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Für Recht erkannt:
Der Angeklagte ist der Herstellung eines Brandsatzes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und Sachbeschädigung schuldig.
Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin sowie seine Auslagen
Angewendete Vorschriften: §§ 223, 230, 303, 303c StGB, § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 zum WaffG
Gründe:
2(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
3A.
4Prozessuales
5Eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO hat nicht stattgefunden.
6B.
7Feststellungen
8I.
9Hier Feststellungen zur Person des Angeklagten.
10II. Feststellungen zur Sache
111.
12Der Angeklagte war am 22.04.0000 eingeladen, den dreißigsten Geburtstag des Zeugen und späteren Geschädigten A zu feiern. Die Feier wurde im Haus der Zeugin J B (geborene A) – der jüngeren Schwester des Geschädigten – und deren Ehemann, des Zeugen F B in der C-Straße 4 in D ausgerichtet, weil der Geschädigte damals berufsbedingt in den Raum E verzogen war. Der Angeklagte und der Geschädigte waren vor dem Wegzug Arbeitskollegen bei der Firma G in H, wo sie sich sympathisch waren. Daher hatte der Angeklagte dem Geschädigtem bei dessen Umzug geholfen, weshalb dieser ihn als Dank zu seiner Geburtstagsfeier einlud.
13Der Angeklagte arbeitete am 22.04.0000 noch bis mittags und freute sich auf die anstehende Feier. Gegen 14:30 Uhr fuhr er mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin I, in K mit seinem PKW Audi A6 los, um dem ebenfalls eingeladenen Zeugen L in K einzusammeln. Nachdem dieser zugestiegen war, kauften beide bei einem Getränkemarkt noch eine Flasche hochprozentigen Alkohol und bestückten eine Karte mit Geld als Geburtstagsgeschenk. Sie kamen dann gegen 15:30 Uhr bei der Feier an.
14Bei der Feier waren maximal 15 – 20 Personen anwesend, wobei diese überwiegend aus Mitgliedern der Familien B und A sowie deren Freunden bestanden. Der Zeuge Jan B bewohnt mit seiner Ehefrau das Nachbarhaus in der C-Straße 6 in D. Zudem war die Zeugin N, die Mutter der Zeugen B und B zugegen ebenso wie die Zeugen O und P, Freunde der Familien.
15Von der C-Straße aus gesehen fand die Feier in dem rechts neben und hinter dem Haus liegenden Außenbereich statt. Auf dem mit einer festen Glaskonstruktion überdachten Teil der Terrasse waren ein Gartentisch und Lounge-Möbel aufgestellt. Zunächst war unmittelbar an den Gartentisch angrenzend noch eine Biertischgarnitur herangeschoben. Diese stand auf dem nicht überdachten Teil der Terrasse neben dem Haus. Als Wetterschutz war zudem ein 3 x 3 Meter großer Gartenpavillon mit blauem Dach und zwei blauen Seitenteilen mit Fenstern aufgebaut. Offengeblieben waren die Seiten zum Gartenteil in Richtung Straße sowie die zur überdachten Terrasse als Durchgang. Der Pavillon stand mit der zum Garten offenen Seite in einer Entfernung von rund 10,75 Meter zu dem Doppelstabmattenzaun, der das Grundstück zur C-Straße hin begrenzt. Von der Straße aus gesehen misst der Zaun am mittleren Zaunpfahl eine Höhe von 1,75 Meter, wobei der begrünte Garten an dieser Stelle rund 46 Zentimeter tiefer als das Straßenniveau liegt. Mit zwei Stützen stand der Pavillon auf dem Rasen neben der Terrasse und war mit Randsteinen beschwert. Der Rasenstreifen neben der Terrasse misst insgesamt eine Breite von 5,80 Metern und wird durch Winkelsteine aus Beton zum höher liegenden Nachbargrundstück C-Straße 2 begrenzt.
