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Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 180.680,45 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 228.906,63 € vom 03.01.2018 bis zum 21.01.2019 und aus 180.680,45 € seit dem 22.01.2019 sowie weitere 3.660,80 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin aus einem Wasserlieferungsvertrag für den Zeitraum 28.01.2016 bis zum 06.12.2017.
3Das C ist Eigentümerin des Areals „E“ der Universität D. Hinter dem Übergabepunkt für die Wasserversorgung aus dem öffentlichen Netz liegen zwei private Parallelnetze des Beklagten, nämlich eine Trinkwasserringleitung, die über den in einem Schacht in dem Fußweg zwischen den Hausnummern ##a und ##b der F-allee liegenden Trinkwasseranschluss der Klägerin gespeist wird, und eine Löschwasserversorgung in Form einer eigenen Bevorratung mit einem 200 m³-Löschwassertank neben der am unteren Ende des Geländes befindlichen G-Halle, der eine Ringleitung bespeist, auf der sich im Außengelände 8 Überflurhydranten befinden und der über eine separate Abzweigung von der oben genannten Trinkwasserringleitung gespeist wird.
4Am 16.07.2014 wurde für das genannte Areal ein Antrag auf Herstellung einer Trinkwasseranlage gestellt (Anlage K3), das in dem Feld "Kunde/Antragsteller" die Angaben "I C J L" und in dem Feld "Grundstückeigentümer" die Angabe "C, vertreten durch den I C" enthalten. Zudem befindet sich in dem Feld "Unterschrift des Grundstückseigentümers bzw. des gesetzlich Berechtigten" ein Stempel des I C in L (im Folgenden I C genannt) sowie eine nicht leserliche Unterschrift unter Beifügung des Zusatzes "i.A.".
5Daraufhin erstellte die Klägerin unter dem 28.10.2014 ein entsprechendes Angebot, das an den I C in L adressiert war (Anlage K4) und welches am 02.02.2015 angenommen wurde, wobei das Feld "Stempel Unterschrift Bauherr" erneut einen Stempel des I C sowie die gleiche Unterschrift mit den Zusatz "i.A." wie bereits in der Anlage K3 enthält (ebenfalls Anlage K4).
6Die bautechnische Herstellung wurde am 03.08.2015 fertiggestellt und die entsprechenden Kosten am 24.08.2015 beglichen. Unter dem 15.12.2015 beauftragte die Generalbauunternehmerin K AG die Inbetriebsetzung der Anlage (Anlage K5). Diese erfolgte sodann am 27.01.2016 durch Einbau eines Verbundwasserzählers in Form eines sog. Trockenläufers der Firma B GmbH, Typ MeiTwinRF DN 50, Nr. 147#### in dem Schacht im Fußweg zwischen den Hausnummern ##a und ##b der F-allee. Bezüglich des Zählers existiert eine Konformitätserklärung des Herstellers (Bl. 6 d.A., Anl. K6 Prüfprotokoll).
7Am 15.11.2017 teilte Frau M von der kaufmännischen Liegenschaftsbetreuung der Universität D die ihr von dem Mitarbeiter N der Technischen Abteilung der Universität D genannten Zählerstände unter Beifügung entsprechender Lichtbilder wie folgt mit: Zähler 1: 129.765 m³, Zähler 2: 3.852,2 m³ (Anl. K7, K26). Die O GmbH und die Universität D prüften daraufhin gemeinsam, ob ggf. ein Rohrbruch vorlag, der nicht gefunden werden konnte, und lasen die Zähler in kurzen Intervallen erneut ab. Diese Ablesung ergab die folgenden Zählerstände: am 21.11.2017: Zähler 1 129.771 m³, Zähler 2: 3.871 m³, am 24.11.2017: Zähler 1 129.778 m³, Zähler 2: 3.883 m³ und am 30.11.2017: Zähler 1 129.784 m³, Zähler 2: 3.895 m³.
