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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites werden den Klägerinnen auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
2Die Beklagte betreibt in L die “T“. Hierbei handelt es sich um eine englischsprachige Privatschule in Form einer anerkannten Ergänzungsschule im Sinne von § 118 SchulG NRW (vgl. Verwaltungsgericht Köln, Beschluss v. 12.09.2014 – 10 K 4950/14 = Bl. ##f. d.A.), an der die Kinder nach dem englischen Schulsystem unterrichtet werden. Die Schule strebt eine religiöse und weltanschauliche Neutralität an. Ein konfessioneller Religionsunterricht wird dort nicht erteilt. Darüber hinaus besteht an der Schule eine Uniformpflicht. Die Kleiderordnung nebst Jahrgangsstufung (Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 10.10.2014 = Bl. ## I - ## I d.A.) enthält unter anderem folgenden Passus „Headwear“:
3Headwear is not part of the school uniform and must not be worn on the school premises. (…) Headwear is not to be worn in the school building and has to be taken off when entering.
4Die Schulregeln von “T“ finden sich in den Handbüchern „Lower School Parent Handbook“ und „Secondary School Guide“ (Anlagen 1 und 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.10.2014). Diese Handbücher liegen ebenso wie die Uniformregelung im Büro („School Office“) und an der Pforte der Schule aus und können dort eingesehen werden.
5Im Jahre 2010 meldeten die Eltern die am 31.07.2001 geborenen Klägerinnen an der „T School“ an. Die jeweils von den Eltern unterzeichneten Anmeldeformulare (Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 10.10.2014 = Bl. ## I – ## I und Bl. ## I – ## I d.A.) enthalten neben Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem über der Unterschriftszeile den Zusatz:
6I confirm that I have read and accept all school rules and regulations as set out in the current school prospectus (…).
7Mit Schreiben vom 30.11.2010 begrüßte die „T School“ die Klägerinnen zum Unterrichtsbeginn am 11.01.2011 (Anlage 1, aaO., Bl. ## I und Bl. ## I. d.A.). Seitdem besuchten die Klägerinnen diese Schule.
8In dem bis zum Sommer 2014 dauernden Schuljahr entschlossen sich die Klägerinnen dazu, in dem darauf folgenden Schuljahr das Kopftuch anzulegen. Sie sehen das Kopftuch aufgrund ihres islamischen Normenverständnisses als eine religiöse Pflicht. Der Verzicht auf das Kopftuch führt bei den Klägerinnen zu einer Gewissensbelastung, da sie nach ihrer religiösen Überzeugung der Ansicht sind, sich im Zustand der Sünde zu befinden, wenn sie sich ohne das Kopftuch in der Öffentlichkeit zeigen.
9Nachdem erste Anfragen des Vaters der Klägerinnen bei der Beklagten hinsichtlich des Tragens eines Kopftuches negativ verliefen, wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen mit Schreiben vom 02.12.2013 (Bl. ## - ## d.A.) unter näherer Darstellung der – zwischen den Parteien in tatsächlicher Hinsicht unstreitigen – Diskussion im Schul- und Hochschulwesen in Großbritannien betreffend das Tragen eines Kopftuches mit der Bitte an die Beklagte, das Anliegen der Klägerinnen noch einmal zu überdenken. Hierauf antwortete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 13.02.2014 (Bl. ## - ## d.A.), dass eine ausnahmsweise Gestattung des Tragens eines Kopftuches während der Schulzeit nicht in Betracht komme.
10Nach den Sommerferien des Jahres 2014 erschienen die Klägerinnen zum Beginn des neuen Schuljahres mit einem Kopftuch an der Schule. Ihrem Vater wurde daraufhin telefonisch mitgeteilt, dass die Klägerinnen das Schulgelände mit dem Kopftuch nicht mehr betreten dürften. Diese Anordnung wurde gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen auf dessen Bitte vom 28.08.2014 (Bl. ## d.A.) mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 02.09.2014 (Bl. ## d.A.) bestätigt.
11Mit weiterem Schreiben vom 11.09.2014 (Bl. ## d.A.) wies die „T School“ die Eltern der Klägerinnen auf die bestehende Schulpflicht hin und bat darum, die Klägerinnen umgehend, spätestens aber am 15.09.2014 wieder an dem Unterricht teilnehmen zu lassen, da man sich andererseits gezwungen sehe, die Behörden einzuschalten. Ergänzend wurde auf die Einhaltung der Kleiderordnung der „T School“ hingewiesen, da ansonsten eine vorschriftsgemäße Beschulung nicht erfolgen könne und werde.
