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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.341,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.040,38 EUR vom 26.01. bis zum 13.02.2023 und aus 1.341,07 EUR seit dem 14.02.2023 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 527,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2023 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit aus abgetretenem Recht den Ersatz von Mietwagenkosten.
3Zur Ermittlung der ortsüblichen Kosten für die Anmietung eines Mietwagens im sogenannten Normaltarif stehen schwerpunktmäßig zwei Tabellenwerke zur Verfügung: der Automietpreisspiegel nach eurotaxSchwacke sowie der Marktpreisspiegel Mietwagen nach Fraunhofer IAO. Letzterer Anbieter ermittelt seine Preisinformationen im Internet über eine Preissuchmaschine auf elektronischem Wege. Dabei liegen Fraunhofer keine anderen Informationen vor als diejenigen, die man auf einem Screenshot der Internetseiten der Anbieter sehen kann. Im Internet bieten Mietwagenunternehmen, im Gegensatz zu üblichen Preislisten, Fahrzeuge auf Basis des sogenannten ACRISS-Systems an. Dies ist eine Mietwagenklassifizierung nach Ausstattungsmerkmalen für touristische Zwecke im Internet. Die Autovermieter bieten dort also keine konkreten Fahrzeuge bzw. Fahrzeuggruppen, sondern lediglich Fahrzeuge mit bestimmten Ausstattungsmerkmalen an, welche durch 4 Buchstaben gekennzeichnet sind. Diese sind: Fahrzeugkategorie (Fahrzeugausmaße), Bauart (Limousine, Kombi, SUV etc.), Getriebe („Unbekannt“, Schaltung, Automatik, Allrad), Treibstoff („Unbekannt“, Diesel, Super, Hybrid etc.) und Klima (AC). Information über den Anschaffungspreis der angebotenen Mietwagen sind nicht abrufbar.
4Am 22.11.2022 kam es gegen 15:37 Uhr in A zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Zedenten, Herrn B, und dem Unfallgegner, dessen Fahrzeug (Fahrzeuggruppe 9) zum Zeitpunkt des Unfalles beim Beklagten haftpflichtversichert war. Die Haftung des Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist unstreitig.
5Die Klägerin, ein Autovermietungsunternehmen, schloss mit dem Zedenten am 23.11.2022 einen Mietvertrag über einen Audi (Fahrzeuggruppe 8), der u.a. eine Haftungsreduzierung, die Zustellung des Fahrzeugs, ein Navigationsgerät und Winterbereifung zum Vertragsgegenstand hatte. Der Zedent trat die ihm aus dem Unfall als Schadensersatz zustehende Forderung auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe an die Klägerin ab. Die Mietdauer betrug 30 Tage (23.11.2022 bis 22.12.2022 einschließlich). Der Mietzins erreichte in seiner Gesamtsumme 5.040,38 EUR brutto; dabei entfielen 2.975,42 EUR auf den Grundpreis, 685,50 EUR auf die Haftungsreduzierung, 22,69 EUR auf die Zustellung, 252,- EUR auf die Navigation und 300,- EUR auf die Winterreifen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Rechnung (Bl. 9 d.A.), des Mietvertrages (Bl. 10 d.A.) sowie der Abtretungsvereinbarung (Bl. 11 d.A.) Bezug genommen.
6Die Klägerin übersandte die Rechnung Anfang Januar 2023 an den Beklagten. Unter dem 18.01.2023 forderte sie ihn mit Fristsetzung bis zum 25.01.2023 zur Zahlung der Mietwagenkosten auf. Eine solche erfolgte zunächst nicht.
7Die Klägerin behauptet, dem Zedenten sei der Mietwagen am 23.11.2022 unter seiner Privatadresse zugestellt worden.
