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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 36.452,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2013 und weitere EUR 36.452,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen einer verspätet ausgelieferten Sendung in Anspruch.
3Die Klägerin, die als Bauunternehmen tätig ist, lieferte am 29.04.2013 um 13:40 Uhr eine Sendung mit einem Gewicht von 398 g bei der Filiale der Beklagten in X ein. Die Sendung sollte bei der Empfängerin, der Firma F GmbH & Co. KG, bis 10:00 Uhr am 30.04.2013 zugestellt werden. Die Klägerin wählte dafür „Y“ als Versandmethode und zahlte die entsprechenden Portokosten. Sie offenbarte gegenüber der Beklagten den Inhalt der Sendung nicht. Der Expressbrief mit der Sendungsnummer ## #### #### # $$ erreichte die Empfängerin F GmbH & Co. KG erst um 11:45 Uhr am 30.04.2013.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.05.2013 (vgl. Anl. K10, Bl. ## d. A.) meldete die Klägerin auf die verspätete Lieferung bezugnehmend Schadensersatzansprüche dem Grunde nach gegenüber der Y in G an. Die E GmbH bat mit Schreiben vom 31.05.2013 um weitere Unterlagen und ergänzende Informationen (vgl. Anl. K11, Bl. ## d. A.). Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 29.07.2013 (vgl. Anl. K12, Bl. ## ff. d. A.) forderte die Klägerin die E GmbH auf, Schadensersatz in Höhe von EUR 36.452,00 wegen der verspäteten Zustellung mit Frist bis zum 31.08.2013 zu leisten. Eine Zahlung erfolgte hierauf nicht.
5Mit Schreiben vom 12.08.2013 (vgl. Anl. K13, Bl. ### d. A.) teilte das Schadenmanagement der hiesigen Beklagten mit, die Bearbeitung des Schadenfalles übernommen zu haben und bat, die weitere Korrespondenz mit ihr zu führen, lehnte eine Haftung aber ab.
6Die Klägerin behauptet, Inhalt der Sendung sei ein Angebot von ihr für eine Ausschreibung der Empfängerin F GmbH & Co. KG zur Erhöhung einer Kaiwand am Fährhaus im Westhafen von H gewesen. Ihr Angebot sei das wirtschaftlichste gewesen und habe daher den Zuschlag bei der Ausschreibung durch die Firma F GmbH & Co. KG erhalten müssen, wenn das Angebot rechtzeitig vor Ende der Einreichungsfrist am 30.04.2015 um 11:00 Uhr eingegangen wäre. Die Empfängerin habe das Angebot der Klägerin wegen des Verstreichens der Angebotsfrist ausgeschlossen.
7Der Klägerin sei dadurch ein Gewinn in Höhe von 4,5% der Angebotssumme von netto EUR 810.044,52 entgangen, also EUR 36.452,00, sowie der Deckungsbeitrag in Höhe von 4% für allgemeine Geschäftskosten und 0,5% für Wagnis, mithin weiteren EUR 36.452,00. Aufwendungen habe die Klägerin durch den nicht erteilten Auftrag der F GmbH & Co. KG nicht erspart, da sie insbesondere die erforderlichen fünf Mitarbeiter zunächst von anderen Langzeitprojekten abgezogen und dort eingesetzt hätte. Mittelfristig hätte sie drei neue Mitarbeiter für dieses Projekt eingestellt, die im Anschluss wiederum auf anderen Baustellen eingesetzt worden wären. Hinsichtlich der allgemeinen Geschäftskosten und Gewinnanteile haben ersparte Personalkosten keinerlei Auswirkungen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Kapazität der Klägerin vorwiegend durch die Führungsstruktur vorgegeben werde und die Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt nicht ausgelastet gewesen sei.
8Ursprünglich hat die Klägerin die Klage gegen die E GmbH gerichtet. Die Klägerin hat die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2014 gegen die vormalige Beklagte zurückgenommen und zunächst beantragt, die jetzige Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von EUR 36.452,00 nebst Zinsen und weitere EUR 1.590,50 zuzüglich Zinsen zu zahlen.
