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Die einstweilige Verfügung der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 27.08.2021, Aktenzeichen 9 O 202/21, wird aufgehoben, soweit der Verfügungsbeklagten untersagt worden ist, den nachstehend eingeblendeten Kommentar des Verfügungsklägers von der Plattform www.facebook.com zu löschen, wie dies am 21.08.2021 geschehen ist,
Hier war im Original ein Foto des Verfügungsklägers
Verfügungskläger:
C. schön wärs, wer soll denn dann neu ordnen, wer regieren?
Die Deutschen sind zu dumm richtig zu wählen
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird insofern zurückgewiesen.
Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit für den Zeitraum ab dem 20.09.2021 erledigt hat, soweit der Verfügungsbeklagten untersagt wird, den Verfügungskläger von der Plattform www.facebook.com wegen des vorstehend eingeblendeten Kommentar zeitlich befristet durch Versetzen des Profils in den sog. „read-only-modus" zu sperren, wie dies am 20.08.2021 geschehen ist.
Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung vom 27.08.2021 mit der Maßgabe bestätigt, dass es an Stelle von "wie dies am 21.08.2021 geschehen ist" richtig heißt "wie dies am 20.08.2021 geschehen ist".
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die durch die Verfügungsbeklagte, die online eine Soziale Medien Plattform betreibt, vorgenommen Löschung eines Posts des Verfügungsklägers sowie der in diesem Zusammenhang erfolgten befristeten Teilsperrung des klägerischen Accounts.
3Der Verfügungskläger stellte am 20.08.2021 auf der Plattform der Verfügungsbeklagten folgenden Post online:
4Hier war im Original ein Foto des Verfügungsklägers
5Verfügungskläger:
6C. schön wärs, wer soll denn dann neu ordnen, wer regieren?
7Die Deutschen sind zu dumm richtig zu wählen
8Die Verfügungsbeklagte löschte diesen Post des Verfügungsklägers am 20.08.2021 um 17:08 Uhr, verhängte gegen den Verfügungskläger eine 30-tägige Teil-Sperrung und führte seinen Account für diesen Zeitraum im „read-only-modus“.
9Um 17:11 Uhr reichte der Verfügungskläger bei der Verfügungsbeklagten hiergegen Beschwerde ein. Die Verfügungsbeklagte wies diese Beschwerde um 17:48 Uhr zurück. Am 23.08.2021 um 17:07 Uhr mahnte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte wegen dieser Sperrung anwaltlich unter Fristsetzung bis zum 26.08.2021, 12:00 Uhr ab; hinsichtlich des Inhalts wird auf die Anlagen ASt 3 und 4 zur Antragsschrift vom 26.08.2021 Bezug genommen.
10Die Kammer erließ auf der Grundlage der am 26.08.2021 um 16:44 Uhr eingegangenen Antragsschrift vom 26.08.2021 antragsgemäß am 27.08.2021 die einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln mit folgendem Inhalt:
11„Im Wege der einstweiligen Verfügung wegen der Dringlichkeit des Falles ohne vorangegangene mündliche Verhandlung wird angeordnet:
12Der Antragsgegnerin wird untersagt, den nachstehend eingeblendeten Kommentar des Antragstellers von der Plattform www.facebook.com zu löschen und/oder diesen wegen dieses Kommentars zeitlich befristet durch Versetzen des Profils in den sog. „read-only-modus" zu sperren, wie dies am 21.08.2021 geschehen ist,
13Hier war im Original ein Foto des Verfügungsklägers
14Verfügungskläger:
15C. schön wärs, wer soll denn dann neu ordnen, wer regieren?
16Die Deutschen sind zu dumm richtig zu wählen
17Am 20.09.2021 hob die Verfügungsbeklagte die „read-only-modus“-Teilsperrung des Verfügungsklägers auf.
18Die Verfügungsbeklagte stellte den Beitrag am 14.10.2021 wieder her und begründet dies damit, dass sie nicht von einem Verstoß des konkreten Beitrages gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards ausgehe.
19Am 01.09.2021 ist der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten, bei der es sich um die Zustellungsbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten im Sinne des § 5 Abs. 1 NetzDG handelt, die einstweilige Verfügung als Zustellung von Anwalt zu Anwalt seitens des Verfügungsklägervertreters zugegangen. Diese hat, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht konkret prozessbevollmächtigt, die Zustellung unter Verweis auf eine fehlende Zustellungsbevollmächtigung zurückgewiesen. Die Kammer hat die Zustellung durch x Behörden am 07.09.2021 veranlasst. Die vom Verfügungsklägervertreter per Gerichtsvollzieher eingeleitete Zustellung an die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten ist am 10.09.2021 bewirkt worden. Die Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Verfügungsbeklagte ist in X am 21.09.2021 erfolgt, was am 04.11.2021 aktenkundig geworden ist.
