte die Handelsaufträge letztlich erteilte und vielfach auch unmittelbarer Ansprechpartner für die Broker auf Arbeitsebene war.
Die Feststellungen zu den konkreten Handelsabläufen beruhen neben der Einlassung des Angeklagten auf den Angaben der Zeugen N, Dr. E und L, die die Struktur und die Abläufe entsprechend den Feststellungen jeweils aus ihrer Sicht bestätigt haben. Insbesondere N, der den Handel geplant und strukturiert hatte, konnte der Kammer die einzelnen Schritte im Detail erläutern und bestätigte hierbei die Einlassung des Angeklagten.
537Sie wurde auch bestätigt durch die Angaben der Zeuginnen BD und BE, die als Mitarbeiter des BZSt die sichergestellten Handelsbelege ausgewertet und die Handelsabläufe rekonstruiert haben. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse, die sich allerdings auf die Geschäfte beschränken, an denen der BU Fund unmittelbar beteiligt war (also nicht die weitere Gewinnverteilung mit französischen Futures umfassen), decken sich mit den Angaben des Angeklagten und der tatbeteiligten Zeugen.
538Schließlich bestätigen auch die durch die Kammer verlesenen Belege der einzelnen Transaktionen sowie die im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Kontogutschriften in Höhe der Bruttodividende die Angaben der Zeugen entsprechend der getroffenen Feststellungen.
539Dass es aus Sicht der Beteiligten maßgeblich war, dass die Dividende der Besteuerung unterfallen würde, ergibt sich – über die Angaben des Angeklagten und der tatbeteiligten Zeugen hinaus – auch aus diesbezüglicher E-Mail-Kommunikation. So erläuterte N bereits in einer E-Mail vom 29.09.2009 (17:17 Uhr), die der Angeklagte, Dr. D und der Zeuge Dr. E in Cc. erhielten, dass man Aktien der Deutschen Telekom in der Planung ausgenommen habe, da derzeit davon auszugehen sei, dass die Dividende im Gegensatz zu 2009 keiner Kapitalertragsteuer unterfalle.
540Die Zeuginnen BD und BE haben auch berichtet und im Einzelnen erläutert, wie sie anhand der jeweiligen Handelsbelege und dem bereits erwähnten Dividendenrechner, die Dividendenlevel für die einzelnen Transkationen berechnet haben. Hierbei habe sich gezeigt, dass die in den Fonds gehandelten Dividendenlevel in einer Spanne von rund 85 % bis 94 % gelegen und sich Durchschnittswerte im niedrigen 90er Bereich ergeben hätten. Dies bestätigt zum einen die Angaben der Zeugen N, Dr. E und L zu dem in den Fonds gehandelten „Fundlevel“. Sie bestätigen darüber hinaus auch deren Angabe, dass es sich bei allen Transaktionen tatsächlich um CumEx-Leerverkaufsgestaltungen handelte, da bereits die in den Fonds gehandelten Level unterhalb der am Markt für Aktieninhaber üblicherweise erzielbaren CumCum-Level lagen (üblicherweise nicht unter 95 %).
Die getroffenen Feststellungen zu den einzelnen durchgeführten Transaktionen für den BU Fund folgen zunächst aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Handelsbelegen, insbesondere den über einen Bloomberg-internen Nachrichtendienst versendeten Bestätigungen des Brokers AS, die sich der Angeklagte an seine eigene dienstliche E-Mail weiterleitete, sowie den schriftlichen Bestätigungen der C 22. Daraus ergeben sich – sowohl für die „physically settled“ als auch die „cash settled“ Futures – die Stückzahlen der gehandelten Aktien bzw. Futures, die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte der Future-Transaktionen sowie die vereinbarten Preise. Die Höhe der Bruttodividende ergibt sich aus den jeweiligen in der Hauptverhandlung verlesenen KD111-Belegen von BQ. Aus diesen sowie aus dem im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Vermerk der Kammer vom 22.02.2023 ergeben sich auch die jeweiligen Hauptversammlungstage. Die gehandelte Aktiengattung hat die Kammer anhand der Handelsbelege, der KD111-Belege und dem Vermerk der Kammer vom 19.04.2023, der ebenfalls im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt wurde, festgestellt. Bestätigt werden die vorstehenden Angaben zudem durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Übersichten des BZSt aus den jeweiligen Transaktionsheften. Zudem haben auch die Zeuginnen BD und BE, die bei der Erstellung der Transaktionshefte mitgewirkt haben und den Aufbau sowie die Erstellung detailreich geschildert haben, die Angaben bestätigt.
542Der Angeklagte konnte mangels Zeitablaufs die Transaktionen nicht mehr im Einzelnen bestätigen, er ließ sich aber – wie erwähnt – dahingehend ein, dass sie zu seiner Erinnerung passen würden.
Die Feststellungen zur Darstellung des Erstattungsverfahrens beruhen auf den Angaben der Zeugin BH, die damals im Finanzamt München arbeitete und unter anderem für die tatgegenständlichen Erstattungsverfahren zuständig war. Diese berichtete nachvollziehbar und glaubhaft über den generellen Ablauf des Verfahrens und den auf formelle Aspekte beschränkten Prüfungsumfang seitens des Finanzamtes München.
Die Feststellungen zum Schreiben der F aus dem April 2010 beruhen auf einem sichergestellten und in die Hauptverhandlung verlesenen Entwurf. Darüber hinaus hat die Zeugin BH glaubhaft bestätigt, dass das Schreiben der F damals beim Finanzamt München eingegangen sei.
545Die Feststellungen zur schriftlichen Antwort des Finanzamtes München vom 11.05.2010 ergeben sich aus der im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunde selbst.
Die Feststellungen zu den Inhalten der durch die F Bank erstellten elektronischen Kapitalertragsteuer-Anmeldungen für April, Mai und Juni 2010 folgen aus den im Selbstleseverfahren eingeführten diesbezüglichen Ausdrucken der Anmeldungen der F Bank vom 06.05.2010 (für April), vom 07.06.2010 (für Mai) und vom 05.07.2010 (für Juni) sowie aus den ergänzenden Angaben des Zeugen BH hierzu. Diese hat der Kammer die vorgenannten Anträge und deren Bearbeitungsschritte im Einzelnen erläutert und hierbei insbesondere stimmig und nachvollziehbar geschildert, dass die F Bank bei der Kapitalertragsteueranmeldung für April bis Juni 2010 Ansprüche auf Erstattung der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag nach § 44b Abs. 6 Satz 1 bis 3 EStG geltend gemacht hat. Dabei hat die Zeugin BH, die auch mit dem späteren Rückforderungsverfahren befasst war, zugleich bestätigt, dass die aus den festgestellten Aktiengeschäften des BU Fund generierten Erstattungsbeträge in den Anmeldungen für April, Mai und Juni 2010 rechnerisch in vollem Umfang enthalten waren.
547Der Umstand, dass sich weder aus den an das Finanzamt übermittelten Unterlagen, noch aus anderen Hinweisen ergab, dass den jeweiligen Anrechnungsbeträgen Leerverkäufe zugrunde lagen, bei denen die Steuer von der Dividendenkompensationszahlung zuvor nicht abgezogen und mit der weder der Verkäufer noch eine andere Stelle belastet worden war, ergibt sich ebenfalls aus den eingeführten Antragsunterlagen und aus der entsprechenden Angabe der Zeugin BH. Diese hat ferner auch angegeben, dass eine Überprüfung durch das Finanzamt lediglich hinsichtlich der formellen Voraussetzungen vorgenommen worden sei und dass materielle Erstattungsvoraussetzungen angesichts der Formalisierung des Verfahrens nicht geprüft worden seien. Dazu habe auch kein Anlass bestanden, da im Jahr 2010 bei ihr und ihren Kollegen in der zuständigen Abteilung des Finanzamts München keine Kenntnisse über CumEx-Geschäfte und deren steuerrechtliche Bewertung vorhanden gewesen seien. Auch das BMF-Schreiben vom Mai 2009 sei damals nicht bekannt gewesen bzw. hätten sie dem jedenfalls keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nachträglich müsse sie jedoch einräumen, dass das Vertrauen in ein rechtmäßiges Verhalten der Banken zu groß gewesen sei und es in dem System letztlich nicht genug Kontrollen zur Vermeidung von Missbrauch gegeben habe. Man sei einfach nicht davon ausgegangen, dass es in erheblichem Maße zu unberechtigten Anträgen komme, denen keine Steuerabführungen gegenüberstünden. Bei Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts hätte eine Erstattung nicht stattgefunden.
548Die Kammer ist überzeugt, dass die nachvollziehbaren und in sich stimmigen Angaben der Zeugin auch insoweit zutreffend sind; insbesondere hatte die Zeugin als damalige Sachbearbeiterin die entsprechenden Einblicke in das Anrechnungs- bzw. Erstattungsverfahren und konnte aus eigener unmittelbarer Wahrnehmung Angaben zu dem auf Seiten des Finanzamtes München vorhandenen Kenntnisstand zu CumEx-Geschäften im verfahrensgegenständlichen Zeitraum machen.
Dass den Erstattungsanmeldungen der F Bank vollumfänglich zugestimmt und die Auszahlung veranlasst wurde, ergibt sich aus den hierzu ergangenen, im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten, Verfügungen vom 19.05.2010 (für April), 14.06.2010 (für Mai) und 13.07.2010 (für Juni), mit der die Sollstellung der angemeldeten Beträge angewiesen wurde. Hierin waren sämtliche Beträge aus den verfahrensgegenständlichen Geschäften enthalten, was zur Überzeugung der Kammer neben dem Inhalt der Verfügung auch aufgrund der entsprechenden Angaben der Zeugin BH feststeht, mit der diese im Einzelnen erläutert wurden und die – wie erwähnt – auch mit dem späteren Rückforderungsverfahren befasst war. Die Zeugin bestätigte auch, dass die angemeldeten Beträge entsprechend der Verfügungen ausbezahlt wurden.
Die Feststellungen zur Auskehr der Gewinne an die Investoren und zur Schließung des Fonds beruhen auf den Angaben des Angeklagten, der tatbeteiligten Zeugen und ergänzend auf den hierzu in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden, namentlich den Erklärungen der Investoren über die Anteilsrückgaben, der Liste der Investoren samt Anlagesumme und Auszahlungsbetrag sowie der Schließungsmitteilung vom 06.04.2011 und dem zugrundeliegenden Vorstandsbeschluss der BV vom 30.03.2011.