8Am 07.12.2017 wurden die streitgegenständlichen Zähler zwecks Überprüfung bei Ständen von 129.797 m³ und 3.936 m³ entfernt (Anlage K8). Der Zähler 1 wurde am 15.12.2017 durch die Firma P geprüft (Anl. K10, K27). In der Folgezeit stellte sich heraus, dass die genannte Firma als staatlich anerkannte Prüfstelle für Messgeräte für Wasser den streitgegenständlichen Zähler nicht hätte prüfen dürfen, weil deren Prüfbank für die eidamtliche Befundprüfung von Verbundwasserzählern nicht zugelassen war und so insbesondere ein geeignetes Messgefäß nicht verwendet wurde. Daher wurde die genannte Firma durch den R C, im Folgenden kurz R C, angewiesen, den Prüfbericht aufzuheben. Am 17.04.2018 fand eine gemeinsame Begutachtung des Zählers bei dem R C statt, auf deren Grundlage der Prüfbericht vom 23.04.2018 (Anlage K12, vgl. zu dem Ergebnissen im Einzelnen Bl. 12-14 d.A.) erstellt wurde. In einem Schreiben des R vom 29.05.2018 (Anl. K11) teilte dieser u.a. mit, dass die Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen am Prüfpunkt Q2 nicht die Ursache für die angeblich hohe „Kubikmeter-Anzeige“ sein könne. In der Folgezeit legte die Beklagte ein Privatgutachten des A vom 01.05.2018 (Anlage K14) sowie ein Ergänzungsgutachten vom 23.10.2018 (Anl. B4) vor. Daraufhin ließ die Klägerin bei der Herstellerin des Zählers eine Expertise zur Entwicklung des Verschleißes erstellen (Anl. K16, im Einzelnen Bl. 27-29 d.A.).
9Unter dem 12.12.2017 stellte die Klägerin dem Beklagten für den Wasserverbrauch in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 28.01.2016 bis zum 06.12.2017 für eine Verbrauchsmenge von 133.728 m³ einen Betrag in Höhe von 228.906,63 € unter Fristsetzung bis zum 02.01.2018 in Rechnung (Anlage K9). Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2018 an den I C wurde nochmals vergeblich zur Zahlung aufgefordert. Im Anschluss an weiteren Schriftverkehr (vgl. Bl. 33-34 d.A., Anl. K19-K23) zahlte die Beklagte am 21.01.2019 für einen Verbrauch von 27.526,6 m² einen Betrag in Höhe von 48.226,18 € (Anl. B1). Eine weitergehende Zahlung erfolgte nicht.
10Die Klägerin behauptet, sie habe die Beklagte in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 28.01.2016 bis zum 06.12.2017 mit insgesamt 133.728 m³ Wasser beliefert. Der entsprechende Wasserverbrauch sei auch plausibel, insbesondere vor dem Hintergrund der Größe des Grundstücks sowie der Vielzahl der Gebäude. Auch müsse insoweit Berücksichtigung finden, dass sich das Bauwerk in dem streitgegenständlichen Zeitraum noch in der Bauphase befunden habe, wobei die Übernahme der Liegenschaften durch die Universität D jedenfalls unstreitig am 04.04.2017 (mit Ausnahme des Löschwassersystems) und die Inbetriebnahme des Hörsaalzentrums erst im WS 2017/2018 bzw. die der übrigen Gebäude im SS 2018 stattgefunden habe (Anl. K29). Auch seien die Bauarbeiten immer noch nicht abgeschlossen, es würden weitere Bauten errichtet. Auch habe sich im Februar 2016 in dem Hörsaalzentrum und in 2017 an der G-Halle jeweils ein Rohrbruch ereignet, wobei auch eine Verbindung zwischen den Arealnetzen bestanden habe (vgl. Bl. 154 d.A.). Weiter sei für den Feuerlöschtank nahe der G-Halle das Magnetventil defekt gewesen und so ein Überlauf nicht verhindert worden, vielmehr dauerhaft Wasser in den Behälter nachgeströmt, der durch das Überlaufrohr in die Kanalisation geflossen sei (Anl. K17, K18). Zudem hätten an den acht Wasserhydranten auf dem Gelände unkontrollierte Wasserentnahmen durch beauftragte Baufirmen und sonstige Dritte stattgefunden, so sei etwa auch Wasser für die Teerung der Straße aus den Überflurhydranten und für die Bewässerung der Außenanlagen durch die beauftragte Gartenfirma aus den Außenflurhydranten entnommen worden (vgl. Bl. 30-31 d.A.).