16Die ersten Stunden der Feier verbrachte der Angeklagte an der unter dem Pavillon stehenden Biertischgarnitur überwiegend mit den Zeugen I und Q. Die größere Gruppe um die Zeugen B hielt sich von Anfang an zumeist auf der Terrasse unter dem Glasdach auf.
17Im Laufe der Feier sagten insbesondere die männlichen Gäste nicht unerheblich dem Alkohol zu. Ausgeschenkt wurden Kölsch in 0,33 Liter Flaschen, Wein, drei Flaschen Tequila und Whiskey-Cola. Der Angeklagte trank nach eigenen Angaben über den Tag hinweg rund zehn Flaschen Kölsch, eine Flasche Tequila und einige Gläser Whiskey-Cola.
18Im Laufe des Nachmittags begann es zu regnen, weshalb als Wetterschutz zusätzlich eine fensterlose Wand des Pavillons eingehängt wurde. Dieser war nun zu drei Seiten hin geschlossen und nur noch zur Terrasse offen.
19Die Stimmung wurde gegen Abend ausgelassener, wobei von den übrigen Feiernden lediglich die Gäste Q und R als erheblich alkoholisiert wahrgenommen wurden. Am Abend hatten diese dann auch einen Disput, in dessen Folge R die Feier verließ, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Er übernachtete in D in einem Hotel, wohin ihm der Geschädigte nach einiger Zeit noch Schmerztabletten brachte.
20Während der Geschädigte abwesend war, begab sich der Angeklagte aus dem Pavillon auf die überdachte Terrasse zu den verbliebenen Gästen. Dort saß der beleibte Zeuge P auf einer Gartenlounge mit drei Plätzen auf dem mittleren Platz. Links neben ihm saß der Zeuge B und rechts daneben dessen Mutter, die Zeugin N. Der Angeklagte setze sich auf den Schoß des Zeugen P und klopfte diesem auf den Bauch und scherzte dabei, über die „Brüste“ des Zeugen. Der Zeuge P fand das zwar sonderbar, störte sich aber nicht besonders daran. Allerdings missfiel dem Zeugen B das von ihm als unangemessen und provokativ empfundene Verhalten des Angeklagten zunehmend. Als der Angeklagte sich dann seinem Bruder – dem Zeugen B - zuwandte und diesen nach der Vorstellung des Angeklagten spaßeshalber in den Schwitzkasten nahm, eilte der Zeuge B sofort zu seinem Bruder, der nicht in den Schwitzkasten genommen werden wollte. Beide drückten und schlugen den Angeklagten, um den Zeugen B aus dem Schwitzkasten zu befreien. Der Angeklagte hatte sein Gebaren lediglich als Spaß empfunden und konnte nicht verstehen, warum er nun körperlich angegangen wurde. Die anwesenden Frauen trennten die beiden Zeugen B von dem Angeklagten und versuchten diesen von der Feier hinauszukomplimentieren. Dies misslang, da sich der Angeklagte missverstanden und ungerecht behandelt fühlte. Er war nun aufgebracht und stieß Beleidigungen und Bedrohungen gegen verschiedene der Anwesenden aus. Dieses Gebaren verängstigte insbesondere die Zeugin N. Auch der Zeugin I gelang es nicht, den Angeklagten zu beruhigen oder zum Gehen zu bewegen. Erst als der Geschädigte von seinem Botengang zum Hotel zurückkehrte, gelang es diesem mäßigend auf den Angeklagten einzuwirken und zum Verlassen des Gartens zu bewegen. Der Angeklagte wurde nun gegen 21:30 Uhr von der Zeugin I nach Hause gefahren, wobei zunächst noch der Zeuge Q in K abgesetzt wurde. Auf der Rückfahrt hatte sich der Angeklagte äußerlich beruhigt, innerlich brodelte es aber noch in ihm.
212.