12Unter dem 17.11.2014 haben die Eltern der Klägerinnen die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Schulvertrages erklärt. Die ordentliche Kündigung würde den Vertrag zum 20.04.2015 beenden. Die Eltern der Klägerinnen haben die Zahlung des Schulgeldes eingestellt, eine Beschulung der Klägerinnen an der “T School“ erfolgt derzeit nicht.
13Die Klägerinnen haben vor dem erkennenden Gericht – 1 O 364/14 - gegen die Beklagte ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt anhängig gemacht, sie zum Besuch der „T School“ mit Kopftuch zuzulassen, wobei das Kopftuch sich in Farbe und Stoff in die Schuluniform einfügen müsse und dergestalt getragen werde, dass das auf der Schuluniform abgebildete Logo der Schule sichtbar bleibe, was dadurch gewährleistet sei, dass das Kopftuch vorne in den Kragen des Pullovers hineingesteckt werde. Mit am 12.11.2014 verkündetem Urteil hat das erkennende Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Auf die hiergegen von den Klägerinnen eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 11.02.2015 – 17 U 100/14 – darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung nach Maßgabe von § 522 Abs.2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (Bl.### – ### d.A.).
14Die Klägerinnen vertreten die Rechtsansicht, dass ihnen unmittelbar aus Art.4 GG, mindestens jedoch aus der Drittwirkung von Grundrechten, sowie aus dem AGG, aus den Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben und den Vorschriften von § 2 SchulG NRW gegen die Beklagte ein Anspruch auf das Tragen des Kopftuches zustünde. Sie tragen dazu – im Tatsächlichen zwischen den Parteien unstreitig – vor, bei dem Kopftuch handele es sich nicht um ein religiöses Symbol, sondern um ein Kleidungsstück, dessen Tragen Ausdruck einer für verbindlich gehaltenen Normkultur sei, der sich nicht allein in seinem Normcharakter erschöpfe, vielmehr ein Maßstab für den Umgang mit Intimität in der Öffentlichkeit und des damit verbundenen Schamempfindens sei.
15Die Klägerinnen behaupten, bei der Einschulung sei zwischen den Parteien lediglich vereinbart worden, dass die Schüler eine Schuluniform tragen, so wie auch in dem „Lower School Parent Handbook“ gefordert. Eine Kopfbedeckung sei in keiner der bei Vertragsabschluss vorgelegten, ausgelegten oder übersandten Unterlagen erwähnt worden. Im Vorfeld hätten die Eltern der Klägerinnen bei der Einschulung mit dem Zeugen P als Mitarbeiter der Beklagten über die Frage des Kopftuches gesprochen. Dort sei den Eltern versichert worden, dass das Tragen des Kopftuches kein Problem sei, wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass mit Ausnahme der Klägerinnen keine der Schülerinnen an der „T School“ ein Kopftuch trägt.
16Schließlich vertreten die Klägerinnen die Rechtsansicht, dass die vorgelegten Dokumente in englischer Sprache ohne eine deutsche Übersetzung zivilprozessual nicht verwertbar seien.
17Die Klägerinnen beantragen,
18sie zum Besuch der T School mit Kopftuch zuzulassen, wobei das Kopftuch sich in Farbe und Stoff in die Schuluniform einfügen muss und dergestalt getragen wird, dass das auf der Schuluniform abgebildete Logo der Schule sichtbar bleibt, was dadurch gewährleistet ist, dass das Kopftuch vorne in den Kragen des Pullovers hineingesteckt wird.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, die Klägerinnen würden sich mit der Kündigung des Schulvertrages einerseits und dem Klagebegehren andererseits widersprüchlich verhalten. Die Klägerinnen hätten sich mit der Unterzeichnung der Anmeldungen im Jahre 2010 sämtlichen im Tatbestand zitierten Organisationsregeln, insbesondere dem Passus „Headwear“ der Kleiderordnung, unterworfen. Sie behauptet, das Verbot, Kopfbedeckungen im Schulgebäude zu tragen, sei in der Vergangenheit an der „T School“ ausnahmslos umgesetzt worden.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie dem allen Verfahrensbeteiligten bekannten Inhalt der Akten des Landgerichts Bonn – 1 O 364/14 - Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.
25Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, sie entsprechend ihrem Klageantrag zum Besuch der „T School“ mit Kopftuch zuzulassen. Denn ein derartiger Anspruch ergibt sich weder aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Privatschulvertrag, noch aus dem AGG, noch mittelbar oder gar unmittelbar aus den Grundrechten der Klägerinnen, hier insbesondere den Art. 1 Abs.1, 2 Abs.1, 4 Abs.1 und Abs.2 GG.