Die Feststellungen zur Verteilung der in den BV und den BW Fund gehandelten Profite beruhen neben der Einlassung des Angeklagten insbesondere auf den glaubhaften Angaben des Zeugen H. Dieser hat im Rahmen seiner Vernehmungen bei der Staatsanwaltshaft Köln anhand des ihm zur Verfügung stehenden Zahlenmaterials Übersichten zur Profitverteilung gefertigt und diese der Kammer in der Hauptverhandlung im Einzelnen erläutert. Seine glaubhaften Angaben werden durch die Angaben N, Dr. E und L bestätigt, die die erhaltenen Zahlungen für ihr jeweiliges „Unternehmen“ und die Art der Gewinnverschiebung entsprechend geschildert haben.
552Die Angaben Dr. E wurden hierbei zusätzlich bestätigt durch eine „Übersicht Profits deutsche Trades 2010“, die an eine interne Mail vom 23.08.2010 (13:23 Uhr) angehängt war und die Profite von Dr. D/Dr. E durch die CumEx-Geschäfte im Jahr 2010 aufweist. Diese listet neben zwei BX Fonds (A und BJ, dem BC German Hedge Fund (BM und BN) auch den C Fonds auf. Für diesen ist eine Prognose von 13 Millionen Euro und – passend zu den Angaben H – eine tatsächliche Zahlung von 13.616.500 Euro angegeben. Auch die Ausgaben von 3 Millionen Euro für den gesondert Verfolgten AD sind aufgelistet. Die Übersicht bestätigt auch die an anderer Stelle getroffenen Feststellungen dazu, dass es den Beteiligten gelang, die Profite im Vorfeld ziemlich genau zu prognostizieren.
Die Feststellungen zur Gewinnverteilung innerhalb der A beruhen auf den glaubhaften Angaben H, der dies entsprechend berichtet und anhand einer weiteren von ihm gefertigten Aufstellung erläutert hat. Dieser hat auch berichtet, dass dem Angeklagten sowie weiteren Mitarbeitern ein Bonus gezahlt werden sollte, der abhängig vom Erfolg der Geschäfte war. Dies sei mit N und M im Vorfeld abgesprochen, dem Angeklagten aber nicht offengelegt worden.
554Der Zeuge N hat zur Gewinnverteilung innerhalb der A hingegen erklärt, hierzu in öffentlicher Hauptverhandlung keine Angaben machen zu wollen und sich insoweit auf § 55 StPO berufen. Er wolle lediglich angeben, dass er einen prozentualen Gewinnanteil erhalten habe, der ganz erheblich über dem Profit des Angeklagten, aber unter dem Gewinnanteil B gelegen habe.
555Dass der Angeklagte tatsächlich eine Bonuszahlung in Höhe von umgerechnet rund 190.000 Euro erhalten hat, ergibt sich aus der von ihm zu den Akten gereichten und in der Hauptverhandlung verlesenen Gehaltsabrechnung für den Juni 2010. Zugunsten des Angeklagten geht die Kammer davon aus, dass hiervon nach Abzug der Steuern nur 60.000 Euro auf seine Beteiligung am BU Fund entfallen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zur Begründung der Einziehungsentscheidung verwiesen.
Die Feststellungen zu den Berufsträgerbescheinigungen beruhen neben der Einlassung des Angeklagten auf den entsprechenden Angaben der tatbeteiligten Zeugen, die dies entsprechend den Feststellungen geschildert haben. Ergänzend hat die Kammer die der Auftragsvereinbarung mit BD und die in den Feststellungen genannten Bescheinigungen der beteiligten Unternehmen in der Hauptverhandlung verlesen bzw. im Selbstleseverfahren eingeführt. Insofern ergibt sich deren Inhalt aus den Urkunden selbst.
Die Feststellungen zu den Tatbeiträgen und zum Vorstellungsbild des gesondert Verfolgten N sowie zu den Tatförderungsbeiträgen, der Partizipation und dem Vorstellungsbild des Angeklagten beruhen auf deren – den Feststellungen entsprechenden – eigenen Angaben sowie den weiteren Beweismitteln, wie sie im Rahmen des Vorstehenden dargelegt worden sind. Die Feststellungen zur finanziellen Partizipation des Zeugen N beruhen – wie dargestellt – auf den Angaben des Zeugen H.
Die Feststellungen zum Anlass und Ablauf des Ermittlungsverfahrens beruhen auf Bekundungen der Zeugen BO und BP, die die Geschehnisse jeweils ergänzend und bestätigend wie festgestellt geschildert haben. Die Zeugin BO, die die Ermittlungen von Seiten der Steuerfahndung von Beginn an bis zum April 2020 geleitet hat, hat dabei detailreich den Ablauf der Ermittlungen und die konkreten Ermittlungsmaßnahmen geschildert. Dass der Angeklagte ab dem 19.08.2016 als Beschuldigter geführt wurde, ergibt sich zudem aus der in der Hauptverhandlung als Urkunde auszugsweise verlesenen Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19.08.2016. Der Zeuge BP übernahm die Ermittlungsführung Ende März 2021 und konnte daher lediglich zu den letzten Monaten des Ermittlungsverfahrens Angaben machen. Die Angaben zum Haftbefehl, zur Festnahme des Angeklagten in Großbritannien, seiner späteren Auslieferung und zu seinem Haftverlauf ergeben sich einerseits aus seiner Einlassung und zudem auch aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden (übersetzte E-Mail von Interpol Manchester vom 09.11.2021, Festnahmeanzeige vom 20.10.2021, Verschonungsbeschluss vom 21.10.2021 und Entlassmitteilung vom 22.11.2021).
559Dass der Sachverhalt nach der Vernehmung des Angeklagten im November 2021 bereits ausermittelt war, ergibt sich insbesondere aus den Angaben des Zeugen BP. Er gab an, dass nach dem Erstellen der E-Mail-Chronologie Mitte des Jahres 2021 „nicht mehr viel passiert“ und in einer Verfügung vom Oktober 2021 festgehalten worden sei, dass das Verfahren abschlussreif sei. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Beweisergebnisse ergibt sich daher auch, dass eine Anklageerhebung gegen den Angeklagten nach Abschluss seiner staatsanwaltlichen Vernehmungen und der Einräumung einer angemessenen Frist zur Erstellung der Anklage jedenfalls ab April 2022 möglich gewesen wäre.
560Die Feststellungen zur Verfahrenseröffnung und zur Abtrennung bezüglich der ehemaligen Mitangeklagten ergeben sich aus den auszugsweise verlesenen jeweiligen Beschlüssen der Kammer als solchen.
Die Feststellungen zum Rückforderungsverfahren einschließlich dessen aktuellen Standes zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung beruhen auf den im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Urkunden, namentlich dem Anschreiben des Finanzamts München vom 14.03.2023 und dem Vermerk des Finanzamts München vom 13.03.2023 nebst der im Selbstleseverfahren aufgenommenen Anlagen 2, 4, 6 und 8 zu diesem Vermerk. Zudem hat auch die Zeugin BH die Existenz des Rückforderungsverfahrens und dessen anfänglichen Ablauf bestätigt. Sie konnte dazu auch aus eigener Wahrnehmung Angaben machen, weil sie an der Erstellung des Nachforderungsbescheids vom 30.04.2019 (Anlage 2 zum Vermerk vom 13.03.2023) mitgewirkt und erst danach ihre Dienststelle gewechselt hat.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 27 Abs. 1 StGB schuldig.
Es liegen keine Verfahrenshindernisse vor, insbesondere ist keine Verfolgungsverjährung gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB eingetreten.
564Für Anstifter und Gehilfen ist grundsätzlich die Strafdrohung des Gesetzes maßgeblich, das den von der Haupttat verwirklichten Straftatbestand normiert (MüKoStGB/Mitsch, 4. Aufl. 2020, StGB § 78 Rn. 21). Im vorliegenden Fall beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1 AO in der seit dem 29.12.2020 geltenden Fassung i. V. m. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO fünfzehn Jahre. Das konkrete Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung liegt hier auch vor (vgl. dazu nachfolgend F.I).
565Bei Inkrafttreten der Regelung am 29.12.2020 war die Tat auch noch nicht verjährt. Denn die Verjährung der Beihilfe beginnt nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Lehre erst mit der Vollendung bzw. Beendigung der Haupttat (vgl. MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 27 Rn. 120 m.w.N.). Dementsprechend begann die Verjährungsfrist aufgrund der Genehmigung des letzten Anrechnungsantrags durch das Finanzamt München vorliegend nicht vor dem 08.07.2010 zu laufen, da die Tat frühestens dann im Sinne des § 78a Satz 1 StGB vollendet bzw. beendet war.
566Die vor Inkrafttreten des § 376 Abs. 1 AO n. F. geltende zehnjährige Verjährungsfrist war auch bei Inkrafttreten der Neuregelung am 29.12.2020 noch nicht abgelaufen. Denn die Verjährungsfrist wurde bereits vor ihrem Ablauf mehrfach gemäß § 78c Abs. 1 StGB unterbrochen, so zumindest durch den Erlass des Haftbefehls des Amtsgerichts Bonn am 19.02.2020. Die darin aufgeführten Tatvorwürfe umfassen insbesondere die hier angeklagte Tat.
Der Angeklagte hat sich wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er die zumindest vom gesondert Verfolgten N begangene Haupttat förderte.
Die von dem Haupttäter N im Zusammenwirken mit weiteren Beteiligten getätigten CumEx-Geschäfte stellen eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar.
569Denn die an das Finanzamt München übermittelten Kapitalertragsteueranmeldungen der F Bank für die Monate April bis Juni 2010 enthielten – dem gesondert verfolgten N gemäß § 25 Abs. 2 oder gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zuzurechnende – unrichtige Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen, aufgrund derer von der Steuerverwaltung nicht gerechtfertigte Steuervorteile in Höhe von insgesamt 92.006.906,05 Euro gewährt wurden. Im Einzelnen:
Die monatlichen Kapitalertragsteueranmeldungen der F Bank für April bis Juni 2010 enthielten hinsichtlich des BU Fund die steuerlich erhebliche Angabe, dass Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge in Höhe von insgesamt 92.006.906,05 Euro auf Kapitalerträge einbehalten und abgeführt worden sind.