22An der Wohnanschrift des Angeklagten und der Zeugin I angekommen, begab sich der Angeklagte ins Wohnzimmer, wo er üblicherweise auch schläft. Die Zeugin I drehte noch eine kurze Runde mit dem Hund und begab sich dann ins Schlafzimmer, wo sie einschlief.
23Der Angeklagte kontaktierte nun den Zeugen T, ob er ihn nach D fahren könne. Dies verneinte der Zeuge, vermittelte aber den Kontakt zu dem Zeugen S, der den Angeklagten Zuhause in K mit seinem PKW abholte. Der Angeklagte steckte eine 1,5l fassende PET-Einwegplastikflasche sowie einige Blätter Küchenkrepp ein und hielt diese vor dem Zeugen verborgen. Er dirigierte den Zeugen in die Nähe der Tankstelle auf der Ustraße in K und bat diesen zu warten. Er selbst begab sich dann zu einer Tanksäule. Dort füllte er 1,29 Liter Benzin Super E10 in die mitgebrachte Plastik-Flasche und verschloss diese mit dem Flaschendeckel. Neben dem Benzin erwarb er an der Tankstelle noch eine Dose Bier, Zigaretten und ein Feuerzeug und begab sich wieder zurück zu dem PKW. Er hielt die mit Benzin befüllte Flasche vor dem Zeugen verborgen und dirigierte diesen ohne Unterstützung eines Navigationssystems zu der Adresse C-Straße 4 in D. Während der Fahrt trank er das Bier. In D angekommen fuhren die beiden einmal an der Adresse vorbei, drehten und fuhren ein Stück zurück in Richtung V Straße. Der Angeklagte wies den Zeugen dann an, hinter einer Verschwenkung der C-Straße anzuhalten und zu warten, was dieser auch tat. Der Angeklagte kam nun gegen 22:59 Uhr zu Fuß wieder an der Örtlichkeit der Feier an.
243.
25Der Angeklagte konnte aufgrund seiner Größe von 1,95 Meter problemlos über den 1,75 Meter hohen Gartenzaun schauen, was er auch tat. Hierbei wechselte er mehrfach seinen Standort und ging bis zum Ende des Grundstückes C-Straße 4 an der Grenze zum Grundstück C-Straße 2. Von der äußersten Ecke aus konnte er durch ein Seitenteil des Pavillons mit Fenster in diesen hineinschauen. Er wollte sich versichern, dass sich zu diesem Zeitpunkt niemand in dem Pavillon aufhielt. Dann begab er sich zurück zu dem mittleren Pfahl des Gartenzaunes. Auch von diesem Standort aus machte der Pavillon auf den Angeklagten einen verlassenen Eindruck, zumal die Bierbank zwischenzeitlich unmittelbar an den Biertisch herangerückt worden war, was er von außen erkennen konnte. Zudem konnte der Angeklagte akustisch nur gedämpfte Gespräche vernehmen, so dass er davon ausging, dass sich alle verbliebenen Gäste auf der überdachten Terrasse aufhielten und niemand im Pavillon.
26Nun hockte er sich hin und drehte den Deckel von der mitgeführten und mit Benzin gefüllten Plastikflache ab. Er führte nun mehrere Blatt Küchenkrepp in den Flaschenhals ein und entzündete diese noch hockend mit dem Feuerzeug. Nachdem das Küchenkrepp brannte, richtete er sich auf und warf ohne noch einmal in den Pavillon hineinschauen zu können die benzingefüllte Flasche nebst brennendem Küchenkrepp um 23:00 Uhr eher flach über den Zaun in Richtung des Pavillons. Hierbei ging er davon aus, dass sich niemand in dem Pavillon befand, nahm aber in Kauf, dass sich einer der verbliebenden Anwesenden bei einem von ihm erwarteten Löschversuch verbrennen oder durch den plötzlich einsetzenden Brand nachhaltig erschrecken und ängstigen könnte.