26Das erkennende Gericht hat hierzu in der am 12.11.2014 verkündeten Entscheidung – 1 O 364/14 - in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, dort unter dem Gesichtspunkt eines Verfügungsanspruches, folgendes ausgeführt:
27Das zwischen den Parteien, auf Seiten der Verfügungsklägerinnen in gesetzlicher Vertretung durch ihre Eltern (§§ 1629 Abs.1, 1626 Abs.1, 106ff. BGB), auf der Grundlage der Anmeldungen des Jahres 2010 zustande gekommene Privatschul- und Unterrichtsverhältnis richtet sich primär nach den Regelungen des Zivilrechts (vgl. OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 1487f.; VG Köln, Beschluss v. 12.09.2014, aaO.). Es handelt sich um ein privatrechtliches Vertragsverhältnis, das nach den Regelungen des Dienstvertragsrechts (§§ 611 ff. BGB) zu beurteilen ist (vgl. OLG Brandenburg, aaO.; Staudinger/Coester, BGB, Neubearb. 2013, § 307 Rd.635).
281. Unmittelbare vertragliche Vereinbarungen der Parteien, die das Begehren der Verfügungsklägerinnen stützen könnten, bestehen nicht. Sie werden auch von den Verfügungsklägerinnen nicht schlüssig vorgetragen. Soweit die Eltern der Verfügungsklägerinnen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, der Zeuge P habe ihnen gegenüber auf die Nachfrage, dass die Verfügungsklägerinnen irgendwann ein Kopftuch tragen würden, gesagt, dass dies kein Problem sei, so begründet dies allein keine hinreichend konkrete und deshalb wirksame vertragliche Vereinbarung (§§ 133, 157, 242 BGB).
29Denn schon der Inhalt der als Anlagen 1 und 2 des Schriftsatzes der Verfügungsbeklagten vom 10.10.2014 zu den Akten gereichten Regelungen, deren Geltung die Eltern der Verfügungsklägerinnen jedenfalls ungeachtet der Frage der vertraglichen Wirksamkeit im Sinne der §§ 305ff. BGB zumindest formell durch ihre Unterschrift bestätigt haben, entkräftet die Wirkungen einer derart pauschalen „Zusage“ erheblich (§ 133 BGB). Darüber hinaus haben die Eltern der Verfügungsklägerinnen die streitige Äußerung des Zeugen weder in den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf des Vertragsschlusses einordnen, noch eine konkrete Grundlage für diese Äußerung des Zeugen schildern können. Die nach alledem nur sinngemäß wiedergegebene Äußerung dieses Zeugen als damaliger schulischer Betreuer der Verfügungsbeklagten begründet deshalb keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit Wirkung für und gegen die Verfügungsbeklagte.
30Dies gilt erst Recht in Anbetracht der Tatsache, dass die erforderliche Vertretungsbefugnis des Zeugen (§ 164 Abs.1 Satz 1 BGB) auch aus den behaupteten Umständen dieser Äußerung nicht abgeleitet werden kann (§ 164 Abs.1 Satz 2 BGB). Denn es ist nichts dafür ersichtlich oder von den Verfügungsklägerinnen dargetan, dass der Zeuge rechtsgeschäftlich bindende Erklärungen für die Verfügungsbeklagte hätte abgeben dürfen oder ein entsprechender Rechtsscheintatbestand hierfür gesetzt worden ist (vgl. etwa Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 164 Rd.1 und – zur Beweislast - Rd.18).
31Darüber hinaus hat der Zeuge P mit eidesstattlicher Versicherung vom 30.10.2014 (Bl. ### d.A.) erklärt, eine derartige Äußerung zu keinem Zeitpunkt und auch nicht sinngemäß abgegeben zu haben.
322. Ein vertraglicher Anspruch der Verfügungsklägerinnen auf Zulassung zum Besuch der „T School“ mit Kopftuch ergibt sich auch nicht in Anwendung der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung in Verbindung mit dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
33Für eine ergänzende Vertragsauslegung fehlt es anschließend an die Erwägungen unter 1. bereits an der erforderliche Regelungslücke, mithin an einer „planwidrigen Unvollständigkeit“ des streitgegenständlichen Privatschul- und Unterrichtsvertrages der Parteien (vgl. dazu nur Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 157 Rd.3ff. m.w.N.). Denn die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ergeben sich aus den im Tatbestand im Einzelnen zitierten Regelungen, die im Hinblick auf die hier zur Diskussion stehenden Fragen der Bekleidung der Schüler einschließlich einer Kopfbedeckung entsprechend § 315 Abs.1 BGB durch die Verfügungsbeklagte beziehungsweise den Lehrkörper der „T School“ im Einzelnen zu konkretisieren und umzusetzen sind (vgl. zum Weisungsrecht einer Privatschule gegenüber einem Schüler: OLG Stuttgart NJW 1971, 2075ff.; zum Arbeitsvertrag: BAG NJW 2003, 1685, 1686f.). Die sich in diesem Zusammenhang stellende Rechtsfrage der Grundrechtsrelevanz und wird im nachfolgenden noch zu vertiefen sein.
