Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten keine über 1.420,14 EUR hinausgehende Forderung aus der Schlussrechnung Nr. 00-0000 zusteht.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägervertreters in Höhe von 41,77 EUR freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 76 Prozent und der Beklagte zu 24 Prozent.
5. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu 2. und der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Auskunft, negative Feststellung und Schmerzensgeld nach Beendigung eines Anwaltsvertrages.
3Die Klägerin erlitt im August 2016 einen schweren Verkehrsunfall. Zur Regulierung der Unfallschäden mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, der X Versicherung, beauftragte sie den Beklagten, der das Mandat übernahm und auch führte. In der Folge, behauptet die Klägerin, habe der Beklagte das Mandat jedoch einschlafen lassen. Im Jahr 2019 habe sie mehrfach erfolglos versucht, mit dem Beklagten einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Der Beklagte behauptet, dass im September und Oktober 2019 Termine zur Vorbereitung und Besprechung der Klage stattgefunden hätten. Gründe seien die Entwicklung der Reha und Operationen der Klägerin und deren Folgen gewesen.
4Unter dem 07.01.2020 kündigte die Klägerin das Mandat und forderte den Beklagten auf, ihr eine vollständige Datenauskunft einschließlich einer Kopie der Handakte zu erteilen. Außerdem beauftragte die Klägerin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung der Datenauskunft und Herausgabe einer Kopie der Handakte, wobei streitig ist, wann dieser Auftrag erteilt worden ist.
5Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.2020 übergab der Beklagte der Klägerin seine Rechnung Nr. 00-0000 vom 01.10.2020 über 5.039,82 EUR. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung, Anlage zum Schriftsatz vom 05.10.2020, verwiesen. Der in dieser Rechnung eingetragene Vorschuss in Höhe von 928,80 EUR wurde von der X an den Beklagten ausgezahlt. Gegenüber der Herausgabe der Handakte berief der Beklagte sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Rechnungsforderung.
6Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung untätig geblieben sei. Ihren Prozessbevollmächtigten habe sie erst am 25.03.2020 damit beauftragt, die Rechte aus dem gekündigten Mandatsverhältnis gegenüber dem Beklagten wahrzunehmen. Die Höhe des Schmerzensgeldes sollte einen Betrag von 1.000,00 EUR nicht unterschreiten, weil der Beklagte sich seit knapp acht Monaten mit Erteilung der Auskunft in Verzug befinde und sein Verhalten als mutwillig zu bewerten sei. Der Anspruch auf Datenauskunft sei weiterhin nicht erfüllt. Durch die verspätete Datenauskunft sei die Klägerin gehindert worden, ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung weiter geltend zu machen.
7Die Rechnung des Beklagten Nr. 00-0000 vom 1.10.2020 könne aufgrund des beendeten Mandats nicht als vorläufige Vergütungsrechnung gestellt werden und genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Den Gebührenhinweis nach § 49b Absatz 5 BRAO habe der Beklagte nicht erteilt. Eine 2,3-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG könne der Beklagten ohne Begründung nicht verlangen. Weder der angesetzte Gegenstandswert noch die Entstehung einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG seien nachvollziehbar. Der Betrag in Höhe von 928,80 EUR sei nicht nachvollziehbar, weil ein Zeitpunkt der Zahlung fehle. Die Umsatzsteuer sei falsch und Angaben zum Leistungszeitraum fehlten. Auch fehlten die Auskünfte zum Mandatskonto. Wegen der fortgesetzten Schlechtleistungen des Beklagten habe die Klägerin einen neuen Prozessbevollmächtigten beauftragen müssen, wodurch erneute Kosten in der gleichen Sache anfallen würden. Mit diesem Schadensersatzanspruch erklärt die Klägerin hilfsweise die Aufrechnung. Die Datenauskunftsklage mache die Klägerin als Stufenklage geltend.
