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für Recht erkannt:
Der Angeklagte ist der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition, mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und mit Sachbeschädigung sowie der versuchten räuberischen Erpressung schuldig.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt.
Die Verwaltungsbehörde darf dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine Fahrerlaubnis erteilen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, die notwendigen Auslagen des Nebenklägers sowie seine eigenen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5, 303 Abs.1, 249, 253, 255, 22, 23 Abs. 1, 52, 53, 69 a StGB; 52 Abs. 1 Nr. 2 b), Abs. 3 Nr. 2 b) WaffG; 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG
Gründe:
2A.
3Prozessuales
4Eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO hat nicht stattgefunden.
5B.
6Feststellungen
7I.
8Feststellungen zur Person
9Der Angeklagte wurde am 00.00.1978 es folgen diverse Angaben zum Lebenslauf.
10Der Angeklagte wuchs in JJ zunächst in guten sozialen Verhältnissen heran. 1990/91 ging jedoch ein Großteil der Ersparnisse der Familie aufgrund einer Bankenkrise verloren. Daher wanderte der Angeklagte mit seiner Mutter und seiner Schwester im Jahr 1991 nach Deutschland aus. Der Angeklagte selbst verließ JJ nur ungern. Er besaß nur rudimentäre Deutschkenntnisse.
111985 wurde der Angeklagte in JJ eingeschult.
12Es folgen diverse Angaben zum Lebenslauf.
131995 musste der Angeklagte die Schule verlassen. Anschließend besuchte er die Berufsschule in A, welche er jedoch nach einiger Zeit abbrach.
141996 befand sich der Angeklagte erstmals in Untersuchungshaft, an welche sich die erste (Jugend-) Strafhaft anschloss (s. u. unter Ziffer 4). Nachdem er nach seiner Entlassung im Jahr 1998 erfolglos versucht hatte, sich mit einem Sonnenstudio selbständig zu machen, wurde er 1999 erneut in Untersuchungshaft in dem im Folgenden unter Ziffer 7 festgestellten Verfahren genommen. Hieran schloss sich die zweite Strafhaft des Angeklagten bis November 2001 an. Nach seiner Entlassung machte er sich 2003 als Subunternehmer mit einem Paketdienst selbständig.
15Am 21.04.2004 wurde der Angeklagte in dem unter Ziffer 14 dargestellten Verfahren wegen schweren Raubes abermals in Untersuchungshaft genommen. An diese schloss sich die dritte Strafhaft des Angeklagten an. Im Rahmen dieser Inhaftierung befand er sich ab dem 02.05.2006 in der Justizvollzugsanstalt B. Dort machte er eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker. Er wurde im Dezember 2009 entlassen.
16Es gelang dem Angeklagten jedoch auch nach der Entlassung aus der dritten Strafhaft nicht nachhaltig Fuß zu fassen. Am 21.04.2013 wurde er in dem unter Ziffer 17 dargestellten Verfahren festgenommen und verbüßte bis Dezember 2018 eine Freiheitsstrafe unter anderem wegen schweren Bandendiebstahls und Verabredung zum schweren Raub.
17Der Angeklagte hat eine Tochter, die am 00.00.2011 geboren wurde, und zu der er Kontakt hält. Mit ihrer Mutter ist er nicht mehr liiert. Er lebt mit einer Frau zusammen, ist jedoch bei seiner Mutter gemeldet. Zuletzt bekam er Arbeitslosengeld II i.H.v. rund 730 Euro monatlich. Es folgen diverse Angaben zum Lebenslauf.
18Der Angeklagte begann 1996 mit dem Konsum von Cannabis und Kokain. Während des Jugendstrafvollzugs 1998-99 konsumierte er auch Heroin, welches er rauchte oder schnupfte. Zwischendurch lebte der Angeklagte auch längere Zeit drogenfrei. 2011 begann er erneut, gelegentlich Marihuana und Kokain zu konsumieren, gab dies aber während der letzten Haft auf. Seit seiner letzten Entlassung Ende 2018 konsumiert er erneut gelegentlich Marihuana.
19Der Angeklagte ist bereits vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten:
201. Durch Urteil vom 21.06.1994 verhängte das Amtsgericht Bonn gegen den Angeklagten wegen Diebstahls und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr einen Freizeitarrest und legte ihm 60 Sozialstunden auf (55 Ds-70 Js 562/94-47/94). Dieses Urteil ist seit dem 29.06.1994 rechtskräftig und wurde in die Verurteilung unter Ziff. 2 einbezogen.
212. Das Amtsgericht Bonn verurteilte ihn am 12.09.1994 – rechtskräftig am selben Tag – wegen Diebstahls in sechs Fällen, davon in einem Fall versucht, Hehlerei und Sachbeschädigung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Verurteilung des Amtsgerichts Bonn vom 21.06.1994 (Ziff. 1) zu einem Dauerarrest von drei Wochen (61 Ls-70 Js 819/94-K 22/94).
223. Das Amtsgericht Siegburg (26 Ds – 70 Js 1916/95 – 23/96) sprach den Angeklagten am 26.02.1996 – rechtskräftig seit dem 05.03.1996 – wegen Diebstahls in zwei Fällen, Beförderungserschleichung in vier Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, einmal in Tateinheit mit Betrug und ein anderes Mal in Tateinheit mit Diebstahl einer geringwertigen Sache schuldig, und setzte die Entscheidung über die zu verhängende Jugendstrafe zur Bewährung aus. Zugleich verhängte es eine isolierte Sperrfrist zur Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen bis zum 04.01.1997.
234. Am 18.10.1996 verurteilte das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Bonn (60 Ls-70 Js 1826/95-D 6/96) ihn wegen gemeinschaftlichen Diebstahls, versuchten schweren Diebstahls, Diebstahls, Betruges, Urkundenfälschung, der unbefugten Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Siegburg (26 Ds – 70 Js 1916/95 – 23/96) zu einer (Einheits-) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Die erlittene Untersuchungshaft wurde nicht angerechnet. Das Urteil ist seit dem 26.10.1996 rechtskräftig. Es ist vollstreckt. Der Angeklagte wurde am 17.04.1998 nach Vollverbüßung der Strafe entlassen.
245. Am 09.03.1998 setzte das Amtsgericht Siegburg gegen den Angeklagten wegen Abgabe von Betäubungsmitteln mittels Strafbefehls eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 5,00 DM (26 Cs-90 Js 1166/97-47/98) fest. Der Strafbefehl ist seit dem 27.03.1998 rechtskräftig und vollstreckt.
256. Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Bonn verurteilte den Angeklagten am 20.08.1999 rechtskräftig wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in einem Fall in Tateinheit mit unbefugter Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs, zu einer (Einheits-) Jugendstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (60 Ls-100 Js 214/98-D 14/98). Die Bewährung wurde infolge weiterer Verurteilungen widerrufen. Der Angeklagte verbüßte die Jugendstrafe vom 20.02.2001 bis zum 17.11.2001.
267. Am 01.02.2000 verurteilte das Amtsgericht – Schöffengericht – Bonn ihn wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (65 Ls-90 Js 932/99-15/99). Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 12.05.2000 und vollstreckt.
278. Der Angeklagte wurde weiter am 08.06.2000 – rechtskräftig seit dem 16.06.2000 – durch das Amtsgericht Bonn (79 Ds 25 Js 1937/99) wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und Verkehrsunfallflucht in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit am Steuer zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20,00 DM verurteilt. Zudem wurde gegen ihn eine isolierte Sperrfrist zur Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen bis 07.11.2000 verhängt.
289. Das Amtsgericht Bonn verhängte am 26.06.2002 gegen ihn im Wege einnes Strafbefehls eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 7,00 € wegen Beförderungserschleichung (71 Cs-25 Js 949/02-277/07). Der Strafbefehl ist seit dem 17.07.2002 rechtskräftig.
2910. Der Angeklagte wurde am 05.12.2002 durch das Amtsgericht Bonn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt (79 Ds-25 Js 1384/02-837/02). Das Urteil ist seit dem 05.12.2002 rechtskräftig. Die Strafaussetzung wurde widerrufen, die Strafvollstreckung war am 25.03.2008 erledigt.
3011. Das Amtsgericht Siegburg verurteilte ihn am 10.06.2003 wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10,00 € (14 Ds 51/02 – 21 Js 219/02). Das Urteil ist seit dem 11.06.2003 rechtskräftig.
3112. Durch Strafbefehl setzte das Amtsgericht Aachen am 20.10.2003 gegen den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln eine Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 10,00 € fest (52 Cs-804 Js 389/03-917/03). Der Strafbefehl ist seit dem 26.11.2003 rechtskräftig. Durch Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 15.08.2006 wurde aus dieser Verurteilung sowie der Verurteilung des Amtsgerichts Siegburg (Ziffer 11) eine nachträgliche Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 € gebildet.
3213. Das Amtsgericht Neuss verurteilte den Angeklagten am 05.03.2004 – rechtskräftig seit dem 13.03.2004 – wegen Diebstahls in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr (Ds-100 Js 6971/03-691/03). Die Vollstreckung wurde zunächst zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafaussetzung wurde später infolge der Verurteilung durch das Landgericht Aachen (Ziffer 14) widerrufen. Der Strafrest wurde durch Beschluss des Landgerichts Kleve – Strafvollstreckungskammer – vom 13.11.2009 zur Bewährung ausgesetzt, später aber widerrufen. Die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 31.10.2014.
3314. Das Landgericht Aachen verurteilte den Angeklagten am 17.02.2005 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten (92 KLs 18/04 – 901 Js 221/04). Das Urteil ist seit dem 25.02.2005 rechtskräftig. Der Angeklagte hat die Freiheitsstrafe bis zum 16.10.2009 vollverbüßt.
34Dem Urteil lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
35Am Dienstag, den 00.00.2004, kam es gegen 23:45 Uhr zu einem schweren Raub zum Nachteil der Speditionsfirma C in D, und ihres Fahrers E, wobei es den Tätern darum ging, sich in den Besitz einer hochwertigen LKW-Ladung – bestehend aus Elektronikware im Wert von 1,3 Millionen Euro – zu bringen. Der Angeklagte, der die Tat maßgeblich geplant hatte, bestieg gemeinsam mit zwei Mittätern das Führerhaus des Lkw der Firma C auf einem Rastplatz der A9 in Fahrtrichtung München, nachdem sie den eingeweihten Fahrer und weiteren Mittäter, der das Fahrzeug bereits verlassen hatte, zur Seite geschoben hatten. Der Angeklagte hielt dem sich zu diesem Zeitpunkt in der Schlafkoje befindlichen zweiten Fahrer E die Mündung der Pistole „G“ vor dessen Gesicht und forderte ihn auf ruhig zu sein. Ob diese Waffe geladen war, konnte die Kammer nicht feststellen. Der Angeklagte und ein Mittäter fesselten den Zeugen E dann mittels Kabelbindern auf dem Bauch liegend Hände und Füße. Auf Anweisung des Angeklagten fuhr der eingeweihte Fahrer und Mittäter den Lkw dann in Richtung Norden, da die elektronischen Geräte bei einem Bekannten des Angeklagten in H abgeladen werden sollten. Nachdem der Angeklagte zwischendurch anderslautende Informationen erhalten hatte, ließ er den Lkw zu einer Lagerhalle in I steuern, wo er und seine Mittäter kurze Zeit nach der Ankunft am Morgen des 00.00.2004 gegen 8 Uhr festgenommen werden konnten. Der Inhaber des Speditionsunternehmens hatte gegen 5:30 Uhr den Standort des Lkws über GPS kontrolliert und so erfahren, dass dieses sich nicht auf der vorgegebenen Fahrtroute befand, weshalb er die Polizei alarmierte. Der Zeuge E erlitt durch die Fesselung erhebliche Blutergüsse an Armen und Füßen. Er befand sich nach der Tat wegen depressiver Verstimmung etwa 3 - 4 Wochen in psychologischer Betreuung und war insgesamt vier Wochen krankgeschrieben Die entwendete Ladung wurde vollständig und praktisch unbeschädigt sichergestellt. An dem Lkw entstand Sachschaden.
3615. Am 30.07.2010 setzte das Amtsgericht Bonn gegen den Angeklagten eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 € wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis fest und verhängte eine isolierte Sperrfrist zur Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen von zwölf Monaten (803 Cs-117 Js 1208/10-117/10). Der Strafbefehl ist seit dem 02.08.2010 rechtskräftig.
3716. Durch Strafbefehl vom 19.12.2011 – rechtskräftig seit dem 06.09.2012 – verhängte das Amtsgericht Geldern gegen den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,00 € (16 Ds-102 Js 82/12-18/12).
3817. Das Landgericht Bonn (22 KLs – 664 Js 3/13 – 26/13) verurteilte den Angeklagten am 19.02.2014 wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung in 17 Fällen, Diebstahls in 29 Fällen, davon in 26 Fällen in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung, versuchten Diebstahls, Anstiftung zur Brandstiftung, Verabredung zum schweren Raub und vorsätzlichem unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 22.05.2014. Nach Vollverbüßung steht der Angeklagte seit dem 14.12.2018 noch bis zum 13.12.2023 unter Führungsaufsicht.
