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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.07.2013 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten, mit Ausnahme der Kosten der Sachverständigen Prof. Dr. med. X gemäß Rechnung vom 15.11.2017 und der Kosten des Sachverständigen Dr. Z für die mündliche Erläuterung des Gutachtens im Termin vom 19.02.2021, tragen die Klägerin zu 32% und der Beklagte zu 68%. Die Kosten der Sachverständigen Prof. Dr. med. X gemäß Rechnung vom 15.11.2017 in Höhe von 4.799,63 € und die Kosten des Sachverständigen Dr. Z für die mündliche Erläuterung des Gutachtens im Termin vom 19.02.2021 werden dem Beklagten auferlegt.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 68%.
Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Die am ##.##.19## geborene Klägerin begehrt von dem Beklagten über das am 16.12.2016 verkündete Teil- und Grundurteil – 1 O 460/12 – des Landgerichts Bonn hinaus die Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand des Urteils vom 16.12.2016 Bezug genommen.
3In diesem rechtskräftigen Teil- und Grundurteil hat das erkennende Gericht für Recht erkannt:
41. Der auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gerichtete Klageantrag zu 1. ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
52. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren immateriellen Schaden aus der Verletzungshandlung vom 08.09.2012 zu zahlen.
63. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden materiellen Schaden aus der Verletzungshandlung vom 08.09.2012 zu ersetzen.
74. Der Beklagte wird verurteilt, sämtliche Fotografien sowie sämtliche Datenträger bezüglich Fotografien, die er von der Klägerin gemacht hat, einschließlich der Nacktfotos sowie der pornographischen Fotos nebst Datenträgern an die Klägerin hieraus zu geben.
85. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 2.440,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.07.2013 zu zahlen.
96. Hinsichtlich des Klageantrages zu 4., an die Klägerin Kosten für die Anfrage der Deckungszusage in Höhe von 825,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Klagezustellung zu zahlen, wird die Klage abgewiesen.
10Die Klägerin behauptet, sie leide aufgrund der zu ihren Lasten durch den Beklagten begangenen Straftat vom 08.09.2012 unter einem Trauma und habe sich in ärztliche psychotherapeutische Behandlung begeben müssen. Aus der Tathandlung erwachsende Folgeschäden seien ungewiss aber nach den Ausführungen der Ärzte wahrscheinlich. Sie habe nach dem Vorfall stark an Körpergewicht verloren, leide regelmäßig unter Albträumen und weine nachts. Auch wenn ihr eine ähnliche Geschichte zu Ohren komme, erleide sie einen Weinkrampf. Mit Schriftsatz vom 03.06.2020 (Bl.### – ### d.A.) hat die Klägerin vorgetragen, eine gesundheitliche Besserung sei bei ihr auch nach circa 8 Jahren, die nach der Tat verstrichen sind, nicht eingetreten.
11Entsprechend ihrer dem Beklagten am 12.07.2013 zugestellten Klage hat die Klägerin unter Ziffer 1. zunächst beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen, an sie ein derzeit angemessenes Teilschmerzensgeld von mind. 30.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
13Mit Schriftsatz vom 24.11.2016 (Bl.### d.A.) hat die Klägerin erklärt, den Klageantrag dahingehend zu korrigieren, dass kein Teilschmerzensgeld, sondern ein abschließendes Schmerzensgeld als einheitlicher Anspruch geltend gemacht werde.
14Mit weiterem Schriftsatz vom 03.06.2020 (Bl.### – ### d.A.) hat die Klägerin angekündigt als Klageantrag zu 1. zu beantragen,
15den Beklagten zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2012 zu zahlen.
16Dieser Schriftsatz wurde dem Beklagten nicht zugestellt (vgl. Beschluss vom 05.06.2020 = Bl.### d.A.; Hinweis gemäß Verfügung vom 02.11.2020 = Bl.### d.A.).