11Sie behauptet weiter, der Zähler 1 habe bei Übergabe 4 m³ und der Zähler 2 1 m³ aufgewiesen. Der Hauptzähler habe bei Auslieferung die eichrechtlichen Verkehrsfehlergrenzen erfüllt (Bl. 6 d.A, Anl. K6). Bei der Prüfung durch die Fa. P habe der Zähler 1 Messabweichungen innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen und ein im Übrigen intaktes Zählwerk aufgewiesen (Anl. K10). Allerdings hätten sich an diesem deutliche Verschleissspuren in Form von Ablagerungen an der Lagerplatte, einem eingelaufenen Flügellagerstift einseitig sowie ein leichter Verschleiß an der Lippendichtung der Umschalteinrichtung befunden. Der festgestellte Verbrauch sei auch nicht auf Messfehler zurückzuführen. Der Hauptzähler habe die Prüfung nach altem Eichrecht bestanden und dies wäre auch nach neuem Recht der Fall gewesen (Anl. K27, 28, vgl. Bl. 145 d.A.). In einem am 28.03.2018 zwischen Mitarbeitern der Klägerin, der genannten Firma, des R C und des Herstellers stattgefundenen Gespräch hätten die Vertreter des R C eingeräumt, dass trotz der formell fehlerhaften Prüfung durch die genannte Firma maximal eine Messabweichung von 10-20 % in Frage komme und man bei einer Befundprüfung im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen gekommen wäre. Die Prüfung des R C habe sodann im Wesentlichen ergeben, dass infolge des vorgefundenen Verschleißbildes der Zähler über einen längeren Zeitraum weit oberhalb des höchsten zulässigen Durchflusses gelaufen sei, Anzeichen für eine fehlerhafte Messung demgegenüber nicht festzustellen gewesen seien (vgl. im Einzelnen Bl. 12-14, Anl. K12). Über dieses Ergebnis seien sich am Tag der Prüfung alle Anwesenden, auch der Vertreter der Beklagten sowie deren Parteigutachter A, einig gewesen (Anl. 13, vgl. Bl. 15-17 d.A.). Rollensprünge seien bei Verbundwasserzählern nicht bekannt, zumal es sich unstreitig um einen sog. „Trockenläufer“ handele. Die klimatischen Bedingungen im Schacht würden denen der Wassertemperatur zwischen 12 und 16°C entsprechen, wodurch ausgeschlossen sei, dass der Zähler Temperaturen unter 5°C ausgesetzt gewesen sei. Im Übrigen weise das die Zähler durchströmende Wasser selbst im Winter eine Temperatur von mindestens 12 °C und der Schacht eine Erdbodentemperatur von 10°C auf (Anl. K15, Bl. 26 d.A.). Auch sei insoweit ausgeschlossen, dass die erste Zahl des Zählers von Beginn an die Ziffer 1 angezeigt hätte, insbesondere da das Zählwerk nach Herstellung einmal komplett bis 999999 gedreht werde (im Übrigen zu der Funktionsweise des Zählers und den Gegenargumenten zu dem Privatgutachter der Beklagten A Bl. 18 ff., 135-138, 150 d.A). Der Stand des Zählers zum 31.12.2016 sei im Übrigen anhand der Verbrauchstage errechnet worden (vgl. Bl. 138 d.A.).
