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I. Es soll Beweis über folgende Behauptungen erhoben werden:a)
Genügten die Größe der geprüften Stichproben und das im Auftrag der Beklagten durchgeführte Prüfverfahren (S.6 bis 19 der Klageerwiderung = Bl.47 ff. d.A.) den einschlägigen technischen Anforderungen für die Einstufung derartiger (Medizin-) Produkte als mangelhaft? War das Prüfverfahren insbesondere geeignet, eine Übereinstimmung der gelieferten Masken mit dem Standard KN95/GB2626 zu prüfen?
b)
Wenn Frage a) bejaht wird:
Wiesen die der Beklagten von der Klägerin verkauften 408.000 Stück KN95-Schutzmasken des Herstellers A bei ihrer Anlieferung am 30.04.2020 unter der Avis-Nummer HB###1 (Klage S: 3 = Bl. 4 d.A.;Klageerwiderung S.21 = Bl. 62d.A.) folgende Eigenschaften auf, wie sie im Protokoll vom 30.04.2020 (Anlage B5) beschrieben sind:
„elastic bands are coming off when tearing, 7 of 10 tested masks“?
c)
Wenn Fragen a) und b) bejaht werden:
Entsprachen die getesteten Schutzmasken daher nicht den Anforderungen des Vertrages, die in Anlage zu § 2.1 a des Vertrags wie folgt beschrieben werden (Teil des Anlagenkonvoluts B1, dort Teil von 05_Angebotsformular):
FFP2 Masken
Beschreibung: ·
Atmungsaktives Design, das nicht gegen den Mund zusammenfällt (z.B. Entenschnabel, becherförmig) ·
Versehen mit einer Metallplatte an der Nasenspitze · Kann wiederverwendbar* (aus robustem Material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder Einwegartikel sein
Normen/Standards: -
Atemschutzgerät "N95" gemäß FDA Klasse II, unter 21 CFR 878.4040, und CDC NIOSH, oder "FFP2" gemäß EN 149 Verordnung 2016/425 Kategorie III
oder gleichwertige Normen, auch KN95 (CHN)?
Dabei ist es nach der Rechtsauffassung der Kammer nicht zwingend nötig, dass die Masken die Norm FFP2/EN149 erfüllen. Sofern die Masken im Vertrag und in der gerade zitierten Passage als „FFP2-Masken“ bezeichnet werden, ist dies so zu verstehen, dass sie den Anforderungen in der oben aufgeführten Passage genügen sollen. Das heißt, es genügt, wenn die Masken eine der dort genannten Normen erfüllen, es genügt dementsprechend auch die Erfüllung etwa der Norm KN95/GB2626.
Die Beantwortung der Beweisfragen erfolgt durchEinholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.Zum Sachverständigen wird bestellt.
Ein Vorschuss wird nicht eingefordert, da die beweisbeklagte Beklagte gerichtsgebührenbefreit ist.
II. Der Beklagten wird aufgegeben, mitzuteilen, ob die ursprünglich von ihr getesteten Exemplare der Lieferung noch vorhanden sind und dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden können. Sollte dies nicht der Fall sein, wird ihr aufgegeben, mitzuteilen, wo sich die übrigen, nicht getesteten Exemplare der Lieferungen befinden, damit diese begutachtet werden können. Hierzu wird eine Frist von drei Wochen gesetzt.
III. In diesem Zusammenhang weist die Kammer – vor allem vor dem Hintergrund der klägerischen Schriftsatzes vom 31.03.2021 – auf Folgendes hin:
Die Kammer wendet die Voraussetzungen von § 377 HGB weder in direkter noch analoger Anwendung auf den vorliegenden Lebenssachverhalt an. Die Besonderheiten des Falles rechtfertigen keine Gleichsetzung mit einer rein privatwirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand und einer Teilnahme am privatwirtschaftlichen handelsrechtlichen Wettbewerb. Eine vertragliche Vereinbarung einer Untersuchungs- und Rügeobliegenheit der Beklagten wurde mit § 6 Ziffer 6.2 der Kaufverträge nicht getroffen. Denn § 6 Ziffer 6.1 verweist für Sachmängelansprüche auf die gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Hieran schließt § 6 Ziffer 6.2 an, der die Beschränkung einer Untersuchungs-/Rügeobliegenheit des Auftraggebers regelt. Nach Wortlaut und Systematik dieser Regelungen begründet § 6 Ziffer 6.2 deshalb keine eigenständige Untersuchungs- und Rügeobliegenheit, sondern beschränkt diese lediglich im Fall ihres Bestehens. Indes begründen die gesetzlichen Vorschriften hier gerade keine derartige Obliegenheit.
Der Vertrag ist nach Auffassung der Kammer so gestaltet, dass die Lieferungen des Klägers bis zum 30.04.2020 zu erfolgen hatten und dass dieses Lieferdatum, so wesentlich gewesen ist, dass der Vertrag hiermit stehen und fallen sollte. Dies ergibt sich nicht nur aus dem klaren Vertragstext sondern auch aus dem Hintergrund der streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge und der Funktion der die Beklagte im vorliegenden Fall vertretenden Behörde. Dies war für die Klägerin auch bei Abschluss des Vertrages hinreichend erkennbar In der Vergabe eines Lieferslots wenige Tage nach dem im Vertrag vorgesehenen Datum liegt noch keine Aufhebung dieser Abrede. In dem von der Klägerin beschriebenen Verhalten der Beklagten ist schon kein Verzicht auf die Fixabrede zu sehen.
Dies hat zur Folge, dass es vor dem Rücktritt keiner Nachfristsetzung bedurfte (§ 323 Abs. 2 Zif. 2 BGB).