20Mit Schriftsatz vom 17.11.2021 hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.
21Auf den Ordnungsmittelantrag des Verfügungsklägers vom 17.09.2021, zugestellt von der Kammer an die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten als Zustellungsbevollmächtigte gemäß § 5 Abs. 1 NetzDG, hat die Kammer gegen die Verfügungsbeklagte mit Beschluss vom 12.11.2021 ein Ordnungsgeld in Höhe von 60.000,00 € festgesetzt. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte unter dem 30.11.2021 sofortige Beschwerde eingelegt, über die nach Nichtabhilfe durch die Kammer vom 01.12.2021 vom Oberlandesgericht Köln zum Aktenzeichen 15 W 3/22 noch nicht entschieden ist.
22Den Antrag der Verfügungsbeklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung hat die Kammer mit Beschluss vom 21.12.2021 zurückgewiesen.
23Der Verfügungskläger rügt die Vollmacht der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten als Reaktion auf deren "Einstellungsschikane".
24Der Verfügungskläger beantragt,
25die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bonn vom 27.08.2021, Aktenzeichen 9 O 202/21, durch Urteil zu bestätigen, hilfsweise diese mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der auf die Sperre bezogene Teil des Verbots ab dem 20.09.2021 erledigt ist.
26Die Verfügungsbeklagte beantragt,
27die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bonn vom 27.08.2021, Aktenzeichen 9 O 202/21, aufzuheben und den ihr zugrundeliegenden Verfügungsantrag datierend auf den 26.08.2021 zurückzuweisen.
28Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, es habe von Anfang an einem vertraglichen oder gesetzlichen Unterlassungsanspruch gefehlt. Auf Grund zwischenzeitlicher Wiederherstellung fehle es jedenfalls an einer für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr, insbesondere auch hinsichtlich der vorübergehenden Nutzungsbeschränkung des Nutzerkontos des Verfügungsklägers. Sie ist weiter der Ansicht, es habe auch von Anfang an an einem Verfügungsgrund im Sinne von §§ 935, 940 ZPO gefehlt. Die Dringlichkeit habe der Verfügungskläger nicht glaubhaft gemacht.
29Die Verfügungsbeklagte hat der Kammer das Original der Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten unterschrieben durch Frau A eingereicht und einen Scan der Hauptvollmacht von B als Vorstand der Verfügungsbeklagten per beA unter anwaltlicher Versicherung, dass das Original vorliege, übersandt.
30Entscheidungsgründe
31Der Antrag des Verfügungsklägers ist zunächst dahingehend auszulegen, dass die datumsmäßige Bezeichnung des Vorgangs der Kommentar-Löschung und Account-Teil-Sperrung richtig mit dem 20.08.2021 zu benennen ist. Es ist unstreitig, dass der Kommentar an diesem Tag von dem Verfügungskläger online gestellt und von der Verfügungsbeklagten gelöscht worden ist und dass der Account des Verfügungsklägers zugleich teil-gesperrt worden ist.
32Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten gegen die einstweilige Verfügung der Kammer ist zulässig, insbesondere auch formgerecht.
33Der Widerspruch unterliegt gemäß § 936, 924 Abs. 1, Abs. 2, 78 ZPO dem Anwaltszwang. Dieser Anforderung wird der Widerspruch per anwaltlichem Schriftsatz vom 17.11.2021 gerecht.
34Die Rüge des Verfügungsklägers, dass die Bevollmächtigung der Frau A durch den für die Verfügungsbeklagte vertretungsberechtigten B nicht bestehe, ist bereits rechtsmissbräuchlich. Der Verfügungsklägervertreter hat die Rüge der Bevollmächtigung damit begründet, hierdurch auf die "Einstellungsschikane" der Verfügungsbeklagten reagieren zu wollen. Dem vermag die Kammer eine hinreichende Ernsthaftigkeit der Rüge (vgl. § 118 BGB) nicht zu entnehmen. Jedenfalls kann die Kammer der Rüge und dem Beharren auf der Rüge bereits angesichts des Aussagegehalts, dass auf ein - vermeintlich - schikanöses Verhalten der Verfügungsbeklagten nun entsprechend durch Vollmachtsrüge gem. § 88 Abs. 1 ZPO reagiert werde, nur entnehmen, dass diese Rüge aus Schikane erhoben wird, sodass sie unzulässig ist (§ 226 BGB).
35Des Weiteren ist die Bevollmächtigung im einstweiligen Verfügungsverfahren für die Kammer glaubhaft gemacht.
36Die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten ist durch Originalvollmacht der Frau A den Anforderungen des § 80 ZPO entsprechend erbracht.
