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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über einen Schaden, welcher der Klägerin durch die Adoption ihrer Tochter X2 (geb. T) auf Vermittlung des beklagten Kreises entstanden sein soll.
3Die Klägerin und ihr damaliger Ehemann wandten sich erstmals im Jahr 1993 an das Jugendamt des beklagten Kreises wegen der Adoption eines Kindes. Mit Schreiben vom 24.03.1997 (Anl. B1) baten sie formell um die Vermittlung eines Kindes mit dem Ziel der Adoption und fügten dem Schreiben eine ausgefüllte Formularauskunft bei (Anl. B2). In der Formularauskunft führten sie auf, dass sie sich die Erziehung von nicht ganz gesunden Kindern zutrauen würden. Die weiteren Auswahlmöglichkeiten „geistig behinderte Kinder“, „körperlich behinderte Kinder“ und „sinnesgeschädigte Kinder“ wählten sie jedoch nicht.
4Das Jugendamt des beklagten Kreises teilte der Klägerin und ihrem damaligen Ehemann mit Schreiben vom 15.06.1997 mit, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Adoption erfüllt seien.
5Das später adoptierte Kind X2 wurde am 12.07.1997 vorzeitig geboren als Tochter der Kindesmutter T. Diese lebte Anfang 1996 zusammen mit ihren Ehemann und drei ehelichen Kindern in L. In der Folgezeit kam es zu mehrfachen Trennungen und Aussöhnungen der Eheleute, die schließlich dazu führten, dass der Vater mit den drei Kindern nach F zog, wo die drei Kinder durch seine Schwester betreut wurden. In L begann die Kindsmutter ein außereheliches Verhältnis mit einem Herrn P, welcher der biologische Kindesvater von B X2 ist. Nach Streitigkeiten im Verhältnis der Kindesmutter zu Herrn P nahm das Jugendamt der Stadt L im September 1997 das Kind in Obhut, weil die Kindesmutter nach eigenen Angaben völlig überfordert war. Das Kind wurde in einer Bereitschaftspflegestelle untergebracht. Im Oktober 1997 erklärte die Kindesmutter in einem Gespräch mit dem Jugendamt des Beklagten, sie wolle auf keinen Fall nach L zurückkehren, weil der Kindesvater drogenabhängig und gewalttätig sei. Auch von ihrem Ehemann wolle sie sich allerdings scheiden lassen. Sie gab an, weiterhin zur Erziehung ihrer Tochter nicht im Stande zu sein und war mit dem Verbleib von B in der Bereitschaftspflegestelle einverstanden.
6Anfang 1998 erklärte sich die Kindesmutter schließlich bereit, B zur Adoption freizugeben. Im Rahmen eines Gespräches vom 28.01.1998 bei der Adoptionsvermittlungsstelle der Beklagten erklärte sie, dass der Kindesvater erheblich dem Alkohol zugesprochen habe und zumindest Kokain, Ecstasy und Haschisch konsumiert habe. Zu ihrem eigenen Konsum befragt erklärte sie, dass sie während der Schwangerschaft weder Drogen noch Alkohol zu sich genommen habe. Sie habe jedoch geraucht. Ihre eigene Mutter habe „in späten Jahren Alkohol zu sich genommen.“
7In das weitere Adoptionsverfahren war Frau X vom Landschaftsverband Rheinland eingebunden. Diese hält in einem Aktenvermerk vom 05.03.1998 fest, dass Rücksprache mit dem Kinderarzt gehalten werde. Diese habe bei der letzten U-Untersuchung am 29.01.1998 alles für o. k. befunden. Lediglich Größe und Gewicht lägen deutlich unter der Norm, seien aber im Zusammenhang mit der Frühgeburt zu sehen.
8Am 19.03.1998 fand ein Hausbesuch bei den Eheleuten X2 statt. In diesem wurde der Klägerin und ihrem Ehemann B als möglicherweise zu adoptiertes Kind vorgestellt. Zu einem ersten Treffen kam es am 30.03.1998 in der Bereitschaftspflegestelle. Am 06.04.1998 kam B sodann in Adoptionspflege bei der Klägerin und ihrem Ehemann. Die Familie erhielt zunächst Pflegegeld.