17Die Klägerin beantragt nunmehr,
18den Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag von 30.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Der Beklagte verweist darauf, dass den schriftlichen Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen sei, dass sie sich wegen des streitgegenständlichen Vorfalls in therapeutischer Behandlung befunden habe beziehungsweise befinde (Schriftsatz vom 27.10.2016 = Bl.### d.A.; Schriftsatz vom 20.12.2017 = Bl.### d.A.; Schriftsatz vom 20.10.2020 = Bl.### d.A.). Er vertritt die Rechtsansicht, das Klägervorbringen sei unsubstantiiert (Schriftsatz vom 08.12.2016 = Bl.### d.A.).
22Der Beklagte behauptet, die Klägerin habe entgegen ihrer Darstellung keine Probleme, mit Männern Kontakt aufzunehmen und deren Nähe zu ertragen, da sie sich auf Fotos und Videos bei „Facebook“ und „Instagram“ (Bl.### sowie Bl.###ff. d.A.) offenherzig und ungezwungen körperlich präsentiere (Schriftsatz vom 20.12.2017 = Bl.###ff.; Schriftsatz vom 20.10.2020 = Bl.### d.A.). Das Verhältnis zur Mutter habe die Verarbeitung des Erlebten nachteilig be- und verhindert.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
24Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 07.02.2017 (Bl.### – ### d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachtens sowie dessen mündlicher Erläuterung durch den mit weiterem Beschluss vom 01.07.2020 (Bl.### d.A.) bestellten Sachverständigen Dr. Z. Hinsichtlich des Inhaltes und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. X vom 27.10.2017 sowie das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2021 (Bl.### - ### d.A.) verwiesen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26Die zulässige Klage ist hinsichtlich des nach dem Teil- und Grundurteil vom 16.12.2016 noch zur Entscheidung stehenden Antrages auf Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages begründet.
271. In dem Urteil vom 16.12.2016 hat der Unterzeichner bereits ausgeführt, dass die Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden aus den §§ 823 Abs.1 und Abs.2, 253 Abs.2 BGB in Verbindung mit den §§ 176 Abs.1, 176a Abs.2 Nr.1 StGB hat. Denn der Beklagte ist der Klägerin aus diesen Vorschriften wegen eines zu ihren Lasten vorsätzlich verwirklichten schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. - auch zum Schutzgesetzcharakter dieses Straftatbestandes im Sinne von § 823 Abs.2 BGB – OLG Naumburg, OLG-Report Naumburg 2004, 75f. = VersR 2004, 122f.; OLG Hamm, OLG-Report Hamm 2000, 340f.).
28Die entsprechenden Ausführungen auf den Seiten 7ff. dieser rechtskräftigen Entscheidung (dort unter 1.a)) gelten fort. Gleiches gilt für die dort unter 1.b) der Entscheidungsgründe formulierten Umstände:
29Bereits die damit feststehende rechtswidrige und schuldhafte (§ 276 Abs.1 BGB) Verletzung der Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung der Klägerin (Art.1 Abs.1 Satz 1, 2 Abs.1 GG) als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs.1 BGB (vgl. nur Staudinger/Hager, BGB, 2017, Übersicht § 823 A – D Rd.C244; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auf. 2016, § 253 Rd.13 – auch zur Konkurrenz der eingangs unter 1. zitierten Anspruchsgrundlagen) begründet nach § 253 Abs.2 BGB einen Anspruch der Klägerin auf immateriellen Schadensersatz (OLG Naumburg, aaO.).
30Dass die Klägerin auch heute noch unter den Tatfolgen leidet, hat die 2. große Strafkammer mit Urteil vom 19.04.2016 ausdrücklich festgestellt (vgl. S.40f. sowie S.50 der schriftlichen Urteilsgründe). Inwieweit sich diese Tatfolgen auf die Lebensführung der Klägerin auswirken und darüber hinaus den Charakter einer Gesundheitsbeschädigung erreichen (vgl. Palandt/Sprau, aaO., § 823 Rd.4 m.w.N.), ist noch im Rahmen einer zivilprozessualen Beweisaufnahme zu klären, da diese Folgen mitentscheidend für die Höhe eines noch auszuurteilenden konkreten Entschädigungsbetrages sind (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 253 Rd.16).