9Sodann hat die Klägerin die Klage erweitert und beantragt nunmehr,
101. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von EUR 36.452,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 01.09.2013 zu zahlen,
112. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 36.452,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 01.09.2013 zu zahlen,
123. die Beklagte zu verurteilen, einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 1.590,50 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 16.09.2013 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bestreitet den Inhalt der Sendung und dass, selbst wenn das behauptete Angebot Inhalt der Sendung gewesen wäre, die Klägerin bei rechtzeitigem Zugang den Zuschlag bei der Ausschreibung erhalten hätte. Weiterhin bestreitet die Beklagte, dass das Vergabeverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Sie behauptet, bei Kenntnis vom Inhalt der Sendung wäre eine andere Liefermethode vorgeschlagen worden. Zudem behauptet sie, die Klägerin habe durch die Nichterteilung des Auftrags Einsparungen gehabt und bestreitet die Höhe der von der Klägerin behaupteten Schadenssumme. Jedenfalls der Deckungsbeitrag sei ihr nicht entgangen. Die Klägerin habe sämtliche Mitarbeiter beschäftigt und sei zur Auslastung des Unternehmens nicht auf das ausgeschriebene Projekt der F GmbH & Co. KG angewiesen gewesen.
16Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe bezüglich des Schadens ein Mitverschulden zu tragen, da sie auf die Möglichkeit eines ungewöhnlich hohen Schadenseintritts zumindest habe hinweisen müssen.
17Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 19.01.2015 und vom 01.06.2015. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. I vom 02.03.2015 (Bl. ### ff. d. A.) und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 15.07.2015 Bezug genommen. Die Klage ist der Beklagten am 17.06.2014, die Klageerweiterung am 10.10.2014 zugestellt worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle zu der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2014, 17.11.2014, 27.05.2015 und 15.07.2015 Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Klage hat in der Sache weit überwiegend Erfolg.
21I.
22Der klageerweiternd geltend gemachte Anspruch stellt eine stets zulässige Klageänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO dar.
23II.
24Die Klage ist größtenteils begründet.
25Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch in Gesamthöhe von EUR 72.904,00 gemäß § 425 Abs. 1 HGB wegen der verspäteten Zustellung der von der Klägerin am 29.04.2013 in Auftrag gegebenen Sendung. Gemäß § 425 Abs. 1 HGB haftet der Frachtführer für den Schaden, der durch die Überschreitung der Lieferfrist entsteht. Gemäß § 423 HGB Ist der Frachtführer verpflichtet, das Frachtgut innerhalb der vereinbarten Frist oder in Ermangelung einer solchen innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen Frachtführer unter Berücksichtigung der Umstände vernünftigerweise zuzubilligen ist.
261.
27Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Frachtvertrag gemäß § 407 HGB zustande gekommen, bei dem sie vereinbart haben, dass der Express-Brief am 30.04.2013 bis 10:00 Uhr bei der F GmbH & Co. KG auszuliefern sei. Das ist, wie die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits unstreitig gestellt hat, nicht geschehen, da die Beklagte die Sendung tatsächlich erst am 30.04.2013 gegen 11:45 Uhr bei der Empfängerin abgeliefert hat.
282.
29Durch die verspätet eingegangene Lieferung ist der Klägerin ein kausaler Schaden in Höhe von insgesamt EUR 72.904,00 entstanden.
30a.
31Denn im Falle der Lieferung innerhalb der vereinbarten Frist hätte die Klägerin den Zuschlag für die Erhöhung der Kaiwand erhalten. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest.
32Nach überzeugender Aussage des Zeugen T (Bl. ### f. d. A.), der Mitarbeiter der Empfängerin ist und bei dem kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtstreits festzustellen ist, enthielt die verspätet eingelieferte Sendung ein Angebot der Klägerin mit Bezugnahme auf die Ausschreibung für die Erhöhung einer Kaimauer in H. Das Angebot der Klägerin war laut dem Zeugen auch das wirtschaftlichste, da es günstiger als die restlichen eingegangenen (inklusive der zwei weiteren verspätet eingegangenen) Angebote gewesen ist. Ausschließliches Kriterium für die Vergabe war nach der Zeugenaussage bei dieser konkreten Ausschreibung der Preis. Insofern kann sich die Beklagte nicht erfolgreich darauf stützen, dass bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung neben dem Preisargument auch andere Kriterien berücksichtigt werden müssen. Der Zeuge T ist ferner in der Lage die Wirtschaftlichkeit in kompetenter Weise einzuschätzen, da er bei der Firma F GmbH & Co. KG für die Bewertung der Angebote zuständig ist. Dem steht nicht entgegen, dass der jeweilige Vorschlag des Zeugen noch in der Zentrale in C abzusegnen ist. Der – einzige - Vorschlag wird laut dem Zeugen in aller Regel übernommen, wenn nicht außergewöhnliche Umstände hinzutreten, die hier aber nicht vorlagen. Aufgrund der Aussage des Zeugen und dem Umstand, dass das günstigste rechtzeitig eingegangene Angebot den Zuschlag erhalten hat, ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin den Zuschlag für die Arbeiten an der Kaiwand erhalten hätte, bewiesen.