8Sie ist der Auffassung, für die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten sei die Fraunhofer-Liste weder als alleinige Schätzgrundlage tauglich noch als eine von mehreren Schätzgrundlagen im sogenannten Mischmodell. Sie leide an einer Vielzahl von Mängeln, u.a. an der Internetlastigkeit der eingeholten Angebote, an der Nichterhebung von Nebenkosten sowie an der Vorgabe eines Anmietzeitpunktes eine Woche im Voraus. Seit dem Vorwort zur Ausgabe 2020 sei zudem erkennbar, dass sie die Auswertung anhand der ACRISS-Klassifikation der Fahrzeuge durchführe, die keine Rückschlüsse auf die Schwacke-Klassifikation zuließe. Auch seien keine Daten zu den Fahrzeugklassen 1 und 2, 2021 auch keine zu Fahrzeugklasse 4, erhoben worden, obwohl diese am Markt verfügbar gewesen seien. Zuletzt zeige der Vergleich der von Fraunhofer ermittelten Preissteigerung im Jahr 2022 mit den Daten des Statistischen Bundesamtes, dass die ermittelten Werte nicht der Realität entsprächen. Es sei daher auf die Schwacke-Liste (Automietpreisspiegel) als einzige taugliche Grundlage zur Ermittlung des Normaltarifes zurückzugreifen.
9Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.040,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2023 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 527,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Die Klageschrift ist dem Beklagten am 09.02.2023 zugestellt worden. Der Beklagte hat am 10.02.2023 eine Zahlung in Höhe von 3.699,31 EUR auf die Mietwagenkosten zugunsten der Klägerin veranlasst, die bei dieser am 14.02.2023 eingegangen ist. Die Klägerin hat die Hauptsache in dieser Höhe mit Schriftsatz vom 14.04.2023 für erledigt erklärt; der Beklagte hat der Erledigungserklärung zugestimmt.
11Die Klägerin beantragt nunmehr,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.040,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2023 abzgl. am 14.02.2023 gezahlter 3.699,31 EUR sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 527,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er bestreitet mit Nichtwissen, dass der Mietwagen dem Zedenten am 23.11.2022 zugestellt worden ist.
16Er ist der Ansicht, der den ausgeglichenen Betrag überschießende Teilbetrag (1.341,07 EUR) sei nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB gewesen. Der Geschädigte hätte problemlos ein Fahrzeug der Gruppe 9 für 30 Tage zu einem Preis von unter 1.750,- EUR anmieten können. Der Beklagte ist zudem der Ansicht, die Tarife der Schwacke-Liste hätten nichts mit den tatsächlich üblichen Marktpreisen zu tun und könnten dementsprechend nicht zur Überprüfung des erforderlichen Mietpreises herangezogen werden. Er ist ferner der Auffassung, er habe sich nicht ab dem 26.01.2023 im Zahlungsverzug befunden, da ihm erst am 02.02.2023 vom Zedenten die Reparaturrechnung übersandt worden sei.
17Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze sowie den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19I.
20Die Klage ist vollumfänglich begründet.
21Die Klägerin hat gegen den Beklagten bei unstreitig voller Haftung dem Grunde nach einen Anspruch der Höhe nach – über den bereits beglichenen Betrag von 3.699,31 EUR hinaus – auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.341,07 EUR aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 398 BGB. Der mit Rechnung vom 02.01.2023 (Bl. 9 d.A.) geltend gemachte Gesamtbetrag von 5.040,38 EUR ist nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt für Zinsen und außergerichtliche Anwaltskosten.
221.
23Der geltend gemachte Grundmietzins von 2.975,42 EUR für eine Mietzeit von 30 Tagen war erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.
24a)
25Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (vgl. BGH NJW 2013, 1870 Rn. 15, 16 m.w.N.).
26Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – zu schätzen. Die Art der Schätzgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zu Grunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von diesen – etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif – abweichen. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH NJW 2013, 1539 Rn. 10, 11 m.w.N).
27Nach bisher ständiger Rechtsprechung der für den hiesigen Gerichtsbezirk zuständigen Berufungskammern sowie des Berufungssenats erfolgt die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten anhand des arithmetischen Mittelwertes aus Schwacke und Fraunhofer. So habe sich der Senat wiederholt damit auseinandergesetzt, dass die in entsprechenden Rechtsstreitigkeiten von beiden Seiten vorgebrachten Einwände sowohl gegen die Schwacke- als auch gegen die Fraunhofer-Liste teilweise berechtigt sind, letztlich aber nicht ausreichen, um deren grundsätzliche Eignung als Schätzgrundlage – zumindest im Rahmen der vom Senat angewandten Mittelwertmethode – infrage zu stellen; auch zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Eignung bzw. deren Erschütterung bestehe danach kein Anlass (OLG Köln, NJOZ 2014, 889; NJOZ 2018, 96 Rn. 4, jeweils m.w.N.).