27Der Brandsatz traf auf Höhe des Daches den Pavillon. Dabei entstand eine große Stichflamme und entzündete das Dach und das zur Straße zeigende Seitenteil des Pavillons umgehend. Personen befanden sich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht in dem Pavillon, sondern lediglich auf der angrenzenden überdachten Terrasse. Von dort sprangen sofort mehrere Personen auf und unternahmen Löschversuche. Der Geschädigte eilte von der Terrasse um den Pavillon herum und zog den brennenden Pavillon mit bloßen Händen auf den Rasen. Dabei zog sich der Geschädigte kleine Brandverletzungen an den Grundgelenken zwischen Mittel- und Ringfinger sowie kleinem Finger der linken Hand zu, die in wenigen Tagen folgenlos verheilten.
28Zwischenzeitlich war auch auf dem unter dem Pavillon stehenden Biertisch ein kleinerer Brand ausgebrochen. Sowohl den Pavillon als auch den Brand auf dem Biertisch konnten die Anwesenden innerhalb von rund 90 Sekunden mit einem Gartenschlauch löschen. Der Pavillon war durch den Brand völlig unbrauchbar geworden, auf dem Biertisch entstand ein Brandfleck, beide Objekte standen nicht im Eigentum des Angeklagten.
294.
30Der Angeklagte lief sofort nach dem Wurf eilig zu dem PKW des Zeugen S zurück, ohne noch einmal in Richtung des Pavillons zu schauen. Dabei stürzte der Angeklagte auf die Straße und zog sich dabei kleinere Schürfwunden zu. Dennoch erreichte er ungehindert den PKW und dirigierte den Zeugen S zurück nach K zu seiner Wohnung. Auf den Zeugen S wirkte der Angeklagte nach der Tat völlig normal. In seiner Wohnung begab sich der Angeklagte wieder in das Wohnzimmer. Da an den Häusern der C-Straße 0 und 0 Überwachungskameras angebracht sind, welche u.a. von dem Geschädigten gesichtet wurden, fiel der Verdacht schnell auf den Angeklagten als Täter. Der Geschädigte versuchte daher, den Angeklagten gegen 01:30 Uhr in der Nacht telefonisch zu kontaktieren und dazu zu bewegen zurück zum Tatort zu kommen, um die Angelegenheit zu klären. Der Angeklagte leugnete gegenüber dem Geschädigten und in einem späteren Telefonat mit dem Zeugen X aber jedwede Tatbeteiligung und legte sich schlafen.
31Am 23.04.2023 wurde der Angeklagte vormittags vorläufig festgenommen und in Polizeigewahrsam verbracht, wo er die Tat einräumte. Ein um 11:22 Uhr durchgeführter Alkoholvortest verlief negativ. Auch die Untersuchung des um 13:23 Uhr entnommenen Blutes des Angeklagten wies weder Rückstände von Alkohol noch von sonstigen Drogen nach. Am 24.04.2023 wurde der Angeklagte von dem Vollzug von Untersuchungshaft verschont.
32Die Zeugin N erlitt durch die Vorfälle am 22./23.04.2023 Angstzustände aus denen starke Kopfschmerzen resultierten, die zumindest bis zum 05.05.2023 andauerten. Bis heute leidet die Zeugin bei ihr unbekannten Geräuschen unter einem gestörten Sicherheitsempfinden. Sie hat sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen,
33Hinsichtlich der Strafverfolgung bezüglich der Sachbeschädigungen hat die Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift vom 17.08.2023 und hinsichtlich der einfachen Körperverletzungen zu Lasten des Geschädigten in der Hauptverhandlung vom 04.12.2023 das besondere öffentliche Interesse bejaht, während die Zeugin N am 24.04.2023 fristgerecht einen Strafantrag bezüglich der zu ihren Lasten begangenen Körperverletzung gestellt hat.
34II.