37Der Nachweis der Vollmachtskette bis zum gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten ist geführt, weil die Original-Vollmacht eingescannt und per beA gemäß § 130a ZPO in elektronischer Form eingereicht worden ist (s. BEckOK ZPO, Worwerk/Wolf, 42 Ed., Stand: 01.09.2021, § 80 ZPO, Rn. 13).
38Jedenfalls ist die Bevollmächtigung der Frau A durch den gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten Herrn B für die Kammer hinreichend glaubhaft gemacht gem. §§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO.
39Im Verfahren des Arrests und der einstweiligen Verfügung gelten im Gegensatz zu den Hauptsacheverfahren geringere Anforderungen an die Erbringung eines erforderlichen Beweises. Insoweit reicht es aus, die erforderlichen Tatsachen glaubhaft zu machen im Sinne von § 294 ZPO. Dabei sind glaubhaft zu machen auch die Prozessvoraussetzungen (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 920 ZPO, Rn. 9). Zu den nach § 294 ZPO zugelassenen Glaubhaftmachungsmitteln gehört dabei auch die anwaltliche Versicherung (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 920 ZPO, Rn. 10; insgesamt: LG Braunschweig Urteil vom 03.04.2014 – 22 O 904/13, BeckRS 2014, 9267).
40Die Vollmacht wurde von der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung im Wege des § 128a Abs. 1 ZPO vorgehalten, sodann eingescannt und nebst Übersetzung aus dem Englischen und anwaltlicher Versicherung per Schriftsatz vom 14.01.2021, dass die Vollmacht im Original vorliegt, gemäß § 130a ZPO eingereicht.
41Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig und hat teilweise Erfolg.
42Der Antrag ist begründet, wenn Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund vom Verfügungskläger schlüssig dargelegt und – falls streitig – glaubhaft gemacht sind (§§ 936, 920 ZPO).
43Soweit der Verfügungsbeklagten untersagt worden ist, den bezeichneten Kommentar des Verfügungsklägers von der Plattform www.facebook.com zu löschen, ist der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung unbegründet, sodass die einstweilige Verfügung insofern aufzuheben ist.
44Indem die Verfügungsbeklagte den Kommentar am 14.10.2021 wiederhergestellt hat, ist sie dem klägerischen Begehren, dass der Kommentar nicht gelöscht wird, nachgekommen und hat den diesbezüglichen Anspruch erfüllt, § 362 BGB.
45Die Verfügungsbeklagte hat ausdrücklich erklärt, den Kommentar nach eigener Prüfung, dass dieser vorliegend nicht gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoße, wiederhergestellt zu haben. Sie hat die Wiederherstellung damit nicht unter einen Vorbehalt der weitergehenden Nachprüfung oder der endgültigen gerichtlichen Klärung gestellt. Auch ein etwaiger zeitlicher Zusammenhang führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da dem nicht ein erfüllungshindernder Vorbehalt entnommen werden kann.
46An einem weitergehenden Aufrechterhalten der Untersagungsverfügung besteht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein Raum, da zuletzt kein Verfügungsgrund mehr gegeben ist.
47Nach § 935 ZPO liegt ein Verfügungsgrund vor, wenn zu besorgen ist, dass durch eine bevorstehende Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Das Bestehen eines Verfügungsgrunds ist aus objektiver Sicht eines verständigen, gewissenhaft prüfenden Dritten zu beurteilen. Die Dringlichkeit fehlt, wenn für den Antragsteller im Falle seiner Verweisung auf das Hauptsacheverfahren keine Nachteile ersichtlich werden. Für einen Unterlassungsanspruch müssen konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot bestehen. Eine nach materiellem Recht zu bejahende Wiederholungsgefahr genügt für sich alleine nicht (BeckOK ZPO/Mayer, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 935 Rn. 11, 14).
48Unter Anlegung dieses Maßstabes sind konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Zuwiderhandlung der Verfügungsbeklagten nicht zu erkennen und vom Verfügungskläger auch weder dargetan noch - erst recht - glaubhaft gemacht. Hierzu genügt es insbesondere nicht, auf die Möglichkeit der jederzeitigen erneuten Sperrung des Kommentars - etwa bei erneuter Verlautbarung - hinzuweisen, da dies allein eine für die Fragestellung des Verfügungsgrundes abstrakte Gefahr darstellt, der jede Person unterliegt, die unter Verwendung eines Accounts der Verfügungsbeklagten Kommentare erstellt.
49Auch soweit der Verfügungsbeklagten umfassend untersagt worden ist, den Verfügungskläger wegen dieses Kommentars zeitlich befristet durch Versetzen des Profils in den sog. „read-only-modus" zu sperren, ist der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung teilweise unbegründet, sodass die einstweilige Verfügung insofern teilweise aufzuheben ist. Denn mit Beendigung des "read-only-modus" am 20.09.2021 ist der Verfügungsgrund entfallen. Insofern gelten die Ausführungen der Kammer zum Entfallen des Verfügungsgrundes für die begehrte Unterlassung der Löschung des Kommentars entsprechend.