312. Anschließend an die letztgenannten Überlegungen hat die auf der Grundlage der Beschlüsse vom 07.02.2017, vom 01.07.2020 und vom 19.02.2021 (S.1 des Sitzungsprotokolls) durchgeführte Sachverständigenbeweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Unterzeichners bestätigt (§ 286 Abs.1 ZPO), dass die Klägerin durch die unter 1. benannte Straftat vom 08.09.2012 eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hat.
32Der Beklagte ist der Klägerin deshalb auch unter diesem Aspekt zum Ersatz der ihr aus dieser Tat entstandenen immateriellen Schäden verpflichtet (§§ 823 Abs.1, 249f. und 253 Abs.2 BGB). Denn die Klägerin hat durch diese Straftat eine durch den Beklagten rechtswidrig und schuldhaft verursachte posttraumatische Belastungsstörung und damit eine Gesundheitsbeschädigung im Sinne von § 823 Abs.1 BGB erlitten (vgl. nur OLG Brandenburg, Urteil vom 06.06.2019 – 12 U 119/18 = NJOZ 2020, 425, 426 = BeckRS 20119, 12676 – als Folge eines Verkehrsunfalles; Palandt/Sprau, BGB, 80.Aufl. 2021, § 823 Rd.4 m.w.N.).
33Die Sachverständigen Prof. Dr. X und Dr. Z haben diese Gesundheitsbeschädigung nach sorgfältiger Auswertung der ihnen zur Verfügung stehenden Dokumente einschließlich des mit Klägerschriftsatz vom 28.11.2013 (Bl.## - ## d.A.) eingereichten Glaubwürdigkeitsgutachtens der Sachverständigen Dr. A von 2013 sowie ihrer eigenen Exploration der Klägerin am 13.04., 28.07. und 29.07.2017 in der LVR-Klinik Q fachlich fundiert und in allen Punkten überzeugend bestätigt. Insoweit wird vollinhaltlich auf das bereits im Tatbestand benannte schriftliche Gutachten nebst dessen protokollierter Erläuterung in der letzten mündlichen Verhandlung verwiesen. Zusammenfassend steht danach fest, dass bei der Klägerin infolge der Tat eine Traumafolgestörung und damit eine schwere fortwirkende psychische Belastung vorliegt, die die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gemäß ICD 10: F43.1 erfüllt (S.44ff. des o.g. Gutachtens).
34Die hiergegen mit Schriftsatz des Beklagten vom 20.12.2017 und 20.10.2020 sowie zuletzt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 08.03.2021 erhobenen Einwendungen überzeugen nicht. Sie offenbaren vielmehr ein massives Fehlverständnis des Verhaltens von Kindern und Jugendlichen gerade im Hinblick auf den Umgang und die Wahrnehmung ihres körperlichen Selbstbildes nach einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Auch insoweit nimmt der Unterzeichner vollinhaltlich Bezug auf die einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z in seiner mündlichen Anhörung.
35Die von dem Beklagten in den vorbezeichneten Schriftsätzen herausgegriffenen Einzelaspekte des Verhältnisses der Klägerin zur Mutter sowie des Inhaltes der Aussage einer Tätowierung gehen schon deshalb fehl, weil sie dabei das von den Sachverständigen insgesamt diagnostizierte Störungsbild vollständig ausblenden. Diese Diagnose ist von den Sachverständigen anhand des in der Bundesrepublik Deutschland medizinisch durchweg anerkannten Klassifikationsschemas ICD-10 (International Statistical Classificiation of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation WHO (vgl. nur von Boetticher/Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8.Aufl. 2019, § 35a Rd.18ff.) fundiert begründet worden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das durch die 2. große Strafkammer als Jugendschutzkammer des Landgerichts Bonn rechtskräftig festgestellte Tatgeschehen nicht nur zu den hier attestierten Rechtsverletzungen der Klägerin selbst geführt hat, sondern auch zu spürbaren Belastungen der Familie der Klägerin geeignet gewesen ist. Vor diesem Hintergrund offenbaren die geradezu konstruiert anmutenden Erklärungs- und Interpretationsversuche des Beklagten (vgl. auch die zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z, S.5 des Sitzungsprotokolls vom 19.02.2021) erneut, dass dieser sich weder mit den Ursachenzusammenhängen noch mit den Folgen seiner Tat noch mit seinen Verantwortungsbeiträgen hinreichend auseinandergesetzt hat.