571Durch den mit Gesetz vom 16.07.2009 neu gefassten und erstmals für Kapitalerträge nach dem 31.12.2009 anzuwendenden § 11 Abs. 2 InvStG [VZ 2010] wurde das Erstattungsverfahren für auf Kapitalerträge eines inländischen Investmentvermögens einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuern dahingehend geändert, dass bei Kapitalerträgen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG [VZ 2010], mithin auch bei Dividenden und Dividendenkompensationszahlungen, die Erstattung gegenüber dem inländischen Sondervermögen durch deren Depotbank erfolgen konnte. Die Depotbank hatte in diesem Fall nach § 11 Abs. 2 Satz 2 InvStG [VZ 2010] i. V. m. § 44b Abs. 6 Satz 3 EStG [VZ 2010] die Summe der Erstattungsbeträge ihrerseits in der gegenüber dem eigenen Betriebsstättenfinanzamt einzureichenden Steueranmeldung gesondert anzugeben und von der von ihr abzuführenden Kapitalertragsteuer abzusetzen.
572Erforderlich für die Steuererstattung gegenüber dem Investmentvermögen durch die Depotbank war nach § 11 Abs. 2 Satz 1 InvStG [VZ 2010], dass die Steuern zuvor auf Kapitalerträge des inländischen Investmentvermögens einbehalten und abgeführt worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 60). Dass auch im Verhältnis der Depotbank zum Fiskus eine Erstattung nur in Betracht kam, wenn die Kapitalertragsteuern nebst Solidaritätszuschläge zuvor einbehalten und abgeführt worden waren, folgte aus § 11 Abs. 2 Satz 2 InvStG [VZ 2010] i. V. m. § 44b Abs. 6 Satz 2 EStG [VZ 2010], wonach die Depotbank gegenüber dem Fiskus für zu Unrecht gewährte Steuererstattungen einzustehen hatte.
573Wurden Erstattungsbeträge nach § 11 Abs. 2 Satz 2 InvStG [VZ 2010] i. V. m. § 44b Abs. 6 Satz 3 EStG [VZ 2010] in die hierfür vorgesehene Zeile 10 des Steuervordrucks für die monatlichen Kapitalertragsteueranmeldungen der Depotbanken eingetragen, war dem die Erklärung zu entnehmen, dass sämtliche Voraussetzungen für die Steuererstattung tatsächlich vorliegen sollen. Erklärt wurde insoweit, dass die eingetragenen Beträge als Steuern auf Kapitalerträge tatsächlich einbehalten und abgeführt worden sind.
574In den in Zeile 10 der Kapitalertragsteueranmeldung der F-Bank für April, Mai und Juni 2010 eingetragen Beträgen waren die von dieser zuvor an den BU Fund insgesamt ausgekehrten 92.006.906,05 Euro rechnerisch vollumfänglich enthalten.
575Dementsprechend hat die F-Bank im Rahmen der vorbezeichneten Kapitalertragsteueranmeldungen die steuerlich erhebliche Tatsache erklärt, dass im Umfang von 92.006.906,05 Euro Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge auf Kapitalerträge tatsächlich einbehalten und abgeführt worden sind.
Die Kapitalertragsteueranmeldungen für April bis Juni 2010 wurden von der F-Bank beim Finanzamt München und folglich auch bei einer Finanzbehörde im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 5, § 370 Abs. 1 AO eingereicht.
Die in den Kapitalertragsteueranmeldungen April bis Juni 2010 enthaltenen Erklärungen waren auch unrichtig, jedenfalls aber unvollständig, denn Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge waren auf Kapitalerträge des BU Fund gerade nicht einbehalten und abgeführt worden.
Zunächst sind die von den aktienführenden Unternehmen (Emittenten) auf die Aktien ausgeschütteten Dividenden dem BU Fund im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen CumEx-Leerverkaufstransaktionen nicht zuzurechnen. Denn da die schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte jeweils schon vor den Gewinnverteilungsbeschlüssen unter Einschaltung eines Leerverkäufers abgeschlossen, die Aktienbuchungen aber erst nach diesem Zeitpunkt vollzogen wurden, hat der BU Fund nicht die von den Emittenten der Aktien ausgeschütteten Dividenden, sondern lediglich die Dividendenkompensationszahlungen vereinnahmt, mit denen die Aktienverkäufer belastet wurden.
579Kapitalerträge in Gestalt von Dividenden werden hingegen nur von demjenigen bezogen, dem im maßgeblichen Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses die Aktien nach § 39 Abs. 1 oder Abs. 2 AO zuzurechnen sind (FG Hessen, Urteil vom 10.03.2017 - 4 K 977/14, juris Rn. 72; FG Köln, Urteil vom 19.07.2019 - 2 K 2672/17, juris Rn. 235). Die Voraussetzungen eines der in § 39 AO normierten Tatbestände wurden durch den BU Fund jedoch frühestens nach den Hauptversammlungen der aktienführenden Unternehmen und damit nach den Gewinnverteilungsbeschlüssen erfüllt, da die schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte jeweils mit Leerverkäufern abgeschlossen und die Aktienbuchungen jeweils erst nach den Hauptversammlungen vorgenommen wurden.
580Der BU Fund hat im Zeitpunkt des jeweiligen Gewinnverteilungsbeschlusses aber weder die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 AO noch diejenigen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO verwirklicht:
581- Das zivilrechtliche Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 1 AO ging hinsichtlich sämtlicher Aktiengattungen erst mit den tatsächlichen Aktienbuchungen im Depot des BU Fund und damit nach den Gewinnverteilungsbeschlüssen über (zu den Voraussetzungen des zivilrechtlichen Eigentumserwerbs bei girosammelverwahrten Aktien FG Hessen, Urteil vom 10.03.2017 - 4 K 977/14, juris Rn. 74; FG Köln, Urteil vom 19.07.2019 - 2 K 2672/17, juris Rn. 242; ferner BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 73; BFH, Urteil vom 02.02.2022 - I R 22/20, juris Rn. 29).
582- Auch die Voraussetzungen für eine Zurechnung der Aktien über das sog. „wirtschaftliche Eigentum“ im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO lagen im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse zugunsten des BU Fund nicht vor. Hierfür wäre erforderlich gewesen, dass der Fonds die Herrschaft über die Aktien im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse in einer Weise ausgeübt hat, dass er die zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf die Aktien wirtschaftlich hätte ausschließen können. Dies war vorliegend aber gerade nicht gegeben, da die Leerverkäufer dem BU Fund mangels eigenen Aktienbestandes eine entsprechende Herrschaftsposition gar nicht verschaffen konnten. Da zwischen den tatsächlichen Aktieninhabern und dem BU Fund zum maßgeblichen Zeitpunkt keinerlei Rechtsbeziehung bestand, wurden die ursprünglichen Aktieninhaber durch die nur relativ wirkenden Kaufverträge zwischen dem Fonds und den Leerverkäufern in ihrer Verfügungsgewalt über die Aktien auch nicht eingeschränkt. Auch eine „aktive Nutzungsmacht“, die vom BFH als mögliches weiteres abstraktes Zurechnungskriterium angedacht wird (vgl. BFH, Urteil vom 02.02.2022 - I R 22/20, juris, Rn. 36), hatte der BU Fund zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses nicht inne, da ihm die Original-Dividende, und damit das Recht, wie ein Eigentümer Nutzungen zu ziehen, gerade nicht zustand. Daher waren die Aktien den Aktieninhabern im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse nach dem Regeltatbestand des § 39 Abs. 1 AO auch weiterhin zuzurechnen (vgl. BFH, Urteil vom 02.02.2022 - I R 22/20, juris Rn. 38, 43; BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 78).
583Aufgrund des eindeutigen Exklusivitätsverhältnisses zwischen § 39 Abs. 1 und Abs. 2 AO, wonach die Aktien nur entweder dem zivilrechtlichen oder dem sog. wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen sind, scheidet auch eine gleichzeitige Zurechnung der Aktien zugunsten des zivilrechtlichen Eigentümers und dem Fonds aus (vertiefend und in Auseinandersetzung mit den Gegenauffassungen vgl. LG Bonn, Urteil vom 18.03.2020 – 62 KLs 1/19 –, juris; Urteil vom 09.02.2022 – 62 KLs - 213 Js 131/20 - 3/20 –, juris, jeweils m. w. N.; ferner BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 79; BFH, Urteil vom 02.02.2022 - I R 22/20, juris Rn. 38).
584An dieser eindeutigen Rechtslage vermag auch die in Teilen widersprüchliche Begründung des Jahressteuergesetzes 2007 nichts zu ändern. Dieser kann nicht der Rechtssatz entnommen werden, ein Leerkäufer erfülle die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AO stets bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bzw. er sei zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer unabhängig davon berechtigt, ob auf der Ebene des Leerverkäufers ein weiterer Steuerabzug stattgefunden hat. Die Änderungen des JStG 2007 waren ausweislich der Gesetzesbegründung vielmehr ausdrücklich dazu gedacht, sicherzustellen, dass in den hier betroffenen Fallgestaltungen „so viel Quellensteuer erhoben [wird], wie bei den Anteilseignern später steuerlich berücksichtigt wird“ (BT-Drs. 16/2712, S. 47 f.).
Für die durch den BU Fund anstelle der Dividenden vereinnahmten Dividendenkompensationszahlungen wurden bereits keine Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge einbehalten, insbesondere wurden die Steuern aber nicht an den Fiskus abgeführt.
586Da sich der Erklärungsgehalt der gegenüber dem Finanzamt München getätigten Angaben neben dem vermeintlichen Steuereinbehalt auch darauf erstreckt, dass die Steuern, deren Erstattung beantragt wird, tatsächlich an den Fiskus abgeführt worden sind, folgt die Unrichtigkeit der Angaben bereits hieraus.
587Darüber hinaus hat aber bezüglich der dem BU Fund allein zuzurechnenden Dividendenkompensationszahlungen schon kein Steuereinbehalt stattgefunden. Insbesondere wurde ein solcher nicht durch die Zahlung der Bruttokaufpreise oder die Vereinnahmung einer Dividendenkompensationszahlung in Höhe lediglich der Nettodividende bewirkt (BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 69; ferner so BFH, Urteil vom 02.02.2022 - I R 22/20, juris Rn. 66 ff.).
588Zwar hat der BFH entschieden, dass von einer Erhebung der Kapitalertragsteuer auszugehen ist, sobald sie vom Entrichtungspflichtigen der Kapitalertragsteuer für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einbehalten wurde, sodass es auf die Abführung der Steuer an das Finanzamt nicht ankommt (BFH, Urteil vom 23.04.1996 - VIII R 30/93, juris Rn. 14). Doch auch dann ist es als Grundvoraussetzung notwendig, dass die Steuern zuvor tatsächlich ordnungsgemäß einbehalten worden sind. Ein solcher Steuereinbehalt auf die Dividendenkompensationszahlung hat hier aber gerade nicht stattgefunden, da die auf Seiten der Leerverkäufer eingeschalteten Abwicklungsbanken keinen Betrag in Höhe der Differenz zwischen Brutto- und Nettodividende zu dem Zweck der Weiterleitung dieses Betrages an den Fiskus erhalten haben. Es gab also weder einen Steuerabzug i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG auf die Kompensationszahlung, noch kann die Zahlung der Bruttokaufpreise an die Kreditinstitute der Leerverkäufer als solche gedeutet werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 69).