9In einem Gespräch der leiblichen Kindesmutter mit der Mitarbeiterin G des Jugendamtes des beklagten Kreises führte diese aus, der Kindesvater sei Alkoholiker und suchtkrank und angeblich auch Analphabet (vgl. Anlage B 12).
10Am 17.06.1998 erklärten die Kindesmutter und ihr Ehemann als rechtlicher Vater ihre Einwilligung in die Adoption von B. Der Beklagte stellte daraufhin die Pflegegeldleistungen zum 01.07.1998 ein.
11Das Kind entwickelte sich in der Pflegschaft der Klägerin und ihres Ehemanns zunächst positiv. Zwar war der Anfang schwierig, das Kind bekam Fieber und musste vom Kinderarzt behandelt werden. Auch in der Folgezeit erkrankte es mehrfach an starken Infekten. In einem Vermerk des Jugendamtes des beklagten Kreises vom 21.10.1998 heißt es aber sodann:
12„Gute Entwicklung. Aufgeschlossen. Läuft. Fängt an sich zu distanzieren. Versteht alles. Hübsches Mädchen. Krabbelgruppe im Ort. Feststellung der A-Mutter, das anders als leibliche Kinder, klebt nicht so, spielt gerne mit anderen Kindern, unkomplizierter, fast bindungslos, fügt sich gut ein, passt sich gut an. Habe festgestellt, dass aber schon die A-Eltern schon die Hauptrolle spielen.“ (Anlage B 18)
13Mit notarieller Urkunde vom 07.12.1998 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann die Annahme von B als Kind. Das Amtsgericht T2 sprach sodann durch Beschluss vom 05.08.1999 die Adoption aus.
14Im Januar 2000 begab sich der Ehemann der Klägerin in Kur. Nachdem er zurückgekehrt war verließ er die Klägerin und das gerade erst adoptierte Kind.
15Am 04.02.2013 teilte die Klägerin dem Jugendamt des beklagten Kreises mit, die mittlerweile 15-jährige B sei total aus der Bahn geworfen und nicht beschulbar. Zwischenzeitlich befand sie sich für zwei Jahre in einer Jugendhilfeeinrichtung. Von dieser wurde sie jedoch aufgrund ihres Verhaltens zwangsbeurlaubt.
16Am 28.10.2014 wurde bei der Adoptivtochter der Klägerin ein so genanntes Fetales Alkoholsyndrom (FAS) diagnostiziert. Hierbei handelt es sich um eine nicht behandelbare hirnorganische Schädigung, welche die Betroffenen außerstande setzt, ihr Leben eigenständig zu führen. Ursache eines FAS ist Alkoholkonsum der leiblichen Mutter während der Schwangerschaft.
17Mit der Klage macht die Klägerin für die Zeit seit dem 01.07.1998 einen monatlichen Pflegegeldbetrag von 500,00 € als Schadensersatz, insgesamt 96.000,00 € geltend.
18Die Klägerin ist der Ansicht, das Jugendamt des beklagten Kreises sei seiner Verpflichtung nach § 7 Abs. 1 AdVermiG zur Ermittlung der Eignung des Kindes nicht hinreichend nachgekommen. Angesichts der Drogen- und Alkoholsucht des leiblichen Vaters hätten über die üblichen U-Untersuchungen hinausgehende Ermittlungen durchgeführt werden müssen. Ferner hätte es im Hinblick auf die Unterbringung von drei weiteren Kindern der leiblichen Mutter des Adoptivkindes im familiären Umfeld näherer Aufklärung bedurft. Auch diesbezüglich habe ein Zusammenhang mit der Drogen-/Alkoholproblematik in der Familie nahegelegen.
19Da derartige Ermittlungen nicht erfolgt seien, sei der Klägerin ein materieller Ausgleich zuzusprechen. Diese sei so zu stellen, wie sie gestellt worden wäre, wenn sie bei richtiger Beratung durch den beklagten Kreis als Pflegemutter die monatliche Pflegekindalimentation erhalten hätte. Die schadensrechtliche Bereicherung des Beklagten sei herauszugeben.
20Die Klägerin behauptet, sie und ihr damaliger Ehemann seien durch den beklagten Kreis nicht über die Biografie der leiblichen Eltern der Adoptivtochter und des damit verbundenen Risikos für den naheliegenden Fall des Alkoholkonsums auch der leiblichen Mutter während der Schwangerschaft informiert worden.