39Dem Urteil lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
40Der Angeklagte hatte im Oktober 2012 unter Rückfall in alte Verhaltensmuster zusammen mit seinem Neffen K J und einem weiteren Mittäter beschlossen, sich durch wiederholte Begehung von Diebstahlstaten eine dauerhafte finanzielle Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Nachdem sie zuerst erwogen hatten, Zigarettenautomaten aufzubrechen, verfielen sie auf die Idee, Fahrkatenautomaten auf Bahnhöfen aufzubrechen. Der Angeklagte entwendete deshalb zunächst mit K J und einem weiteren Mittäter zwei komplette Fahrkartenautomaten, um sowohl die Aufbruchsweise zu studieren als auch die Beuteerwartung zu überprüfen. Als sich die Einschätzung des Angeklagten, der im Justizvollzug eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker und einen Schweißerlehrgang absolviert hatte, zum Aufbruch der Fahrkartenautomaten bestätigte, schlossen sich dieser und die im dortigen Verfahren ebenfalls angeklagten Mittäter K J und L zusammen, um fortlaufend und regelmäßig Diebstähle in Form des Aufbrechens von Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn und entsprechender Regionalbetriebe aus einer festen Gruppe heraus zu begehen. Zwischen dem Angeklagten und seinen beiden Mittätern bestand eine feste Arbeitsteilung: K J fuhr die Gruppe zum jeweiligen Tatort und verblieb auch im Wagen um aufzupassen. Der Angeklagte öffnete die Automaten zunächst durch Aufschweißen und dann durch Aufbohren, während L auf dem Gleis Schmiere stand. Nachdem es bis zum 15.12.2012 zumindest zu 17 Automatenaufbrüchen gekommen war, verließ K J die Gruppe. Nach Auflösung der Bande suchten sich der Angeklagte und sein Mitstreiter L weitere Personen, um sich an 26 weiteren Automatenaufbrüchen zu beteiligen, schlossen sich aber nicht erneut mit einer Person fest zusammen. Zudem besaß der Angeklagte in der Zeit von Dezember 2012 bis zu seiner Festnahme in diesem Verfahren am 25.04.2013 eine Pistole COLT ### sowie 44 Patronen Munition. Schließlich verabrede sich der Angeklagte, zusammen mit seinem Neffen K J und drei weiteren in diesem Verfahren angeklagten Mitstreitern, am 21.04.2013 einen M-Markt zu überfallen. Hierzu beschloss der Angeklagte unter anderem, die Pistole COLT ### – jedoch ohne Magazin – mit zum M-Markt zu nehmen und diese einem Wachmann vorzuhalten, um dessen Widerstand zu brechen und die Entwendung der Elektrogeräte und des Tresors zu ermöglichen.
4118. Der Angeklagte wurde am 10.07.2019 durch das Amtsgericht Bonn (709 Ds – 900 Js 103/19 – 62/19) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt. Zudem wurde gegen ihn eine isolierte Sperrfrist zur Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen bis 17.04.2020 verhängt.
4219. Zudem verurteilte ihn das Amtsgericht Neuwied (8b Ds 2080 Js 37479/21) am 22.03.2022 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, Diebstahl und vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 23.11.2022, nachdem der Angeklagte die Berufung vor dem Landgericht Koblenz (8 Ns 2080 Js 37479/21) im Termin zurückgenommen hat, und wird zum hiesigen Entscheidungszeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt Siegburg vollstreckt. Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte entwendete am 09.04.2021 die bereiften Felgen von drei Neufahrzeugen im Gesamtwert von 9.521,60 € und führte im Anschluss einen VW Golf, in den er die Reifen eingeladen hatte, unter Alkohol- und Cannabiseinfluss im Straßenverkehr. Zudem verfügte er in diesem Fahrzeug über weiteres Cannabis.
4320. Schließlich verhängte das Amtsgericht Köln (586 Ds – 181Js 275/22) gegen den Angeklagten am 28.04.2022 – rechtskräftig am selben Tag – eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10,00 € wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Der Angeklagte war am 13.01.2022 im Besitz von über 3,3 Gramm Marihuana.
44Am 27.01.2014 – rechtskräftig seit dem 17.02.2014 – untersagte das Polizeipräsidium Bonn als Waffenbehörde dem Angeklagten die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Waffen und Munition sowie über Geschosse mit pyrotechnischer Wirkung, ferner untersagte es dem Angeklagten den Erwerb und Besitz von Waffen und Munition.
45II.
46Feststellungen zur Sache
471.
48Vorgeschichte
49a) Der Angeklagte und der später geschädigte Nebenkläger N O lernten sich Ende des Jahres 2015 in der Justizvollzugsanstalt A kennen und hielten auch außerhalb des Strafvollzuges Kontakt. Sie pflegten eine sowohl freundschaftliche als auch „berufliche“ Beziehung, wobei die Kammer die Einzelheiten ihrer illegalen Geschäfte nicht aufklären konnte. Der Nebenkläger ist als selbständiger Lackierer tätig. Fest steht, dass der Angeklagte ihm zumindest in einem Fall einen Kunden vermittelte. Hierfür sollte der Angeklagte eine Provision erhalten, die in der Höhe zwischen den beiden streitig ist. Nahe liegt, dass der Angeklagte dem Nebenkläger weitere Kunden vermittelte und (schwarz) auch andere Arbeiten in der Werkstatt verrichtete, über dessen Entlohnung die Beteiligten sich im Einzelfall einig wurden.
50b) Weihnachten 2021 kam es indes zum Zerwürfnis zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Das Mietshaus des Nebenklägers in P war durch das Flutgeschehen am 15.07.2021 stark beschädigt worden, weshalb er zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Zeugin Q O , und fünf seiner sechs Kinder – den Zeugen R, S, T und U O sowie dem V O – in einer Hotelunterkunft gegenüber seiner Werkstatt in W wohnte. In der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 2021 kam es zu einer Auseinandersetzung innerhalb der Familie O, im Zuge derer der stark alkoholisierte Nebenkläger zunächst seine Ehefrau tätlich angriff. Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt mit seinem Neffen K J und dem V O sowie dessen Cousin unterwegs. V O erfuhr telefonisch von den Streitigkeiten und bat den Angeklagten, beschwichtigend auf seinen Vater einzuwirken. Der Angeklagte ließ sich deshalb gemeinsam mit V O und dessen Cousin von seinem Neffen zur Werkstatt des Nebenklägers bringen, den er telefonisch dorthin bestellte. Er traf den Nebenkläger auch an und forderte ihn auf, in der Werkstatt zu bleiben und dort zu übernachten, bevor er gemeinsam mit seinem Neffen wieder fuhr. Der Nebenkläger ging indes zurück in die Unterkunft seiner Familie gegenüber der Werkstatt und griff im Streit nunmehr auch seine Tochter T und seinen Sohn V tätlich an. Der damals 13-jährige U O kontaktierte den Angeklagten um 3:26 Uhr per WhatsApp mit den Worten „Vater hat V geschlagen“ und „Komm bitte N“, woraufhin dieser nach einem kurzen Telefonat mit U O gemeinsam mit K J erneut zur Unterkunft der Familie O fuhr. U O hatte die Tür für den Angeklagten offen stehen lassen, so dass der Angeklagte gemeinsam mit K J in die Wohnräume der Familie O gelangte. Als er sah, dass der Nebenkläger nach seiner Tochter T trat, zog er diese weg und forderte seinen Neffen auf, dem Nebenkläger eine Ohrfeige zu geben, eine „zu ballern“. K J kam dieser Aufforderung nach, woraufhin der Nebenkläger – rasend vor Wut – dem Angeklagten und K J nachfolgte als diese das Haus gemeinsam mit der Familie des Nebenklägers verließen. Auf der Straße schlugen K J und der Nebenkläger dann mit Fäusten aufeinander ein, wobei der Neffe des Angeklagten die Oberhand behielt und der Nebenkläger schließlich zu Boden ging. Gedemütigt und frustriert rief der Nebenkläger hierauf dem K J zu, er werde ihm „ins Knie schießen“. Als der Angeklagte dies hörte, verlor er die Fassung und schlug dem Nebenkläger gezielt mit Fäusten so heftig ins Gesicht, dass dessen Brücke der vorderen Zähne im Oberkiefer zerbrach. Der Angeklagte forderte den Nebenkläger auf, auszurechnen, was ihm noch zustünde und ihm am nächsten Tag „sein Geld“ zu geben, damit beide danach getrennte Wege gehen könnten.
51c) In den folgenden Monaten kam es indes nicht zu der vom Angeklagten erhofften Abrechnung seiner noch offenen Forderungen gegen den Nebenkläger. Dieser stritt solche gegenüber dem Angeklagten ab oder sah sie jedenfalls durch Gegenforderungen wie etwa die notwendig gewordene Zahnbehandlung, die er in X durchführen ließ, als erledigt an.
52d) Am 01.08.2022 war der Angeklagte das Warten leid und forderte den Nebenkläger per WhatsApp zu einem klärenden Treffen auf. Der Nebenkläger verweigerte sich dem Ansinnen des Angeklagten nicht, brachte aber im Rahmen der an diesen versendeten Sprachnachrichten deutlich zum Ausdruck, dass er ihm nichts schulde und das Ansinnen für lächerlich hielt. Von behaupteten Provisionen wollte er in einer um 13:21 Uhr versendeten Sprachnachricht nichts wissen: „Ich habe keine Ahnung, von was für einer Provision du redest. Keinen Schimmer habe ich. Was soll das denn sein? Erinner mich mal daran, was das für eine Provision sein soll? Um was geht's denn da? Was soll das denn für ein Ding sein?" In einer weiteren um 13:40 Uhr an den Angeklagten verschickten Sprachnachricht macht der Nebenkläger Ausführungen zu „Grünzeug“, das noch nicht gänzlich „vertickt“ sei. Der auf den Angeklagten entfallene „Verdienst“ gehe aber für ein Gerät weg, „was du in I hast fallen lassen, für das ich 750 Euro bezahlt habe und das jetzt nicht mehr funktioniert.“ Der Angeklagte forderte den Nebenkläger hierauf wiederum auf, sich mit ihm zu treffen, um die offenen Fragen zu klären, worin der Nebenkläger schließlich am frühen Abend einwilligte. Der Angeklagte forderte ihn schließlich in einer um 18:45 Uhr versendeten Sprachnachricht auf, ihn gegen 20 Uhr auf dem Feldweg zu treffen, auf dem seine Familie immer mit dem Hund Gassi gehen würde, worauf sich der Nebenkläger einließ. Sie verabredeten jeweils allein zu kommen.
532.
54Tatgeschehen
55a) Der Angeklagte nahm zu dem Treffen eine Pistole, eine halbautomatische Selbstladewaffe, mit. Er ließ sich von seinem Neffen K J mit dessen Pkw V mit dem amtlichen Kennzeichen §§ – § 000 nach P fahren, wo der Nebenkläger und seine Familie zwischenzeitlich wieder ihr Mietshaus in der Ortschaft P bewohnten. K J setzte den Angeklagten kurz nach 20 Uhr auf der Bundesstraße 000 am Straßenrand ab. Der Angeklagte näherte sich dem verabredeten Treffpunkt auf dem parallel zur Bundesstraße verlaufenden Feldweg entlang eines Maisfeldes. Der Nebenkläger befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf besagtem Feldweg, der die Ortschaften P und Z verbindet, und hockte an einer Wegkreuzung. Als er in etwa 200 Meter Entfernung hinter sich den Zeugen AA mit einem Hund ebenfalls aus P kommend erblickte, stand er auf und ging ein paar Schritte weiter in Richtung Z. In diesem Moment kam der Angeklagte wild gestikulierend aus dem Feld auf ihn zu und machte ihm Vorwürfe, dass er nicht allein gekommen sei. Denn der Angeklagte hatte aus der Ferne auf dem Parkplatz am Ende des Feldweges in P den Pkw des Zeugen AA entdeckt und wähnte, dass der Nebenkläger Bekannte zu seiner Unterstützung mit zu dem Treffen gebracht hatte. Als der Nebenkläger dies verneinte, reichte es dem Angeklagten. Nicht nur hatte der Nebenkläger Weihnachten 2021 gedroht, seinem Neffen ins Knie zu schießen, er hatte ihn nun auch noch monatelang hingehalten, seinen Anteil an den gemeinsamen Geschäften auszuzahlen. Und nun war er immer noch nicht bereit, die Angelegenheiten mit ihm von Mann zu Mann zu regeln. Der Angeklagte wollte dem Nebenkläger zeigen mit wem er es zu tun hatte, zog die mitgeführte und bereits durchgeladene Pistole, schrie „Du willst meinem Neffen ins Knie schießen?“ und schoss aus etwa fünf bis sechs Meter Entfernung drei Mal in Richtung des linken Knies des Nebenklägers, der aufgrund zweier Treffer oberhalb und unterhalb des linken Knies unmittelbar in sich zusammensackte. Der Angeklagte trat hierauf an den am Boden liegenden Nebenkläger, der sich – seinen Oberkörper schützend – krümmte, noch näher heran. Er schoss zwei weitere Male, diesmal in Richtung des rechten Knies. Ein Schuss traf das rechte Bein knapp oberhalb des Knies, der andere Schuss ging durch den rechten Unterarm knapp oberhalb der Hand. Als der Angeklagte aufgehört hatte zu schießen und sich umdrehte um zu gehen, griff der Nebenkläger mit der linken Hand nach seinem Mobiltelefon, um seine Ehefrau anzurufen. Der Angeklagte, der dies bemerkte, dachte indes, der Nebenkläger würde zu Beweiszwecken ein Video von ihm drehen. Er drohte dem Nebenkläger deshalb, dass, wenn er das Video der Polizei zeige, seine Freunde der Familie des Nebenklägers etwas antun würden. Sodann entfernte sich der Angeklagte eilig durch das Maisfeld vom Tatort wieder in Richtung der Bundesstraße 000.