33Dass das Vergabeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, stellt darlegungspflichtige Beklagte nicht substantiiert dar. Ein Verstoß gegen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, insbesondere gegen §§ 14, 16 VOB/A liegt nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, warum das Öffnen der verspätet eingetroffenen Angebote zu einer Anfechtungsmöglichkeit des Verfahrens führen soll, da die Angebote aus reinem Interesse begutachtet, nachweislich aber nicht berücksichtigt worden sind.
34b.
35(1)
36Der Klägerin ist ein Schaden in der Gesamthöhe von 72.904,00 EUR entstanden gemäß §§ 249 Abs. 1, 252 BGB. Dieser setzt sich zusammen aus 36.452,00 EUR für entgangenen Gewinn (4,5% der kalkulierten Angebotssumme) und weiteren 36.452,00 EUR, die sich aus den allgemeinen Geschäftskosten (4%) und der Wagnis (0,5%) ergeben. Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. I (Bl. ### f. d. A.) steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der von der Klägerin berechnete Gewinn sowie die Wagnis nicht zu hoch kalkuliert wurden, sondern branchenüblich sind. Bezüglich der allgemeinen Geschäftskosten hat die Klägerin sogar niedriger kalkuliert als es in der Baubranche üblich ist.
37(2)
38Die Klägerin muss sich keine ersparten Aufwendungen schadensmindernd anrechnen lassen. Sie hat ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich möglicher ersparter Aufwendungen genüge getan, indem sie offengelegt hat (Bl. ### f. d. A.), welche weiteren Projekte sie während der vorgesehenen Bauzeit für die Erhöhung der Kaimauer bearbeitet hat und welche personellen Kapazitäten benötigt worden sind. Die allgemeinen Geschäftskosten sind nach dem Vortrag der Klägerin für das Personal aus der Geschäftsführung angefallen und haben sich durch den fehlenden Auftrag der F GmbH & Co. KG nicht reduziert. Im Falle eines Zuschlags bei der Ausschreibung hätte man zwar mittelfristig drei zusätzliche Arbeitskräfte einstellen müssen, doch dieser Umstand ist aus zweierlei Gründen nicht als ersparte Aufwendung zu berücksichtigen: Zum einen wären die Arbeitskräfte auch über den Projektzeitraum hinaus auf anderen Baustellen beschäftigt worden und zum anderen waren diese Kosten in der kalkulierten Summe für die allgemeinen Geschäftskosten ohnehin nicht eingeflossen.
39Diesen Vortrag nimmt die Kammer als unstreitig an, da, soweit die Beklagte diesen Vortrag bestreitet, ihr Bestreiten nicht substantiiert und dem Beweis nicht zugänglich ist. Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin sei zur Auslastung ihres Unternehmens nicht auf den beworbenen Auftrag angewiesen gewesen, erfolgt ersichtlich pauschal und ist nicht geeignet, den insoweit nachvollziehbaren gegenteiligen Vortrag der Klägerin zu entkräften. Ihrer Darlegungs- und Beweislast, dass der Klägerin tatsächlich keine allgemeinen Geschäftskosten entstanden sind, genügt die Beklagte damit nicht.
40Soweit die Beklagte diesbezüglich eine falsche Kalkulation der Klägerin moniert, wie sie auch der Sachverständige in seinem Gutachten festgestellt hat, kann sie diesen Umstand nicht für sich fruchtbar machen. Denn der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass die allgemeinen Geschäftskosten in Höhe von 4% niedriger als branchenüblich veranschlagt worden sind (Bl. ### d. A.).
41c.
42Die Haftung der Beklagten besteht hinsichtlich des gesamten kausalen Schadens.