36Der Feststellung der Sachverständigen, dass der hier zur Diskussion stehende sexuelle Übergriff an ihrer Person, insbesondere das erlebte Machtgefälle sowie der zur Vertuschung ausgeübte Druck zur Geheimhaltung, für die Klägerin auch aus klinischer Sicht eine außergewöhnliche Bedrohung nach ICD 10 beinhaltete (S.45f. des schriftlichen Gutachtens), ist gleichsam nichts hinzuzufügen. Sie steht im Einklang mit allen aktuellen forensisch-psychiatrischen Erkenntnissen (vgl. auch von Heintschel-Heinegg/Eschelbach, BeckOK-StGB, 44.Edit. 01.11.2019, § 20 StGB Rd.50.2 m.w.N.).
373. Der Höhe nach steht der Klägerin deshalb eine Entschädigung im Sinne von § 253 Abs.2 BGB in Höhe von 30.000,00 € zu.
38Aus den bereits eingangs unter 2. dargestellten klinischen Folgen ergibt sich, dass die Auswirkungen der posttraumatischen Belastungsstörung die Lebensführung der Klägerin in erheblichem Maße beeinträchtigt haben. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten vom 27.10.2017 Bezug genommen, wo die konkrete und behandlungsbedürftige Symptomatik im Zuge der gut dokumentierten Explorationsgespräche, in der Begründung der Diagnose (S.45ff. ebenda) sowie in den Antworten zu den Beweisfragen nach der Symptomatik und der Beeinträchtigung der Lebensführung (S.51ff. ebenda) anschaulich beschrieben ist. Auch der Behandlungsbedarf wird dort einleuchtend bejaht (S.50f. ebenda). Der Umstand, dass es der Klägerin bislang nicht gelungen ist, eine therapeutische Behandlung umzusetzen (vgl. S.24 und S.31 ebenda), erschüttert diese Feststellungen nicht.
39Indes fehlt es im Hinblick auf die Beeinträchtigungen der Klägerin seit dem Zeitpunkt der Begutachtung an konkretem Tatsachenvortrag. Der streitige Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 03.06.2020, eine gesundheitliche Besserung sei bei ihr auch nach circa 8 Jahren nicht eingetreten, wird durch das nachfolgende Erklärungsverhalten der Klägerin in diesem Rechtsstreit entkräftet. Denn die mit diesem Vorbringen begründete Erhöhung der Zahlungsklage auf einen Schmerzensgeldbetrag von 75.000,00 € einschließlich der dort veranschlagten Streitwertwerterhöhung für die – bereits ausgeurteilten – Feststellungsanträge (vgl. Bl.### d.A.), verfolgt die Klägerin nicht weiter. Weiteres Vorbringen zur persönlichen und gesundheitlichen Entwicklung fehlt.
40Für das hier auszuurteilende Schmerzensgeld, das von der Klägerin nicht mehr auf den Zeitpunkt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beschränkt worden ist (vgl. Schriftsatz vom 24.11.2016), sondern auch alle in diesem Zeitpunkt vorhersehbaren Beeinträchtigungen erfasst (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 80.Aufl. 2021, § 253 Rd.23 – 25 m.w.N.), fehlt es deshalb an weitergehenden konkreten und betragserhöhend zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen. Denn die Klägerin ist infolge des Beibringungsgrundsatzes in einem Zivilprozess für die Voraussetzungen ihres Anspruches darlegungs- und beweisbelastet. Von einer Ausheilung der posttraumatischen Belastungsstörung kann hier allerdings in Anbetracht des Ergebnisses der kinder- und jugendpsychiatrischen Begutachtung nicht ausgegangen werden.