56b) Q O kam unmittelbar nachdem der Nebenkläger sie um 20:11 Uhr telefonisch informiert hatte, gemeinsam mit den Kindern T und U den Feldweg entlanggerannt. Hierbei begegneten sie dem Zeugen AA, der nach den Geschehnissen zurück zu seinem Fahrzeug und die Polizei informieren wollte. Er rief der Familie O, die er vom Sehen aus dem Ort kannte, zu, sie sollten die Polizei rufen. T O hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Telefon am Ohr, um den Rettungsdienst zu verständigen, und erklärte dies auch dem Zeugen AA. U O hatte seinen am Boden liegenden Vater als Erster erreicht, drückte die blutende Wunde am Arm zu und nahm dessen Mobiltelefon an sich. Der Nebenkläger instruierte seine Familie, die wusste, dass er sich mit dem Angeklagten getroffen hatte, den Behörden nicht zu verraten, wer ihn angeschossen hatte. Als fünf Minuten später Rettungskräfte und Polizei am Tatort eintrafen, waren bis auf ein Projektil, das in der Hose des Nebenklägers steckte, keine Projektile oder Patronenhülsen vor Ort feststellbar.
57c) Die Kammer konnte nicht klären, ob der Angeklagte von seinem Neffen K J oder einer dritten Person von der tatortnahen Bundesstraße 000 wieder zurück nach H gefahren wurde. Fest steht jedoch, dass der Angeklagte nur eine halbe Stunde später gegen 20:45 Uhr das Fahrzeug V des K J durch H steuerte, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, was ihm bewusst war. Der Angeklagte fand sich hierbei im BB-Straße hinter dem Pkw CC des Zeugen DD wieder, der gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem Beifahrersitz, der Zeugin EE, auf dem Weg zu einem Fitnessstudio war. Der Angeklagte ärgerte sich über die Fahrweise des Zeugen DD, der aus seiner Sicht sehr langsam fuhr, indem er sich an die vorgeschriebene Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h hielt. Der Angeklagte blieb über mehrere Abbiegevorgänge hinter dem Zeugen DD bis sich ihm auf dem FF-Straße wenige Hundert Meter weiter die Chance bot zu überholen, was er schreiend und wild gestikulierend tat. Er fuhr rechts an den Straßenrand und forderte den Zeugen gestikulierend auf, es ihm gleich zu tun. Der Zeuge DD ging auf die Provokation des Angeklagten indes nicht ein und überholte ohne anzuhalten. Etwa in Höhe des GG-Marktes am HH-Straße überholte der Angeklagte erneut das Fahrzeug des Zeugen und kam wenige Hundert Meter weiter vor ihm an der T-Kreuzung zur II-Straße zum Stehen. Der Zeuge DD wiederum fuhr nun links am Fahrzeug des Angeklagten vorbei und bog auf die II-Straße ein. Hierüber erbost signalisierte der Angeklagte dem Zeugen durch Gesten und Lichthupe abermals, dass dieser anhalten solle und fuhr links neben dessen Fahrzeug. Der Angeklagte zog nun seine bereits auf dem Feldweg benutze Pistole und richtete sie über den Beifahrersitz auf den Zeugen DD mit den Worten „Möchtest Du sterben?“. Dann senkte er den rechten Arm, der die Waffe führte, und schoss in Richtung des Kotflügels des Pkw CC, wobei er den vorderen linken Reifen traf. Die nach der Schussabgabe aus der Pistole ausgeworfene Patronenhülse fiel auf die Straße. Über eine waffenrechtliche Erlaubnis zum Besitz und Führen der scharfen Schusswaffe und der zugehörigen Munition verfügte der Angeklagte, wie ihm bewusst war, nicht. Die Kammer konnte nicht feststellen, bei welcher Geschwindigkeit der Schuss auf den Pkw des Zeugen DD abgegeben wurde, oder ob der Wagen des Zeugen bereits stand. Fest steht, dass der Angeklagte sich unmittelbar über die II-Straße entfernte und der Zeuge DD anhielt und sein Fahrzeug untersuchte. Nachdem er nichts feststellen konnte, beschloss er gemeinsam mit seiner aufgelösten Ehefrau ein Café aufzusuchen, um das Erlebte zu verarbeiten. Auf dem Weg dahin verlor der linke Vorderreifen indes Luft, denn das Projektil aus der Pistole des Angeklagten hatte den Reifen beschädigt. Da den Zeugen nunmehr Gewahr wurde, dass der Angeklagte mit einer scharfen Waffe und nicht lediglich einer Schreckschusspistole auf den Pkw geschossen hatte, verständigten sie die Polizei.
58d) Im weiteren Verlauf des Abends versuchte der Angeklagte, den Nebenkläger auf seinem Mobiltelefon anzurufen, was ihm jedoch nicht gelang. Er erreichte jedoch den Sohn des Nebenklägers R O um 22:43 Uhr telefonisch und erfuhr so, dass die Ehefrau des Nebenklägers im Polizeipräsidium H als Zeugin vernommen werden sollte und der R O sie hierbei begleitete. In der Hoffnung, Weiteres von R O zu erfahren, und zu überlegen, was er nun tun solle, hielt sich der Angeklagte in den folgenden Stunden bis etwa 4 Uhr morgens in der Nähe des Polizeipräsidiums H am NN-Ufer auf. Es kam auch zu weiteren kurzen telefonischen Kontakten mit dem R O, die den Angeklagten aber nicht weiterbrachten. Er zerlegte schließlich die Pistole in seine Einzelteile und warf sie in den NN.
59e) Am Abend des 02.08.2022 nahm der Angeklagte abermals Kontakt zum Zeugen R O auf. Der Nebenkläger war immer noch im Krankenhaus und dessen ältester Sohn V O befand sich – wie der Angeklagte wusste – in JJ, um ein Auto zu verkaufen. Der Angeklagte forderte deshalb von R O, dem zweitältesten Sohn des Nebenklägers, „sein Geld“. Zu diesem Zweck war er gegen 18:30 Uhr nach A zur Wohnanschrift der Freundin des R O gefahren. Er rief ihn um 18:43 Uhr an und forderte ihn auf, rauszukommen und mit ihm zu reden. Dieser Aufforderung kam R O indes nicht nach. Der Forderung nach Geld entgegnete er, dass er nicht wisse, woher er dieses nehmen solle. Der Angeklagte war wütend über den Umstand, dass er den Nebenkläger nicht erreichte, nunmehr Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden aufgrund der Geschehnisse des Vortages drohte und noch nicht einmal mehr der R O mit ihm sprechen wollte. Er erschien deshalb gegen 21:30 Uhr an dem Wohnhaus der Familie O in P und klingelte. S O öffnete ihm die Tür und holte auf Wunsch des Angeklagten seine Mutter Q O, zudem war U O zugegen. T O nahm – als sie den Angeklagten an der Haustür sah – vorsorglich das Mobiltelefon der Mutter an sich, um bei Bedarf Hilfe rufen zu können, und ging ins obere Stockwerk. Auf Frage der Q O, was er wolle, forderte der Angeklagte 35.000 Euro, obwohl er, wie ihm bewusst war, keinen Anspruch in dieser Höhe gegen den Nebenkläger hatte. Sollte Q O nicht bis Mitternacht zahlen, würde er 100.000 Euro verlangen und seine Freunde vorbeischicken. Er fügte sinngemäß hinzu, dass die Familie dann auch nicht beleidigt sein dürfe, wenn es dazu kommen müsse. Hierbei machte sich der Angeklagte bewusst zunutze, dass Q O und ihre Kinder von den Geschehnissen des Vorabends eingeschüchtert waren. Er verließ die Familie und erhielt entgegen seiner Erwartung weder in der Nacht noch zu einem späteren Zeitpunkt Geld von den Angehörigen des Nebenklägers.
603.
61Nachtatgeschehen
62a) Die Familie des Nebenklägers unterrichtete am folgenden Tag, dem 03.08.2022, den sich noch im Krankenhaus befindlichen Nebenkläger von den Geschehnissen, der nunmehr in Sorge um seine Familie die bereits in der Nacht des 01.08.2022 eingerichtete Mordkommission kontaktierte und erklärte, dass der Angeklagte auf ihn geschossen hatte und nunmehr seine Familie bedrohe. Zuvor hatte er gegenüber den Ermittlungsbeamten noch angegeben, von einem Unbekannten auf dem Feldweg in P bei einem Spaziergang niedergeschossen worden zu sein.
63b) Der Angeklagte wurde am Morgen des 04.08.2022 gegen 5 Uhr mithilfe eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei in der Wohnung seiner Schwester, der Mutter des K J, in H vorläufig festgenommen. In der Zeit zwischen 10:30 Uhr und 11:50 Uhr desselben Tages wurde er von Kriminalhauptkommissar (KHK) KK und KHK LL polizeilich vernommen, bevor ihm am 05.08.2022 der Haftbefehl in dieser Sache verkündet wurde.
64c) Am 05.08.2022 meldete sich Q O bei den Ermittlungsbehörden und gab an, dass U O das Mobiltelefon des Nebenklägers am Tatort an sich genommen habe. Es wurde sodann der Mordkommission übergeben.
65d) Der Nebenkläger erlitt vier Schussverletzungen. Die beiden Durchschüsse knapp oberhalb und knapp unterhalb des linken Knies trafen den zu diesem Zeitpunkt aufrecht stehenden Nebenkläger in einem Winkel von etwa 20 bis 30 Grad und führten zu einem Bruch des knienahen Oberschenkels und einem Bruch des knienahen Schienbeins. Ein weiterer Durchschuss fand sich im rechten Bein knapp oberhalb des linken Knies nahezu waagerecht zur Kniekehle. Der Durchschuss im rechten Unterarm knapp oberhalb des Handgelenks führte zu einem Bruch der Speiche. Größere Blutgefäße wurden nicht verletzt. Der Nebenkläger konnte noch in der Nacht vom 01.08. auf den 02.08.2022, ohne dass Bluttransfusionen nötig wurden, im Universitätsklinikum H operiert werden und wurde bis zum 17.08.2022 stationär behandelt. Er war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nach wie vor arbeitsunfähig. Wenngleich der Heilungsprozess seiner Wunden gut verläuft, kann er das linke Bein noch nicht wieder so belasten, wie es ihm vor dem Vorfall möglich war.
66e) Die geschädigten Zeugen DD und EE standen in der Hauptverhandlung ersichtlich noch unter dem Eindruck der Geschehnisse vom 01.08.2022. Die Zeugin EE, die erst kurze Zeit vor der Tat ihre Fahrerlaubnisprüfung erfolgreich bestanden hatte, konnte sich noch nicht überwinden, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Der Zeuge DD, der regelmäßig auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle den Ort des damaligen Geschehens passiert, wird immer wieder hieran erinnert, wobei es ihm jeden Monat leichter fällt, die Strecke zu fahren.
67C.
68Beweiswürdigung
69I.
70Einlassung
711. Der Angeklagte hat sich in seiner polizeilichen – audiovisuell aufgezeichneten - Vernehmung wie folgt eingelassen:
72Die Situation zwischen ihm und dem Nebenkläger sei Weihnachten 2021 eskaliert. U O hätte ihn mitten in der Nacht über WhatsApp mit den Worten kontaktiert „N, komm bitte schnell. Vater schlägt V.“ Hierauf habe K J ihn zur Unterkunft der Familie O gefahren, wo sie Zeugen geworden seien, dass der Nebenkläger seine Tochter ins Gesicht getreten und seinen Sohn V geschlagen hätte. Deshalb hätte er dem Nebenkläger die Zähne ausgeschlagen. Dieser wiederum hätte dann angekündigt, dass er dem Neffen des Angeklagten die Kniescheiben kaputtschießen würde. Seitdem seien fast acht Monate vergangen. Nunmehr wolle er nichts mehr mit dem Nebenkläger zu tun haben, nur noch sein Geld. Nachdem der Nebenkläger zunächst gesagt hätte, er würde schauen, wie viel die Zahnbehandlung koste und ihm das von seinem Geld abziehen, behaupte dieser nun, ihm nichts mehr zu schulden, obwohl er zwischenzeitlich seine Zähne habe machen lassen.
73Er sei der Meinung, dass ihm jedenfalls 3.500 € für seine (Schwarz-) Arbeit in der Werkstatt des Nebenklägers zustünden. Am Tattag habe man die Sache klären wollen. Er sei deshalb mit dem PKW Y nach P gefahren, um sich mit dem Nebenkläger an der Stelle zu treffen, an der dieser immer mit seinem Hund spazieren gehe. Er habe dem Nebenkläger noch gesagt, dass er ohne seinen Hund kommen solle, weil er nicht abgelenkt werden wollte. Aber als er ankam, habe er in einiger Entfernung zwei Männer gesehen. Als er auf dem Feldweg auf den Nebenkläger getroffen sei, habe dieser gesessen. Als der Nebenkläger aufgestanden sei, habe der Angeklagte eine Waffe in dessen rechter Hand gesehen. Genau könne er diese nicht mehr beschreiben, sie sei nicht sehr groß gewesen. Der Nebenkläger habe nicht auf den Angeklagten gezielt, nur einmal gezuckt als der Angeklagte ihn beleidigt hätte. Dann habe er – der Angeklagte – sich verteidigt, die Waffe aus der Hose genommen und durchgeladen, bevor er aus einer Distanz von fünf bis acht Metern dreimal oder viermal abgedrückt habe. Er habe nicht genau gesehen, wo er den Nebenkläger getroffen habe. Er habe auch nicht genau gezielt, als er auf den Nebenkläger geschossen habe, habe ihn aber auf keinen Fall töten wollen und deshalb nicht auf den Oberkörper geschossen. Der Nebenkläger sei zu Boden gegangen und habe geblutet, ohne dass er genau beschreiben könne wo. Er habe aber nach seinem Handy gegriffen und den Angeklagten gefilmt, worauf hin er weggelaufen sei. Der Angeklagte wollte gegenüber den Polizeibeamten nicht angeben, woher er die Waffe hatte. Er habe sie mitgenommen, weil er dem Nebenkläger nicht vertraute. Er selbst habe nur sein Geld gewollt. Aber mit jemandem, der Frau und Kinder schlägt, könne man sich nicht unter Männern aussprechen.