589Die in den Anträgen enthaltenen Angaben sind ferner auch nicht deswegen richtig, weil die Emittenten auf die von ihnen ausgeschütteten Dividenden Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge tatsächlich einbehalten und abgeführt haben. Denn diese Steuereinbehalte und -abführungen beziehen sich ausschließlich auf die Dividenden und wirken dementsprechend allein für die tatsächlichen Bezieher der Dividenden (BGH, Urteil vom 28.07.2021 - 1 StR 519/20, juris Rn. 66 ff.).
Die in den Kapitalertragsteueranmeldungen April bis Juni 2010 gemachten Angaben waren zudem auch unvollständig im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, da die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen nicht wie von § 90 Abs. 1 Satz 2 AO gefordert vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt wurden. Der nicht erfolgte Steuerabzug auf die vom BU Fund bezogenen Dividendenkompensationszahlungen war mitteilungspflichtig, da hieraus bei zutreffender Rechtsanwendung das Fehlen der Voraussetzungen einer Steueranrechnung nach § 31 Abs. 1 KStG [VZ 2007-2011] i. V. m. § 36 Abs. 2 EStG [VZ 2007-2011] folgte.
591Darüber hinaus waren die in den Kapitalertragsteueranmeldungen April bis Juni 2010 enthaltenen Erklärungen auch deshalb unvollständig und letztlich unrichtig, weil entgegen der aus dem – trotz der Umgehungsstrategien anzuwendenden – BMF-Schreiben vom 05.05.2009 resultierenden Offenbarungspflicht dem Finanzamt gegenüber gerade nicht offengelegt wurde, dass bei sämtlichen verfahrensgegenständlichen Transaktionen Absprachen zwischen den für den Fonds tätigen Händlern und der leer verkaufenden Gegenseite vorgelegen hatten.
Dem Finanzamt München ist vor Beendigung der Tat auch nicht auf sonstige Weise – weder in dem Vorabschreiben der F-Bank vom April 2010 noch später auf anderem Wege – Mitteilung davon gemacht worden, dass der BU Fund lediglich Dividendenkompensationszahlungen vereinnahmt hat, auf die ein Einbehalt sowie eine Abführung von Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschlägen jeweils nicht vorgenommen wurde. Auch wurden dem Finanzamt München keinerlei Details der den Erstattungsanträgen zugrundeliegenden Transaktionen mitgeteilt, aus denen das Finanzamt diese Umstände hätte schlussfolgern können.
Aufgrund der unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben kam es zu Erstattungen in Höhe von 92.006.906,05 Euro und dadurch zur Gewährung nicht gerechtfertigter Steuervorteile durch das Finanzamt München. Denn die Erstattungen waren nicht gerechtfertigt, da hierfür nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 1 InvStG [VZ 2010], § 44b Abs. 6 Satz 3 EStG [VZ 2010] ein vorheriger Einbehalt und eine vorherige Abführung der Steuern erforderlich gewesen wären, was indes unterblieben war.
594Die nicht gerechtfertigten Steuervorteile in Gestalt der Steuererstattungen sind auch gerade auf die unrichtigen Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen zurückzuführen. Wäre im Rahmen der monatlichen Kapitalertragsteueranmeldungen der F Bank nicht die unzutreffende Erklärung abgegeben worden, dass Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge in entsprechender Höhe einbehalten und abgeführt worden waren, wäre es nicht zu den Steuererstattungen gekommen.
595Dass die Finanzverwaltung die erstatteten Steuern im Jahr 2019 von der F-Bank zurückgefordert und in der Folge eingezogen hat, ist, unabhängig davon, dass die F-Bank die zugrunde liegenden Bescheide weiterhin gerichtlich anficht, unerheblich, da die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet und auch beendet war.
Der gesondert verfolge N handelte – im Zusammenwirken mit weiteren Beteiligten – bezüglich der hier gegenständlichen Taten auch täterschaftlich.
597Ob die Tatbeteiligung einer Person als täterschaftlich zu bewerten ist oder allenfalls eine Beihilfestrafbarkeit begründet, ist vom Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebliche Kriterien sind dabei der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, sodass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängen müssen (BGH, Beschlüsse vom 08.06.2017 - 1 StR 188/17, juris Rn. 3; vom 26.11.2019 - 3 StR 323/19, juris Rn. 7). Im Fall des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO tritt die Herrschaft über die Abgabe und den Inhalt einer Steuererklärung als gewichtiges, wenn auch nicht allein ausschlaggebendes Indiz hinzu (Jäger, in: Klein, AO, 14. Aufl., § 370 Rn. 212).
598Zwar hat der gesondert verfolgte N die Kapitalertragsteueranmeldungen der F Bank für die Monate April bis Juni 2010 nicht selbst abgegeben oder veranlasst, aber er hat als „Zentralfigur“ so maßgeblich zum Gelingen der von den Beteiligten geplanten Struktur beigetragen, dass ohne ihn eine Tatverwirklichung in der konkreten Konstellation nicht möglich gewesen wäre. So lagen die vom gesondert Verfolgten N erbrachten Beiträge zwar lediglich im Vorfeld der eigentlichen Tat, also der Abgabe der unrichtigen Kapitalertragsteueranmeldungen, jedoch waren seine Tatbeiträge für die Ermöglichung dieser Taten von zentraler Bedeutung.
599Denn durch seine Kontakte zu den die Leerverkäufer repräsentierenden Intermediären, das Führen der entsprechenden Verhandlungen mit diesen sowie das Treffen von Absprachen über die zu liefernden Aktien bzw. Derivate nebst der zugrunde zu legenden Dividendenlevel hat der gesondert Verfolgte erst die Grundvoraussetzung für das Gelingen der CumEx-Transaktionen geschaffen. Zudem war er in maßgeblicher Funktion in die ebenfalls essentiellen Verhandlungen mit den Leveragegebern involviert und war in die Gewinnung des C Fund als Investor eingebunden. Ebenso war er – zunehmend selbstständig – an den Verhandlungen und Absprachen mit den übrigen Hauptbeteiligten aus den Reihen der C Bank, mit Dr. D und Dr. E sowie der Depotbank F beteiligt.
600Schließlich hat er auch an den Bemühungen um die Verschleierung der tatsächlichen Struktur der Handelsgeschäfte mitgewirkt. So hat er u. a. den „Fact Pattern“ mit abgestimmt, dessen unzutreffende Beschreibung der geplanten Geschäfte später zur Grundlage des nur zur Rechtfertigung gegenüber Dritten dienenden Gutachtens von Dr. D geworden ist.
601Vor allem aber hat er das als Grundlage für die Transaktionen dienende Trading Sheet erstellt und während der Handelssaison laufend aktualisiert. Ohne diese detaillierte Aufstellung der zu tätigenden Einzelgeschäfte und Transaktionen nebst der notwendigen aktuellen Berechnung der Bepreisung der zugrundeliegenden Derivate wäre es – insbesondere dem Angeklagten – nicht möglich gewesen, die für das Gelingen der Handelsstruktur notwendigen Transaktionen durchzuführen, womit die Taten insgesamt (jedenfalls in der konkreten Form) nicht durchführbar gewesen wären. Folgerichtig hatte der gesondert Verfolgte insgesamt Tatherrschaft, da die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom seinem Willen abhingen.
602Zudem hatte N aber auch ein besonders hohes eigenes Interesse an der Durchführung der CumEx-Geschäfte. Denn entsprechend seiner zentralen Rolle bei der Vorbereitung, Aufsetzung und Umsetzung der CumEx-Geschäfte sollte er auch in besonders großem Maß an den Taterlösen partizipieren. Letztlich vereinnahmte er absprachegemäß 25 % der bei A angefallenen Gewinnanteile, umgerechnet rund 6 Millionen Euro.
603Eingedenk seiner oben dargestellten umfangreichen und für den Taterfolg notwendigen Tatbeiträge sowie seines Grades an eigenem Interesse an der Tat ist die Beteiligung des gesondert verfolgten N als täterschaftlich zu werten.
604Dabei steht der Annahme der täterschaftlichen Stellung des gesondert Verfolgten N nicht entgegen, dass seine Tatbeiträge bereits weit vor der Einreichung der Erstattungsanträge erbracht wurden und er in die eigentliche Tathandlung in Gestalt des Tätigens unrichtiger Angaben gegenüber dem Finanzamt nicht eingebunden war. Diesbezüglich war auch nicht zu entscheiden, ob hinsichtlich der Abgabe der Erklärungen von einer Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB oder nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB auszugehen ist. Denn sollten diejenigen, die im Rahmen der Erstattungsanträge unrichtige Erklärungen abgegeben haben, selbst vorsätzlich hinsichtlich der Unrichtigkeit der Angaben gehandelt haben, wären die Anforderungen an den bei § 25 Abs. 2 StGB erforderlichen gemeinsamen Tatplan erfüllt. Denn dem gesondert Verfolgten N war bewusst (vgl. dazu sogleich unter E.II.1.f), dass im Nachgang der CumEx-Transaktionen des BU Fund seitens der F-Bank auf die Erstattung von Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge gerichtete Anträge beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden würden. Er wusste daher auch, dass die Handelsergebnisse des Fonds von anderen Akteuren zum Gegenstand unrichtiger Angaben gegenüber einer Finanzbehörde gemacht werden würden. Im Gegenzug war denjenigen, die vorsätzlich hinsichtlich der getätigten CumEx-Geschäfte sowie der steuerrechtlichen Lage handelten, bewusst, dass ihr Tatbeitrag an vorherige Tatbeiträge anderer Tatbeteiligter anknüpft, durch deren Zusammenwirken die Erstattung nicht abgeführter Steuern bewirkt werden sollte.
605Sollten die Erklärenden der F-Bank hingegen selbst nicht vorsätzlich gehandelt haben, lägen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB vor. Denn der selbst vorsätzlich handelnde gesondert Verfolgte N hätte den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in dieser Konstellation dadurch verwirklicht, dass er sich der im Tatbestandsirrtum Handelnden als vorsatzlose Werkzeuge bedient hätte.