21Die Klägerin beantragt,
221. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 96.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift, sowie 2.348,94 € vorgerichtlicher Kosten zu zahlen,
232. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen künftigen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die am 05.08.1999 durch das Amtsgericht T2 zu # XVI #/## erfolgte Adoption der am 12.07.1997 geborenen B T noch entstehen wird.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Der beklagte Kreis behauptet, potentielle Adoptiveltern seinen grundsätzlich und ungefragt über alle Erkenntnisse informiert worden, die der Adoptionsvermittlungsbehörde über das jeweilige Kind vorlagen. Das sei schon seinerzeit ständige Praxis des Jugendamtes gewesen. Die Verpflichtung der Bediensteten des Beklagten, insbesondere die gesundheitliche Situation des Kindes ggf. mit Hilfe von Ärzten zu klären und die potentiellen Adoptiveltern darüber wie auch über sämtliche übrigen Umstände, die für diese von Bedeutung sein können, zu informieren, sei durchweg eingehalten worden. Die damalige Sachbearbeiterin habe allerdings heute keine Erinnerung mehr an den konkreten Adoptionsfall. Sie sei seit gut 20 Jahren pensioniert.
27Der beklagte Kreis bestreitet vorsorglich, dass bei der Adoptivtochter ein FAS vorliege.
28Die Klägerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2018 ihre Ausführungen durch Schriftsätze vom 13.07.2018 (Bl. ### ff. d.A.) und vom 20.08.2018 (Bl. ### d.A.) ergänzt. Wegen des Inhalts dieser nicht nachgelassenen Schriftsätze wird auf diese Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30Die zulässige Klage ist unbegründet.
31I.
32Der Klägerin steht der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 96.000,00 € gegen den beklagten Kreis nicht zu. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG (Amtshaftung).
331.
34Der Klägerin steht zunächst kein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG wegen Verletzung von Ermittlungspflichten im Rahmen der Adoptionsvermittlung zu.
35Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass die im Rahmen der Adoptionsvermittlung tätigen Mitarbeiter des beklagten Kreises gemäß § 7 Abs. 1 AdVermG verpflichtet waren, die sachdienlichen Ermittlungen bei den Adoptionsbewerbern, bei dem Kind und seiner Familie durchzuführen. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der Kammer um eine Amtspflicht im Sinne von § 839 Abs. 1 BGB, die den Mitarbeitern des beklagten Kreises auch zum Schutz der Adoptionseltern oblag.
36Die Klägerin hat jedoch eine schadensursächliche Verletzung dieser Ermittlungspflicht durch die Mitarbeiter des beklagten Kreises nicht dargelegt. Nicht vorgetragen hat die Klägerin insbesondere, auf welcher Tatsachengrundlage die Mitarbeiter des beklagten Kreises verpflichtet gewesen sein sollen, weitere Ermittlungen hinsichtlich eines möglichen Alkoholabusus durch die biologische Mutter während der Schwangerschaft anzustellen und welche weiteren Ermittlungen diesen denn möglich gewesen wären.
37Die noch mit der Klage erhobene Behauptung, der leiblichen Mutter seien drei leibliche Kinder von der Jugendbehörde wegen Gefährdung der Kinder weggenommen worden, ist mit der Replik fallen gelassen worden. Diese sind vielmehr nach der Trennung der leiblichen Eltern mit dem Vater weggezogen und wurden in der Folge von deren Schwester betreut. Daraus lässt sich für eine Alkoholabhängigkeit oder einen Alkoholmissbrauch der leiblichen Mutter während der Schwangerschaft nichts ableiten.
38Die Klägerin trägt auch nicht vor, dass körperliche Merkmale des Kindes Anlass gaben, weitere Ermittlungen hinsichtlich eines möglichen FAS anzustellen. FAS-Kinder sind – wie gerichtsbekannt ist – häufig untergewichtig, haben u.a. häufig schmale Oberlippen und kleine Augen. Dass derartige Merkmale bei B derart ausgeprägt waren, dass Mitarbeitern des beklagten Kreises der Verdacht eines FAS kommen musste, trägt die Klägerin allerdings nicht vor. Hiergegen spricht auch, dass der behandelnde Kinderarzt keine entsprechende Verdachtsdiagnose gestellt hat. Dieser hat nach dem Sach- und Streitstand lediglich ein im Verhältnis zum Lebensalter geringes Gewicht festgestellt, dies aber – nachvollziehbar - auf die Frühgeburt zurückgeführt.