74Der Angeklagte hat weiter eingeräumt, im weiteren Verlauf des Abends auf ein Auto geschossen zu haben. Als er einen Umweg durch H am GG-Markt vorbei in Richtung Autobahn genommen habe, sei der vor ihm fahrende Pkw 30 km/h an einer Stelle gefahren, an der eine Geschwindigkeit von 70 km/h erlaubt sei. Hierüber habe er sich geärgert und gehupt sowie den Fahrzeugführer durch Lichthupe auf sich aufmerksam gemacht, woraufhin dieser ihm den Mittelfinger gezeigt habe. Als der Angeklagte ihn daraufhin gefragt habe, ob er Ärger wolle, habe der Fahrer ihm entgegnet, er solle anhalten. Hierauf habe er mit der gleichen Waffe wie zuvor auf dem Feld in P vom Fahrersitz aus über den Beifahrersitz des von ihm gesteuerten Pkw Y hinweg in Richtung Motorhaube des anderen Pkw geschossen.
75Am nächsten Tag habe er von der Familie des Nebenklägers 35.000 € gefordert. Auf den Vorhalt der Vernehmungsbeamten, dass der Nebenkläger ihm doch mutmaßlich nur 3.500 Euro schulde, erklärte der Angeklagte, dass er die Anwaltskosten für das hiesige Verfahren schon mit eingerechnet habe, da er davon ausgegangen sei, dass der Nebenkläger die Polizei informiere.
762. Der Angeklagte hat sich zu Beginn der Hauptverhandlung über seinen Verteidiger wie folgt zur Sache eingelassen:
77Er habe den Nebenkläger Ende 2015 in der JVA A kennengelernt und sei mit ihm seitdem befreundet gewesen. Nach einem gemeinsamen PP-Urlaub von ihm, dem Nebenkläger sowie K J im Sommer 2021 kurz nachdem das von der Familie O bewohnte Haus durch die Flutkatastrophe stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, hätte die Frau des Nebenklägers diesen „rausgeworfen“. Der Nebenkläger habe im stark alkoholisierten Zustand ihm gegenüber erklärt, dass er sich das Leben nehmen wolle, und ihm in diesem Zusammenhang eine Pistole gezeigt. Er habe dem Nebenkläger sodann die Waffe abgenommen, um Schlimmes zu verhindern. Hierbei handele es sich um die Tatwaffe.
78Bereits vor der Flutkatastrophe habe er in der Werkstatt des Nebenklägers gearbeitet. Danach habe er zudem über drei Monate lang täglich gemeinsam mit dem Nebenkläger dessen Haus zu je 17 € pro Stunde renoviert. Zudem habe er 15 Prozent Provision der Nettosumme einer Reparaturrechnung erhalten, wenn er Bekannte vermittelt hätte, die ihren verunfallten Pkw beim Nebenkläger reparieren ließen. Insgesamt habe er im Dezember 2021 eine Forderung von mindestens 35.000 Euro gegen den Nebenkläger gehabt, der das Geld für ihn aufbewahren sollte, da er selbst nicht mit Geld umgehen könne.
79Weihnachten 2021 sei es zum Zerwürfnis mit dem Nebenkläger gekommen. In der Nacht vom 23.12. auf den 24.12.2021 sei er mit K J und dem V O sowie dessen Cousin unterwegs gewesen, als V O telefonisch von häuslichen Streitigkeiten zwischen seinen Eltern erfahren und ihn gebeten habe, beschwichtigend auf seinen Vater einzuwirken. Er habe sich deshalb gemeinsam mit V O und dessen Cousin von seinem Neffen zur Werkstatt des Nebenklägers bringen lassen, wo er verbal auf den Nebenkläger eingewirkt habe, Abstand zu halten, bevor er wieder gefahren sei. Später in der Nacht habe ihn der U O per WhatsApp kontaktiert und um Hilfe gebeten, da der Nebenkläger wieder zuschlagen würde. In einem sich anschließenden Telefonat habe er U O gebeten, die Haustür offen zu lassen. Danach habe K J ihn zur Unterkunft der Familie O in W gefahren und sei gemeinsam mit ihm in das Haus gegangen. Als er gesehen habe, wie der stark alkoholisierte Nebenkläger seine Tochter getreten und seinen Sohn geschlagen hätte, habe er seinen Neffen aufgefordert, dem Nebenkläger „eine zu ballern“, woraufhin K J dem Nebenkläger eine Ohrfeige gegeben habe. Der Nebenkläger, der dies als Demütigung empfunden hätte, habe die Auseinandersetzung vor der Tür fortsetzen wollen. Der Aufforderung sei K J nachgekommen und er selbst sei aus dem Weg gegangen. Der Nebenkläger habe hier weitere Schläge kassiert, worauf hin er wütend geschrien habe, dass er K J ins Knie schießen werde. Als er dies gehört habe, seien bei ihm selbst sämtliche Sicherungen durchgebrannt und er habe dem Nebenkläger mehrfach mit voller Kraft ins Gesicht geschlagen, wobei dieser mindestens einen Zahn verloren habe. Er habe dem Nebenkläger dann zugerufen, er solle ausrechnen, wieviel ihm noch zustünde, danach würden sie getrennte Wege gehen. In den folgenden Tagen habe der Nebenkläger ihm telefonisch erklärt, dass er gerade erst seine Zähne habe „neu machen lassen“, das hätte 17.000 € gekostet, die er plus Schmerzensgeld abziehen würde ebenso wie 5.400 € für die Waffe, die er, der Angeklagte, ihm noch nicht zurückgegeben hätte. Deshalb habe er gar nichts mehr bekommen sollen, was ihn wiederum so erbost habe, dass er zum Nebenkläger gesagt hätte, er solle sich sein Geld „in seinen Arsch schieben“.
80Im Juli 2022 habe ihn V O gewarnt, sein Vater hätte Bekannte aus Köln, die er aus der JVA kennen würde, beauftragt, die Drohungen gegen seinen Neffen wahrzumachen. Dies habe er ernst genommen. Es sei ihm gelungen, die Bekannten des Nebenklägers zu kontaktieren und sie zu überzeugen sich herauszuhalten. Er habe zudem den Nebenkläger kontaktiert, um ihn vor weiteren Aktionen gegen sich oder seine Familie zu warnen und um sein Geld zu bekommen. Der Nebenkläger habe aber darauf beharrt, dass er ihm nichts schulde, weshalb der Angeklagte auf ein Treffen gedrängt hätte. Telefonisch habe man sich für den 01.08.2022 um 20:00 Uhr auf dem Feld in der Nähe der Wohnung des Nebenklägers verabredet. Er habe diesem gesagt, er solle nackt kommen, das hieße allein und unbewaffnet. Er selbst habe sich von K J nach P bringen lassen. Die Waffe habe er mitgenommen, um sie dem Nebenkläger zurückzugeben, wenn sie sich geeinigt hätten, das Magazin habe er später in dessen Briefkasten werfen wollen.
81Er sei dann zu dem Feldweg gegangen und habe sich umgeschaut. An der Gabelung zweier Feldwege habe er einen Lieferwagen mit zwei Männern und einem Hund gesehen. Er sei davon ausgegangen, dass es sich insoweit um Begleiter des Nebenklägers handeln würde, weshalb er die Pistole gezogen, das Magazin eingeführt, diese entsichert und in den Hosenbund gesteckt habe. Der Nebenkläger habe an der verabredeten Stelle gehockt. Als er sich diesem genähert hätte, habe er erkannt, dass der Nebenkläger etwas in der rechten Hand gehalten und hinter seinem Bein verborgen hätte, weshalb er die von ihm mitgeführte Waffe gezogen und durchgeladen habe. Als er sich dem Nebenkläger bis auf acht oder zehn Meter genähert habe, sei dieser aufgestanden und er habe die Pistole in der rechten Hand seines Gegenübers erkannt. In der Annahme, nicht mehr fliehen zu können, und um keine Schwäche zu zeigen, sei er nun auf den Nebenkläger zugegangen und habe die Waffe gehoben, was der Nebenkläger ihm gleich getan habe. Dessen Waffe sei klein sowie silberfarben oder verchromt gewesen. Der Angeklagte sei davon ausgegangen, schneller sein zu müssen als der andere, dem er noch vorgehalten habe, nicht allein gekommen zu sein. Er habe sodann zweimal auf das rechte Bein und einmal auf das linke Bein geschossen, bevor der Nebenkläger hingefallen sei. Da dieser die Waffe immer noch in der rechten Hand gehalten habe, hätte er weitere ein- oder zweimal in Richtung der Hand geschossen, die sich neben dem Körper befunden habe. Er habe dann in Panik die Flucht angetreten. Als er sich nach wenigen Schritten noch einmal umgedreht hätte, habe er gesehen, dass der Nebenkläger mit seinem Mobiltelefon ein Video drehte. Er habe ihm deshalb gedroht für den Fall, dass er dieses der Polizei zeigen würde. Dann sei er zum nächstgelegenen Bahnhof P gelaufen, wo er in ein Taxi gestiegen sei, dass ihn nach H zu seinem Neffen gefahren habe.
82Dort sei er aber nicht zur Ruhe gekommen und deshalb in den Pkw V gestiegen. Auf dem BB-Straße hätte ihm dann ein Pkw CC die Vorfahrt genommen und sei im Anschluss betont langsam gefahren. Irgendwann habe er wütend und frustriert den vorausfahrenden Pkw überholt, wobei er sich von Mimik und Gestik des Fahrers weiter provoziert gefühlt hätte. Als er auf einer Linksabbiegerspur angehalten habe, sei der Pkw CC neben ihn gefahren, woraufhin der Angeklagte die Pistole gezogen und in Richtung Kotflügel geschossen habe.
83Hiernach sei er weiter ziellos umhergefahren, bevor er sich am NN in der Nähe des Polizeipräsidiums aufgehalten habe. Er habe wiederholt telefonischen Kontakt zu R O gehabt, weshalb er gewusst habe, dass die Polizei bereits Familienmitglieder des Nebenklägers verhöre. Er habe indes nicht erfahren, ob er bereits „verpfiffen“ worden sei. Schließlich habe er die Waffe in den NN geworfen.
84Am nächsten Tag habe er vergeblich versucht, V O telefonisch zu erreichen. Nachdem dies fehlgeschlagen sei, habe er sich telefonisch mit R O in A verabredet, doch sei dieser nicht zu dem Treffen erschienen. Schließlich habe er versucht U O anzurufen, der nicht abgenommen habe. Wütend darüber, dass keiner der Söhne des Nebenklägers mit ihm habe sprechen wollen, sei er dann zum Haus der Familie O gefahren. Gegenüber Q O habe er dann erklärt, dass er sein Geld wolle. Nachdem diese ihm entgegnet hätte, sie wisse nichts von Geld und habe auch keines, hätte er ihr erklärt, dass der Nebenkläger in seiner Werkstatt Geld bunkere und mindestens 35.000 Euro ihm gehören würden. Er habe Q O sodann erklärt, dass er nicht locker lassen würde, bis er sein Geld habe. Da er verschwinden wollen würde, müsste er aber Dritte beauftragen, sein Geld bei der Familie O abzuholen, was wiederum Geld kosten würde. Er habe indes nicht von 100.000 Euro gesprochen oder damit gedroht, dass die Freunde Gewalt anwenden würden.
85II.
86Zur Person
87Die getroffenen Feststellungen zur Person beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie den Feststellungen des Urteils der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 19.02.2014 (22 KLs 26/13), welche die Kammer im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt hat.
88Die Feststellungen der strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten als auch zu dem verhängten Waffenverbot stützt die Kammer auf den in der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 12.01.2023 sowie den in der Hauptverhandlung verlesenen beziehungsweise im Selbstleseverfahren eingeführten Feststellungen früherer Verurteilungen des Angeklagten.
89III.
90Zur Sache
911. Vorgeschichte
92Die Feststellungen zur Vorgeschichte beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, den Aussagen der vernommenen Zeugen, dem Inhalt der verlesenen Urkunden und den in Augenschein genommenen Lichtbildern.