43(1)
44Eine Beschränkung der Haftung ergibt sich insbesondere nicht aus § 431 Abs. 3 HGB. Zwar haftet der Frachtführer grundsätzlich für jeden nachgewiesenen konkreten Schaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB nur bis zur Höchstsumme des dreifachen Betrages der Fracht gemäß § 431 Abs. 3 HGB.
45Die Haftungsbegrenzung bis zur Höchstsumme des dreifachen Betrags gemäß § 431 Abs. 3 HGB ist entfallen, da die Hilfspersonen der Beklagten im Sinne von § 428 HGB zumindest leichtfertig gemäß § 435 HGB in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, gehandelt haben.
46Die Beweislast für ein solches Fehlverhalten des Frachtführers liegt grundsätzlich bei der Klägerin. Diese trägt zwar zum Grund der Verspätung nicht vor, jedoch ist ihr dies mangels Einblick in das zum Schaden führende Verhalten der Beklagten auch nicht möglich. Die Beklagte hat zu der in ihrer Sphäre liegenden Behandlung der Sendung nach der Einlieferung bei ihr nicht in für die Klägerin einlassungsfähiger Weise vorgetragen. Sie hat nicht dargelegt, dass sie besondere Vorkehrungen zur Sicherstellung einer termingerechten Beförderung getroffen hat.
47Den Frachtführer trifft für diesen Fall eine sekundäre Darlegungslast, der die Beklagte, in Ermangelung eigenen Vortrags zu ihrer Art und Weise des Transports sowie zu den getroffenen Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von nicht rechtzeitigen Lieferungen, nicht genügt. Es ist Aufgabe des Frachtunternehmers Sendungen sicher und zügig zu transportieren, indem er geeignete Fahrtrouten plant und das Transportgut sorgsam behandelt. Ansonsten trifft ihn ein Organisationsverschulden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 24.05.2005, Az. 3 U 495/14, Rn. 20 ff. m. w. N.). Dabei ist von einem idealen Frachtführer und der „menschenmöglichen“ auszugehen, der Maßstab ist insofern erheblich strenger als in § 276 BGB (vgl. Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 426 Rn. 2 m. w. N.). Das Risiko der nicht rechtzeitigen Zustellung kann von dem Frachtführer besser kontrolliert werden als vom Auftraggeber. Wenn die Beklagte eine Expresslieferung anbietet, so muss sie sicherstellen, dass die rechtzeitige Zustellung möglich ist und andernfalls den Auftrag ablehnen. Durch anstandslose Entgegennahme der Sendung hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie für die rechtzeitige Lieferung einstehen wird. Unerheblich ist dabei, dass die vereinbarte Lieferfrist lediglich um 105 Minuten überschritten worden ist. Die Beklagte bietet verschiedene Lieferzeiten (bis 9 Uhr, bis 10 Uhr, bis 12 Uhr) an, für die je nach Uhrzeit auch höhere Gebühren zu entrichten sind. Würde es sich bei der Angabe der Uhrzeit nur um eine unverbindliche Zusage handeln, so muss dies auch deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Zudem wäre die Abstufung der Gebühren dann unberechtigt.
48(2)
49Ein Ausschluss der Haftung resultiert auch nicht aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. ### f. d. A.) der Beklagten. Die darin verwendete Klausel, wonach ein vom Versand ausgeschlossenes Gut im Wert von über 25.000 EUR einen Haftungsausschluss begründen soll, greift nicht ein, da der materielle Wert der Sendung lediglich in Höhe der geringen Papierkosten besteht. Weiterhin ist ein pauschaler Ausschluss der Haftung für entgangenen Gewinn gemäß § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, da dieser den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Die Haftung für eine verspätete Auslieferung stellt eine Kardinalpflicht dar, da die Freizeichnung hiervon die Leistungszusage des Verwenders aushöhlen und dem Kunden die vertragliche Rechtsposition wieder entziehen würde (vgl. BGH NJW 1988, 1785, 1787).