35Beweiswürdigung
36Die Kammer stützt ihre Feststellungen auf die geständige Einlassung des Angeklagten. Ferner auf die Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen und Polizeibeamten, die verlesenen Urkunden, die in Augenschein genommenen Lichtbilder und Videos sowie das Gutachten des Sachverständigen Dr. W.
37III.
38Rechtliche Würdigung
391.
40Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den Tatbestand des Herstellens eines Brandsatzes verwirklicht, § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 zum WaffG.
41Indem der Angeklagte das Küchenkrepppapier als Lunte in den Flaschenhals der mit 1,29 Litern Superbenzin befüllten Einwegplastikflasche eingeführt und entzündet hat, hat er nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W, eines Brandsachverständigen des Landeskriminalamtes NRW, einen Gegenstand hergestellt, bei dem das Benzin als leicht entflammbarer Stoff so verteilt und entzündet werden kann, dass schlagartig ein Brand entstehen kann. Dem schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung vollumfänglich an. Eine Erlaubnis zur Herstellung hat der Angeklagte nicht.
42Die Herstellung von „Molotow-Cocktails“ ist von § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 zum WaffG erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993, 1 StR 260/93; BGH, Urteil vom 12.04.1994, 1 StR 155/94; OLG Jena, Urteil vom 13.07.2000, 1 St 1 – 3/00, Rn. 57, juris), wobei diese sich dadurch auszeichnen, dass üblicherweise Glasflaschen mit einem leicht entflammbaren Stoff befüllt werden, der dann meist über eine Lunte gezündet wird, wenn die Flasche nach dem Wurf zerspringt (vgl. Gade in: Kommentar zum Waffengesetz, 3. Auflage 2022, Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG, Begriffsbestimmungen Rn. 117 f.). Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W besteht die von der Norm unter Strafe gestellte abstrakte Gefahr der Verteilung und Entzündung des Benzins und der schlagartigen Entstehung eines Brandes aber ebenso bei Verwendung einer Einwegplastikflasche. Diese wird nach den Ausführungen des Sachverständigen zwar nicht regelmäßig zerspringen wie eine Glasflasche. Allerdings besteht die Gefahr des Einreißens des Flaschenkörpers, so dass das Benzin aus dem Riss austreten und sich schlagartig verteilen und entzünden kann. Zudem sind Einwegplastikflaschen, wie der Angeklagte hier eine verwendet hat, weich und verformen sich, wenn sie auf einen festeren Gegenstand – hier dem Pavillon nebst Gestänge - treffen. Diese Verformung kann nach den Ausführungen des Sachverständigen dafür sorgen, dass das in die Flasche gefüllte Benzin schwallartig aus dem Flaschenhals austreten und sich durch die brennende Lunte entzünden kann, wodurch nach dem Aufprall unabhängig von einem Zerspringen der verwendeten Flasche schlagartig ein Brand entstehen kann. Insofern kommt es nicht auf ein Zerspringen der verwendeten Flasche an, sondern lediglich auf die hier von dem Sachverständigen bejahte Frage, der abstrakten Gefahr der schlagartigen Brandentstehung, die sich zudem im vorliegenden Fall auch konkret realisiert hat. Insofern hat die Kammer keine Zweifel den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, was die abstrakte Gefährlichkeit angeht.
432.
44Zudem hat der Angeklagte durch den Wurf des Brandsatzes den Tatbestand einer vorsätzlichen Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB zu Lasten des Geschädigten und der Zeugin N in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verwirklicht.
45Der Geschädigte begab sich nach dem Wurf des Brandsatzes durch den Angeklagten und der Entzündung des Pavillons umgehend auf die Gartenseite und zog den brennenden Pavillon mit der linken Hand auf die Wiese, weg vom Wohnhaus. Dabei erlitt er kleine Brandverletzungen an den Grundgelenken zwischen Mittel- und Ringfinger sowie kleinem Finger der linken Hand, so dass er an der Gesundheit geschädigt wurde. Einen solchen Verlauf in Form eines Rettungsverhaltens hatte der Angeklagte bei dem Wurf des Brandsatzes in Kauf genommen und gebilligt.