93Insbesondere:
94a) Der Angeklagte und der Nebenkläger haben übereinstimmend berichtet, dass sie sich 2015 in der JVA A kennenlernten und seitdem freundschaftlich verbunden waren, bis es Weihnachten 2021 zum Zerwürfnis gekommen sei. Beide haben übereinstimmen erklärt, dass es in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 2021 familiäre Streitigkeiten zwischen dem Nebenkläger und seiner Ehefrau und Kindern gab, in die sich der Angeklagte und sein Neffe einmischten. Die genauen Umstände der Auseinandersetzung stützt die Kammer soweit sie von den Bekundungen des Nebenklägers und der Zeugen Q, U und T O abweichen, auf die insoweit konstante und detaillierte Schilderung des Angeklagten. Dieser hat sowohl in der audiovisuellen Vernehmung bei der Polizei als auch in der Einlassung vor der Kammer und auf Nachfragen derselben einen in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverhalt detailliert geschildert. Nachdem U O ihn per WhatsApp kontaktiert habe, sei er nach telefonischer Rücksprache mit diesem gemeinsam mit K J zur Familie O gefahren. Nachdem K J den ersten Schlag geführt hätte, habe sich die Schlägerei zunächst zwischen diesem und dem Nebenkläger entsponnen. Nachdem der Nebenkläger seinem Neffen aber gedroht hätte, ihm ins Knie zu schießen, habe er den Nebenkläger so heftig mit der Faust ins Gesicht geschlagen, dass dieser mindestens einen Zahn verloren hätte. Der Nebenkläger hat die körperliche Auseinandersetzung mit K J und dem Angeklagten im Wesentlichen gleichlautend geschildert, wenngleich er nicht mehr sagen konnte, ob seine Zahnbrücke aufgrund eines vom Angeklagten oder von dessen Neffen geführten Schlages zerbrochen ist. Er hat auch eingeräumt, dem K J gedroht zu haben, ihm ins Knie zu schießen. Die Behauptung des Nebenklägers, seine Ehefrau und Kinder zu keinem Zeitpunkt tätlich angegriffen zu haben, es hätte sich lediglich um verbale Streitigkeiten gehandelt, ist indes nicht glaubhaft, sondern als Schutzbehauptung aus Angst vor Strafverfolgung zu werten. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, warum sich der Angeklagte und sein Neffe in eine lediglich verbale familiäre Auseinandersetzung mit Faustschlägen einmischen sollten. Dem steht auch nicht entgegen, dass sowohl die Ehefrau des Nebenklägers, die Zeugin Q O, als auch deren Kinder, die Zeugen U und T Misshandlungen durch den Nebenkläger abgestritten haben, um ihren Ehemann und Vater zu schützen. Denn dass der Angeklagte insoweit die Wahrheit gesagt hat, ergibt sich jedenfalls aus dem Auswertebericht des Mobiltelefons des Angeklagten vom 08.08.2022, den die Kammer im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Hiernach schrieb U O dem Angeklagten am 24.12.2021 um 3:26 Uhr per WhatsApp: „Vater schlägt V. Komm bitte N.“ Auf Vorhalt konnte der Zeuge U O auch nicht erklären, warum er dies geschrieben haben soll, wenn der Nebenkläger nicht, wie vom Angeklagten dargestellt, Familienmitglieder tätlich angegriffen hatte.
95b) Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagte und der Nebenkläger nicht nur freundschaftlich, sondern auch geschäftlich miteinander verbunden gewesen sind, ergibt sich dies ebenfalls aus den Bekundungen des Angeklagten. Er hat sowohl in seiner audiovisuellen Vernehmung als auch in der Hauptverhandlung bekundet, dass er – nachdem der Nebenkläger seinen Neffen bedroht hatte – keine Geschäfte mehr mit diesem machen wollte und den Nebenkläger zu diesem Zweck aufforderte, auszurechnen was ihm zustünde und ihm „sein Geld“ zu geben. Der Nebenkläger hat in der Hauptverhandlung zwar abgestritten, dass der Angeklagte für ihn gearbeitet habe. Jedoch räumte er ein, dass er dem Angeklagten bei einer Gelegenheit eine Provision für einen vermittelten Auftrag gezahlt hat. Aus der im Selbstleseverfahren eingeführten WhatsApp Kommunikation vom Tattag zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger ergibt sich zudem, dass der Nebenkläger „Grünzeug verticken“ wollte und dem Angeklagten ein Teil am Gewinn zugestanden hätte, der Nebenkläger diesen jedoch als Schadensersatz einzubehalten beabsichtigte, weil der Angeklagte ein Gerät fallen gelassen hätte.
962.
97Tatgeschehen am Abend des 01.08.2022
98Die Feststellungen zum Tattag vom 01.08.2022 beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, den Aussagen der vernommenen Zeugen, dem Inhalt der verlesenen Urkunden, den in Augenschein genommenen Lichtbildern sowie den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen.
99Insbesondere:
100a) Die Feststellungen zum unmittelbaren Tatgeschehen auf dem Feldweg in P stützt die Kammer vollumfänglich auf die glaubhaften und belastbaren Bekundungen des in der Hauptverhandlung vernommenen Nebenklägers, dessen Angaben insbesondere mit der Darstellung des unabhängigen Tatzeugen AA und den Ausführungen der Sachverständigen Dr. MM, Oberärztin im Rechtsmedizinischen Institut der Universität H, vereinbar sind.
101(1) Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass die Schilderungen des Nebenklägers in der Hauptverhandlung insoweit erlebnisbasiert sind. Er hat den äußeren Geschehensablauf detailliert und in Bezug zur Vernehmung durch KHK KK und KHK LL im Ermittlungsverfahren konstant wiedergegeben. So bekundete er, dass ihn die ersten Schüsse ins linke Knie getroffen hätten, woraufhin er zu Boden gegangen sei. Als der Angeklagte dann auf ihn zugekommen sei, habe er sich schützend zusammengerollt und sodann noch ein Projektil am rechten Knie und eines an der rechten Hand abbekommen.
102(2) Dies passt zu den Bekundungen des Zeugen AA, der an dem Tag mit seinem Hund auf dem Feldweg zwischen den Ortschaften P und Z in P1 spazieren ging. Er hat angegeben, er habe zunächst in einer Entfernung von etwa 200 Metern einen Mann in der Hocke an einer Wegkreuzung gesehen, der dann aufgestanden und ein paar Schritte weiter gegangen sei, als ein zweiter Mann wild gestikulierend aus dem Maisfeld auf ihn zugekommen sei. Dann habe er, der Zeuge, der zwischenzeitlich den Blick auf seinen Hund gerichtet hatte, drei Schüsse gehört. Als er wieder auf die zwei Männer geschaut habe, habe er gesehen, wie der Mann, der vor ihm auf dem Feldweg gegangen sei, in sich zusammensackte. Er habe sich deshalb umgedreht, um zu seinem Auto zurückzukehren und die Polizei zu rufen, als weitere zwei Schüsse gefallen seien.
103(3) Soweit der Nebenkläger bekundet hat, er hätte kurz vor dem Treffen mit dem Angeklagten dessen Neffen K J in einem Pkw Cabrio auf der nahen Bundesstraße gesehen, wird dies durch die in Augenschein genommenen Screenshots der Überwachungskamera der Tankstelle in P vom 01.08.2022 gestützt. Ausweislich dessen hat K J dort vergeblich versucht um 20:09 Uhr zu tanken. Der Angeklagte hat in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung auch eingeräumt, dass ihn K J zum Tatort gefahren hat.
104(4) Die Angaben des Nebenklägers werden auch durch die Ausführungen der Sachverständigen Dr. MM gestützt. Diese hat in ihrem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten anhand der am 02.08.2022 gefertigten Fotografien von den Wunden des Nebenklägers nach der operativen Versorgung anschaulich dargelegt, dass zwei Durchschussverletzungen am linken Bein – knapp oberhalb und knapp unterhalb des Knies – jeweils in einem Winkel von 20 bis 30 Grad bezogen auf eine stehende Person festgestellt werden konnten. Dies passt zur Darstellung des Nebenklägers, dass er gestanden habe, als ihn die ersten Schüsse trafen. Die Sachverständige führte weiter anhand des dokumentierten Verletzungsbildes aus, dass der Durchschuss am rechten Bein horizontal zum Knie erfolgt sei, was sich zwanglos damit vereinbaren lässt, dass der Nebenkläger entsprechend seinen Angaben bei dieser Schussabgabe bereits am Boden gelegen hat. Die Kammer schließt sich den detaillierten und nachvollziehbaren Angaben der als besonders erfahrenen bekannten Sachverständigen nach eigener Würdigung an.
105(5) Hingegen ist die Einlassung des Angeklagten zum unmittelbaren Tatgeschehen auf dem Feldweg in P, soweit sie den Angaben des Nebenklägers widerspricht, widerlegt. Die Angabe des Angeklagten, der Nebenkläger habe am Tatort eine Waffe in der rechten Hand gehalten, ist eine bloße Schutzbehauptung.
106(a) Es gibt keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Nebenkläger ebenfalls bewaffnet gewesen ist, als er sich mit dem Angeklagten auf dem Feldweg getroffen hat. Insbesondere hat er – auch nach der Einlassung des Angeklagten – keinen Schuss aus der angeblich mitgeführten Waffe abgegeben. Unterstellt man, der Nebenkläger habe zu dem Treffen eine Schusswaffe mitgebracht, um sich gegen eventuelle Angriffe des Angeklagten zu verteidigen, ist es nicht nachvollziehbar, dass er nicht selbst einen Schuss aus der Waffe auf oder in Richtung des auf ihn schießenden Angeklagten abgeben hat. Hierzu hätte aber die Gelegenheit bestanden, wenn der Nebenkläger wie vom Angeklagten behauptet, die Waffe nachdem er durch die ersten Schüsse des Angeklagten verletzt zu Boden gegangen war, noch in der rechten Hand gehalten hätte. Gemäß der Ausführungen der Sachverständigen Dr. MM hätte hierzu auch noch Gelegenheit bestanden, als der Nebenkläger zwei weitere Male in Bein und Arm getroffen worden war. Denn die Verletzung der Speiche habe weder Motorik noch Sensorik des rechten Unterarms beeinträchtigt.
107(b) Gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten spricht zudem, dass die Angaben des Angeklagten im Laufe des Verfahrens nicht konstant waren. So hat der Angeklagte die angebliche Waffe des Nebenklägers in seiner Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei nicht näher beschreiben können. Auf Nachfrage des Vernehmungsbeamten nach Einzelheiten der Waffe wie etwa der Farbe erklärte der Angeklagte lediglich „Kein großes Ding“. In seiner Einlassung zu Beginn der Hauptverhandlung konnte er sie indes als silber- oder chromfarben beschreiben. Gerade die nun geschilderte glänzende Farbe, welche die Waffe deutlicher erkennbar machen würde, war dem Angeklagten bei der zeitnahen Beschuldigtenvernehmung nicht aufgefallen. Während der Angeklagte in seiner Beschuldigtenvernehmung nicht genau darzulegen vermochte, wohin er gezielt habe, als er auf den Nebenkläger geschossen hat, war seine Einlassung in der Hauptverhandlung insoweit sehr detailliert. So gab er hier an, zunächst zweimal auf das rechte Bein und sodann auf das linke Bein geschossen zu haben, bevor der Nebenkläger hingefallen sei. Als dieser am Boden gelegen habe, hätte er auf die rechte Hand gezielt, in der sich noch immer die Waffe befunden habe. Auf die Nachfrage der Kammer in der Hauptverhandlung, warum er zunächst auf die Beine und nicht unmittelbar auf die Hand mit der Waffe gezielt habe, von der ihm doch die größte Gefahr drohte, änderte der Angeklagte seine Einlassung, indem er nunmehr angab, ausschließlich und immer auf die Waffe gezielt zu haben. Der Nebenkläger hätte sich zunächst in der Hocke befunden, die Hände vor den Knien, in der einen Hand die Waffe. Als der Nebenkläger im Begriff gewesen sei aufzustehen, habe er auf die Waffe gezielt und deshalb die Beine getroffen.
108(c) Gegen die Behauptung, der Nebenkläger habe sich in der Hocke befunden, als der Nebenkläger auf ihn getroffen sei, sprechen jedoch die Angaben des unabhängigen Tatzeugen AA. Dieser hat bekundet, dass der Nebenkläger den Feldweg entlang gegangen sei und mithin stand, als der Angeklagte ihm wild gestikulierend aus dem Maisfeld entgegenkam. Aber auch der zunächst eingangs der Hauptverhandlung geschilderte Tatablauf lässt sich mit den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. MM nicht vereinbaren. Denn wenn der Angeklagte, wie von ihm zunächst behauptet, auch auf das rechte Bein des Nebenklägers geschossen hat, als dieser vor ihm stand, dürfte der Nebenkläger keinen horizontalen Durchschuss erlitten haben. Denn dann müsste der Angeklagte seinerseits in der Hocke gewesen sein, als er den Schuss abgab. Dieses behauptet er allerdings selbst nicht.
109(6) Die Kammer verkennt nicht, dass auch der Nebenkläger zunächst gegenüber der Polizei gelogen und von einem unbekannten Schützen gesprochen hat. Doch hat er glaubhaft bekundet, auf diese Weise seine Familie vor Angriffen durch den Angeklagten habe schützen zu wollen, der noch am Tatort eine entsprechende Drohung ausgesprochen habe. Diese Angaben des Nebenklägers sind auch nachvollziehbar. Denn obwohl der Nebenkläger seinen Angreifer gegenüber den Behörden nicht preisgegeben hatte, suchte der Angeklagte am nächsten Tag dessen Familie zuhause auf. Erst unter dem Eindruck dieses Geschehens entschied der zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus liegende Nebenkläger, der erkannte seine Familie durch Schweigen nicht schützen zu können, den Angeklagten gegenüber der Polizei als Täter zu benennen.
110(7) Der Belastbarkeit der Bekundungen des Nebenklägers zum Tatablauf steht auch nicht entgegen, dass er hinsichtlich der Vorgeschichte zur Überzeugung der Kammer insoweit falsche Angaben gemacht hat, als dass er jegliche Tätlichkeit gegenüber einem anderen Familienmitglied Weihnachten 2021 als auch eine geschäftliche Verbindung zum Angeklagten abgestritten hat. Denn der Nebenkläger wollte sich hierdurch offenkundig vor einer Strafverfolgung wegen Körperverletzungsdelikten bzw. Vermögens- und Steuerstraftatbeständen schützen.
111(8) Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Nebenkläger den Angeklagten mehr als gerechtfertigt belastete, um sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen, etwa indem er eine von ihm am Tatort geführte Waffe nicht erwähnte.
112(a) Denn zum einen war es der Angeklagte, der auf das Treffen auf dem Feldweg gedrängt hatte, um die Frage zu klären, wieviel Geld ihm der Nebenkläger noch schulde. Die im Selbstleseverfahren eingeführte WhatsApp Kommunikation vom Tattag dokumentiert, dass der Angeklagte Geld vom Nebenkläger verlangte, ohne dies der Höhe nach zu beziffern. Der Nebenkläger aber wies eine bestehende Geldschuld zurück.