8Mit Schriftsatz vom 06.07.2020 hat die Klägerin die Klage um den Antrag zu 3. erweitert. Im Laufe des Verfahrens hat der Beklagte ein mit „Datenauskunft“ betreffend die Klägerin überschriebenes Schreiben (Bl. ## der Gerichtsakte) sowie eine „Mandanteninformation Datenschutz“ überreicht. Außerdem hat er per Paketpost dem Klägervertreter seine Handakte betreffend die Klägerin übermittelt. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 10.10.2020 und 12.10.2020 den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 1. teilweise für erledigt erklärt und hinsichtlich des Antrags zu 5. erweitert. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.2020 hat die Klägerin die Klage um den Antrag zu 4. nochmals erweitert.
9Die Klägerin beantragt nunmehr,
101. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin eine vollständige Datenauskunft im Sinne des Art. 15 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 1 und 6 DS-GVO zu den bei ihm über die Klägerin vorhandenen personenbezogenen Daten zu erteilen, einschließlich einer Kopie der Handakte und der Abrechnungsdokumentation zu dem Mandatsverhältnis der Klägerin gegen die X Versicherung im Nachgang zu dem Verkehrsunfall vom 00.00.2016, soweit nicht der Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist;
113. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägervertreters in Höhe von 258,17 EUR freizustellen, zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung;
124. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die verzögerliche Erteilung der Datenauskunft ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, zzgl. 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
135. festzustellen, dass dem Beklagten keine Forderung in Höhe von 5.039,82 EUR aus seiner Schlussrechnung Nr. 00000 vom 01.10.2020 zusteht;
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte behauptet, er habe sämtliche vorhandene E-Mailkorrespondenz mit der Klägerin ausgedruckt und zur Verfügung gestellt. Weitere Korrespondenz liege ihm nicht vor. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten könnten nicht als Verzugsschaden ersetzt verlangt werden, weil der Bevollmächtigte der Klägerin bereits beauftragt worden sei, als der Beklagte noch nicht in Verzug gewesen sei.
17Entscheidungsgründe:
18Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.
19I.
20Vorweg ist festzuhalten, dass die Klägerin bei verständiger Würdigung den Antrag zu 1. auf Erteilung der Datenauskunft ohne Beschränkung durch eine teilweise Erledigung gestellt hat. Nur der in diesem Antrag enthaltene Anspruch auf Herausgabe der Handakte ist aufgrund der übereinstimmenden teilweisen Erledigungserklärung erledigt.
211. Der Antrag in der von der Klägerin formulierten Form wäre nicht mit § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO in Einklang zu bringen, weil der Streitgegenstand nicht hinreichend klar abgrenzbar wäre. Die Klägerin hat wörtlich den Antrag zu 1. nach Maßgabe der Teilerledigungserklärung vom 12.10.2020 gestellt. Es liegen zwei Schriftsätze der Klägerin vom 12.10.2020 vor, in denen zum einen der Antrag auf Erteilung der Datenauskunft für teilweise erledigt erklärt wird, soweit der Beklagte in seinem Fax vom selben Tage weitere Auskünfte erteilt hat. Zum anderen hat die Klägerin in einem weiteren Schriftsatz vom 12.10.2020 den Antrag zu 1. für erledigt erklärt, soweit der Beklagte im Umfang der Überlassung der Handaktenunterlagen Herausgabe geleistet hat. Bezogen auf den Antrag zur Erteilung der Datenauskunft ist es prozessual nicht möglich, festzustellen, welcher Teil des Anspruchs nun konkret erledigt sein sollte.
222. Jedenfalls aber können die Parteien diesen – nicht näher konkretisierten – Streitstoff nicht mit Erfolg der gerichtlichen Entscheidung entziehen. Die übereinstimmend erklärte teilweise Erledigung bezogen auf den Antrag zur Erteilung der Datenauskunft gemäß Art. 15 Absatz 1 und 3 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ist unzulässig und daher unwirksam.