39Auch im Hinblick darauf, dass der leibliche Vater von B unstreitig alkohol- und drogenabhängig war und die leibliche Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis mit diesem zusammen lebte, ist ein Verstoß gegen die sich aus § 7 Abs. 1 AdVermG ergebende Ermittlungspflicht nicht vorgetragen. Der Abusus des leiblichen Vaters lässt einen Rückschluss auf einen Alkoholkonsum der leiblichen Mutter in der Schwangerschaft nicht zu. Ein Verstoß gegen die sich aus § 7 Abs. 1 AdVermG ergebende Ermittlungspflicht kommt vor diesem Hintergrund nur in Betracht, wenn sich den Mitarbeitern des beklagten Kreises die konkrete Möglichkeit bot, zum Alkoholkonsum der leiblichen Mutter in der Schwangerschaft weitere Ermittlungen anzustellen. Die Klägerseite trägt jedoch nicht vor, welche konkreten Ermittlungsmöglichkeiten sich für die Mitarbeiter des beklagten Kreises konkret boten. Denkbar scheint allein, dass man den leiblichen Vater zum Alkoholkonsum der leiblichen Mutter im fraglichen Zeitraum hätte befragen können.
40Selbst wenn man in der Unterlassung einer derartigen Befragung des leiblichen Vaters Bs eine Amtspflichtverletzung der Mitarbeiter des beklagten Kreises sieht, fehlt es jedenfalls an der Ursächlichkeit für den behaupteten Schaden. Die Klägerin hat nicht vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt, welche Informationen bei einer solchen Befragung zu Tage getreten wären und welche Konsequenzen die Klägerin aus diesen Informationen gezogen hätte.
412.
42Ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG steht der Klägerin ferner auch nicht wegen einer Verletzung von Beratungs- und Mitteilungspflichten im Rahmen der Adoptionsvermittlung zu.
43Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass es den Mitarbeitern des beklagten Kreises gemäß § 9 Abs. 1 AdVermG oblag, die Klägerin und ihren Mann im Rahmen der Adoptionsvermittlung umfassend zu beraten und zu unterstützen. Hierbei handelt es sich auch nach Auffassung der Kammer um drittschützende Amtspflichten im Sinne von § 839 Abs. 1 BGB.
44Eine schadensursächliche Verletzung dieser Beistands- und Beratungspflichten hat die Klägerin jedoch nicht dargelegt.
45a)
46Hierbei kann die zwischen den Parteien streitige Frage offen bleiben, ob die Klägerin und ihr Ehemann über den Alkohol- und Drogenmissbrauch des leiblichen Vaters von B und über die Angaben der leiblichen Mutter zu ihrem eigenen Alkoholkonsum und den ihrer Mutter informiert wurden.
47aa)
48Die Klägerin hat nicht vorgetragen oder unter Beweis gestellt, dass sie aus den Informationen, welche den Mitarbeitern des beklagten Kreises nach dem Sach- und Streitstand zur Verfügung standen, den Schluss gezogen hätte, dass die leibliche Mutter Bs über ihren eigenen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft gelogen hat und dass daher ein für sie nicht tolerierbares Risiko einer alkoholbedingten Schädigung Bs bestand.
49Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nicht dargelegt, wie sie sich bei – ihrer Meinung nach – pflichtgemäßem Verhalten der Mitarbeiter des beklagten Kreises verhalten hätte. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass sie in diesem Fall von einer Adoption abgesehen hätte. Dies ist aus Gründen familiärer Rücksichtnahme sicherlich verständlich. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch erfordert es jedoch, dass die behaupteten Amtspflichtverletzungen der Mitarbeiter der Beklagten für den behaupteten Schaden ursächlich waren. Hierfür ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet. Hiervon kann auch nicht im Hinblick auf mögliche familiäre Konsequenzen abgesehen werden.
