Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.898,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2021 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer auf den Betrag zu Ziffer 1, sobald sie angefallen ist, zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10%, die Beklagte zu 90%; die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 17 OH 8/20 trägt die Beklagte.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
2Mit notariellem Kaufvertrag vom 07.08.2018 (Anlage K1) erwarb der Kläger von der Beklagten die Immobilie Gemarkung A, Flur 0, Flurstück 00, Gebäude- und Freifläche unter der Anschrift Adresse 1. In dem notariellen Kaufvertrag ist ein Gewährleistungsausschluss enthalten. Ferner enthält dieser folgende Passus: „Der Käufer hat das Haus nebst Grundstück besichtigt und kauft es in dem dabei vorgefundenen Zustand. Dem Verkäufer und dem Käufer ist bekannt, dass zu dem Kaufobjekt keine Bauakte/Baugenehmigung mehr beim Bauamt der Stadt B vorliegt. Dem Verkäufer ist jedoch nicht bekannt, dass eine erforderliche Baugenehmigung trotz Bauantragsstellung nicht erteilt wurde.“. Zuvor hatte der Kläger ein Exposée erhalten, in welchem die Immobilie als in massiver Bauweise errichtet bezeichnet ist (Anlage K2). Teilweise ist dieses Gebäude in Fachwerkbauweise errichtet. Der ehemalige Ehemann der Beklagten hatte in dem Scheunenbereich der Immobilie eine Holzzwischendecke eingezogen.
3Aufgrund dessen, dass während Sanierungsmaßnahmen durch den Kläger Bedenken an der Statik der eingezogenen Zwischendecke entstanden, leitete dieser ein selbständiges Beweisverfahren ein (17 OH 8/20) im Zuge dessen der Sachverständige zu dem Ergebnis kam, dass die Ausführung der Zwischendecke statisch mangelhaft und nicht standsicher ist. Der Sachverständige ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 15.349,50 € brutto. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
4Nach Gutachtenerstattung forderte der anwaltlich vertretene Kläger die Beklagte vorgerichtlich zur Zahlung auf.
5Der Kläger behauptet, die Beklagte habe von der mangelhaften Ausführung gewusst, nachdem ihr ehemaliger Ehemann die Zwischendecke ohne fachliche Konsultation eingezogen habe.
6Der Kläger hat ursprünglich mit der, der Beklagten am 12.11.2021 zugestellten Klage, beantragt, die Beklagte zur Zahlung der Bruttoreparaturkosten laut Sachverständigengutachten sowie Feststellung weiterer Ersatzverpflichtung und Zahlung von Rechtsanwaltskosten zu verurteilen. Auf Hinweis der Kammer hat der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 29.11.2021, der Beklagten zugestellt am 01.12.2021, geändert und beantragt nunmehr,
71. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 12.898,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
82. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer, sobald sie angefallen ist, zu bezahlen.
93. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die weiteren angemessenen und ortsüblichen Kosten der Schadensbeseitigung zu tragen, sofern diese die Kosten der Klageforderung übersteigen;
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie behauptet, als völlige Laiin keine Kenntnis gehabt zu haben. Ferner liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs aufgrund der Zäsur durch die notarielle Beurkundung keine Beschaffenheitsvereinbarung durch öffentliche Äußerungen vor. Ferner falle nach technischem Verständnis auch die Holzbauweise unter die Massivbauweise.
13Die Akte des Landgerichts Bonn zum Aktenzeichen 17 OH 8/20 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst vorgelegten Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist im Klageantrag zu 2) unzulässig, im Übrigen weitestgehend begründet.
17Der Feststellungsantrag zu Ziffer 2) ist unzulässig. Ein weiterer angemessener und ortsüblicher Schadenersatzbetrag ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Der Sachverständige hat im selbständigen Beweisverfahren stringent und unter ausführlicher Darlegung seiner Berechnungsmethoden ermittelt, welche Kosten anfallen werden. Allein eine etwaige Preisschwankung führt nicht zu einem Feststellungsinteresse und ist auch im Hinblick auf die zeitliche Nähe des Verfahrens zum Gutachten nicht ausreichend dargetan. Soweit durch weiteres Abwarten des Klägers eine Preissteigerung entstehen sollte, wäre ihm § 254 BGB im Sinne des Verstoßes gegen Schadensminderungspflichten entgegen zu halten.
18Die Klage ist im geänderten Klageantrag zu 1) begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in tenorierter Höhe (netto-Reparaturkosten) gemäß §§ 433, 434, 281 BGB.
19Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob es sich bei der Benennung der Massivbauweise um eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. §§ 434 Abs. 1, 3 BGB gehandelt hat. Dem stünde nach Auffassung der Kammer auch nicht die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen. Denn auch nach dieser ist die Massivbauweise notariell vereinbart, indem auf die Besichtigung ausdrücklich Bezug genommen worden und damit die Inhalte der Besichtigung und das dieser zu Grunde liegende Exposée mit in den Vertrag einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 23/15 –, Rn. 18, juris). Der bei der Besichtigung vorgefundene Zustand ist eben auch der durch Äußerungen suggerierte Zustand – der Hinweis auf eine andere Bauweise hätte weitergehende Untersuchungen ermöglicht.