46Die Zeugin N empfand bereits ein unbestimmtes Angstgefühl, nachdem der Angeklagte bei der Verweisung von der Feier impulsiv und aufbrausend reagierte und Anwesenden lautstark beleidigte und bedrohte. Als der Pavillon rund eineinhalb Stunden später durch den Brandsatz plötzlich entzündet wurde, steigerte sich diese unbestimmte Angst in eine Angst vor dem Angeklagten, aber auch vor plötzlich auftretenden unbekannten Geräuschen. In den kommenden Tagen führte diese fortdauernde Angst vor dem sich auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten bei der Zeugin zu Kopfschmerzen, die zumindest bis zum 05.05.2023 andauerten, so dass die Befindlichkeitsstörung für einige Tage auch Krankheitswert erreicht hat, so dass auch die Zeugin aufgrund des Brandsatzwurfes durch den Angeklagten an der Gesundheit geschädigt wurde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.05.2002, 2a Ss 97/02 - 41/02 II, NJW 2002, 2118; Eschelbach in BeckOK StGB, 59. Edition Stand 01.11.2023, § 223 StGB Rn. 27). Auch einen solchen Verlauf hatte der Angeklagte bei dem Wurf des Brandsatzes in Kauf genommen und gebilligt.
473.
48Der Angeklagte hat außerdem den Tatbestand der Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB hinsichtlich des in Brand gesetzten Pavillons sowie des darunter befindlichen Biertisches verwirklicht.
49Durch den Wurf des Brandsatzes und den nach dem Aufprall auf dem Pavilloneinsetzenden Brand wurde der Pavillon als eine dem Angeklagten fremde Sache beschädigt, ohne dass dies gerechtfertigt gewesen wäre. Gleiches gilt für den unter dem Pavillon stehenden Biertisch, der in Folge des Brandes einen Brandfleck erlitt, wobei auch der Biertisch für den Angeklagten eine fremde Sache war und er nicht gerechtfertigt handelte.
50Bei dem Wurf des Brandsatzes wusste und wollte der Angeklagte den Pavillon treffen und in Brand setzen, was auch zu einer Beschädigung führen sollte, wobei er dies für die unter dem Pavillon stehenden Biertisch zumindest in Kauf nahm und billigte.
514.
52Die Delikte stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB).
535.
54Der Angeklagte handelte auch im Übrigen rechtswidrig und schuldhaft.
55Durchgreifende Anhaltspunkte für eine verminderte oder gar aufgehobene Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB sind nicht ersichtlich, denn die Kammer ist aufgrund eigener Wertung und in eigener Verantwortung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit bei bestehender Einsichtsfähigkeit weder aufgehoben noch erheblich vermindert war.