12Die Klägerin beantragt,
131. den Beklagten zu verurteilen, an sie 180.680,45 € zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 228.906,63 € vom 03.01.2018 bis zum 21.01.2019 und aus 180.680,45 € seit 22.01.2019 zu zahlen;
142. den Beklagten zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.831,21 € zu zahlen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er behauptet, der erhöhte Verbrauch sei nicht nachvollziehbar und beruhe auf einem Zählfehler des Zählers. So sei der exorbitant hohe Zählwert auch anhand des Prüfberichts des R nicht plausibel. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass in dem Zeitraum vom 05.01.2018 bis zum 22.06.2018 nunmehr ein Wasserverbrauch von 3.023 m³ und in dem Zeitraum vom 22.06.2018 bis zum 27.10.2018 ein solcher von 2.623 m³ habe festgestellt werden können, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Zudem habe der von dem Beklagten beauftragte Privatsachverständige A festgestellt, dass der Zähler 100.000 m³ zu viel angezeigt habe, entweder aufgrund zeitweiser Verwendung unter der zulässigen Mindesttemperatur von +5°C oder infolge eines Fehlers bei der Einstellung des Rollenzählwerks bzw. eines Rollensprungs. Abschließende Feststellungen seien insoweit hingegen infolge der Demontage des Zählers nicht mehr möglich (vgl. Anl. K14, B4). Im Übrigen nimmt der Beklagte vollumfänglich Bezug auf die Privatgutachten des A v. 01.05.2018 (Anl. K14) und 23.10.2018 (Anl. B4) (vgl. im Einzelnen Bl. 103-109 d.A.).
18Die Bauarbeiten seien Anfang 2016 und damit zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Wasserzählers zudem bereits im Wesentlichen abgeschlossen gewesen. Während der gesamten Bauphase und auch in der sich anschließenden Zeit seien weder Leckagen noch Rohrbrüche aufgetreten. An der G-Halle habe sich am 06.08.2017 ein Rohrbruch lediglich außerhalb des Leistungsnetzes ereignet, welches von dem streitgegenständlichen Zähler erfasst worden sei (Anl. B5). Auch bestünden keinerlei Anhaltspunkte für einen unkontrollierten Wasserabfluss.
19Im Übrigen ist der Beklagte der Auffassung, es habe eine erhebliche Obliegenheitsverletzung der Klägerin dargestellt, dass innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums von ca. 20 Monaten eine Ablesung nicht stattgefunden habe. Ohnehin sei unklar, wie die Klägerin mangels Ablesung am 31.12.2016 ausweislich der Anl. K9 zu diesem Stichtag zu einem Zählerstand von 66.856 m³ gelangt sein wolle. Allein hieraus ergebe sich die willkürliche Verteilung des angeblichen Gesamtverbrauchs auf die Jahre 2016 und 2017.
20Aus den genannten Gründen ist der Beklagte der Auffassung, es handele sich um einen offensichtlichen Fehler und es wäre unbillig, ihn auf einen Regressprozess zu verweisen. Soweit die Klägerin anteilige Forderungen für angebliche Wasserlieferungen aus dem Jahr 2016 geltend mache, seien diese ohnehin verjährt und der Beklagte erhebt insoweit die Einrede der Verjährung.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die diesen beigefügten Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 09.12.2020 Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
24Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 180.680,45 € aus dem zwischen ihnen geschlossenen Wasserlieferungsvertrag zu.
25Nach Auffassung der Kammer berechtigen dabei die beklagtenseits vorgebrachten Einwände gegen die streitgegenständliche Rechnung der Klägerin die Zahlungsverweigerung nicht, weil sich nicht gemäß § 30 AVBWasserV aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen.
26Nach § 30 AVBWasserV sind im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens Einwände des Kunden gegen die vom Versorgungsunternehmen erteilten Rechnungen nur zugelassen, wenn und soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen. Zu diesen vom Einwendungsausschluss erfassten Fehlern zählen [...] insbesondere Mess-, Ablese- oder Rechenfehler, die bei der Verbrauchserfassung oder -berechnung aufgetreten sind [...]. Allerdings ist der Einwand, dass solche Fehler vorliegen, im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens erst dann erheblich, wenn die Richtigkeit dieses Einwands nach den Umständen offensichtlich ist. Das setzt [...] voraus, dass die Rechnung bereits auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt, also bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich ist (BGH, Urteil vom 21.11.2012, Az. VIII ZR 17/12 in NJW 2013, 2273 Rn. 14-16).