23Die Voraussetzungen für eine zulässige teilweise Erledigungserklärung liegen nicht vor, weil der dahinter stehende Streitgegenstand nicht teilbar ist. Dies ist jedoch Voraussetzung für eine zulässige teilweise Erledigung (Musielak/Voit/Flockenhaus, 17. Aufl. 2020 Rn. 50, ZPO § 91a Rn. 50). Teilbarkeit ist nur anzunehmen, wenn der Rechtsstreit sich in abgrenzbare Teile zerlegen lässt, die jeweils zum Gegenstand eines selbstständigen Urteils gemacht werden können und der Ausspruch über diesen Teil unabhängig vom restlichen Verfahrensgegenstand getroffen werden könnte (Musielak/Voit/Musielak, 17. Aufl. 2020, ZPO § 301 Rn. 3). Die Datenauskunft hingegen kann nur einheitlich Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sein, weil die Vollständigkeit der Auskunft nicht eine Frage der Anspruchsentstehung und -erfüllung, sondern der Durchsetzung im Vollstreckungsverfahren ist. Erfüllt kann der Anspruch erst dann sein, wenn der Verpflichtete erklärt, dass das Gelieferte die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen soll (vgl. BGH, NJW 2021, 765 Rn. 43, beck-online). Diese Erklärung kann sich bei einer abstrakten Auskunftsverpflichtung nur auf die gesamte Leistungspflicht beziehen, nicht auf abtrennbare Teile hiervon (vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2014 – XII ZB 385/13).
243. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag der Klägerin so zu verstehen, dass sie bei verständiger Würdigung an der uneingeschränkten Verurteilung zur Erteilung der Datenauskunft festhalten möchte. Der Kammer ist es verwehrt, den Antrag der Klägerin als vollständig erledigt zu betrachten, weil der Streitstoff nicht zur Disposition des Gerichtes steht. Dem Vorbringen der Klägerin lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Klägerin den Antrag auch in vollem Umfang für erledigt erklärt hätte. Hinreichend abgrenzbar ist allein der Anspruch auf Herausgabe der Handakte, weil dieser Anspruch nicht nur als Teil der Datenauskunft begehrt werden kann, sondern aufgrund des Anwaltsvertrags auch nach § 667 BGB iVm § 50 BRAO. Nur im Hinblick auf diesen im Antrag der Klägerin zu 1. enthaltenen Anspruch ist der Rechtsstreit übereinstimmend erledigt.
25II.
26Der Klägerin steht kein Anspruch auf Datenauskunft gemäß Art. 15 DS-GVO gegen den Beklagten mehr zu (1.). Zu Gunsten der Klägerin ist festzustellen, dass dem Beklagten aus der Rechnung Nr. 00-0000 nur ein Anspruch in Höhe von 1.420,14 EUR zusteht und ein weiterer Anspruch nicht besteht (2.). Für die verspätete Erteilung der Datenauskunft steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld zu (3.). Allerdings hat die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 41,77 EUR gemäß §§ 280 Absatz 1, 2, 286 BGB (4.). Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen zu.
271. Anspruch auf Datenauskunft
28a) Der der Klägerin gemäß Art. 15 Absatz 1, 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 12 DSGVO gegen den Beklagten zustehende Anspruch auf Datenauskunft nebst Zurverfügungstellung einer Datenkopie ist durch Erfüllung erloschen.
29Nach Art. 15 DSGVO hat jede betroffene Person, nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie u.a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO ist weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen (vgl. OLG Köln, ZD 2019, 462 Rn. 60, 61, beck-online).
30Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des OLG Köln, die den Umfang der Datenauskunft grundsätzlich weit fast. Hierunter fallen demnach unter anderem auch die Angaben aus dem Mandatskonto der Klägerin bei dem Beklagten und die betreffend die Klägerin gespeicherte elektronische Kommunikation.
31b) Dieser Anspruch der Klägerin ist jedoch gemäß § 362 Absatz 1 BGB durch Erfüllung erloschen. Für den Anspruch auf Auskunft gemäß § 666 BGB hat der BGH entschieden, dass der Anspruch erfüllt ist, wenn die Angaben des Schuldners nach dessen erklärten Willen die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Eine etwaige Unrichtigkeit steht dem nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf weitergehende Auskunft nicht begründen, sondern führt lediglich zu einem Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit der erteilten Auskunft gemäß § 260 Absatz 2 BGB. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist demnach die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH, Urteil vom 03.09.2020 – III ZR 136/18). Die Erklärung der Vollständigkeit kann dabei aus den Gesamtumständen zu folgern sein. Sie liegt vor, wenn das Verhalten des Schuldners hinreichend eindeutig zu erkennen gibt, dass die erteilten Auskünfte vollständig sein sollen und er keine weitergehenden Auskünfte erteilen kann. Für den Anspruch auf Datenauskunft gemäß Art. 15 DSGVO kann nichts anderes gelten. Der Anspruch ist seinem Wesen nach ein Auskunftsanspruch, dessen Erfüllung sich nach den allgemeinen Grundsätzen bemisst.