606Entsprechendes gilt zudem für die Tathandlungen der anderen Beteiligten, mit denen N bei der Tagbegehung zusammenwirkte. Auch diese sind ihm zuzurechnen, wobei im Einzelnen ebenso offenbleiben kann, in welcher konkreten Beteiligungsform die einzelnen Beteiligten – mit Ausnahme des Angeklagten – jeweils gehandelt haben.
Der gesondert Verfolgte N handelte auch vorsätzlich.
608Denn die an das Finanzamt München übermittelten Kapitalertragsteueranmeldungen der F Bank für die Monate April bis Juni 2010 enthielten – dem gesondert Verfolgten N gemäß § 25 Abs. 2 oder gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zuzurechnende – unrichtige Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen, aufgrund derer von der Steuerverwaltung nicht gerechtfertigte Steuervorteile in Höhe von insgesamt 92.006.906,05 Euro gewährt wurden.
609Ihm waren nämlich sämtliche Umstände bekannt, aus denen sich ergab, dass die dem Finanzamt München übermittelten Kapitalertragsteueranmeldungen der F Bank für die Monate April bis Juni 2010 unrichtige Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen enthalten würden und die in den Erklärungen bezüglich des BU Funds in den Anträgen geltend gemachten Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge von den die Verkaufsaufträge ausführenden Stellen gar nicht einbehalten, mithin nicht von der Dividendenkompensationszahlung in Abzug gebracht worden waren. Zudem war ihm bekannt, dass den Anträge Aktiengeschäfte über den Dividendenstichtag mit einem Leerverkäufer zu Grunde lagen, der sich die Aktien erst nach den jeweiligen Gewinnverteilungsbeschlüssen im Wege der Ex-Eindeckung besorgen musste. Zudem wusste er, dass das Finanzamt München auch nicht auf anderem Wege bzw. auf sonstige Weise darüber informiert werden würde, dass den allein bezogenen Dividendenkompensationszahlungen kein Steuerabzug auf Seiten der Leerverkäufer gegenüberstand. Auch dieser Umstand war vom Willen des Angeklagten umfasst.
610Auch soweit sich der Vorsatz bei § 370 Abs. 1 AO darauf beziehen muss, dass der Täter erkennt oder zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass der von ihm angestrebte Steuervorteil nach dem einschlägigen Steuerrecht nicht gerechtfertigt ist, d. h. zu Unrecht gewährt oder belassen wird (BGH, Urteile vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21; vom 24.01.2018 - 1 StR 331/17, juris Rn. 14), sind auch diese Voraussetzungen in der Person des gesondert Verfolgten N erfüllt.
611Denn für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es gerade keiner Absicht und keines direkten Vorsatzes. Es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Der Hinterziehungsvorsatz setzt weder dem Grunde, noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs bzw. der steuerrechtlichen Lage voraus (BGH, Urteile vom 16.12.2009 - 1 StR 491/09, Rn. 37; vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21). Notwendig, aber auch genügend ist vielmehr, dass der Täter die eine Steuerhinterziehung ausfüllenden objektiven Tatbestandsmerkmale im Rahmen einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ zutreffend erfasst (FG Köln, Urteil vom 16.01.2019 - 11 K 2194/16, juris Rn 71; Grötsch, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl., § 370 AO Rn. 503). Die Kenntnis aller Einzelheiten, insbesondere eine konkrete Vorstellung über die korrekte Einordnung des nicht, nicht richtig oder unvollständig erklärten Sachverhalts oder der genauen gesetzlichen Grundlagen des Steueranspruchs, ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21; FG Köln, Urteil vom 16.01.2019 - 11 K 2194/16, juris Rn 71).
612Diese Voraussetzungen sind beim gesondert Verfolgten N gegeben. Denn dieser hatte es bereits im Vorfeld der Taten und daher erst recht bei Leistung seiner Tatbeiträge für möglich gehalten, dass der durch die Konstruktion der Geschäfte angestrebte Steuervorteil nach dem einschlägigen Steuerrecht nicht begründet ist, und billigte dies (siehe oben unter C.III.16).
613Der gesondert Verfolgte handelte zudem auch hinsichtlich der seine Täterschaft begründenden Umstände vorsätzlich. Ihm war seine zentrale Rolle für das Zustandekommen und den Erfolg der geplanten CumEx-Geschäfte genauso bewusst, wie die erheblichen Profite, die er selbst sowie andere durch die Geschäfte generieren würden.
Der gesondert Verfolgte N handelte zumindest auch rechtswidrig.
Der Angeklagte hat dem gesondert Verfolgten N zu der vorstehend beschriebenen Tat vorsätzlich Hilfe im Sinne von § 27 Abs. 1 StGB geleistet, indem er die von N strukturierten und geplanten Transaktionen umsetzte, die notwendige Dokumentation besorgte und sich mit den weiteren Handelsbeteiligten abstimmte, um eine reibungslose Durchführung der Transaktionen zu gewährleisten.
Der Angeklagte hat dadurch einen objektiven Gehilfenbeitrag im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB erbracht. Als taugliche Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert, ohne dass sie für den Erfolgseintritt in seinem konkreten Gepräge kausal werden müsste (BGH, Urteile vom 01.08.2000 - 5 StR 624/99, juris Rn. 8; vom 14.11.2019 - 3 StR 561/17, juris Rn. 20). Die Beihilfe muss nicht zur unmittelbaren Ausführung der Tat geleistet worden sein; vielmehr reicht eine im Rahmen des Vorbereitungsstadiums entfaltete Tätigkeit aus, solange die Teilnahmehandlung mit dem Willen und dem Bewusstsein geleistet wird, die Haupttat zu fördern. Liegen diese Voraussetzungen vor, steht auch der Umstand, dass zwischen dem Tatbeitrag des Gehilfen und der jeweiligen Haupttat ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist, einer Verwirklichung des § 27 Abs. 1 StGB nicht entgegen (BGH, Urteil vom 01.08.2000 - 5 StR 624/99, juris Rn. 22).
Nach den vorstehend dargelegten Maßstäben hat der Angeklagte die Haupttat in strafrechtlich relevanter Weise kausal unterstützt.
618Bereits unmittelbar vor der Handelssaison 2010 war er maßgeblich in die Abstimmung mit den weiteren Handelsbeteiligten eingebunden, um während der Saison eine reibungslose Durchführung der Transaktionen zu gewährleisten. In diesem Rahmen war er u. a. an der Abstimmung bzw. Vereinheitlichung der Dateisysteme und zu erstellenden Dokumentationen beteiligt.
619Insbesondere aber die von ihm verantwortete und durchgeführte Umsetzung der von N strukturierten und geplanten Transaktionen hat die Tat erheblich gefördert. So hat der Angeklagte die ihm vorgegebenen Transaktionen dergestalt umgesetzt, dass er die Kauf- und Verkaufsaufträge an die Broker weitergab, deren korrekte Ausführung überprüfte und dafür sorgte, dass die jeweiligen Beteiligten die notwendige Dokumentation erhielten.
Der Tatbeitrag des Angeklagten ist nicht geeignet, eine (mit-)täterschaftliche Stellung zu begründen. Denn bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale eigenhändig verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint (BGH, Beschluss vom 26.11.2019 - 3 StR 323/19, juris Rn. 7). Ob sich das Handeln eines Angeklagten in diesem Sinne als täterschaftliche Beteiligung darstellt oder allenfalls eine Beihilfestrafbarkeit begründet, ist vom Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, sodass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betroffenen abhängen müssen (BGH, Beschlüsse vom 08.06.2017 - 1 StR 188/17, juris Rn. 3; vom 26.11.2019 - 3 StR 323/19, juris Rn. 7).
621Nach diesen Maßstäben liegen beim Angeklagten die Voraussetzungen einer Mittäterschaft nicht vor. Denn seine Beiträge waren zwar fördernd, jedoch durchweg nur von untergeordneter Natur. Vor allem an den grundlegenden Entscheidungen zu Strategie, Beteiligung und Gewinnverteilung war der Angeklagte entweder gar nicht oder lediglich ganz am Rande beteiligt. So war er weder in die Entscheidungen hinsichtlich des „Ob“, also die Frage der Durchführung der Cum/Ex-Geschäfte überhaupt, involviert, noch in die Entscheidungen über das „Wie“. Dementsprechend war er nicht für die Zusammenstellung der gehandelten Aktien bzw. Derivate verantwortlich und hatte auch keinen Einfluss darauf, welche Gattungen in welcher Menge und zu welchem Preis gehandelt wurden. Ebensowenig hatte er Einfluss darauf, mit welchen Partnern die Struktur aufgesetzt werden sollte; insbesondere war er in die Auswahl von Depotbank, Leveragegeber, Investoren und rechtlichen Beratern nicht eingebunden.
622Die darüber hinausgehenden Beiträge des Angeklagten bei der Einarbeitung von N und M in die Abläufe bei A im Sommer 2009 waren für diese zwar generell hilfreich, waren aber – unabhängig von der Frage, ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits vorsätzlich handelte – noch nicht von solchem Gewicht, als dass sie eine Täterschaft des Angeklagten begründen könnten.
623Angesichts dieser Umstände hatte der Angeklagte erkennbar keine Tatherrschaft. Denn die Verwirklichung der Taten insgesamt hing nicht an seinen Beiträgen. Selbst wenn er kurz vor der Dividendensaison seine weitere Beteiligung verweigert hätte, hätte die A Ersatz für ihn finden können. Wahrscheinlich wären die ersten Transaktionen der Saison aufgrund der erforderlichen Einarbeitung eines Ersatzes in Gefahr geraten, nicht aber der Strategie als solches.
624Das Minus an Tatbeiträgen wird hinsichtlich einer eventuellen Täterschaft auch nicht durch ein entsprechendes Plus beim Tatinteresse aufgewogen. Denn er partizipierte nur in viel geringerem Maße als andere Beteiligte an den mit dem BU Fund generierten Profiten. So erhielt er (nach Abzug von Steuern) lediglich einen Bonus von rund 60.000 Euro netto für seine Tatbeiträge für den BU Fund. Zudem konnte dies nicht ausschlaggebend für sein Engagement für die streitgegenständlichen Geschäfte sein, da ihm dieser Bonus im Vorfeld nicht bekannt war bzw. zugesagt worden war.
625Bei Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen stellt sich der Tatbeitrag des Angeklagten im Rahmen der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung eindeutig nur als Beihilfe dar.
Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich hinsichtlich der Haupttat und hinsichtlich seines Gehilfenbeitrags. Ein Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern; Einzelheiten der Haupttat braucht er nicht zu kennen. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß (BGH, Urteil vom 01.08.2000 - 5 StR 624/99, juris Rn. 8). Dies ist beim Angeklagten der Fall.
Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich hinsichtlich der geplanten Haupttat, denn er kannte deren maßgebliche Merkmale. So hatte er bereits vor dem Beginn der Handelssaison, und somit bei seinen Tatbeiträgen, die geplante Handelsstrategie verstanden. Insbesondere wusste er, dass – wie bereits in der Saison 2009 – CumEx-Transaktionen geplant waren, wobei er nunmehr auch erkannt hatte, dass es sich nicht um Inhaberverkäufe handeln sollte, sondern dass es sich im Kern um ungedeckte Leerverkäufe handeln würde, die auf vorherigen Absprachen der Beteiligten beruhen würden, die aber nicht offengelegt werden sollten. Zudem war ihm auch bewusst, dass die erstrebten Gewinne ausschließlich aus den Steuererstattungen stammen würden, obgleich zuvor ein entsprechender Steuerabzug nicht stattgefunden hatte, und das das Geschäftsmodell ohne die Erstattungen zu erheblichen Verlusten führen würde. Ferner hatte er verstanden, dass die Strukturen und Geschäfte so angelegt waren, dass die wahre Natur der Transaktionen gegenüber Dritten (insb. Steuer- und Aufsichtsbehörden) bestmöglich verschleiert wurde, u. a. dadurch, dass in offiziellen Dokumenten bewusst falsche Darstellungen des Sachverhaltes und der geplanten Strategie aufgenommen wurden.
628Dem Vorsatz des Angeklagten steht nicht entgegen, dass ihm die Details der steuerrechtlichen Lage sowie die genauen Abläufe und Voraussetzungen des Steuererstattungsverfahrens nicht bekannt waren und dass er auch keine Kenntnis darüber hatte, welche Person die Steuererklärung abgeben würde. Denn für § 27 Abs. 1 StGB genügt es, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat erkennt; von deren Einzelheiten braucht er keine bestimmte Vorstellung zu haben (Fischer, StGB, 70. Aufl., § 27 Rn. 22). Vielmehr reicht es aus, dass der Angeklagte die Unrechts- und Angriffsrichtung der Haupttat im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2012 - 3 StR 435/11, juris Rn. 4). Dies ist hier der Fall, da dem Angeklagten die grundsätzliche Zielrichtung der verfahrensgegenständlichen CumEx-Leerverkaufstransaktionen, also die Generierung einer Steuererstattung, der keine entsprechende Einnahme des Fiskus gegenübersteht, bewusst war.
629Wie schon beim Haupttäter, so ist auch beim Beihilfe-Leistenden keine Kenntnis aller Einzelheiten, insbesondere eine konkrete Vorstellung über die korrekte Einordnung des nicht, nicht richtig oder unvollständig erklärten Sachverhalts oder der genauen gesetzlichen Grundlagen des Steueranspruchs, erforderlich (vgl. oben E.II.1.f); BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21; FG Köln, Urteil vom 16.01.2019 - 11 K 2194/16, juris Rn. 71). Soweit im Rahmen des § 370 Abs. 1 AO vom zumindest bedingten Vorsatz auch die zutreffende Erfassung der steuerrechtlichen Lage umfasst sein muss, liegt auch diese Voraussetzung auf Seiten des Angeklagten zumindest in der Form des hier anzulegenden Bewertungsmaßstabs einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ ohne Weiteres vor. Denn dem Angeklagten war bei seinen Tatbeiträgen bewusst, dass der wahre Sachverhalt – und insbesondere die Tatsache, dass es sich bei den Transaktionen um ungedeckte Leerverkäufe handelte, die auf Absprachen der Beteiligten beruhten – den Steuerbehörden verschwiegen werden sollte. Daher erkannte und billigte er bereits die Möglichkeit, dass bei Offenlegung der wahren Umstände gerade keine Steuererstattung erfolgen würde und dass deshalb ein hohes Risiko bestand, dass von N und den weiteren Beteiligten steuerrechtswidrige Handlungen vorgenommen werden würden bzw. dass die mit den Geschäften erstrebten Steuererstattungen unberechtigt seien würden. Diese Vorstellung änderte sich beim Angeklagten im weiteren Verlauf auch nicht mehr.
630Ebenso handelte er durchweg in dem Bewusstsein, durch sein Verhalten das Vorhaben von N zu fördern. Denn er kannte bereits vor dem Beginn der Handelssaison nicht nur die von N beabsichtigte Handelsstrategie, sondern er wusste auch, welche Bedeutung die möglichst reibungsglose und verlässliche Umsetzung der von N vorgegebenen Transaktionen für den Gesamterfolg hatte. Daher war ihm aber auch bewusst, dass seine Tatbeiträge die geplanten Geschäfte förderten bzw. erleichterten. Dies wollte er auch.
Der Bejahung des subjektiven Tatbestandes stehen auch nicht die Grundsätze der sog. „berufsneutralen Handlung“ entgegen, nach denen für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen bzw. neutralen Handlungen besondere Anforderungen an die Prüfung des Gehilfenvorsatzes zu beachten sind: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß der Hilfeleistende dies, ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten (BGH, Urteil vom 22.01.2014 - 5 StR 468/12, juris Rn. 26). In diesem Fall verliert sein Tun den Alltagscharakter bzw. ist nicht mehr als sozialadäquat anzusehen, da sich der Gehilfe mit dem Täter solidarisiert (BGH, Urteil vom 22.01.2014 - 5 StR 468/12, juris Rn. 26). Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Urteil vom 22.01.2014 - 5 StR 468/12, juris Rn. 26; Jäger, in: Klein, AO, 14. Aufl., § 370 Rn. 224).
632Letztlich kann hier offenbleiben, ob in objektiver Hinsicht vom Vorliegen einer berufsneutralen Handlung auszugehen ist. Bereits aus anderen Gründen handelte es sich nicht um sozialadäquate neutrale Handlungen. Denn dem Angeklagten war jedenfalls stets klar, dass die durchgeführten Geschäfte ausschließlich durch die Vereinnahmung der Steuererstattungen profitabel waren. Zudem war ihm klar, dass die von ihm als offensichtlich gegeben erkannten Absprachen bei den Transaktionen nicht erwähnt, sondern möglichst verschleiert werden sollten.
633Ungeachtet der Frage, welche strafrechtlichen Schlüsse der Angeklagte daraus gezogen hat, war ihm aber auch ohne vertiefte Kenntnisse des deutschen Steuerrechts klar, dass diese Verschleierungen hinsichtlich der tatsächlichen Natur der Transaktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso verschleiernde Steuererklärungen zur Folge haben würden, womit letztlich ein hohes Risiko steuerrechtswidriger Handlungen des Haupttäters bzw. weiterer Beteiligter einherging. Damit verloren die Tätigkeiten des Angeklagten aber ihren neutralen Alltagscharakter. Vielmehr stellen sie sich letztlich als „Solidarisierung“ mit dem Haupttäter dar. Denn die bewusste oder jedenfalls als sehr wahrscheinlich erkannte Förderung rechtswidriger Handlungen – gleich aus welchen Regelungen sich die Rechtswidrigkeit ergibt – kann nicht mehr als sozialadäquat angesehen werden.
Der Angeklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft, insbesondere unterlag er keinem Verbotsirrtum im Sinne von § 17 StGB. Denn das Bewusstsein, Unrecht zu tun, hat bereits derjenige, der in dem Bewusstsein eines Verstoßes gegen die rechtliche Ordnung handelt, ohne dass es darauf ankommt, dass er die konkret verletzte Norm kennt (Fischer, StGB, 70. Aufl., § 17 Rn. 3). In einem Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB handelt ein Tatbeteiligter nur dann, wenn ihm die Einsicht fehlt, dass sein Tun gegen die durch verbindliches Recht erkennbare Wertordnung verstößt. Andererseits reicht ein Handeln mit bedingter Unrechtseinsicht aus, die bereits dann vorliegt, wenn der Tatbeteiligte mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteile vom 24.02.2011 - 5 StR 514/09, juris Rn. 34; vom 07.04.2016 - 5 StR 332/15, juris Rn. 24). Genau dies ist aber nach dem oben Dargelegten der Fall, denn der Angeklagte erkannte die Möglichkeit und nahm billigend in Kauf, dass die angestrebten und durch seine Tatbeiträge geförderten Steuererstattungen mit den einschlägigen Bestimmungen des deutschen Steuerrechts nicht in Einklang stehen würden. Darauf, ob er damit rechnete bzw. es für möglich hielt, durch sein Verhalten einen Straftatbestand zu verwirklichen, kommt es dabei nicht an.
Die Tatbeiträge des Angeklagten stellen sich nach den Grundsätzen zum uneigentlichen Organisationsdelikt konkurrenzrechtlich als eine einheitliche Tat dar (BGH, Urteile vom 24.10.2018 - 5 StR 477/17, juris Rn. 24; vom 17.12.2019 - 1 StR 364/18, juris Rn. 12; Beschluss vom 05.08.2021 - 2 StR 307/20, juris Rn. 27). Denn wenn der Tatbeteiligte – wie hier – seine Tatbeiträge im Vorfeld oder während einer Tatserie erbringt und hierdurch die einzelnen Taten fördert, sind ihm die gleichzeitig geförderten Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung i.S.d § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7.12.2010 – 3 StR 434/10, juris Rn. 7).
636Zwar wurden für den BU Fund von der F-Bank zwar letztendlich drei verschiedene Erstattungsanträge eingereicht. Da der Angeklagte an diesen Tathandlungen jedoch in keiner Weise beteiligt war, liegt der Schwerpunkt seiner Unterstützungshandlungen eindeutig auf der einzeltatübergreifenden Beteiligung an der Schaffung der organisatorischen Grundlagen.
637Die im unmittelbaren Vorfeld der Handelssaison erbrachten Tatbeiträge des Angeklagten lassen sich bereits nicht einem einzelnen der drei Erstattungsanträge zuordnen, sondern förderten diese alle gleichermaßen. Aber auch seine Beiträge während der Handelssaison stellen sich als einzeltatübergreifend dar. Zwar ließen sich seine Handlungen in der konkreten Tradingphase anhand der den Futures zugrundeliegenden Aktiengattungen theoretisch den einzelnen Erstattungsanträgen zuordnen; jedoch wäre eine solche Zuordnung künstlich und entspräche nicht dem Vorstellungsbild des Angeklagten, für den sich das Trading als einheitlicher Tatbeitrag darstellte. Denn der Angeklagten wusste bei der Umsetzung der Trading-Aufträge nicht, welcher der Einzeltransaktionen zu welchen Erstattungsaufträgen zusammengefasst werden würden.