113(b) Zum anderen war es auch nicht der Nebenkläger, der vom Angeklagten am 24.12.2021 bedroht worden war, so dass er sich bei einem Zusammentreffen hätte schützen müssen. Vielmehr hatte der Nebenkläger dem Neffen des Angeklagten gedroht, „diesem ins Knie zu schießen“. Indes wurde weder die Auseinandersetzung Weihnachten 2021 noch diese Drohung in den zwischen Angeklagtem und Nebenkläger ausgetauschten Sprachnachrichten vom Tattag erwähnt. Auch findet sich die Einlassung des Angeklagten, er habe den Nebenkläger vor Aktionen gegen seine Familie warnen wollen, in der WhatsApp Kommunikation nicht wieder. Hiervon war auch in seiner Einlassung bei der Polizei noch keine Rede.
114(c) Ebenso wenig hatte der Angeklagte gegenüber dem Nebenkläger die Waffe erwähnt, von der er nunmehr behauptet, es sei die Waffe des Nebenklägers und er habe sie bei dem Treffen auf dem Feldweg zurückgeben wollen, da der Nebenkläger sie ihm in Rechnung gestellt und ihren Wert von seinem Lohn abgezogen hätte. Diese Einlassung ist für sich genommen bereits schwer nachvollziehbar. Denn der Nebenkläger hatte im Rahmen der ausgetauschten WhatsApp Sprachnachrichten noch erklärt, „Ich weiß ja nicht welcher Meinung du bist. Ich schulde dir jedenfalls überhaupt nichts.“ Es gab daher überhaupt keinen Grund für den Angeklagten anzunehmen, dass der Nebenkläger Geld mit zum Treffpunkt bringen würde, um ihn auszubezahlen. Das Treffen sollte dazu dienen, die Angelegenheit zu klären und mithin bestenfalls auszudiskutieren. Zudem hätte es nahe gelegen, wenn es sich tatsächlich um die Waffe des Nebenklägers handeln würde, dies bereits in der Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei zu erklären. Auf den entsprechenden Vorhalt in der Hauptverhandlung erklärte der Angeklagte, dass er – was zutreffend ist – 2014 bereits wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt wurde und deshalb dachte, wenn er behaupte, die Tatwaffe schon damals besessen zu haben, müssten die Strafverfolgungsbehörden von einem Strafklageverbrauch insoweit ausgehen. Diese Erklärung des Angeklagten aber mag zwar den einzelnen Widerspruch in seinem Einlassungsverhalten auflösen können, nicht aber die Widersprüche hinsichtlich der Schussabfolge oder der Position des Nebenklägers. Die Erklärung zeigt vor allem aber auch, dass der Angeklagte justizerfahren ist und sein Einlassungsverhalten von taktischen Erwägungen geprägt ist. Und das betrifft nicht nur die Tatwaffe, sondern auch die angeblich vom Nebenkläger geführte Waffe, wodurch der Angeklagte eine Verteidigungssituation konstruieren wollte.
115(d) Eine solche hat es indes nicht gegeben. Der Angeklagte war vielmehr „sauer“, dass der Nebenkläger im Dezember 2021 seinen Neffen bedroht hatte und seitdem die noch offenen Forderungen, denen sich der Angeklagte berühmte, nicht beglich. Als er – am Treffpunkt angekommen – einen Pkw am Ende des Feldweges entdeckte, wähnte er, dass der Nebenkläger nicht allein gekommen war, was das Fass für ihn zum Überlaufen brachte und er auf sein Gegenüber schoss. Dass er hierbei seinem Ärger Luft machte und nicht etwa einen bevorstehenden Angriff abwehrte, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass drei von vier Schussverletzungen des Nebenklägers in der Nähe des linken oder rechten Knies gelegen sind, was nur den Schluss zulässt, dass der Angeklagte – die Drohung gegen seinen Neffen im Hinterkopf – auf die Knie des Nebenklägers gezielt hat. Dass sich der vierte Durchschuss oberhalb der rechten Hand befindet, resultiert zur Überzeugung der Kammer daraus, dass sich der am Boden liegende Nebenkläger vor Schmerzen und zum Schutz gekrümmt hat und der Arm frei beweglich ist und in die Schussbahn gekommen ist. Dieser Schluss wird durch die glaubhaften Angaben des Nebenklägers gestützt, der erklärt hat, dass der Angeklagte, als er anfing zu schießen, gerufen habe „Du willst meinem Neffen ins Knie schießen?“.
116b) Die Feststellungen zur Schussabgabe auf das Fahrzeug des Zeugen DD beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, den Aussagen der vernommenen Zeugen, den in Augenschein genommenen Lichtbildern sowie den verlesenen Urkunden.
117Insbesondere:
118(1) Der Angeklagte hat eingeräumt, das Fahrzeug V mit dem amtlichen Kennzeichen §§ – § 000 des K J am 01.08.2022 gegen 20:45 Uhr in H geführt und schließlich aus Ärger über das Fahrverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers absichtlich in Richtung des Kotflügels geschossen zu haben.
119(2) Den genauen Weg, den der Angeklagte und der Zeuge DD hintereinander hergefahren sind und sich wechselseitig überholt haben, stützt die Kammer vollumfänglich auf die detaillierten und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen DD, die sich mit den Angaben seiner Beifahrerin und Ehefrau, der Zeugin EE, decken. Die Schilderung der Zeugen passt zudem zum Auffindeort der Patronenhülse am Straßenrand der II-Straße, wie er sich aus dem Spurensicherungsbericht vom 08.08.2022 ergibt. Hierbei handelt es sich nach dem Gutachten des Landeskriminalamts Düsseldorf vom 12.09.2022 um eine Hülse Kaliber 9 mm Browning kurz. Dies passt vom Munitionstyp zu dem am Tatort in P festgestellten Projektil, bei der es sich ausweislich des Gutachtens des Landeskriminalamts Düsseldorf vom 14.10.2022 um ein Geschoss Kaliber 9 mm Browning kurz handelt. Der Fund einer von der Waffe ausgestoßenen Patronenhülse belegt, unabhängig davon, dass es sich um Pistolenmunition handelt, dass eine halbautomatische Selbstladewaffe und kein Trommelrevolver verwandt wurde.
120(3) Hingegen waren die Angaben des Angeklagten auch insoweit im Verfahren nicht konstant. Der Angeklagte hat in seiner Einlassung zu Beginn der Hauptverhandlung angegeben, der Fahrer des Pkw CC habe ihm auf dem BB-Straße die Vorfahrt genommen und sei dann aus seiner Sicht betont langsam eine ganze Weile vor ihm hergefahren, wodurch er sich provoziert gefühlt habe. Dies deckt sich mit seinen Angaben in der audiovisuellen Vernehmung, in der es ebenfalls darum ging, dass das andere Fahrzeug sehr langsam gefahren sei. Am dritten Hauptverhandlungstag indes erklärte der Angeklagte, der Zeuge DD habe ihm auf der II-Straße die Vorfahrt genommen, worüber er sich so sehr geärgert habe, dass er nach einem Wortgefecht in Richtung des Kotflügels geschossen habe.
121(4) Die Spurensicherung am linken Vorderreifen es CC des Zeugen DD ergab ausweislich des Berichts vom 08.02.2022 einen Defekt, der als Einschussstelle nachvollzogen werden kann und zum Luftverlust geführt hat. Aus dem Schussspurengutachten des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 01.12.2022 ergibt sich schließlich, dass die festgestellten Schmauchspuren am Reifen eine schussbedingte Beschädigung desselben plausibel erscheinen lassen.
122c) Dass der Angeklagte keine Fahrerlaubnis besitzt, hat der Angeklagte eingeräumt und ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Ermittlungsvermerk des KHK KK vom 05.08.2022. Gleiches gilt für das Fehlen einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Zudem ergibt sich wie dargestellt aus dem Bundeszentralregister ein seit dem 17.02.2014 rechtskräftiges Verbot für den Erwerb und Besitz von Waffen und Munition.
1233.
124Tatgeschehen am Abend des 02.08.2022
125Die Feststellungen zum Tatgeschehen am Abend des 02.08.2022 stützt die Kammer auf die Einlassung des Angeklagten, die Aussagen der Zeugen Q, R, S, U und T O sowie das im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführte Anrufprotokoll des Angeklagten vom streitigen Tag.
126Insbesondere:
127a) Den äußeren Geschehensablauf haben der Angeklagte und die Familienmitglieder des Nebenklägers übereinstimmend geschildert. Der Angeklagte sei zunächst in A gewesen, um sich mit R O, dem zweitältesten Sohn der Familie O, zu unterhalten, da der Nebenkläger und dessen ältester Sohn, V O, nicht erreichbar waren. Der telefonischen Bitte des Angeklagten, ihn telefonisch zu treffen, sei R O nicht nachgekommen. Dies passt zum Auswertebericht des Smartphones des Angeklagten, aus dem sich ergibt, dass der Angeklagte R O um 18:43 Uhr telefonisch erreichte, das Gespräch dauerte länger als zwei Minuten. Gegen 21:30 Uhr klingelte der Angeklagte dann bei der Familie O und verlangte von Q O in Gegenwart von U und S O 35.000 Euro bis Mitternacht.
128b) Soweit sich der Angeklagte indes dahingehend eingelassen hat, dass er die Familie des Nebenklägers weder bedroht habe, noch für den Fall des Ausbleibens der Zahlung bis Mitternacht 100.000 Euro gefordert habe, ist dies durch die belastbaren Angaben der Zeugen Q, S und U O widerlegt. Diese haben übereinstimmend angegeben, dass nachdem Q O den Angeklagten gefragt hatte, was er wolle, dieser 35.000 Euro bis Mitternacht verlangt hätte. Wenn er das Geld nicht bis 0 Uhr bekäme, würde sich der Betrag auf 100.000 Euro erhöhen und sie, die Familie des Nebenklägers, dürften nicht beleidigt sein, wenn der Angeklagte dann seine Freunde vorbeischicken würde. T O hat zudem bekundet, dass sie ins Obergeschoss gegangen sei, als sie den Angeklagten an der Haustür erkannte, ihre Mutter und jüngeren Brüder hätten ihr im Nachhinein von der Geldforderung bis Mitternacht erzählt.
129(1) Die Angaben der Zeugen Q, S, U und T O sind glaubhaft. Sie alle haben in der Hauptverhandlung den äußeren Geschehensablauf detailliert wiedergegeben und auch ihr inneres Erleben nachvollziehbar geschildert. So hat die Zeugin Q O berichtet, dass der Angeklagte sauer gewesen sei und die Situation obwohl er nicht sehr laut gesprochen habe, sehr bedrohlich auf sie gewirkt habe. Die Zeugin war sich auf Nachfrage sicher, dass der russisch sprechende Angeklagte zu ihr und den Söhnen gesagt habe, wenn sie der Forderung nicht nachkämen, würde er seine Freunde vorbeischicken und die Zeugin und ihre Familie sollten dann nicht beleidigt sein. Der Zeuge S O gab an, dass er in der Küche gestanden und aus dem Fenster gesehen hätte, als er den Angeklagten vor der Tür gesehen habe. Seiner Erinnerung nach habe der Angeklagte erklärt, dass es ihm für sie alle leidtun würde, wenn sie seine Forderung nicht erfüllen würden. Er habe dies als Drohung gegen die ganze Familie verstanden. Dies gab auch der Zeuge U O in seiner Vernehmung an. Die Zeugin T O hat erinnerungskritisch bekundet, dass sie das Gespräch zwischen dem Angeklagten und ihrer Mutter nicht unmittelbar mitbekommen habe, da sie mit dem Mobiltelefon der Q O ins Obergeschoss gegangen sei, um im Notfall Hilfe rufen zu können. Ihre Brüder hätten ihr aber von der Geldforderung bis Mitternacht erzählt und dass es, wenn sie dieser nicht nachkommen würden, schlecht für sie alle ausgehen würde.
130(a) Der Belastbarkeit der Angaben der Angehörigen des Nebenklägers steht auch nicht entgegen, dass sie alle zunächst gegenüber den Ermittlungsbeamten verneint hatten, den Schützen zu kennen, was die Kammer durch Vorhalte der polizeilichen Vernehmungen in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Die Zeugen gaben übereinstimmend an, dass der Nebenkläger seiner Ehefrau noch am Tatort vor Eintreffen der Polizei gesagt habe, dass der Angeklagte auf ihn geschossen hätte und sie instruiert habe, den Strafverfolgungsbehörden hiervon nichts zu sagen, da der Angeklagte die ganze Familie bedroht hätte. Q O hatte dies nach übereinstimmenden Angaben entsprechend den Zeugen U, R, S und T O weitergegeben. Zudem hatten die Kinder zum Teil telefonischen Kontakt zum Nebenkläger im Krankenhaus, der sie seinerseits angehalten hatte nichts zu sagen. Nachdem der Nebenkläger und seine Familie aber am 02.08.2022 erkennen mussten, dass der Angeklagte – obwohl sie ihn nicht verraten hatten – dennoch mit Ablauf der Frist bis Mitternacht Gewalt zum Nachteil der Familie O androhte, brachen sie ihr Schweigen gegenüber den Ermittlungsbeamten. Der Zeuge U O gab schließlich auch das Mobiltelefon des Nebenklägers heraus, von dem die Kammer ausgeht, dass er es vom Tatort entfernt hat, um die Identität des Schützen zu verbergen. Ob U O oder ein anderes Familienmitglied aus demselben Grund die nach der Schussabgabe aus der Waffe ausgeworfenen Patronenhülsen vom Tatort entfernt hat, konnte die Kammer nicht feststellen.