32Ausgehend hiervon hat der Beklagte den Auskunftsanspruch erfüllt. Er hat der Klägerin mit Schreiben vom 05.10.2020 eine „Mandanteninformation Datenschutz“ sowie eine „Datenauskunft“ übermittelt, die die von Art. 15 Absatz 1 Buchstaben a) bis h) geforderten Angaben abdecken. Außerdem hat er dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin seine Handakte per Paketpost zugesendet. Im Termin vom 13.10.2020 hat er schließlich zu Protokoll gegeben, dass ihm keine weitergehende E-Mailkorrespondenz vorliege, keine Mandatsunterlagen an einen weiteren Rechtsanwalt gelangt seien und Vorschüsse der X in Form des Eintrags in seiner Schlussrechnung vorlägen. Damit hat der Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass er aus seiner insoweit maßgeblichen Sicht sämtliche die Klägerin betreffenden Informationen zur Verfügung gestellt habe und die Auskunft vollständig sei. Bei objektiver Würdigung des Geschehens wollte der Beklagte dem Datenauskunftsbegehren nachkommen und den Anspruch erfüllen. Anders lassen sich die Übergabe der Informationsschreiben und insbesondere der Handakte nicht erklären. Dass bei verständiger Würdigung der Beklagte noch Informationen betreffend die Klägerin zurückhalten hätte wollen, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht überzeugend dargelegt. Einer Erfüllung des Auskunftsanspruchs entgegenstehen würde nur eine offensichtliche Unvollständigkeit der Datenauskunft, für die im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte bestehen.
33c) Über den Antrag zu 1. ist durch Endurteil zu entscheiden. Für die Entscheidung ist es ohne Bedeutung, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Antrag zu 1. als Stufenklage gestellt hat. Die Voraussetzungen einer Stufenklage liegen nicht vor. Dies folgt – unabhängig von der Frage, ob das Begehren auf Datenauskunft im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden kann (vgl. OLG Köln Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18, BeckRS 2019, 16261, Rn. 10, beck-online, die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BAG vom 27.04.2021 war zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht veröffentlicht) – schon aus dem Umstand, dass die Klägerin bezogen auf die Datenauskunft nur diesen einen Antrag gestellt hat. Für eine Stufenklage ist jedoch mindestens die Stellung von zwei Anträgen erforderlich, die im Verhältnis zueinander stehen (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 254 Rn. 17). Nicht ausreichend ist, dass die Klägerin sich im Schriftsatz vom 19.05.2021 Schadensersatzansprüche nur vorbehalten hat (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 254 Rn. 12 m.w.N.).
342. Feststellung bzgl. der Honorarforderung des Beklagten
35Der mit der Rechnung Nr. 00-0000 vom 01.10.2020 geltend gemachte Betrag in Höhe von 5.039,82 EUR steht dem Beklagten nicht in voller Höhe zu. Aus seiner vorgerichtlichen Tätigkeit steht dem Beklagten nach der Kündigung des Mandats noch ein Anspruch auf Honorar gemäß § 628 Absatz 1 Satz 1 BGB in Höhe von 1.420,14 EUR zu.
36a) Aufgrund der Tätigkeit des Beklagten ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1,3 aus einem Streitwert von 95.564,00 EUR entstanden. Der Beklagte hat entsprechend den Vorbemerkungen 2.3 Absatz 3 der Anlage 1 RVG das Geschäft betrieben. Hierunter fällt der Auftrag zu einer nach außen gerichteten Tätigkeit (Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019 Rn. 17a, RVG VV 2300 Rn. 17a), der in Form der Beauftragung mit der Regulierung der Schadensfolgen des Verkehrsunfalls gegenüber der X zu sehen ist. Die Klägerin zweifelt selbst nicht daran, dass der Beklagte insoweit Tätigkeiten entfaltet hat. Nicht dargelegt ist, weshalb eine höhere Gebühr als 1,3 verdient sein sollte. Der Beklagte hat zu den Voraussetzungen, dass es sich nämlich um eine umfangreiche oder schwierige Tätigkeit gehandelt habe, nichts vorgetragen. Gleichfalls ist nicht dargelegt, wofür der Beklagte eine Verfahrens- oder Terminsgebühr hätte verdienen können.