Der für die Strafzumessung relevante Strafrahmen war dem nach §§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO zu entnehmen und betrug Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten.
639Die Tat des Angeklagten erweist sich bei einer Gesamtschau aller Umstände – auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes der Beihilfe – als besonders schwerer Fall.
640Der Angeklagte hat das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der seit dem 01.01.2008 unverändert geltenden Fassung verwirklicht. Der Hinterziehungsbetrag übersteigt die für eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ maßgebliche Wertgrenze bei weitem. Ein „großes Ausmaß“ im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO liegt in der Regel bei einer Steuerhinterziehung über 50.000 Euro vor (BGH, Urteil vom 27.10.2015 - 1 StR 373/15, juris Rn. 32 ff.). Hiervon ausgehend ist die maßgebliche Grenze um mehr als das 1800-Fache überschritten.
641Aufgrund der Systematik des § 370 AO, wonach es für den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung nicht darauf ankommt, ob der Täter den nicht gerechtfertigten Steuervorteil für sich oder für einen anderen erlangt, gilt dies auch für das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. Andernfalls bestünde ein Wertungswiderspruch zu einem nach dem Regelbeispiel gleichgestellten Täter, der Steuern verkürzt, bei dem es nicht darauf ankommt, zu wessen Gunsten ein Taterfolg eintritt. Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. LG Bonn Urt. v. 01.06.2021 – 62 KLs 1/20, BeckRS 2021, 23346, Rn. 879). Die Regelwirkung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ist auch nach der vorzunehmenden umfassenden Gesamtwürdigung nicht widerlegt (s. u.).
642Sofern man die von der Kammer für zutreffend erachtete Auslegung als mit der Wortlautgrenze unvereinbar ansieht, weil der Täter als das Subjekt des Satzes 2 des § 370 Abs. 3 AO den Steuervorteil persönlich erlangt haben müsse, würde dies im Ergebnis nichts ändern. Wegen des sehr hohen Hinterziehungsbetrages wäre gleichwohl vom Vorliegen eines (unbenannten) besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO auszugehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.08.2012 - 1 StR 257/12, juris, Rn. 29; Jäger, in: Klein, AO, 15. Aufl., § 370 Rn. 277, 285 a.E; LG Bonn a.a.O.).
643Ein Fall ist dann besonders schwer, wenn er sich bei einer im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorgenommenen Abwägung aller Zumessungstatsachen nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist. Ob danach die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles – innerhalb oder außerhalb der Regelbeispiele – erfüllt sind, ist bei mehreren Tatbeteiligten für jeden von ihnen gesondert zu prüfen. Das Ergebnis richtet sich – wenn auch unter Berücksichtigung der Tat des oder der anderen Beteiligten – jeweils nach dem Tatbeitrag und der Person des Teilnehmers, dessen Strafe zugemessen werden soll. Für die Bewertung der Tat des Gehilfen und den zugrunde zu legenden Strafrahmen ist somit entscheidend, ob sich die Beihilfe selbst – bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat – als besonders schwerer Fall darstellt (BGH, Urteil vom 06.09.2016 - 1 StR 575/15, juris Rn. 26).
644In diesem Zusammenhang hat die Kammer folgende strafmildernden und strafschärfenden Gesichtspunkte berücksichtigt und in ihrer Gesamtheit gewürdigt:
645Zu Gunsten des Angeklagten wirkte sich aus, dass
646er sich geständig eingelassen und hierdurch erheblich zur Verfahrensverkürzung beigetragen hat;
er nur als Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) tätig war und der Entschluss zur Begehung der zugrundeliegenden Haupttat von seinen Vorgesetzten getroffen wurde;
er nur mit bedingtem Vorsatz handelte;
er nicht vorbestraft war und auch seit der hier in Rede stehenden Tat strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist;
er selbst nur in geringem Maße von den Geschäften profitiert hat, wobei ihm bei Erbringung seiner Tatförderungsbeiträge auch nicht bekannt war, dass er eine Bonuszahlung erhalten würde;
er im Auslieferungsverfahren über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr eine Fußfessel tragen musste und er anschließend eine mehrwöchige Untersuchungshaft erlitten hat, welche für ihn in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht spricht, besonders belastend war;
seit den Taten rund 13 Jahre vergangen sind und auch das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten mehrere Jahre gedauert hat. Soweit eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung anzunehmen ist, hat die Kammer zusätzlich einen Teil der auszuteilenden Strafe als bereits vollstreckt erklärt (s.u.).
die Finanzbehörden Geldmittel zum Ausgleich des Steuerschadens bei der F Bank – jedenfalls vorläufig – sichern konnten;
dem Angeklagten eine weitere strafrechtliche Verfolgung bezüglich seiner Mitwirkung an den BK Fonds in den Jahren 2009 und 2010 droht;
er sich erheblichen finanziellen Belastungen gegenüber sieht, die neben der ausgesprochenen Einziehung und einer eventuellen Inanspruchnahme nach § 71 AO in den erheblichen Verfahrenskosten bestehen, insbesondere für Übersetzungsleistungen.
Zu seinen Lasten war dagegen das sehr hohe Ausmaß des von ihm (mit-)versursachten Steuerschadens in Höhe von über 90 Mio. Euro zu berücksichtigen. Dieses überschreitet die Schwelle von 50.000 Euro um ein Vielfaches, wobei die Kammer bedacht hat, dass das Gewicht der Haupttat für die Bewertung der Tatbeiträge des Gehilfen von nur eingeschränkter Bedeutung ist. Die Kammer hat insoweit auch das Gewicht und die Vielzahl der geleisteten Beiträge des Angeklagten in den Blick genommen. Auch übersteigt selbst der – dem Angeklagten im Vorfeld allerdings nicht bekannte – Bonus, den der Angeklagte für seine Mitwirkung an den hiesigen Taten erhalten hat, die für den Steuerschaden maßgebliche Wertgrenze von 50.000 Euro. Die Kammer hat ferner berücksichtigt, dass es sich bei einer Gesamtwürdigung des Tatbilds um eine besonders schwerwiegende Form der Wirtschaftskriminalität handelt, wobei sie auch hier die untergeordnete Rolle des Angeklagten gesehen hat.
658Bei einer zusammenfassenden Betrachtung aller Umstände hält die Kammer die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO trotz des Vorliegens zahlreicher Strafmilderungsgründe und eines vertypten Milderungsgrundes für geboten. Sie hat insoweit auch die Möglichkeit in den Blick genommen, unter teilweisem „Verbrauch“ des Milderungsgrundes den Regelstrafrahmen anzuwenden.
659Allerdings war der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB zu mildern.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer sodann nochmals die im Rahmen der Strafrahmenwahl bereits aufgeführten für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte in den Blick genommen und gegeneinander abgewogen. Den Punkten, die bereits maßgeblich zu einer Strafrahmenverschiebung geführt haben, insbesondere dem erheblichen Ausmaß der mitverursachten Steuerschäden einerseits und dem Umstand, dass der Angeklagte nur als Beihelfer beteiligt war, andererseits, kam dabei jeweils nur ein geringeres Gewicht zu.
661Unter Abwägung der oben genannten Strafzumessungsgesichtspunkte und der Wirkungen, die für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind, erachtet die Kammer eine Freiheitsstrafe von
6622 Jahren
663für tat- und schuldangemessen.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe war für den Angeklagten gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen. Die Kammer hat keine Zweifel, dass er sich schon die Verurteilung zu Warnung dienen lässt und künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Die Kammer ist aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks von dem bislang nicht vorbestraften Angeklagten überzeugt, dass ihn bereits die seit langem gegen ihn laufenden Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung, das Auslieferungsverfahren und die Untersuchungshafterfahrung nachhaltig belasten und auch beeindruckt haben.
665Angesichts der vorstehenden Gesichtspunkte gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht, § 56 Abs. 3 StGB.
666Im Hinblick auf den Zeitablauf, das verfahrensverkürzende Geständnis und die nicht bestehenden Vorstrafen sieht die Kammer auch besondere Umstände i. S. d. § 56 Abs. 2 StGB als gegeben an.
Die Kammer hat über die bereits in der Strafzumessung berücksichtigte Verfahrensdauer hinaus eine gegen das Beschleunigungsgebot verstoßende, rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung im Zeitraum von April 2022 bis September 2022 angemessen zu berücksichtigen. Eine von den Justizbehörden zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens verletzt den Beschuldigten in seinem grundrechtlich verbürgten Anspruch auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren und stellt zudem einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK dar (Schneider, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl. 2020, § 46 Rz. 391 f.). Das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 05.02.2003 – 2 BvR 327/02; BGH, Urteil vom 21.04.2011 – 3 StR 50/11). Besondere Faktoren, die regelmäßig von Bedeutung sind, sind dabei insbesondere der durch die Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit der Dauer des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen Belastungen (BVerfG, Beschluss vom 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07). Im Interesse der effektiven Verteidigung der Rechtsordnung im Bereich schwerer und sozialschädlicher Wirtschaftskriminalität ist allerdings eine überzogene Kompensation zu vermeiden (BGH, Urteil vom 08.08.2006 – 5 StR 189/06). Der für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum beginnt dabei, wenn der Beschuldigte Kenntnis von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens erlangt (BGH, Urteil vom 24.01.2023 – 6 StR 407/22; EGMR, Urteil vom 20.06.2019 – 497/17).
668Von den verfahrensgegenständlichen Vorwürfen gegen ihn hat der Angeklagte erstmals bei seiner Verhaftung in Großbritannien am 30.06.2020 Kenntnis erlangt. Auch unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit des Verfahrens konnte die Staatsanwaltschaft jedenfalls nach Abschluss der Vernehmungen und der Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft im November 2021 mit der Erstellung der Anklage beginnen. Im Hinblick darauf, dass das Verfahren bereits im November 2021 ausermittelt war und unter Berücksichtigung dessen, dass gegen den Angeklagten (auch wenn ihm dies lange Zeit unbekannt war) seit 2016 ermittelt wurde – wobei es auch hier Zeiträume, insbesondere von Anfang 2019 bis Anfang 2020, gab, in denen das Verfahren nicht ausreichend gefördert worden ist – war der Staatsanwaltschaft eine Anklageerhebung spätestens im April 2022 möglich.