50Das in § 309 Nr. 7b BGB normierte Klauselverbot, wonach es unzulässig ist die Haftung für grobes Verschulden auszuschließen, findet zwischen Unternehmern zwar keine Anwendung. Der Rechtsgedanke der Klauselverbote wird jedoch auch zwischen Unternehmern im Rahmen des § 307 Abs. 2 BGB berücksichtigt (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 307, Rn. 40). Unangemessen ist die Benachteiligung, wenn der Verwender eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dafür einen Ausgleich zu schaffen. Ein Ausgleich zugunsten des Vertragspartners ist aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht ersichtlich. Weiterhin ist auch die Versicherbarkeit bei der Prüfung der Unangemessenheit zu berücksichtigen. Der Verwender kann sein Risiko durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung gering halten, während der Kunde üblicherweise keinen Versicherungsschutz gegen eine nicht rechtzeitige Lieferung besitzt (vgl. BGH NJW 2002, 673, 675).
51(3)
52Da keine Beförderung von Briefen oder briefähnlichen Sendungen vorliegt, kann die Beklagte auch nicht damit durchdringen, sich auf in § 449 HGB vorgesehene Möglichkeit der Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen zu berufen. Diese kann keine Anwendung finden, weil die Beklagte selbst die gewählte Beförderung als Frachtgut einordnet und unter E Paket bezeichnet (vgl. OLG Köln, 3 U 195/04, Urteil v. 24.05.2005).
53(4)
54Ein Mitverschulden seitens der Klägerin gemäß §§ 425 Abs. 2, 254 BGB besteht nicht.
55Gemäß § 425 Abs. 2 HGB hängt der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes davon ab, in welchem Maße bei der Entstehung desselben ein Verhalten des Absenders mitgewirkt hat. Diese Norm findet nach zutreffender, herrschender Ansicht auch Anwendung, wenn dem Frachtführer ein qualifiziertes Verschulden zur Last gelegt wird gemäß § 435 HGB (st. Rspr. d. BGH, vgl. BGH NJW-RR 2004, 396; a. A. Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, § 435, Rn. 19a).
56Eine unterlassene Wertdeklaration kann bei besonderem Wert des Frachtgutes zu einer Anspruchsminderung führen, wenn der Frachtführer bei zutreffender Wertangabe seine Sorgfaltspflicht besser erfüllt und das Transportrisiko dadurch verringert hätte (vgl. BGH TranspR 2004, 401). Es kann dahinstehen, dass die Beklagte ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt haben dürfte, da eine Situation mit einem tatsächlich verkörperten hohen Wert der Sendung nicht auf den hier vorliegenden Sachverhalt übertragbar ist, in dem der Wert der eigentlichen Sendung unstreitig nicht besonders hoch war, sondern lediglich die Papierkosten betraf.
57Eine Pflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten auf die Möglichkeit eines außergewöhnlichen Schadenseintritts hinzuweisen, bestand aus Sicht der Kammer ebenfalls nicht. Zum einen wies die Sendung selbst keinen hohen Wert auf, sondern beinhaltete lediglich Dokumente, die zur Erwirtschaftung eines Wertes vorgesehen waren.
58Zum anderen ist dem Absender nur sozialinadäquates Verhalten anzulasten (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, § 425, Rn. 101), wie schuldhafte Verstöße gegen vertragliche Pflichten aus dem Beförderungsvertrag. Dabei dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen an den Absender gestellt werden und das Verschulden der Geschädigten muss gravierend sein (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, § 435, Rn. 19a f.). Eine solche Pflichtverletzung ist der Klägerin nicht vorzuwerfen. Sie vertraute zu Recht darauf, dass die Sendung rechtzeitig zugestellt werden würde. Es bestand kein Anlass, von sonstigen Widrigkeiten oder der Unzuverlässigkeit der Beklagten auszugehen, die angesichts ihrer Struktur als Großunternehmen in der Lage sein muss, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Lieferungen rechtzeitig zuzustellen.
59Eine generelle Aufklärungspflicht bei Sendungen, die für den Absender eine große finanzielle Bedeutung haben können (z.B. Bewerbungen, Schreiben an Behörden), würde ausufern und ist daher abzulehnen. Die Aufklärungspflicht ist hierbei im Einzelfall zu bewerten (vgl. BGH, Urteil v. 03.07.2008, TranspR 2008, 394, 396 f.) und die Sendung der Klägerin war keiner besonderen Gefahr der Beschädigung oder des Verlustes durch Diebstahl ausgesetzt. Die Dokumente stellen viel mehr ein relativ gefahrlos zu transportierendes Gut dar, das auch für einen außenstehenden Dritten keinen besonderen Wert verkörpert.