37Demnach stehen dem Beklagten eine Gebühr Nr. 2300 VV RVG von 1,3 = 1.953,90 EUR und Auslagen in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer in Höhe von 375,04 EUR zu, d.h. insgesamt 2.348,94 EUR. Hiervon ist die erhaltene Vorschusszahlung in Höhe von 928,80 EUR abzuziehen, sodass 1.420,14 EUR verbleiben.
38Die von der Klägerin erhobenen formalen Einwände ändern nichts daran, dass die vom Beklagten vorgelegte Rechnung den Anforderungen des § 10 RVG genügt und die Rechnungsforderung auf dieser Grundlage auch einforderbar ist.
39b) Der Honoraranspruch ist nicht aufgrund der Regelung des § 628 Absatz 1 Satz 2 BGB untergegangen. Hiernach steht dem Dienstverpflichteten ein Anspruch auf Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben und er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils veranlasst hat. Da es sich um eine Ausnahmevorschrift von der Regel handelt, trägt der Mandant die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die zum Wegfall des Honoraranspruchs führen sollen (BGH, NJW 1982, 437, 438).
40Im vorliegenden Fall ist ein solches vertragswidriges Verhalten nicht hinreichend dargelegt. Einen wichtigen Grund für die Mandatskündigung gemäß § 626, der für ein Auflösungsverschulden nach § 628 Absatz 1 Satz 2 BGB erforderlich ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Auflage, § 628 Rn. 6) trägt die Klägerin nicht mit Erfolg vor. Grundsätzlich kann zwar die Unzuverlässigkeit des Vertragspartners eine weitere Bindung unzumutbar machen. Jedoch genügt nicht jede geringste Unzuverlässigkeit oder Säumnis. Zur Kündigung berechtigt die Unzuverlässigkeit nur, wenn sie nachhaltig und deswegen schwerwiegend ist (vlg. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2011 – 24 U 87/11; Palandt/Weidenkaff, a.a.O, § 626 Rn. 44). Außerdem verlangt die auch insoweit anwendbare Regelung des § 314 Absatz 2 BGB eine vor der Kündigung ausgesprochene Fristsetzung (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.).
41Ein derart schwerwiegendes Fehlverhalten des Beklagten lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte das Mandat habe einschlafen lassen und dass die Klägerin mehrfach im Laufe des Jahres 2019 versucht habe, einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Dem ist der Beklagte mit dem Vorbringen entgegengetreten, dass noch im September und Oktober 2019 Termine zur Besprechung und Vorbereitung der Klage stattgefunden hätten. Der Zeitablauf ergebe sich auch aus der Entwicklung der Reha und Operationen der Klägerin und deren Folgen. Dem ist die Klägerin nicht näher entgegengetreten, sodass sie insbesondere nicht bestritten hat, dass es noch die zwei Besprechungstermine gegeben habe. Überhaupt folgt aus ihrem Vorbringen nicht, inwieweit das Mandat nicht weiter betrieben worden sein soll und auf welche Anfragen der Beklagte in welcher Häufung vorwerfbar nicht reagiert haben soll. Daher ist das Vorbringen des Beklagten gemäß § 138 Absatz 2, 3 ZPO zugrunde zu legen und ein Kündigungsgrund fernliegend. Schließlich hat die Klägerin auch keine Frist gesetzt oder gemahnt, sondern unmittelbar die Kündigung erklärt.
42c) Auch die von der Klägerin erklärte Hilfsaufrechnung bringt den Honoraranspruch nicht zu Fall. Der Klägerin ist jedenfalls kein kausaler und zurechenbarer Schaden entstanden, weil die Kündigung des Mandatsverhältnisses mangels eines berechtigten Grundes allein durch die Klägerin veranlasst worden ist. Etwaige Mehrkosten eines weiteren Rechtsanwalts nach der Kündigung können dem Beklagten daher nicht angelastet werden.