669Vor dem Hintergrund der mit dem schwebenden Verfahren in einem fremden Land verbundenen besonderen Belastungen für den Angeklagten ist es zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung angemessen aber auch ausreichend, dass zwei Monate der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
Gemäß § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c Satz 1 StGB war in Höhe eines Betrages von 60.000,00 Euro die Einziehung von Wertersatz gegenüber dem Angeklagten anzuordnen.
671Aufgrund der Regelung des Art. 316h Satz 1 EGStGB finden dabei die Einziehungsbestimmungen des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 zur Anwendung, obwohl die maßgeblichen Straftaten bereits vor diesem Datum begangen wurden.
672Die Voraussetzungen einer Einziehung nach § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB liegen vor; insbesondere hat der Angeklagte für die von ihm verwirklichte rechtswidrige Tat der Beihilfe zur Steuerhinterziehung (Anknüpfungstat) vermögenswerte Zuwendungen in Gestalt einer Bonuszahlung und damit „Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Diese Bonuszahlung erfolge zumindest zum Teil als Honorierung seiner Förderung der hier gegenständlichen Steuerstraftaten und wurde folglich in entsprechendem Umfang „für“ die Tat erlangt.
Erlangtes „Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich jeder wirtschaftlich messbare Vorteil, insbesondere auch Entgelte und vergleichbare finanzielle Zuwendungen sowie unmittelbar vermögensmehrende Gewinne (BGH, Urteil vom 21.03.2002 - 5 StR 138/01, juris Rn. 39; Lohse, LK-StGB, 13. Aufl. § 73 Rz. 22 ff.; Sch/Sch-Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 6).
674Solch vermögensmehrende Zuwendungen sind dem Angeklagten lediglich in Form der zum 30.06.2010 ausgezahlten Bonuszahlung zugekommen. Hinsichtlich der sonstigen Bezüge (Gehalt etc.) fehlt es an jedem erkennbaren Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung des Angeklagten. Der Angeklagte hat zumindest einen Teil dieser Bonuszahlung auch „für“ die hier abgeurteilte Tat der Beihilfe zur Steuerhinterziehung bezüglich der Geschäfte mit dem BU Fond erlangt.
675Für die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB sind Vermögenswerte, die als Gegenleistung für ein rechtswidriges Tun gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (BGH, Beschluss vom 27.03.2019 - 2 StR 561/18, juris Rn. 8). Erfasst werden insbesondere Entgelte für die erfolgte oder künftige Begehung rechtswidriger Taten (Lohse, LK-StGB, 13. Aufl., § 73 Rn. 41). Derartige Zuwendungen können auch dann „für“ die Tat erlangt sein, wenn sie unabhängig vom Eintritt eines Taterfolges und im Wege einer Vorauszahlung gewährt werden (Wiedner in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 73 Rn. 32a f.). Auch kommt es nicht darauf an, durch wen die Zuwendungen geleistet werden, soweit feststeht, dass durch diese die Beteiligung des Zuwendungsempfängers an der Tat abgegolten bzw. honoriert werden soll.
676Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Angeklagte zumindest einen Teil seiner Bonuszahlung vom 30.06.2010 „für“ die hier gegenständliche Beihilfetat erlangt. Denn ausweislich der Angaben der gesondert verfolgten Zeugen N und H wurde der Bonus ihm ausdrücklich für dessen Tätigkeit für den BU Fund und den BK Fonds gewährt.
Da die durch die (anteilige) Bonuszahlung eingetretene Vermögensmehrung als solche nicht mehr eingezogen werden kann, ist gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages anzuordnen ist, der dem Wert des Erlangten entspricht. Dieser Wert war nach § 73d Abs. 2 StGB im Wege der Schätzung zu ermitteln, da die exakte Ermittlung der Höhe der seitens des Angeklagten für die abgeurteilten Taten bezogenen Sonder- bzw. Bonuszahlungen nicht möglich ist.
678Grundlage der Wertermittlung ist zunächst die Gehaltsabrechnung des Angeklagten vom 30.06.2010 aus der sich die Zahlung eines Bonus in Höhe von 154.809,00 britischen Pfund (GBP) ergibt. Diese Summe wird bei Herausrechnung des Jahresgrundgehalts von 40.000,00 Euro auch durch das Steuerzertifikat vom 05.04.2011 für das vorangegangene Steuerjahr 2010/11 bestätigt. Da dieser Bonus dem Angeklagten jedoch ausweislich des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowohl für seine Tätigkeit für den BU Fund, als auch für den BX Fund gewährt worden war, war der Anteil des Bonus, der auf die hier allein gegenständliche Tätigkeit für den BU Fund entfiel, nunmehr durch Schätzung zu bestimmen.
679Ausgangspunkt für diese Schätzung war die Überzeugung der Kammer, dass die Zusammensetzung der Bonuszahlung sich an der unterschiedlichen Profitabilität der beiden vom Angeklagten betreuten Fonds orientiert hat. Entsprechende Angaben zur Profitabilität der beiden Fonds hat insbesondere der Zeuge H gemacht, die er durch eine von ihm erstellte und in die Hauptverhandlung eingeführte Übersicht zu den von ihm errechneten Erlösen der beiden Fonds untermauert hat. Demnach war der BU Fund 2010 deutlich ertragreicher für die A als der BK Fond; und zwar in einem Verhältnis von ca. 65 % zu 35 %. Auch wenn diese Zahlen lediglich aus einer Berechnungen des Zeugen H resultieren, stellen sie eine ausreichende Schätzgrundlage dar. Denn im Kern wurden sie vom Zeugen N als zutreffend bestätigt.
680Dementsprechend nimmt die Kammer – unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages von 5 % – an, dass die Bonuszahlung in Höhe von 154.809,00 GBP zu mindestens 60 % auf die verfahrensgegenständlichen Beihilfehandlungen des Angeklagten im Komplex BU entfiel. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich ein erlangter Bruttobetrag in Höhe von 92.885,40 GBP.
681Von dem so ermittelten Bruttobetrag war jedoch die vom Angeklagten getragene Steuerlast nebst Sozialversicherungsabgaben in Abzug zu bringen. Grundlage des vorzunehmenden Abzugs war die aus dem Steuerzertifikat vom 05.04.2011 ersichtliche persönliche Steuer- und Abgabenquote des Angeklagten, die im Steuerjahr 2010/11 bei rund 41,72 % lag. Unter nochmaliger Berücksichtigung eines Sicherheitsaufschlages hat die Kammer eine persönliche Steuer- und Abgabenquote von 45 % berücksichtigt, was zu einem zu berücksichtigenden Abzug von 41.798,43 GBP und einer verbleibenden Nettosumme in Höhe von 51.086,97 GBP führt.
682Diese Nettosumme in GBP war in einem nächsten Schritt mit dem historischen Wechselkurs vom 30.06.2010, den die Kammer durch eine historische Berechnung des Deutschen Bankenverbandes mit 1 GBP = 1,22 Euro ermittelt hat, in einen Euro-Betrag in Höhe von 62.326,10 Euro umzurechnen. Schließlich hat die Kammer diesen Betrag auf 60.000 Euro abgerundet. Diese Summe stellt zur Überzeugung der Kammer den Mindestbetrag des vom Angeklagten für die Tatbegehung Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB dar.
683Korrekturen dieses Betrages infolge von Nutzungen oder Aufwendungen im Sinne von § 73 Abs. 2 StGB bzw. § 73d Abs. 1 StGB sind nicht ersichtlich.
Ein Ausschluss der Einziehung gemäß § 73e Abs. 1 S. 1 StGB kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil die Norm auf den vorliegenden Fall bereits keine Anwendung findet. Denn § 73e Abs. 1 S. 1 StGB betrifft allein das Rückabwicklungsverhältnis des Fiskus zum Empfänger der Steuererstattungen (BGH, Beschluss vom 06.04.2022, 1 StrR 466/21, juris). Gegen den Angeklagten besteht ein solcher „quasi-bereicherungsrechtlicher“ Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten bezüglich der von der A gewährten Bonuszahlung aber nicht.
685Daher kann dahinstehen, ob – trotz der Anfechtung durch die F Bank – die Rückbuchung der Steuererstattungen von ihrem Konto durch die Steuerverwaltung in München Erfüllungswirkung hatte oder nicht. Denn sie hat in keinem Fall dazu geführt, dass der auf die Abschöpfung des vom Angeklagten erlangten Tatlohns gerichtete Einziehungsanspruch des Staates aus § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c S. 1 StGB erloschen wäre. Dieser steht vielmehr als strafrechtlicher Anspruch des Staates neben dem Anspruch auf Rückzahlung der erschlichenen Steuergelder und ist eben kein Anspruch im Sinne des § 73e Abs. 1 S. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 06.04.2022, 1 StrR 466/21, juris).
686Aufgrund derselben Erwägungen ist es auch ohne Bedeutung, ob die Ansprüche auf Rückgewähr ggf. steuerrechtlich gemäß §§ 47, 232 AO bereits verjährt sein sollten. Auf die Ausnahmeregelung des § 73e Abs. 1 S. 2 kommt es vorliegend daher nicht an.
687Abgesehen hiervon endet die zehnjährige Festsetzungsfrist des § 191 Abs. 3 Satz 2 AO nach § 191 Abs. 3 Satz 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2, § 171 Abs. 7 AO aber ohnehin nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat verjährt ist. Auf eine etwaige Verjährung der Ansprüche gegenüber dem Steuerschuldner kann sich der Angeklagte aufgrund der von § 191 Abs. 5 Satz 2 AO angeordneten Durchbrechung der Akzessorietät seiner Haftung nicht berufen.
Schließlich haftet der Angeklagte hinsichtlich des Einziehungsbetrages als Gesamtschuldner neben dem Haupttäter sowie ggf. weiteren Beteiligten.
689Der Anordnung der Gesamtschuld steht nicht entgegen, dass der Angeklagte die Bonuszahlung – zumindest bezüglich der Kapitalsteueranmeldung vom 05.07.2010 –noch vor Einreichung der Steuererklärungen und damit noch im Vorbereitungsstadium erlangt hat. Denn eine Profitbeteiligung, die eine gesamtschuldnerische Haftung nach sich zieht, kann bereits im Vorfeld der Tatbegehung stattfinden, wenn sie im Hinblick auf antizipierte Erträge aus der künftigen Straftatbegehung gewährt wird und die Erträge zu einem späteren Zeitpunkt bei einem anderen potenziellen Einziehungsadressaten in vollem Umfang anfallen und daher bei diesem uneingeschränkt der Einziehung unterliegen können. Dies ist hier der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.