56Zwar ist nach den zu Grunde zu legenden Angaben der Trinkmengen durch den Angeklagten eine erhebliche Alkoholintoxikation des Angeklagten bei Begehung der Tat zu unterstellen und als krankhafte seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB zu qualifizieren. Jedoch war der Angeklagte nach Überzeugung der Kammer weder unfähig, das Unrecht seines Handelns einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen ist. Keiner der zahlreichen Zeugen beschrieb den Angeklagten als mehr als berauscht, niemand wusste beim Angeklagten von rauschbedingten Ausfallerscheinungen zu berichten, vielmehr wirkte er nach der Verweisung von der Feier äußerlich bereits auf der Rückfahrt wieder beruhigt, wie die Zeugin I ausgesagt hat. Auch nach der Ankunft zu Hause verhielt sich der Angeklagte äußerlich normal und gab vor schlafen zu wollen. Zudem ist er bei der Tatvorbereitung und Durchführung äußerst strukturiert und nahezu konspirativ vorgegangen. Es handelte sich auch nicht um eine Spontantat, da die vermeintliche Kränkung durch den Verweis von der Feier bereits rund eineinhalb Stunden zurücklag. Zunächst hat er sich mit dem Zeugen S eine unbelastete Mitfahrgelegenheit organisiert. Zudem hat er die Wohnung mit Küchenkrepppapier und einer 1,5 Liter Einwegplastikflasche, also partiell vorbereitet, verlassen. Hiernach hat er seinen Plan der Herstellung eines Brandsatzes vor dem Zeugen S vorborgen gehalten, in dem er diese Utensilien vor diesem verbarg. Auch die Befüllung der Flasche mit Benzin an der Tankstelle bereitete dem Angeklagten – wie die in Augenschein genommenen Lichtbilder der Überwachungskamera zeigen - keinerlei Schwierigkeiten, obgleich er dazu die Zapfpistole in den schmalen Flaschenhals einführen musste. Hiernach begab er sich zur Kasse, wo er die Flasche wiederum vor den Kassierer verborgen hielt, bevor er eine Dose Bier exakt so drehte, dass der zu scannende Barcode in Richtung des Kassierers zeigte. Zudem orderte er noch Zigaretten und ein Feuerzeug und zahlte mit Bargeld, wobei er das Wechselgeld wieder in seinem Portemonnaie verstaute. Keiner dieser Schritte bereitete ihm motorisch in irgendeiner Art Schwierigkeiten. Hiernach dirigierte der Angeklagte den ortsunkundigen Zeugen S ohne Unterstützung eines Navigationssystems zu der Örtlichkeit der Feier. Hier ließ der Angeklagte den Zeugen S ein Stück von der Örtlichkeit entfernt parken, um in Ruhe zur Tat schreiten zu können. Vor Durchführung hat er zudem rund eine Minute lang die Örtlichkeit beobachtet und ist er dann zur Tat geschritten, ohne dass ihm dies koordinativ Schwierigkeiten bereitet hätte. Hiernach begab er sich laufend zurück zu dem PKW des Zeugen S, wobei er einmal aus Unachtsamkeit stürzte. Dies dürfte dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass er sich nicht mehr auf die Beschaffenheit des Weges konzentrierte, weil er so schnell es ging flüchten wollte. Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit ergeben sich für die Kammer hieraus nicht. Denn auch auf der sich anschließenden Rückfahrt zeigte der Angeklagte keinerlei Ausfallerscheinungen und konnte den Zeugen situationsangemessen wieder nach K lotsen.
57IV.
58Strafzumessung
59Gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StGB bestimmt sich im Falle der tateinheitlichen Verwirklichung mehrerer Straftatbestände die Strafe nach dem Gesetz, welches die schwerste Strafe androht.
601.
61§ 52 Abs. 1 WaffG sieht für die Herstellung eines Brandsatzes eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. In minderschweren Fällen sieht § 52 Abs. 6 WaffG eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
62Die Entscheidung der Frage, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen.
63Strafmildernd war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
64- er die Tat bereits am Folgetag bei der polizeilichen Vernehmung vollumfänglich gestanden hat,
65- er im Rahmen der Verhandlung aufrichtige Reue gezeigt hat,
66- er sich bei der Nebenklägerin aber auch sämtlichen vor Ort gewesenen Zeugen entschuldigt und die Übernahme sämtlicher materieller und immaterieller Schäden angeboten hat,
67- er durch den vorangegangenen Konsum von Alkohol enthemmt war, wenngleich nicht in einem Umfang, der seine Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt hat,
68- er auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sozial und beruflich eingebunden ist und – auch nach der Tat – geschätzt wird.