20Jedenfalls aber kann sich die Beklagte nicht auf den Gewährleistungsausschluss berufen, da sie Arglistig gehandelt hat, § 444 BGB. Eine Täuschung i.S.d. § 123 BGB liegt nur dann vor, wenn der Täuschende durch sein Verhalten beim Erklärungsgegner vorsätzlich einen Irrtum erregen bzw. aufrecht erhalten möchte, das heißt, der Täuschende muss die Unrichtigkeit der falschen Angaben gekannt und gleichzeitig das Bewusstsein und den Willen gehabt haben, durch die irreführenden Angaben (bzw. die Unterlassung der Aufklärung über die wahre Sachlage) einen Irrtum zu erregen (bzw. aufrecht zu erhalten) und den Getäuschten damit zu einer Willenserklärung zu motivieren, die er sonst nicht oder mit anderem Inhalt abgegeben hätte (MünchKomm/Kramer BGB, § 123 Rn. 8). Arglistig handelt daher grundsätzlich nicht, wer gutgläubig unrichtige Angaben macht, mag auch der gute Glaube auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen; zur Arglist ist aber nicht unbedingt das Wissen erforderlich, dass die angegebene Tatsache nicht der Wahrheit entspricht (BGH NJW 1980, 2460, 2461). Selbst bei gutem Glauben im Hinblick auf die Richtigkeit der eigenen Angaben liegt jedoch Arglist vor, wenn der Erklärende „ins Blaue hinein” objektiv unrichtige Angaben macht, ohne offen zu legen, dass es ihm an einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage fehlt (vgl. BGH NJW 2001, 2326; 2327; NJW 1980, 2460; NJW 1981, 1441). Eine solche Erklärung ins Blaue hinein liegt vor. Die Beklagte wusste darum, dass ergänzende Baumaßnahmen erfolgt sind. Sie hat sich nicht vergewissert, wie diese durchgeführt worden sind und das Bauwerk dennoch als Massivbauweise angepriesen. Insoweit muss sie die Ausführungen in dem Exposée des beauftragten Maklers gegen sich gelten lassen (BGH NJW-RR 2018, 752 Rn. 10). Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass derjenige, der an die Richtigkeit seiner Angaben glaubt, nicht arglistig handelt, auch nicht in der Form der Behauptung ins Blaue hinein (OLG Düsseldorf Urt. v. 12.3.2018 – I-9 U 38/17, BeckRS 2018, 13427 Rn. 24, beck-online). Jedoch wusste die Beklagte nicht, welche Materialien verbaut worden sind, weshalb sie auch nicht an die Richtigkeit der Angaben glauben konnte, wie sich aus Blatt 173 dA („Die tatsächliche Art der Konstruktion ist der Beklagten auch bis zu dem Gutachten des Sachverständigen unbekannt geblieben.“) und ihrer persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung ergibt. Sie hat ausweislich ihrer persönlichen Anhörung – insoweit kürzer protokolliert als erörtert – entgegen den Ausführungen Blatt 173 dA auch nicht gegenüber dem Kläger klargestellt, dass sie nicht wisse, welche Materialien verbaut worden sind (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast BGH NJW 2019, 2380 Rn. 16).
21Die Holzbauweise stellt nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre (§§ 133, 157 BGB) auch keine Massivbauweise war. Insoweit kann der Beklagten und ihrem Verweis auf technische Begrifflichkeiten nicht gefolgt werden. Der Kammer ist aus anderen Verfahren gerichtsbekannt, dass Laien bei dem Begriff Massivbau nicht mit einer Holzkonstruktion rechnen. Entsprechend unterscheiden auch gerichtsbekannte und bewährte Sachverständige diese Bauweisen in ihren Briefköpfen, was anhand eines Beispiels im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung – insoweit nicht protokolliert – erörtert worden ist. Unabhängig ist die hiesige Konstruktion wie sich aus dem detaillierten und stringenten Sachverständigengutachten ergibt, mangels zusammenpassender Bauteile auch nicht massiv. Der streitgegenständliche Gebäudeteil ist als Fachwerkhaus und damit keinesfalls in (Holz-)Massivbauweise erbaut worden.
22Ausweislich des Sachverständigengutachtens in dem selbständigen Beweisverfahren resultieren die Konstruktionsfehler insbesondere aus der Ausführung der Zwischendecke als Holzdecke sowie daraus, dass die Holzständerwerkwände in der gewählten Ausführung keine aussteifenden Bauteile darstellen. Mithin handelt es sich gerade um ein kausales Problem der nicht massiven Bauweise auch der Zwischendecke.
23Das vermutete Verschulden (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) ist nicht widerlegt. Jedenfalls in der Einlassung der Beklagten in dem selbständigen Beweisverfahren lag die ernsthafte und endgültige Verweigerung i.S.v. § 281 Abs. 2 BGB. Da die Ursache zumindest auch in der massiven Bauweise liegt, kann der Kläger statt vom Kaufvertrag zurück zu treten, eine Summe verlangen, die zur Herstellung einer vergleichbaren Stabilität erforderlich ist. Die Summe ist der Höhe nach durch das selbständige Beweisverfahren belegt.
24Der Anspruch auf Feststellung der Ersatzverpflichtung betreffend die Mehrwertsteuer beruht auf §§ 280, 249 BGB.
25Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung eingewandt hat, die Kammer hätte nur die gerügte Aufklärungspflichtverletzung prüfen dürfen, verfängt dies nicht. Nach dem Grundsatz „da mihi facta dabo tibi ius“ war das Gericht verpflichtet, den Sachverhalt vollumfänglich zu prüfen. Entsprechend erfolgte der Hinweis in der Terminsverfügung in Befolgung der in 139 ZPO normierten Hinweispflicht.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO (Abweisung weitergehender Feststellungsantrag; Klagerücknahme betreffend die Rechtsanwaltskosten); die Beklagte hat abweichend zum Rechtsstreit die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen, da dieses insgesamt zu ihren Ungunsten verlaufen ist.
27Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 711 ZPO.
28Streitwert: bis 16.000,00 €
29Rechtsbehelfsbelehrung:
30Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
311. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
322. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
33Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
34Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
35Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
36Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.