131(b) Der Belastbarkeit der Angaben der Zeugen Q, U und T O zum Abend des 02.08.2022 steht auch nicht entgegen, dass die Kammer davon ausgeht, dass die Zeugen hinsichtlich der Geschehnisse vom 24. Dezember 2021 die Unwahrheit gesagt haben, indem sie jegliche Tätlichkeit des Nebenklägers zum Nachteil eines Familienmitglieds abstritten. Diese falschen Angaben sollten jedoch zur Überzeugung der Kammer dem Nebenkläger nützen, um ihn vor Strafverfolgung wegen Körperverletzungsdelikten zu schützen. Die Kammer konnte jedoch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die Zeugen den Angeklagten mehr als gerechtfertigt belasten, damit es dem Nebenkläger nützt. Denn es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil der Nebenkläger von der Strafverfolgung des Angeklagten wegen der Geschehnisse am Abend des 02.08.2022 hätte. Vielmehr ist es plausibel, dass die Drohung des Angeklagten, der Familie des Nebenklägers seine Freunde vorbeizuschicken, dazu führte, dass seine Angehörigen, wie in der Hauptverhandlung erklärt, deshalb das Schweigen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden brachen.
132(2) Wenngleich der Angeklagte der Ehefrau des Nebenklägers und deren im Haushalt lebenden Kindern nicht ausdrücklich mit gegenwärtiger Gewalt gedroht hat, sprach er mit der Ankündigung, im Fall der Nichtzahlung bis Mitternacht die Forderung zu vervielfachen und seine Freunde vorbeizuschicken, konkludent eine Drohung mit körperlicher Gewalt gegen Personen aus. Denn indem er nur wenig mehr als 24 Stunden nachdem er den Ehemann der Erklärungsempfängerin angeschossen hatte, dieser eine Geldforderung bis Mitternacht stellte, nutzte er bewusst aus, dass sie - und ihre Kinder - unter dem Eindruck der Geschehnisse vom Vortag standen. Die Ankündigung, anderenfalls eine vielfache Summe zu fordern und seine Freunde vorbeizuschicken, konnte von seinem Gegenüber nur als Drohung mit Gewalt verstanden werden, was dem Angeklagten auch bewusst war.
133c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht ebenfalls zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte keine Forderung i.H.v. 35.000 Euro gegen den Nebenkläger hatte.
134(1) Zum einen hat dies der Nebenkläger in der Hauptverhandlung bestritten. Doch sind die Angaben des Nebenklägers insoweit nicht sehr belastbar, da er offenkundig einsilbig war und – da der Angeklagte behauptet, schwarz für den Nebenkläger gearbeitet zu haben, - auch ein Motiv hat, illegale Geschäfte abzustreiten. Der Nebenkläger hat jedoch auch gegenüber dem Angeklagten in den an diesen versendeten WhatsApp Sprachnachrichten vom 01.08.2022 bestritten, ihm Geld zu schulden. Es würde lediglich einen Anspruch aus gemeinsamen Drogengeschäften geben, der sich aber durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch des Nebenklägers erledigt hätte.
135(2) Zum anderen vermochte der Angeklagte selbst nicht, einen Anspruch in der Höhe von 35.000 Euro schlüssig zu behaupten. Denn auch insoweit ist sein Einlassungsverhalten nicht konstant. In seiner audiovisuellen Vernehmung gab er an, der Nebenkläger schulde ihm 3.500 Euro für regelmäßige Hilfe in der Lackiererei in W. Auf den Vorhalt des Vernehmungsbeamten, dass er aber 35.000 Euro von der Familie O verlangt habe, antwortete er „Was kosten die Anwälte? Hm? (…) Ich weiß, der zinkt mich weg. (…) Der hat einmal auf die Fresse bekommen, ist sofort zur Polizei gelaufen.“ und deutete damit an, dass er mit einem Strafverfahren wegen der Auseinandersetzung auf dem Feldweg gerechnet habe. In seiner Einlassung zu Beginn der Hauptverhandlung gab der Angeklagte hingegen an, dass der Nebenkläger ihm mindestens 35.000 Euro für Arbeiten in der Werkstatt, Provisionen und Arbeiten am Haus des Nebenklägers schulde. Er habe ihm drei Monate lang für je 17 Euro in der Stunde geholfen, sein flutgeschädigtes Haus zu reparieren. Auf den Vorhalt der Kammer, dass der Nebenkläger und Q O in der Hauptverhandlung bekundet hätten, das Haus in P zur Miete zu bewohnen und der Vermieter sich um die Beseitigung der Flutschäden gekümmert habe, entgegnete der Angeklagte wiederum, er habe sich auf Gartenarbeiten bezogen wie die Reparatur des Pavillons und des Schwimmbeckens. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte und der Nebenkläger in der Vergangenheit verschiedene Geschäfte miteinander gemacht haben. So hat der Nebenkläger eingeräumt, dem Angeklagten in einem Fall eine Provision für die Vermittlung eines Kunden gezahlt zu haben, wenngleich er die vom Angeklagten behaupteten 15 % in Zweifel zog. Zudem geht aus der WhatsApp Kommunikation wie dargelegt hervor, dass auch gemeinsame Drogengeschäfte getätigt wurden. Doch lässt das Einlassungsverhalten des Angeklagten nur den Schluss zu, dass es keine konkrete Verabredung mit dem Nebenkläger gab, die dieser nicht erfüllt hat. Vielmehr ist der Angeklagte der Meinung, dass ihm noch Geld für verschiedene Arbeiten und Geschäfte zustünde. Dies wird in der audiovisuellen Vernehmung besonders deutlich. Gegenüber den Vernehmungsbeamten erklärte er, drei Monate lang jeden Tag in der Werkstatt des Nebenklägers tätig gewesen zu sein. Dafür hätte er seiner Meinung nach 3.500 Euro „kriegen müssen“. Dass es sich in Wahrheit um das Zehnfache gehandelt haben soll, ist nicht glaubhaft. Es gab keinen Grund, dies den vernehmenden Polizeibeamten gegenüber nicht zu erklären und stattdessen Anwaltskosten für ein am 02.08.2022 noch nicht gegen ihn gerichtetes Strafverfahren ins Feld zu führen.
1364.
137Nachtatgeschehen
138Die Feststellungen zum Nachtatgeschehen beruhen auf den Aussagen der Zeugen, der Inaugenscheinnahme der audiovisuellen Beschuldigtenvernehmung sowie den Angaben der Sachverständigen Dr. MM.
139Insbesondere:
140a) Das Aussageverhalten des Nebenklägers und seiner Familie im Verlauf des Ermittlungsverfahrens hat KHK KK der Kammer geschildert. Dieser war auch bei der audiovisuellen Vernehmung des Angeklagten vom 04.08.2022 zugegen, welche die Kammer in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen hat. KHK KK hat in der Hauptverhandlung weiter davon berichtet, dass am Tatort lediglich ein Projektil in der Kleidung des Nebenklägers aufgefunden werden konnte. Daneben sind keine Projektile oder Patronenhülsen festgestellt worden, auch eine Absuche des neben dem Feldweg gelegenen Maisfeldes mit Metalldetektoren und Spürhunden sei erfolglos geblieben. Das am Tatort ebenfalls vermisste und bei der Hausdurchsuchung beim Nebenkläger noch in der Tatnacht vergeblich gesuchte Mobiltelefon des Nebenklägers habe U O erst am 05.08.2022 den Ermittlungsbeamten übergeben.
141b) Zu den Verletzungsfolgen des Nebenklägers hat die Kammer nicht nur diesen selbst in der Hauptverhandlung gehört. Sie gründet ihre Feststellungen zudem auf die umfassenden Angaben der Sachverständigen Dr. MM, die der Kammer das Verletzungsbild nachvollziehbar erläutert hat.
142c) Schließlich konnte sich die Kammer selbst ein Bild davon machen, dass sowohl der Zeuge DD als auch die Zeugin EE bis heute unter dem Vorfall vom 01.08.2022 leiden und sich im Straßenverkehr nicht sicher fühlen.
143D.
144Rechtliche Würdigung
145Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition, mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und mit Sachbeschädigung sowie der versuchten räuberischen Erpressung schuldig gemacht, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5, 303 Abs.1, 249, 253, 255, 22, 23 Abs. 1, 52, 53 StGB; 52 Abs. 1 Nr. 2 b), Abs. 3 Nr. 2 b) WaffG; 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG.
146I.
147Abend des 01.08.2022
1481. Der Angeklagte hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB strafbar gemacht.
149a) Die vom Angeklagten eingesetzte Pistole stellt eine Waffe i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar.
150b) Darüber hinaus handelt es sich bei den vier Schüssen auf die Extremitäten des Nebenklägers jeweils um eine das Leben gefährdende Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), wenngleich die vier Durchschussverletzungen zu keiner konkreten Lebensgefahr für den Nebenkläger geführt haben. Denn es genügt, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden. Dabei kommt es nur auf die Gefährlichkeit der Behandlung, nicht auf die der tatsächlich eingetretenen Verletzung an. Die Gefahr muss sich dabei nicht realisiert haben (BGH NStZ-RR 2021, 211). Ein Schuss auf den Körper eines Menschen ist – auch wenn lediglich auf Arme und Beine geschossen wird – generell geeignet, lebensgefährliche Verletzungen herbeizuführen. Die Sachverständige Dr. MM hat hierzu in der Hauptverhandlung überzeugend ausgeführt, dass an Ober- und Unterschenkelrückseite und in der Kniekehle als auch am handgelenksnahen Unterarm in anatomischer Nähe zu den Schussverletzungen große Schlagadern und Venen verlaufen, bei deren Verletzung es leicht zu einem erheblichen, gegebenenfalls letalen Blutverlust kommen kann. Hinzu kommt, dass – abhängig davon, wie gut der Schütze zielt bzw. wie schnell sich das Opfer bewegt, - auch andere noch sensiblere Körperregionen wie der Oberkörper getroffen und verletzt werden können.
151c) Insoweit handelte der Angeklagte auch vorsätzlich. Er kannte die Umstände, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation für den Nebenkläger ergab. Der Angeklagte wollte ihm mit der Waffe in die Beine schießen und ihn so verletzen. Jedenfalls als sich der Nebenkläger am Boden befand und zum Schutz krümmte, fand sich der Angeklagte auch damit ab, andere Körperteile zu treffen.
152d) Ein Rechtfertigungsgrund besteht nicht. Insbesondere ist das Handeln des Angeklagten nicht durch ein Notwehrrecht nach § 32 StGB gedeckt. Es fehlt bereits an einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff gegen den Angeklagten. Auch handelte er nicht mit Verteidigungswillen.
153e) Der Angeklagte handelte auch schuldhaft. Im Laufe der Hauptverhandlung sind keine Anhaltspunkte dafür zutage getreten, dass er in seiner Steuerungsfähigkeit etwa aufgrund des Genusses berauschender Mittel eingeschränkt gewesen ist.
1542. Indes hat sich der Angeklagte nicht des versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
155a) Zwar handelte der Angeklagten mit bedingtem Tötungsvorsatz, als er erneut auf den Nebenkläger schoss, der sich – seinen Körper schützend – am Boden liegend krümmte, nachdem er nach den ersten beiden zwei Schussverletzungen verletzt zusammengesackt war. Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er den Nebenkläger nicht habe töten wollen und deshalb nicht auf den Oberkörper gezielt habe. Hieraus schließt die Kammer, dass er sich der Gefahr des Eintritts des Todes beim Schießen auf einen Menschen bewusst war. Die Kammer geht zugunsten des Angeklagten auch davon aus, dass er bei den ersten Schüssen auf den in fünf bis sechs Meter Entfernung stehenden Nebenkläger auch darauf vertraute, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten, da er lediglich auf die Knie und nicht sensiblere Körperregionen wie den Oberkörper zielte. Indes fand er sich mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts ab, als er erneut auf sein sich am Boden windendes Opfer schoss. In dieser Situation, in der sich der Nebenkläger durch die ersten Schüsse gewarnt am Boden liegend krümmte und so versuchte, seinen Oberkörper zu schützen, konnte der Angeklagte nicht darauf vertrauen, dass er lediglich die Extremitäten treffen werde.
156b) Der Angeklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
157c) Er ist jedoch von diesem versuchten Tötungsdelikt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 1. Alt. StGB strafbefreiend zurückgetreten. Hiernach wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Diese Variante der freiwilligen Tataufgabe führt dann zu einem strafbefreienden Rücktritt, wenn der Versuch aus der Sicht des Täters – seinem Rücktrittshorizont – noch unbeendet ist.
158(1) Ein solcher unbeendeter Versuch liegt dann vor, wenn der Täter glaubt, zur Vollendung des Tatbestands sei noch weiteres Handeln seinerseits erforderlich. Demgegenüber liegt ein beendeter Versuch vor, wenn der Täter den Erfolgseintritt nach der letzten Ausführungshandlung als gesichert ansieht oder ihn für möglich hält. Gleiches gilt, wenn sich der Täter nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellung von den Folgen seines bisherigen Verhaltens macht.
159(2) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung auf Nachfrage der Kammer dahingehend eingelassen, sich nicht daran zu erinnern, welche Vorstellung er von dem Verletzungsbild des Nebenklägers hatte, als er den Tatort verließ. Die Kammer konnte keine objektivierbaren Anknüpfungstatsachen dafür feststellen, dass er den Erfolgseintritt für möglich gehalten oder er sich keine Vorstellungen von den Folgen seines bisherigen Verhaltens gemacht hätte. Zwar wusste der Angeklagte, wie oft er auf den Nebenkläger geschossen hatte und er hatte auch erkannt, dass er diesen verletzt hatte, da er Blut erkannte. Jedoch sprach die Reaktion des Nebenklägers, der sein Mobiltelefon aus der Tasche holte, aus Sicht des Angeklagten gegen eine lebensgefährliche Verletzung seines Gegenübers. Zur Überzeugung der Kammer hat der Angeklagte dies auch erkannt, denn er drohte dem Nebenkläger Repressalien zum Nachteil seiner Familie an, wenn er das Video, das der Nebenkläger nach seiner Auffassung drehte, der Polizei zeige.