41Hieran anschließend orientiert sich der Betrag von 30.000,00 € zunächst an den für ähnlich gelagerte Beschwerdesymptome in der Rechtsprechung bei posttraumatischen Belastungsstörungen zugesprochenen Schmerzensgeldbeträgen (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Slizyk, Beck´sche Schmerzensgeldtabelle, IMMDAT beck-online, Stand 11.02.2021, jeweils unter der Rubrik „Entscheidungen Besondere Verletzungen und Verletzungsfolgen“ dort unter „Posttraumatische Belastungsstörung, Ängste und andere psychische Beeinträchtigungen“; etwa OLG Koblenz, Urteil vom 08.03.2020 – 1 U 1137/06 -: 18.000,00 € für chronische PTB eines Polizeibeamten nach gravierender Tätlichkeit; OLG Brandenburg, Urteil vom 06.06.2019 – 12 U 119/18, aaO. : 12.000,00 € bei dreijähriger PTBS aufgrund von Nahtoderfahrungen; OLG Hamm, Urteil vom 26.07.2016 – 9 U 169/15 - : 8.000,00 € bei latenter PTBS und körperlichem Dauerschaden; OLG München, Urteil vom 10.092015 – 8 U 1555/15 = NJW-RR 2016, 472ff.: 5.000,00 € für PTBS einer 47-jährigen Frau nach sexuellem Missbrauch; LG Bochum, Urteil vom 27.01.2010 – 6 O 78/08 - : 10.000,00 € bei PTB, Erwerbsunfähigkeit und depressiver Symptomatik nach Tod der Tochter; LG Bonn, Urteil vom 29.01.2007 – 3 O 334/06 -: 8.000,00 € für PTB und psychiatrische Behandlung der Mutter nach sexuellem Missbrauch der Töchter).
42Deutlich schmerzensgelderhöhend kommt hier jedoch die vorsätzliche Verletzung der Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung der Klägerin hinzu (oben unter 1.), die diese in einer gerade für ihre Persönlichkeitsbildung entscheidenden Lebensphase erleiden musste (oben unter 2.).
43Bei der Bemessung dieses Betrages waren die folgenden, eingangs bereits im Einzelnen beschriebenen Faktoren zu berücksichtigen:
44- das Ausmaß der erlittenen Gesundheitsbeschädigung insgesamt,
45- die Intensität und die Dauer der konkreten Beeinträchtigungen für die Lebensführung der Klägerin bis einschließlich Oktober 2017,
46- die nach wie vor über den Schluss der mündlichen Verhandlung (19.02.2021) hinaus fortbestehende posttraumatische Belastungsstörung, für die indes Behandlungsmöglichkeiten bestehen,
47- die vorsätzliche Verletzung der Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung der Klägerin,
48- das junge Lebensalter der Klägerin bei der Tat und die hieraus resultierende besondere Gefährdung für die Persönlichkeitsentwicklung,
49- die in Anbetracht der Vorsatztat des Beklagten und seiner fehlenden Auseinandersetzung mit seinen Verantwortungsbeiträgen (oben unter 2.) dem Schmerzensgeld für die Klägerin zukommende Genugtuungsfunktion (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 253 Rd.4 und Rd.17).
50Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs.1, 291 BGB.
51Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs.1 und Abs.2 Ziffer 1., 96 ZPO.
52Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
53Streitwert: 140.825,27 €.
54Hiervon entfallen 75.000,00 € auf den Klageantrag zu 1. gemäß Schriftsatz vom 03.08.2020, 25.000,00 € auf den Klageantrag zu 2., 15.000,00 € auf den Klageantrag zu 3., 825,27 € auf den Klageantrag zu 4. und 25.000,00 € auf den Klageantrag zu 5. (vgl. Beschluss vom 14.05.2013).
55Der Streitwert von 140.825,27 € betrifft die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin, während es hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten bei dem Streitwert von 95.825,27 € verbleibt.