28b)
29Das Gericht übt das ihm zustehende Ermessen nunmehr dahingehend aus, dass es die Fraunhofer-Liste nicht mehr als Schätzgrundlage heranzieht. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass ihr zumindest seit der Ausgabe des Jahres 2021 Erhebungsmethoden zugrunde liegen, die erhebliche Zweifel daran begründen, dass die Ergebnisse den relevanten Mietmarkt wenigstens einigermaßen realistisch widerspiegeln.
30aa)
31Hinsichtlich der bereits seit Jahren bekannten Vorbehalte gegen die Ergebnisse nach Fraunhofer (Beschränkung auf wenige große Anbieter, Internetlastigkeit der eingeholten Angebote, Nichterhebung von Nebenkosten sowie die Vorgabe eines Anmietzeitpunktes eine Woche später), die seitens des Gerichts ohne weiteres nachvollziehbar sind, erübrigen sich nähere Ausführungen. Seitens der hiesigen obergerichtlichen Rechtsprechung wurden diese Bedenken geteilt, ohne dass dies im Ergebnis zur Ungeeignetheit der Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage geführt hätte. Dementsprechend wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf vorstehende Rechtsprechung des OLG Köln verwiesen.
32bb)
33Das Gericht sieht auch den Umstand, dass die Fraunhofer-Erhebungen in den letzten beiden Jahren Fahrzeuge der Klassen 1 und 2, in einem Jahr zusätzlich der Klasse 4, überhaupt nicht umfasst haben, nicht als erheblich an. Wie bereits dargestellt, bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn konkret dargestellt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Dies wäre vorliegend denkbar, wenn ein Mietfahrzeug der betroffenen Klassen 1, 2 oder 4 streitgegenständlich gewesen wäre. Hier ist jedoch ein Fahrzeug der Klasse 8 angemietet worden, welche durchgehend von der Ermittlung umfasst war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass alleine das Fehlen der unteren Klassen - aus welchen Gründen auch immer sie nicht erfasst worden sind - Rückschlüsse auf die Fehlerhaftigkeit der Erhebung betreffend die anderen Klassen zulässt.
34cc)
35Das gleiche Ergebnis ergibt sich in Bezug auf den Vergleich der Teuerungsraten im Bereich Mietwagen einerseits des Statistischen Bundesamts und andererseits von Fraunhofer. So ist schon nicht ersichtlich, ob sich die Abweichungen bei den Preissteigerungen bei sämtlichen Fahrzeugklassen in ähnlicher Höhe darstellen. Dementsprechend ist nicht festzustellen, dass sich gerade diese Problematik im konkreten Fall, also bei Anmietung eines PKW der Fahrzeugklasse 8, in erheblichem Maße auswirkt.
36dd)
37Anders bewertet das Gericht jedoch den Umstand, dass im Vorwort zum Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen unstreitig seit dem Jahr 2020 erläutert wird, dass die Auswertung ausschließlich anhand der ACRISS-Klassifikation der Fahrzeuge durchgeführt wird. Ebenfalls außer Streit steht, dass diese Einordnung nach Ausstattungsmerkmalen für touristische Zwecke im Internet erfolgt. Damit steht fest, dass Fraunhofer bei seiner Datenerhebung ausschließlich die ACRISS-Kategorien Fahrzeugkategorie, Bauart, Getriebe, Treibstoff und Klima automatisiert abgreifen konnte; weitere Information, insbesondere über den Listenpreis der angebotenen Mietwagen, waren dagegen nicht abrufbar. Die Klägerin hat anhand eines Beispiels nachvollziehbar dargelegt, dass diese Klassifizierung für die Ermittlung des Anschaffungspreises nicht geeignet ist. So hat sie auf S. 9 ff. der Replik erläutert, dass zwei verschiedene Modelle des VW Golf zwar den gleichen ACRISS-Code (CLMR), jedoch abweichende Anschaffungspreise von knapp 30.000,- EUR und knapp 60.000,- EUR und damit die Gruppen 4 bzw. 7 nach Schwacke aufweisen. Dies ist auch zwanglos nachvollziehbar, da bei ACRISS bereits grundlegende wertbildende Faktoren wie die Motorisierung und die Ausstattung nicht differenzierend erfasst werden. Damit steht fest, dass die von Fraunhofer herangezogenen Daten lediglich Rückschlüsse auf grundlegende Fahrzeugmerkmale, nicht jedoch auf den eigentlichen Fahrzeugwert zulassen. Letzterer ist jedoch maßgeblich für die Frage, ob der entsprechende Mietpreis erforderlich ist, da der Geschädigte berechtigt ist, ein gleichwertiges bzw. – zur Vermeidung der Anrechnung ersparter Aufwendungen – ein um eine Gruppe niedriger eingeordnetes Fahrzeug anzumieten.