433. Entschädigung für verspätete Datenauskunft
44Der Klägerin steht aufgrund der erst nach acht Monaten erteilen Datenauskunft kein Anspruch auf Schadensersatz in Form eines Schmerzensgeldes aus Art. 82 DSGVO zu.
45Es kann dahinstehen, ob in der deutlich verzögerten Erteilung der Datenauskunft ein Verstoß im Sinne des Art. 82 Absatz 1 DSGVO zu sehen ist. Schließlich spricht die Norm nur demjenigen einen Schadensersatzanspruch zu, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung einen Schaden erlitten hat. Gemäß Art. 82 Absatz 2 DSGVO haften die Verantwortlichen – insoweit konkretisierend – für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung entstanden ist. Daher kommt nur ein Verstoß durch die Verarbeitung selbst in Betracht, die verordnungswidrig sein muss, um einen Schadensersatzanspruch auszulösen. Aufgrund von anderen Verstößen, die nicht durch eine der DSGVO zuwiderlaufende Verarbeitung verursacht worden sind, kommt eine Haftung nach Art. 82 Absatz 1 DSGVO nicht in Betracht (vgl. Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, DSGVO Art. 82 Rn. 7 Rn. 7, beck-online; Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 23; Gola DS-GVO/Gola/Piltz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 14; Ehmann/Selmayr/Nemitz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 8; vgl. Erwägungsgrund 146 S. 1 zur DSGVO). Eine bloße Verletzung der Informationsrechte der betroffenen Person aus Art. 12–15 führt daher nicht dazu, dass eine Datenverarbeitung, infolge derer das Informationsrecht entstanden ist, selbst verordnungswidrig ist (Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, DSGVO Art. 79 Rn. 18, beck-online). Dementsprechend löst die nach Art. 12 Absatz 3 Satz 1 DSGVO verspätete Erfüllung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO aus.
46Unabhängig davon scheitert der Anspruch auch daran, dass ein Schaden nicht dargelegt ist. Allein dass die Klägerin auf die Datenauskunft „warten“ musste, kann auch nach dem Schadensmaßstab der DSGVO keinen ersatzfähigen Schaden begründen. Es muss auch bei einem immateriellen Schaden eine Beeinträchtigung eingetreten sein, die unabhängig von einer Erheblichkeitsschwelle wenigstens spürbar sein muss. Andernfalls scheidet ein „Schaden“ begrifflich schon aus. Eine solche Spürbarkeit kann dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden.
474. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
48a) Der Klägerin steht nur ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 41,77 EUR zu. Der Beklagte befand sich nach der Aufforderung zur Erteilung der Datenauskunft in der Kündigung vom 07.01.2020 nach Ablauf der Monatsfrist des Art. 12 Absatz 3 Satz 1 DSGVO in Verzug. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung dieses Anspruchs gegenüber dem Beklagten erfolgte erst nach Eintritt des Verzugs, nämlich am 25.03.2020. Dies hat die Klägerin substantiiert unter anderem durch Vorlage der auf den 25.03.2020 datierenden Vollmacht für den Klägervertreter dargelegt, ohne dass der Beklagte dem hinreichend entgegengetreten wäre.
49Die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG von 0,65 ist allerdings nur aus einem Streitwert von 500,00 EUR entstanden. Hinsichtlich der Wertfestsetzung wird auf die untenstehenden Ausführungen verwiesen.
50Ein Anspruch auf Zinsen steht der Klägerin nicht zu, weil sie noch keine Vermögenseinbuße erlitten hat. Der Anspruch ist schließlich auf Freistellung gerichtet.
51III.
521. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 Absatz 1 ZPO.
53Im Hinblick auf den im Antrag zu 1. enthaltenen Anspruch auf Herausgabe der Handakte ist der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden, sodass über die Kosten gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden ist. Hiernach sind die Kosten bezogen auf den abgrenzbaren Streitgegenstand der Herausgabe der Handakte dem Beklagten aufzuerlegen. Der Klägerin stand unzweifelhaft ein Anspruch auf Herausgabe gemäß § 667 BGB iVm § 50 BRAO zu. Auf das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten kommt es nicht an, weil er sich durch die anschließende Herausgabe der Handakte selbst in die Rolle des Unterlegenen begeben und damit den Anspruch anerkannt hat.
542. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.
55IV. Streitwert
56Der Streitwert für den Antrag zu 1. wird auf 500,00 EUR festgesetzt, wobei dieser Wert gleichermaßen für den Anspruch auf Erteilung der Datenauskunft sowie Herausgabe der Handakte gilt.
57Inwiefern regelmäßig ein pauschaler Streitwert von 5.000,00 EUR das Angreiferinteresse bei einer Datenauskunft abbilden sollte, erschließt sich der Kammer nicht. Der Anspruch auf Datenauskunft kann nicht verallgemeinerungsfähig mit einem pauschalen Streitwert bemessen werden, weil der Inhalt des Anspruchs sehr vom jeweiligen Einzelfall geprägt ist. Hinzu kommt, dass auch die Interessenlagen der Anspruchssteller nicht verallgemeinerungsfähig sind. Die Gründe für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Datenauskunft können erheblich variieren. Dem Grunde nach sollen die Transparenzvorschriften der betroffenen Person zunächst dazu dienen, Kenntnis über eine etwaige Datenverarbeitung zu erhalten. In der Folge bildet die Kenntnis der Verarbeitung die Basis dafür, dass die betroffene Person die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung überprüfen kann (vgl. Ehmann/Selmayr/Ehmann, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 1). Es erscheint daher fernliegend, für diesen nicht von weiteren Voraussetzungen abhängigen Anspruch auf Datenauskunft bereits ein regelmäßiges Wertinteresse von 5.000,00 EUR anzuerkennen. In aller Regel ist vielmehr ein Wertinteresse von nur 500,00 EUR anzunehmen, weil die Auskunft nach dem gesetzlichen Regelfall nicht zwangsläufig mit der Geltendmachung weiterer Rechte einhergehen muss. Für diesen Regelfall ein höher zu bemessendes Wertinteresse anzuerkennen, erscheint nicht angezeigt. Etwas anderes gilt nur, wenn die mit der Datenauskunft verfolgten Ziele im Einzelfall ein konkret gesteigertes Wertinteresse erkennen lassen.
58Ein solches gemäß § 3 ZPO höher zu bemessendes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der begehrten Datenauskunft ist im vorliegenden Fall jedoch nicht hinreichend erkennbar. Die Höhe des ihr infolge des Verkehrsunfalls entstandenen Schadens kann für den Streitwert auf Datenauskunft gegenüber dem Beklagten nicht maßgeblich sein, weil nicht ersichtlich ist, dass die weitere Durchsetzung ihres Anspruchs gegenüber der X von der Datenauskunft abhängig wäre. Zwar mag die von dem Beklagten geführte Handakte, deren Herausgabe von dem Datenauskunftsanspruch der Klägerin mit umfasst ist, für die weitere Regulierung nützlich sein. Zwingende Voraussetzung oder auch nur erleichternd für die Durchsetzung ihres verbliebenen Anspruchs ist die Handakte aber kaum. Zudem ist unklar geblieben, welchen weitergehenden Schaden die Klägerin nach der bislang erfolgten Teilregulierung der X noch würde geltend machen wollen.
59Ein etwaiges Interesse, den Beklagten in Regress zu nehmen, ist wertmäßig ebenfalls nicht darlegt. Das Interesse an der Herausgabe der Handakte ist jedoch regelmäßig nach einem Bruchteil des zu erwartenden Regresses zu bestimmen (vgl. LG Frankfurt, Beschluss vom 27. März 2017 – 2-01 T 14/17 –, juris). Soweit die Herausgabe auch allein der weiteren Regulierung des Unfallschadens dienen soll, erschöpft sich dieses Interesse in dem Wert der Datenauskunft. Aus diesem Grund kommt auch dem Anspruch auf Herausgabe nur der Handakte kein abweichender oder weiterer Wert zu, weil die Handakte bei verständiger Würdigung für die Klägerin der allein maßgebliche Gegenstand von Interesse ist.
60Der Streitwert für die Anträge zu 4. und 5. wird auf 1.000,00 EUR bzw. 6.459,96 EUR (§ 45 Absatz 3 GKG) festgesetzt.