69Strafschärfend war zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
70- er tateinheitlich drei verschiedene Straftatbestände verwirklicht hat,
71- die Tat objektiv sehr gefährlich war und aus einem nichtigen Anlass begangen wurde,
72- er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wenngleich die rund zehn Jahre zurückliegende Vorstrafe keine einschlägigen Delikte betraf,
73- die Tat bei einigen der Zeuginnen noch bis heute nachwirkt.
74Die Gesamtwürdigung dieser Umstände ergibt, dass das Tatbild nicht derart vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle der Herstellung eines Brandsatzes abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten wäre. Es überwiegen zwar die strafmildernden Umstände. Diese wiegen aber gerade vor dem Hintergrund der abstrakten Gefährlichkeit der Herstellung eines - später auch eingesetzten - Brandsatzes nicht derart schwer, dass sie die Anwendung des Strafrahmens des § 52 Abs. 6 StGB rechtfertigen würden.
75Danach war der Strafrahmen des § 52 Abs. 1 WaffG von Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorliegend nicht zu modifizieren.
762.
77Die Körperverletzungen werden gemäß § 223 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
783.
79Die Sachbeschädigungen werden gemäß § 303 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
804.
81Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB war demnach ein Strafrahmen sechs Monaten bis zu fünf Jahren eröffnet. Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Kammer unter erneuter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte eine Freiheitsstrafe von
82einem Jahr und sechs Monaten
83als tat- und schuldangemessen angesehen.
845.
85Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte angesichts der im Rahmen der Hauptverhandlung zu Tage getretenen besonderen Umstände nach §§ 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
86Bei der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr aber weniger als zwei Jahren setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten besondere Umstände vorliegen, die erwarten lassen, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Bei der Entscheidung ist auch das Bemühen des Angeklagten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
87Zwar erweist sich der Anlass der Tat objektiv als nicht nachvollziehbar und nichtig. Auch ist der Angeklagte im Jahr 2014 bereits einmal zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diese Freiheitsstrafe konnte nach einer vorbildlichen Führung des Angeklagten nach Ablauf der Bewährungszeit aber erlassen werden. Hiernach hat sich der Angeklagte viele Jahre nichts mehr zu Schulde kommen lassen. Vielmehr hat er sein Leben auf eine solide Basis gestellt und spätestens nach dem Kennenlernen der Zeugin I im Jahr 2017 auch Verantwortung für andere übernommen, nachdem diese zwei Kinder mit in die Beziehung gebracht. Bis heute sorgt der Angeklagte ohne Vorbehalte als Alleinverdiener für die Zeugin I und deren Kinder. Nachdem der Angeklagte im Jahr 2013 noch eine geringfügige Tätigkeit als Verkäufer für Zubehör zum Anbau von Cannabis ausübte, ist es ihm nun gelungen, eine geregelte Festanstellung als Monteur zu erlangen. In dieser Position ist er von seinen Kollegen, aber auch von der Geschäftsleitung, als zuverlässig und freundlich geschätzt und anerkannt. Zudem hat der Angeklagte sich bei allen von dem Wurf des Brandsatzes betroffenen Zeugen explizit entschuldigt und gegenüber diesen angekündigt jedweden Schaden wiedergutmachen zu wollen. Glücklicherweise sind die materiellen Schäden nur überschaubar und auch die immateriellen Schäden erscheinen angesichts des sehr gefährlichen Tatmittels relativ gering. Unter Abwägung dieser Umstände erachtet die Kammer es für vertretbar, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, weil sie davon ausgeht, dass das Strafverfahren (nebst den daraus resultierenden Kosten) und die Verurteilung alleine den Angeklagten davon abhalten werden weitere Straftaten zu begehen. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass es sich offenbar um ein von dem übermäßigen Alkoholkonsum begünstigtes Augenblicksversagen des Angeklagten handelte, der von allen Zeugen als freundlich, ausgeglichen und verantwortungsbewusst beschrieben wurde.
88D.
89Kostenentscheidung
90Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1, 472a Abs. 1 und 2 StPO.