27Nach Auffassung der Kammer ergibt sich bereits aus dem komplexen Vortrag sowie der Tatsache, dass die Beklagte sich zur Erhebung der Einwendungen eines Privatsachverständigen bedienen musste, dass es sich nicht um einen offensichtlichen Fehler in diesem Sinne handeln kann. Die Klägerin hat vielmehr schlüssig und nachvollziehbar, wenn auch bestritten, dargelegt, dass sich das Vorhaben noch in der Bauphase befunden und unkontrollierte Wasserentnahmen durch die diversen Gewerke zur Bewässerung der Aussenanlagen sowie für die Teerung der Straße erfolgt seien. Zudem habe es jedenfalls zwei Rohrbrüche gegeben, wobei der an der G-Halle zwischenzeitlich von der Beklagten eingeräumt wurde, wenn auch zwischen den Parteien weiter streitig ist, ob der streitgegenständliche Zähler infolge getrennter Leitungsnetze von dieser Wasserentnahme betroffen sein kann.
28Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte weiter vorbringt, in der Folgezeit in 2018 habe lediglich ein Wasserverbrauch von etwa 6.500 m³ stattgefunden. Zwar ergibt sich hochgerechnet auf zwei Jahre mit ca. 13.000 m³ im Gegensatz zu den beiden streitgegenständlichen Vorjahren etwa eine Reduzierung des Verbrauchs um das Zehnfache. Nach Auffassung der Kammer führt dieser Umstand jedoch nicht zu einer Offensichtlichkeit eines Fehlers der Abrechnung der Klägerin, da sich die beiden Zeiträume infolge der genannten Begleitumstände in den Jahren 2016 und 2017, die nach der tatsächlichen Ingebrauchnahme des Universitätsgeländes nicht mehr zum Tragen kamen, tatsächlich nicht miteinander vergleichen lassen und daher, anders als ggf. in einem Privathaushalt, der genannte Verbrauch in 2018 nicht als Vergleichsmaßstab dienen kann.
29Nach Auffassung der Kammer ist daher auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 07.02.2018 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 148/17 (in NJW-RR 2018, 1012) zu § 17 Abs. 2 Nr. 1 StromGVV nicht auf den streitgegenständlichen Fall übertragbar. Dort hat der Bundesgerichtshof auszugsweise wie folgt ausgeführt:
30"Die Frage, ob von einem Haushaltskunden erhobene Einwendungen gegen eine Stromrechnung die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ belegen und den Kunden deshalb zur Zahlungsverweigerung nach § 17 II Nr. 1 StromGVV berechtigen, ist unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten (hier: angebliche Verzehnfachung des Verbrauchs bei moderatem Haushaltszuschnitt). Danach berechtigte Einwendungen des Kunden hat der Versorger bereits im Zahlungsprozess zu widerlegen. […] Den Interessen der Kunden an der Geltendmachung von Einwänden kann danach ein solches Gewicht zukommen, dass es unangemessen wäre, diese im Zahlungsprozess unberücksichtigt zu lassen und die Kunden auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen. […] Der typische Anwendungsbereich des Einwendungsausschlusses betrifft somit Streitigkeiten über Mess- und Ablesefehler, in denen es regelmäßig um überschaubare Beträge geht und es dem Haushaltskunden auch zumutbar ist, mit der Prüfung seiner Einwände auf eine Beweisaufnahme im Regressprozess verwiesen zu werden. Aus diesem Rahmen fällt allerdings eine Fallgestaltung wie die vorliegende, in der dem Haushaltskunden weit außerhalb jeder Plausibilität liegende Verbrauchsmengen und dementsprechend Nachforderungen in einer Höhe in Rechnung gestellt werden, die zu einer finanziellen Bedrängnis eines durchschnittlichen Privathaushalts führen können, deutlich heraus. […]"
31Diese Entscheidung zu § 17 Abs. 2 Nr. 1 StromGVV ist nach Auffassung der Kammer auf den vorliegenden Fall im Rahmen des § 30 AVBWasserV bereits nicht anwendbar. Denn § 17 Abs. 2 Nr. 1 StromGVV setzt nach dessen Wortlaut lediglich die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ voraus, während im Falle des § 30 AVBWasserV tatsächlich ein offensichtlicher Fehler vorliegen muss. Auch ist der von dem Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung bezweckte besondere Schutz des Privathaushaltes vor finanzieller Bedrängnis auf den Staatshaushalt nicht ohne Weiteres übertragbar. Soweit der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung als weiteres Hilfsargument anbringt, ein Verweis der dortigen Beklagten auf den Sekundärprozess stelle eine sinnlose Förmelei dar, da eine Begutachtung des dort inzwischen entsorgten Zählers nicht mehr möglich sei und die Beklagte in einem Sekundärprozess zwangsläufig obsiegen müsse, so liegt der Fall hier gerade anders, weil der Zähler im Grundsatz zwecks Begutachtung noch vorhanden ist und in einem Folgeprozess zudem die entsprechend hiermit befassten Personen noch als Zeugen vernommen werden können.
32Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, die Klägerin habe durch die Ablesung erst nach etwa 22 Monaten die ihr gemäß § 20 AVBWasserV obliegende Pflicht zur regelmäßigen Ablesung verletzt, so sieht diese Regelung nach ihrem eindeutigen Wortlaut zum einen lediglich eine Ablesung in möglichst gleichen Abständen vor und zum anderen hätte eine diesbezügliche Pflichtverletzung auf den vorliegenden Anspruch der Klägerin ohnehin keinen Einfluss.
33Soweit der Beklagte zudem einen offensichtlichen Fehler darin sehen möchte, dass die Klägerin mangels Zwischenablesung zum 31.12.2016 in der Rechnung eine Aufteilung des streitgegenständlichen Zeitraumes vom 28.01.2016 bis zum 06.12.2017 nach Verbrauchstagen vorgenommen hat, so vermag die Kammer dieser Rechtsauffassung ebenfalls nicht zu folgen. Vielmehr ist eine Relevanz für die Prüfung im Rahmen des § 30 AVBWasserV nicht ersichtlich. Denn die Rechnungstellung erfolgte über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum, die erfolgte Aufschlüsselung ergibt sich aus der Rechnung und eine tatsächliche Ablesung wurde auch durch die Klägerin nicht behauptet.
34Zudem ist der Anspruch der Klägerin auch hinsichtlich der in 2016 entstandenen Kosten nicht verjährt. Gemäß § 27 Abs. 1 AVBWasserV werden Rechnungen und Abschläge zu dem vom Wasserversorgungsunternehmen angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig. Unter dem 12.12.2017 stellte die Klägerin der Beklagten die Kosten für den Wasserverbrauch unter Fristsetzung bis zum 02.01.2018 in Rechnung (Anlage K9). Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann damit gemäß § 199 BGB mit dem Ende des Jahres 2018 und wurde im Übrigen jedenfalls mit der Zustellung der Klage gemäß § 204 Abs. 1 Ziffer 1 BGB am 19.06.2020 gehemmt.
35Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB infolge Fristsetzung mit Schreiben vom 12.12.2017 bis zum 02.01.2018 aus einem Betrag in Höhe von 228.906,63 € für die Zeit ab dem 03.01.2018 bis zum 21.01.2019 und infolge Zahlung des Beklagten in Höhe von 48.226,18 € am 21.01.2019 ab diesem Zeitpunkt aus 180.680,45 €.
36Der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist ebenfalls, jedoch lediglich in der tenorierten Höhe, unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß § 286 BGB gerechtfertigt. Ersatzfähig sind dabei die Rechtsanwaltsgebühren, die nach der gesetzlichen Berechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für die zur Rechtsverfolgung erforderliche Tätigkeit angefallen sind. Dies sind eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG, die Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG sowie eine Umsatzsteuer hinsichtlich beider Positionen in Höhe von 19% gemäß Nr. 7008 VV RVG. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
38Der Streitwert wird auf 180.680,45 € festgesetzt.