60Ferner liegt es bereits in der Natur der Expresszustellung, dass die rechtzeitige Auslieferung von erheblicher Bedeutung für den Auftraggeber ist. Ansonsten könnte der Auftraggeber auch von der günstigeren herkömmlichen Versandmethode Gebrauch machen, die dann keinen Nachteil gegenüber der Expresszustellung bieten würde.
61Schließlich kann sich die Klägerin nicht überzeugend darauf berufen, bei Kenntnis vom Inhalt der Sendung, eine andere Liefermethode vorgeschlagen zu haben. Bei der deutlich teureren Expresslieferung darf der Auftraggeber bereits davon ausgehen, dass die Sendung mit erhöhter Sorgfalt behandelt wird. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf die Rechtzeitigkeit der Zustellung. Der Frachtführer muss im Rahmen der Expresslieferung besondere Vorkehrungen treffen, um eine termingerechte Beförderung zu gewährleisten, ansonsten ist seine Betriebsorganisation fehlerhaft (vgl. OLG Köln, 3 U 195/04, Urteil v. 24.05.2005). Anders ist dies nur zu beurteilen, wenn der Absender abschätzen kann, dass mit der gewählten Versandmethode erhebliche Risiken verbunden sind (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, § 425, Rn. 106) und eine noch teurere Art des Versand daher geboten ist. Diesbezüglich ergaben sich für die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte. Der Verweis der Beklagten auf ihr Angebot der noch schnelleren „D“ Lieferung weiß hierbei nicht zu überzeugen, denn der Absender darf die für ihn effektivste Lösung als Kombination aus Preis und Zustellungszeit auswählen. Es besteht keine Pflicht des Auftraggebers auf übervorsichtige Art und Weise zu agieren. Sonst könnte sich der Frachtführer mit Verweis auf eine jeweils teurere Versandart zu leicht der Haftung entziehen (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, § 425, Rn. 100).
623.
63Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen fehlender Schadensanzeige innerhalb der gesetzlichen Frist gemäß § 438 Abs. 3 HGB erloschen. Denn die Klägerin hat mit Schreiben vom 10.05.2013 an die Y ihrer Anzeigepflicht genüge getan, weil diese die Beklagte bei der Entgegennahme der Anzeige wirksam vertreten hat gemäß § 164 Abs. 1, Abs. 3 BGB. Soweit die Beklagte sich nunmehr darauf beruft, die überschrittene Lieferzeit sei ihr nicht angezeigt worden, kann sie damit nicht gehört werden, nachdem sie spätestens mit dem Schreiben vom 12.08.2013 (vgl. Anl. K13, Bl. ### d. A.) ihres Schadenmanagements und der Haftungsablehnung deutlich zu erkennen gegeben hat, dass die Korrespondenz mit der Y ihr zur Kenntnis gelangt ist und sie diese gegen sich gelten lässt.
644.
65Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verzinsung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von 36.452,00 EUR seit dem 01.09.2013 gemäß §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich ab dem 01.09.2013 mit der Zahlung dieses Betrages in Verzug ohne, dass es einer Mahnung bedurft hätte, da sie mit Schreiben vom 12.08.2013 die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert hat.
66Der weitere Betrag in Höhe von 36.452,00 EUR ist seit dem 11.10.2014 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB zu verzinsen, da ihr die Erweiterung der Klage am 10.10.2014 zugestellt worden ist.
67Einen Anspruch auf eine Verzinsung in Höhe von acht Prozentpunkten hat die Klägerin hingegen nicht, da es sich bei ihrer Forderung um keine Entgeltforderung i. S. d. § 288 Abs. 2 BGB handelt.
68III.
69Einen Anspruch auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.590,50 EUR gemäß § 280 Abs. 1 BGB hat die Klägerin nicht. Diese Kosten sind nicht unter dem Gesichtspunkt des normativen Schadensbegriffs zu ersetzen. Die Beauftragung der Anwälte erfolgte bereits vor Ablauf der an die Beklagte gesetzten Frist und daher wären die Kosten trotz des späteren Verzugs der Beklagten ohnehin angefallen.
70IV.
71Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO. Der Beklagten werden die gesamten Prozesskosten gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auferlegt, da die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig war und nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat.
72Der Streitwert wird auf 72.904,00 EUR festgesetzt.
73Rechtsbehelfsbelehrung:
74Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
751. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
762. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
77Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
78Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
79Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
80Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.