38c)
39Dagegen begegnet die Heranziehung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage keinen Bedenken, die über die von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung bereits berücksichtigten und nicht als Ausschlusskriterium angesehenen Nachteile hinausgehen.
40Wie bereits dargestellt, bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.
41Soweit in methodischer Hinsicht allgemein die sogenannte „offene Erhebung“, also dass den befragten Unternehmen bekannt sei, dass die Preisermittlung allein späteren Rechtsstreitigkeiten dienen soll, gerügt wird, ist dieser – hier zudem bestrittene – Umstand nach bisheriger Rechtsprechung nicht geeignet, hinreichende Zweifel an der Geeignetheit zu begründen.
42Der Beklagte verweist ferner zur konkreten Darlegung einer Ungeeignetheit der Schwacke-Liste auf S. 2 ff. der Klageerwiderung auf insgesamt drei Angebote von namhaften Mietwagenanbietern, die einen Mietpreis deutlich unterhalb des hier geltend gemachten Betrages ausweisen. Diese Tatsachen sind nach Ansicht des Gerichts jedoch ebenfalls nicht ausreichend, um im konkreten Einzelfall Zweifel an der Geeignetheit zu begründen. Die Angebote lassen nicht erkennen, ob sich nicht gerade die generellen Bedenken gegen die Fraunhofer-Erhebung, vor allem die Heranziehung ausschließlich von Internetangeboten, eine fehlende Haftungsreduzierung, eine zu Beginn offene Mietdauer und Kilometerleistung, die Notwendigkeit einer Vorfinanzierung oder Kation sowie die Berücksichtigung einer Vorlaufzeit von einer Woche, auch hier ausgewirkt haben.
43d)
44Hinsichtlich der Höhe orientiert sich das Gericht an dem Mietzins nach Schwacke für den längsten vollständig ausgefüllten Zeitraum (Wochenpauschale = 983,53 EUR), errechnet daraus den Tagessatz (gerundet 140,50 EUR) und multipliziert diesen mit der Mietdauer (30 Tage). Es ergibt sich beim Normaltarif ein arithmetisches Mittel von 4.215,13 EUR, während die Klägerin 2.975,42 EUR in Rechnung gestellt hat. Auf die Frage, ob ein Zuschlag von 20 % auf den Normaltarif für unfallbedingte Mehrleistungen berechtigt ist, kommt es demnach nicht an.
452.
46Der in Rechnung gestellt Zuschlag für eine vollständige Haftungsreduzierung ist nicht zu beanstanden.
47Dies gilt zunächst dem Grunde nach, unabhängig von der Frage, ob das verunfallte Fahrzeug entsprechend versichert war. Bei Mietwagen wird dem Geschädigten grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse zugestanden, nicht für etwaige Schäden an einem fremden Auto aufkommen zu müssen. Es wird auf OLG Köln, Urt. v. 01.08.2023, Az. 15 U 9/12 Bezug genommen.
48Der Höhe nach bestehen ebenfalls keine Bedenken. Bei der Schadensschätzung zu etwaigen Nebenkosten können – in Ermangelung entsprechender Angaben bei der Fraunhofer-Liste – ohnehin nur die in der Nebenkostentabelle der zeitlich anwendbaren Schwacke-Liste (Bl. 13 d.A.) angegebenen (Brutto-)Werte zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Köln, NJOZ 2014, 889). Hier weist Schwacke einen Betrag von 26,95 EUR für die entsprechende Fahrzeugklasse aus, während die Klägerin 22,85 EUR in Rechnung gestellt hat.