160(3) Ging der Angeklagte mithin davon aus, noch nicht das für eine Tötung Erforderliche getan zu haben, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, ein weiteres Mal auf den Nebenkläger zu schießen, der schwer verletzt am Boden lag. Er hatte auch noch mindestens eine Patrone in seiner Pistole, wie die spätere Schussabgabe auf den Pkw des Zeugen DD eine halbe Stunde später zeigt. Dies war dem Angeklagten, der die Waffe zwischenzeitlich nicht nachlud, nach seiner nicht widerlegbaren Einlassung auch bewusst. Trotz dieses Wissens sah der Angeklagte davon ab, weiter auf den Nebenkläger zu schießen.
161(4) Die Tataufgabe erfolgte auch freiwillig. Insbesondere lag keine äußere Zwangslage vor. Zwar hatte der Angeklagte in einiger Entfernung das Fahrzeug des Zeugen AA wahrgenommen und wähnte deshalb, dass der Nebenkläger nicht allein zum verabredeten Treffen gekommen sei. Die Kammer hat jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass sich der Angeklagte einer im Vergleich zu Tatbeginn ungünstigen Risikoerhöhung ausgesetzt sah, die einer Fortsetzung der Tat entgegengestanden hätte.
1623. Indem der Angeklagte den Pkw V seines Neffen K J durch H steuerte, ohne über eine gültige Fahrerlaubnis zu verfügen, hat er sich des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig gemacht.
1634. Er ist zudem wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB zu bestrafen, da der linke Vorderreifen des Pkw CC des Zeugen DD durch den auf der II-Straße abgegebenen Schuss, wie vom Angeklagten beabsichtigt, beschädigt wurde. Die Staatsanwaltschaft hat das besondere Interesse an der Strafverfolgung gemäß § 303 c StGB in der Hauptverhandlung bejaht.
1645. Der Angeklagte hat sich ferner wegen unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition gemäß 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG strafbar gemacht. Indem er die Pistole auf dem Feldweg in P als auch im Pkw V in H bei sich trug und schließlich auch abfeuerte, übte er die tatsächliche Gewalt über diese Waffe außerhalb seiner Wohnung aus. Bei der Pistole handelt es sich um eine voll funktionstaugliche halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition. Die erforderliche Erlaubnis zum Führen dieser Waffe besaß der Angeklagte, wie ihm bewusst war, nicht.
1656. Daneben hatte er die verschossenen Patronen in Besitz, ohne auch hierfür die erforderliche Erlaubnis zu besitzen, was ihm bewusst war. Er hat sich mithin auch wegen des unerlaubten Besitzes von Munition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 b) WaffG strafbar gemacht.
1667. Die Kammer hat mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung hinsichtlich der Geschehnisse in H gegen 20:45 Uhr gemäß § 154 a Abs. 1, 2 StPO auf die Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, Sachbeschädigung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis beschränkt und mithin § 315 b StGB von der Verfolgung ausgenommen.
167II.
168Abend des 02.08.2022
169Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte der versuchten räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Er hat versucht, unter Anwendung von Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben der Zeugen Q, S und U O die Zeugin Q O zur Vornahme einer Vermögensverfügung zu seinen Gunsten und zum Nachteil des Vermögens des Nebenklägers zu nötigen, um sich so rechtswidrig zu bereichern.
170(1) Der Angeklagte verlangte 35.000 € aus dem Vermögen des N O von Q O, obwohl ihm in dieser Höhe kein Anspruch gegen den Nebenkläger zustand, was ihm auch bewusst war. Q O war als Ehefrau des Nebenklägers auch eine schutzbereite Dritte mit Nähe zum Vermögensinhaber.
171(2) Indem der Angeklagte Q O aufforderte, ihm das Geld bis Mitternacht zu geben, andernfalls müsste er seine Freunde vorbeischicken, hat er auch unmittelbar zur Tat angesetzt.
172In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Drohung im Sinne der §§ 253, 255 StGB nicht nur mit klaren und eindeutigen Worten, sondern auch mit allgemeinen Redensarten und mit unbestimmten, versteckten Andeutungen ausgesprochen werden kann. Das Tatbestandsmerkmal der erpresserischen Drohung kann danach auch hinter harmlos erscheinenden Äußerungen, Mitteilungen, Ratschlägen, Vorschlägen, Mahnungen oder Warnungen gesehen werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende in Wahrheit droht. Voraussetzung ist jedoch eine seelische Einwirkung auf den Bedrohten in Gestalt einer auf Angst und Furcht abzielenden Ankündigung eines hinreichend erkennbaren Übels, die der Täter an den Bedrohten richtet, dessen Willen gebeugt werden soll (BGH NStZ-RR 2014, 210). Gemessen hieran hat der Angeklagte eine tatbestandliche Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben der Zeugin Q O und jedenfalls der anwesenden Kinder U und S O ausgesprochen, indem er für den Fall der Nichtzahlung der 35.000 € ankündigte seine Freunde vorbeizuschicken. Dies konnte die Ehefrau des Nebenklägers, den der Angeklagte etwa 25 Stunden zuvor angeschossen hatte, nur so verstehen, dass ihr und ihrer Familie auch körperliche Gewalt widerfahren sollte. Der Angeklagte hat sogar hinzugefügt, dass sie (die Zeugin und ihre Kinder) nicht beleidigt sein sollten, wenn seine Freunde sie aufsuchen würden, was unterstreichen sollte, dass nachteilige Konsequenzen aus der Nichterfüllung seiner Forderung folgen würden. Q O fühlte sich hierdurch – wie vom Angeklagten beabsichtigt – auch bedroht, sie zahlte indes nicht.
173(3) Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Im Laufe der Hauptverhandlung sind keine Anhaltspunkte dafür zutage getreten, dass er in seiner Steuerungsfähigkeit etwa aufgrund des Genusses berauschender Mittel eingeschränkt gewesen ist. Der Angeklagte ist auch nicht zurückgetreten.
174III.
175Konkurrenzen
176Die tateinheitlich verwirklichten Dauerdelikte des vorsätzlichen unerlaubten Führens eine halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes der Munition hierfür verklammern das schwerere Delikt der gefährlichen Körperverletzung mit den ebenfalls tateinheitlich verwirklichten kleineren Delikten der Sachbeschädigung und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit dem Ergebnis, dass sämtliche am Abend des 01.08.2022 verwirklichten Straftatbestände in Tateinheit zueinander stehen (vgl. Steindorf/B. Heinrich, 11. Aufl. 2022, WaffG § 52 Rn. 121). Die versuchte räuberische Erpressung am nächsten Tag steht hierzu in Tatmehrheit.
177E.
178Strafzumessung
179I.
180Abend des 01.08.2022
181Gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StGB bestimmt sich im Falle der – hier vorliegenden – tateinheitlichen Verwirklichung mehrerer Straftatbestände die Strafe nach dem Gesetz, welches die schwerste Strafe androht.
1821.
183Die gefährliche Körperverletzung wird gemäß § 224 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren und in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
184Ein minderschwerer Fall einer gefährlichen Körperverletzung liegt vor, wenn bei einer Gesamtschau aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen erscheint.
185Strafmildernd war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
186- er bereits im Ermittlungsverfahren die Schüsse auf den Nebenkläger eingeräumt hat.
187Strafschärfend war zu berücksichtigen, dass
188- er vier weitere Delikte tateinheitlich erfüllt hat,
189- er zwei Tatbestandsvarianten des § 224 Abs. 1 StGB erfüllt hat,
190- er vielfach, zum Teil einschlägig wegen eines Gewaltdelikts (schwerer Raub), vorbestraft ist,
191- er dem Nebenkläger vier (Schuss-) Wunden beigebracht hat.
192Unter Berücksichtigung der vorgenannten Gesichtspunkte überwiegen die strafmildernden Gesichtspunkte nicht derart, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens als unangemessen erscheinen würde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Nebenkläger durch vier Schüsse verletzt wurde und der Angeklagte tateinheitlich weitere Straftatbestände verwirklicht hat.
1932.
194Gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer vorsätzlich ohne Erlaubnis eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition führt. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, § 52 Abs. 6 WaffG.
195Ein minderschwerer Fall liegt vor, wenn bei einer Gesamtschau aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen erscheint.
196Strafmildernd war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
197- er bereits im Ermittlungsverfahren sowohl die Schüsse auf den Nebenkläger als auch auf das Fahrzeug des Zeugen DD eingeräumt hat,
198- er sich bei den Zeugen DD und EE in der Hauptverhandlung entschuldigt hat.
199Strafschärfend war zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
200- er vier weitere Delikte tateinheitlich erfüllt hat,
201- er vielfach, zum Teil einschlägig wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, vorbestraft ist.
202Dies zugrunde gelegt, stellt sich die Tat als solche nicht als minderschwerer Fall dar. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass der Angeklagte die halbautomatische Waffe nicht nur mit sich geführt, sondern sowohl zur Verletzung des Nebenklägers als auch zur Beschädigung des Kraftfahrzeugs des Zeugen DD eingesetzt hat.
2033.
204Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 b) WaffG bestraft, wer vorsätzlich ohne Erlaubnis Munition besitzt.
2054.
206Die Sachbeschädigung wird gemäß § 303 Abs. 1 StGB ebenfalls mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
2075.
208Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG wird derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, der vorsätzlich ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat.
2096.
210Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB war demnach nach § 224 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eröffnet. Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Kammer unter erneuter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte sowie des Umstands, dass sie eine isolierte Sperrfrist nach § 69 a StGB anordnet, eine Freiheitsstrafe von
211sechs Jahren und sechs Monaten
212als tat- und schuldangemessen angesehen.
213II.
214Abend des 02.08.2022
215Die räuberische Erpressung wird gemäß §§ 253, 255 i.V.m. § 249 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe sechs Monate bis zu fünf Jahre.
216Ein minderschwerer Fall der räuberischen Erpressung liegt vor, wenn bei einer Gesamtschau aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen erscheint.
217Hierbei war strafschärfend zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass
218- er vielfach, zum Teil einschlägig wegen Vermögens- und Gewaltdelikten (schwerer Raub; Verabredung zum schweren Raub), vorbestraft ist.
219Dies zugrunde gelegt, stellt sich die Tat auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie im Versuchsstadium stecken geblieben ist, nicht als minderschwerer Fall dar.
220Die Kammer ist vom Strafrahmen der versuchten räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 249 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 und 2, 49 StGB ausgegangen, welcher eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten vorsieht. Gründe, die fakultative Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 StGB zu versagen, bestehen nicht.
221Innerhalb dieses Strafrahmens hat die Kammer unter erneuter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte eine Freiheitsstrafe von
222zwei Jahren und drei Monaten
223als tat- und schuldangemessen angesehen.
224III.
225Gesamtstrafe
226Aus den beiden Einzelstrafen war nach §§ 53, 54 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden.
227Bei der Bemessung der Gesamtstrafe hat die Kammer die Person des Angeklagten und die Straftaten zusammenfassend gewürdigt. Sie hat dazu sämtliche für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände nochmals gegeneinander abgewogen und in besonderer Weise die Wirkungen, die von der Strafe für das zukünftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind, berücksichtigt. Dabei hat die Kammer dem zeitlichen und situativen Zusammenhang der Taten dadurch Rechnung getragen, dass sie die Einsatzstrafe nur moderat erhöht hat.
228Die Kammer hat eine Erhöhung der Einsatzstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
229sieben Jahren und drei Monaten
230für tat- und schuldangemessen erachtet.
231IV.
232Maßregel
2331. Der Angeklagte hat sich als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, § 69 Abs. 1 StGB.
234Dies folgt zum einen aus dem provozierenden Verhalten gegenüber dem Zeugen DD, das schließlich in einer Schussabgabe im Straßenverkehr auf das Fahrzeug des Zeugen gipfelte. Zwar hat die Kammer keine Feststellungen dazu getroffen, wie schnell die Fahrzeuge des Angeklagten und des Zeugen DD bei Schussabgabe gefahren sind, und § 315 b StGB gemäß § 154 a StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. Doch ist angesichts dessen, dass Angeklagte sich als Führer eines Kraftfahrzeugs über das Fahrverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers derart ärgerte, dass er im Zorn eine Waffe zog und im Straßenverkehr auf ein anderes Fahrzeug abfeuerte und dieses hierdurch beschädigte, ein den Regelbeispielen des § 69 Abs. 2 StGB vergleichbares Fehlverhalten festgestellt, wenngleich dieses nur nach § 303 StGB zu bestrafen ist. Hinzu kommt, dass der Angeklagte erneut vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, obwohl er bereits mehrmals, zuletzt erst kurz vor der hiesigen Tat, deshalb verurteilt worden ist. Wem die Erlaubnis fehlt, mit dem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, der verletzt, wenn er es trotzdem tut, eine typische Pflicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs in besonders augenfälliger Weise (BGH NStZ-RR 2007, 40).
2352. Da der Angeklagte, wie ausgeführt, nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt, war gemäß § 69 a StGB lediglich eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis zu verhängen. Unter Berücksichtigung der geschilderten Strafzumessungserwägungen und im Hinblick darauf, dass in der Vergangenheit bereits drei Mal kurze Sperrfristen von jeweils unter einem Jahr gegen den Angeklagten verhängt worden sind, erachtet die Kammer eine Sperrfrist in Höhe von drei Jahren als ausreichend, aber auch erforderlich, um bei dem Angeklagten das zutage getretene Verhaltensdefizit zu beseitigen.
236F.
237Kosten
238Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 StPO.