50Demgegenüber dringt der Verfügungskläger mit seinem Hilfsantrag, die einstweilige Verfügung insoweit mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der auf die Sperre bezogene Teil des Verbots ab dem 20.09.2021 erledigt ist, durch.
51Denn dem Verfügungskläger stand bis zum 20.09.2021 ein vertraglicher Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zu, sie auf Grund des Kommentars bis zum Ablauf der auf 30 Tage befristeten Maßnahme nicht weiter in den "read-only-modus" zu versetzen.
52Der Kommentar des Verfügungsklägers ist unstreitig nach den Gemeinschaftsstandards nicht sanktionsfähig. Er ist auch strafrechtlich nicht von Relevanz.
53Die Wiederholungsgefahr ergibt sich aus der bereits erfolgten Teil-Sperrung. Sie bestand auch während des gesamten Zeitraums der Teil-Sperrung fort.
54Der Verfügungskläger ist auch berechtigt, eine Unterlassungsverpflichtung im Zusammenhang mit der Teilsperrung zu begehren. Eine solche erschöpft sich insbesondere dann nicht in einem bloßen Nichtstun, sondern umfasst auch die Pflicht zur Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn dem Unterlassungsgebot allein dadurch entsprochen werden kann (BGH, Beschluss vom 12.07.2018 – I ZB 86/17 -, GRUR 2018, 1183).
55Die Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten sind ausweislich der Urteile des BGH vom 29.09.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20, Allgemeine Geschäftsbedingungen, sodass auch die Verfügungsbeklagte hieran gebunden ist. Nach diesem vertraglichen Regelwerk darf die Verfügungsbeklagte im Verhältnis zu jedem einzelnen Nutzer nur in den dort genannten Fällen Kommentare löschen und sanktionieren. Hieraus ergibt sich umgekehrt ein vertragliches Recht jedes Nutzers und damit auch des Verfügungsklägers, dass die Verfügungsbeklagte darüber hinausgehende Löschungen oder Sanktionierungen unterlässt.
56Es lag für den aufgezeigten Zeitraum auch ein Verfügungsgrund vor.
57Das Erfordernis der Dringlichkeit steht der Aufrechterhaltung einer Unterlassungsverfügung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum nicht entgegen. Für die Beurteilung des für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses noch anhängigen Verfügungsantrags kommt es vielmehr nach dem Sicherungszweck des Verfügungsverfahrens allein darauf an, ob die Dringlichkeit für die Sicherung des materiell-rechtlichen Anspruchs in diesem Zeitraum gegeben war (BGH, Beschluss vom 23. 10. 2003 - I ZB 45/02, NJW 2004, 506).
58Dies war der Fall. Bis zur Beendigung des "read-only-modus" war der Verfügungskläger an der vertraglich vereinbarten Nutzung seines Accounts gehindert. Ihm war es nicht möglich, selbst Kommentare abzugeben, was jedoch wesentlicher Inhalt der Sozialen Medien Plattform der Verfügungsbeklagten ist. Auf Grund der bereits eingetretenen Rechtsverletzung des Verfügungsklägers durch die von der Verfügungsbeklagten erfolgte Teil-Sperrung war Dringlichkeit bis zur Wiederherstellung der vollständigen Nutzungsmöglichkeit gegeben.
59Die tatsächlichen Begebenheiten sind, soweit der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung Erfolg hat, unstreitig. Zudem hat der Verfügungskläger diese durch Screenshots glaubhaft gemacht.
60Im Hinblick auf das Entfallen des Verfügungsgrundes mit Beendigung des "read-only-modus" ist schließlich aus den oben genannten Gründen Erledigung eingetreten, soweit der Verfügungskläger Unterlassung über diesen Zeitraum hinweg beantragt hatte.
61Die Kostenentscheidung ist auf § 92 Abs. 1 ZPO gestützt.
62Eines Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht. Soweit die einstweilige Verfügung bestätigt wird, ergibt sich die vorläufige Vollstreckbarkeit aus der Natur der Sache. Soweit die einstweilige Verfügung aufgehoben und der entsprechende Antrag zurückgewiesen wird, bedarf es eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit gem. § 708 Nr. 6 ZPO nicht, da auf Grund der Kostenaufhebung der Verfügungsbeklagten kein Anspruch in den Kosten entsteht.
63Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
64Die Kammer bemisst den Streitwert der Hauptsache mit 6.000,00 €; im einstweiligen Verfügungsverfahren ist auf Grund der Vorläufigkeit ein 50 %-iger Abschlag vorzunehmen.
65Rechtsbehelfsbelehrung:
66Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bonn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
67Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
68Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von
69der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
70Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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