50Soweit die Klägerin erstmals in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 13.07.2018 und vom 20.08.2018 nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass sie bei pflichtgemäßem Verhalten der Mitarbeiter des beklagten Kreises B nicht adoptiert hätte, ist dieser Vortrag zum einen nach § 296a ZPO nicht mehr zuzulassen. Zum anderen genügt der Vortrag auch nicht zur Darlegung einer Kausalität. Die Klägerin stellt hierzu im Schriftsatz vom 13.07.2018 lediglich darauf ab, dass sie das Opfer eines schwerstgeschädigten Kindes nicht auf sich genommen hätte. Darauf kommt es jedoch nicht an, denn auch auf der Grundlage des Klagevortrages war zum Zeitpunkt der Adoptionsentscheidung noch nicht klar, ob sich bei B ein FAS entwickeln und welche Auswirkungen dieses auf ihr Leben haben würde. Erkennbar war auch nach dem Klägervortrag allenfalls ein entsprechendes Risiko.
51Dass die Klägerin von der Adoption abgesehen hätte, hätte sie von dem Alkohol- und Drogenabusus des leiblichen Vaters und den Angaben der leiblichen Mutter zu dem Alkoholkonsum ihrer Mutter, sowie dem damit nach dem Klägervorbringen verbundenen Risiko einer alkoholbedingten Schädigung von B gewusst, trägt die Klägerin hingegen auch mit den nicht nachgelassenen Schriftsätzen weder vor noch tritt sie hierfür hinreichenden Beweis an.
52Entsprechendes folgt insbesondere nicht aus der mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13.07.2018 vorgelegten Seite 8 des Formulars vom 24.03.1997 (Bl. ### d.A.). In diesem ist zwar augenscheinlich das Wort „Alkoholikern“ umrandet, so dass dem Formular zu entnehmen wäre, dass die Klägerin und ihr Ehemann angegeben hätten, es würde sie beunruhigen, sollte das zu adoptierende Kind aus einer Alkoholikerfamilie stammen. Das Formular vom 24.03.1997 hat der beklagte Kreis jedoch bereits mit der Klageerwiderung in Gänze als Anlage B2 vorgelegt. In der Anlage B2 befindet sich jedoch – anders als bei der mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 13.07.2018 vorgelegten Seite 8 des Formulars – eindeutig keine Umrandung des Wortes „Alkoholikern“.
53Ferner hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Vornahme der behaupteten unterlassenen Mitteilungen sie zu weiteren Untersuchungen von B veranlasst hätte, die dann – trotz der unauffälligen U-Untersuchungen – noch vor einer Adoptionsentscheidung die Diagnose eines FAS erbracht hätten.
54Entsprechender Vortrag wäre für eine schlüssige Klage jedoch notwendig, denn eine positive Kenntnis der Mitarbeiter der Beklagten des (streitigen) Vorliegens eines FAS bei B und der sich daraus später ergebenden Schwierigkeiten im Rahmen der Erziehung behauptet auch die Klägerin nicht.
55Entscheidend wäre nicht, selbst wenn man den verspäteten Vortrag zulassen würde, ob die Klägerin die Adoptionsentscheidung noch einmal treffen würde, wenn sie zum Zeitpunkt der Adoptionsentscheidung von der später zu Tage getretenen Erkrankung Bs und von deren späteren Verlauf gewusst hätte. Vielmehr wäre auch nach dem Klägervortrag entscheidend, wie die Klägerin gehandelt hätte, wäre sie über den Alkohol- und Drogenkonsum in der leiblichen Familie Bs und das sich hieraus ergebende Risiko einer alkoholbedingten Schädigung aufgeklärt worden. Hierzu trägt die Klägerin jedoch auch mit den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 13.07.2018 und vom 20.08.2018 nichts vor.
56b)
57Eine schadensursächliche Verletzung der Beratungs- und Unterstützungspflichten aus § 9 Abs. 1 AdVermG kann ferner nicht darin gesehen werden, dass die Mitarbeiter des beklagten Kreises die Klägerin und ihren Ehemann nicht vorsorglich über das Krankheitsbild FAS und die bei einer Adoption jedenfalls abstrakt immer bestehende Gefahr einer solchen Erkrankung aufgeklärt haben.