493.
50Soweit die Zustellung des Fahrzeugs beim Geschädigten in A bestritten worden ist, hat das Gericht keine begründeten Zweifel daran, dass diese tatsächlich erfolgt ist. So hat der Zedent im Mietvertrag vom 23.11.2022 mit seiner Unterschrift folgendes bestätigt: „Zugestellt in: A“. Anhaltspunkte dafür, dass diese schriftliche Bestätigung nicht den Tatsachen entspricht, sind nicht ersichtlich.
514.
52Die Zusatzkosten für ein Navigationsgerät sind zu erstatten, nachdem diese ausweislich der Schwacke-Liste als geeignete Schätzgrundlage neben dem Grundmietzins anfallen. Dabei ist es ausreichend, wenn das verunfallte Fahrzeug mit einem solchen System ausgestattet war; der Geschädigte braucht sich anerkanntermaßen nicht auf Lösungen von Drittanbietern, insbesondere über das Mobiltelefon, verweisen lassen
535.
54Entsprechendes gilt auch für die Zusatzkosten für Winterbereifung, die ausweislich der Ergebnisse der Schwacke-Erhebung ebenfalls nicht im dort ermittelten Grundmietpreis enthalten sind.
556.
56Die Berechnung der Mehrwertsteuer ist nicht zu beanstanden. Zwar ist unstreitig die Rechnung auf eine Firma des Zedenten ausgestellt. Die Klägerin hat auf entsprechende Monierung des Beklagten aber dargelegt, dass es sich um ein Informationsversehen gehandelt hat und das Unfallfahrzeug auf den Zedenten privat zugelassen war. Dies ist seitens des Beklagten nicht bestritten worden.
577.
58Die Klägerin kann vom Beklagten auch Verzugszinsen ab dem 26.01.2023 aus §§ 280 Abs. 1, 3, 286 Abs. 1 BGB sowie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 527,- EUR (1,3 Geschäftsgebühr = 507,- EUR zzgl. 20,- EUR Auslagenpauschale) nebst Rechtshängigkeitszinsen aus §§ 280 Abs. 1, 3, 286 Abs. 1, 291 S. 1 BGB verlangen.
59Unstreitig hat die Klägerin dem Beklagten unter dem 02.01.2023 eine entsprechende Rechnung und unter dem 185.01.2023 eine Mahnung mit Zahlungsfrist bis zum 25.01.2023 übersandt.
60Die Übersendung der ursprünglichen Reparaturrechnung, welche dem Zedenten gestellt worden ist, war keine weitere Fälligkeitsvoraussetzung. Die Rechnung stellte lediglich einen Beleg für die tatsächliche Reparaturdauer und damit für die Höhe der abgetretenen Forderung dar. Zession und Reparatur an sich standen dagegen nicht in Zweifel. Wenn die Beklagte tatsächlich Zweifel an der Berechtigung der Mietdauer gehabt haben sollte, hätte sie im Hinblick auf § 119 Abs. 3 VVG jederzeit den Zedentin als Versicherungsnehmer und damit als ihren Vertragspartner zur Auskunft auffordern können.
61II.
62Die Kosten des Rechtsstreits waren vollumfänglich dem Beklagten aufzuerlegen.
63Dies gilt auch, soweit die Klage teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, § 91a ZPO. Die Klage war bei Zustellung am 09.02.2023 zulässig und begründet und ist erst durch die am 10.02.2023 veranlasste Zahlung des Beklagten teilweise unbegründet geworden. Der Beklagte kann sich auch nicht auf den Rechtsgedanken des § 93 ZPO berufen, weil die Klägerin ihm die Reparaturrechnung erst am 02.02.20233 zur Verfügung gestellt hat. Zum einen hätte er sich bei Zweifeln die erforderlichen Informationen nach § 119 Abs. 3 VVG vom Versicherungsnehmer beschaffen können; zum anderen hatte er auch nach Zugang immer noch eine Woche Zeit zur Begleichung der - bereits angemahnten - Rechnung.
64III.
65Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1, 2 ZPO.
66IV.
67Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
68ursprünglich: 5.040,38 EUR
69ab dem 17.04.2023: 1.341,07 EUR