58Nach dem Sach- und Streitstand bestand bis zur Adoption keine Veranlassung, das konkrete Vorliegen eines FAS bei B zu vermuten. Insbesondere hat der behandelnde Kinderarzt im Rahmen seiner Untersuchungen keine entsprechende Verdachtsdiagnose gestellt. Zudem entwickelte sich B ausweislich des Vermerkes vom 21.10.1998 gut. Vor diesem Hintergrund bestand kein Anlass zu einer entsprechenden Aufklärung. Die Pflicht zur Unterstützung und Beratung der Adoptionseltern nach § 9 Abs. 1 AdVermG umfasst nicht die Pflicht, über jedes denkbare Krankheitsbild aufzuklären, das sich im Laufe des Lebens des Adoptivkindes ergeben kann.
59Die Adoption eines Kindes ist stets mit einem gewissen Risiko verbunden, denn die weitergehende Entwicklung ist weder für die Adoptionsvermittlungsstelle, noch für die leiblichen Eltern, noch für die Adoptiveltern absehbar. Dieses allgemeine Lebensrisiko kann nicht durch Begründung umfassender Aufklärungspflichten über alle denkbaren Entwicklungen auf den beklagten Kreis als Träger der Adoptionsvermittlungsstelle übertragen werden.
60Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt oder unter Beweis gestellt, dass sie bei Aufklärung über die abstrakte Gefahr eines FAS von der Adoption abgesehen hätte.
61Soweit die Klägerin vorgetragen hat, bei Aufklärung über das Risiko eines FAS wäre das FAS-Syndrom jedenfalls vor Ablauf der 3-jährigen gesetzlichen Adoptionsanfechtungsfrist erkannt worden, ist dieser Vortrag unsubstantiiert. Die Klägerin trägt nicht hinreichend substantiiert vor, dass das FAS bei B im damaligen Alter überhaupt erkennbar war. Auch die Voraussetzungen einer Adoptionsaufhebung nach § 1760 BGB sind nicht dargelegt. In Frage kommt hier allenfalls eine Aufhebung nach § 1760 Abs. 2 c) BGB wegen arglistiger Täuschung über den Gesundheitszustand von B. Hierzu ist aber schon nicht vorgetragen, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes positive Kenntnis von einem FAS hatten. Zudem ist eine Anfechtung wegen gesundheitlicher Probleme eines adoptierten Kindes nur möglich, wenn sie dem Kindeswohl dient (vgl. MüKoBGB/Maurer BGB § 1760 Rn. 35-36). Das wäre hier nicht der Fall gewesen.
623.
63Auch den geltend gemachten Schaden in Höhe von 96.000,00 € aufgrund der behaupten Amtspflichtverletzungen trägt die Klägerin nicht substantiiert vor.
64Als Schaden im Sinne der § 249 ff. BGB in Betracht kommen lediglich diejenigen Vermögensaufwendungen, welche die Klägerin aufgrund der Adoption für B gemacht hat. Nur insoweit kann das Vermögen der Klägerin durch die behaupteten Amtspflichtverletzungen beeinträchtigt worden sein. Ein ersatzfähiger Vermögensschaden liegt nach der anzuwendenden Differenzhypothese nur vor, soweit der Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist, als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis hätte (vgl. BGH NJW 2011, 1962 m.w.N.).
65Welche Aufwendungen die Klägerin für B seit ihrer Adoption gemacht hat und welche Vorteile in Form von Kindergeldzahlungen des Staates oder Unterhaltszahlungen ihres früheren Ehemanns dem gegen zu rechnen sind, trägt die Klägerin jedoch nicht vor.
66Die Klägerin stellt vielmehr auf den Vorteil des beklagten Kreises durch erspartes Pflegschaftsgeld ab. Auf diesen kommt es jedoch nicht an. Insbesondere kennt das deutsche Zivilrecht eine derartige Pflicht zur schadensrechtlichen Herausgabe des erlangten Vorteils nicht.
67II.
68Da der von der Klägerin in der Hauptsache geltend gemachte Amtshaftungsanspruch nicht besteht, stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Nebenansprüche auf Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu.
69III.
70Auch der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Feststellungsanspruch besteht nicht. Da die Klägerin einen Amtshaftungsanspruch gegen den beklagten Kreis nicht schlüssig dargelegt hat, hat sie auch keinen Anspruch auf Feststellung einer Ersatzpflicht des beklagten Kreises für die Zukunft.
71IV.
72Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 13.07.2018 und vom 20.08.2018 geben der Kammer keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Auch der neue Vortrag in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen war nicht geeignet, dem Klagebegehren zum Erfolg zu verhelfen.
73V.
74Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
75Streitwert: 101.000,00 €