34Ein das Begehren der Verfügungsklägerinnen tragender vertraglicher Anspruch kann schließlich auch nicht allein unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes (§ 242 BGB) dahingehend, ihren Schulbesuch nunmehr mit einem Kopftuch fortsetzen zu dürfen, begründet werden. Denn ein derartiger anspruchsbegründender abstrakter Vertrauensschutz kann infolge der vorrangigen vertraglichen Vereinbarungen als Ausdruck der Privatautonomie und der gesetzlichen Regelungen der §§ 611ff. BGB nicht aus § 242 BGB abgeleitet werden (vgl. zur Funktion von § 242 BGB nur Palandt/Grüneberg, aaO., § 242 Rd.15ff.).
35Im Übrigen spricht schon der unstreitige Lebenssachverhalt des vorliegenden Falles gegen die Annahme eines von der Verfügungsbeklagten gesetzten Vertrauenstatbestandes. Denn mit dem Ansinnen, die „T School“ und deren Unterricht mit einem Kopftuch besuchen zu dürfen, sind unstreitig erstmals die Verfügungsklägerinnen als Schülerinnen an die Verfügungsbeklagte herangetreten. Die übrigen Schülerinnen indes haben, auch nach den eigenen Beobachtungen der Verfügungsklägerinnen und ihrer Eltern, an dieser Schule bislang kein Kopftuch getragen und tragen derartige Kopfbedeckungen auch nicht aktuell. Dies zeigt, dass die im Tatbestand dieses Urteils zitierte Kleiderordnung nebst dem Passus „Headwear“ im laufenden Schulbetrieb der „T School“ auch umgesetzt und in dieser Form gelebt wird.
36Das eigene Erklärungsverhalten der Verfügungsklägerinnen und ihrer Eltern unterstreicht diese Würdigung. Denn die einer ausführlichen rechtlichen Diskussion zwischen den Parteien auf der Grundlage des anwaltlichen Schreibens vom 02.12.2013 vorausgegangenen Anfragen des Vaters der Verfügungsklägerinnen dokumentieren, dass diese selbst von einer Erlaubnispflichtigkeit einer Kopfbedeckung in Form des Kopftuches an der „T School“ ausgegangen sind, es sich hierbei mithin um einen gegenüber der an dieser Schule vorherrschenden Praxis (erstmals) abweichenden Bekleidungszusatz handeln würde. Dementsprechend wurde diese Thematik von den bereits zu dieser Zeit anwaltlich vertretenen und damit rechtskundig beratenen Erziehungsberechtigten der Verfügungsklägerinnen nach dem Antwortschreiben des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten vom 13.02.2014 über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten – bis Ende August 2014 - nicht wieder aufgegriffen. (…)
373. Das von der Verfügungsbeklagten ausgesprochene Verbot ist in Ermangelung abweichender konkreter vertraglicher Vorgaben (vgl. oben unter 1. und 2.) rechtmäßig und mit den der Verfügungsbeklagten auf der Grundlage des Privatschul- und Unterrichtsvertrages entsprechend den §§ 315 Abs.1, 242 BGB zustehenden Weisungs- und Gestaltungsrechten vereinbar. Insbesondere begründet die Weigerung der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerinnen zum Besuch der „T School“ mit einem Kopftuch zuzulassen, kein die Grundrechte der Verfügungsklägerinnen verletzendes Verhalten. Aus diesem Grunde kann der streitgegenständliche Verfügungsanspruch auch nicht im Wege der sogenannten Drittwirkung aus den Grundrechten der Verfügungsklägerinnen oder ihrer Eltern abgeleitet werden.
38a) Zwar obliegt es der Verfügungsbeklagten, bei der Ausübung ihrer privatvertraglichen Weisungs- und Gestaltungsrechte grundrechtlich geschützte Positionen der Verfügungsklägerinnen und ihrer Eltern angemessen zu berücksichtigen. Denn die Grundrechte ihrer Vertragspartner entfalten über die Generalklauseln des Zivilrechts, hier in Form der Regelung des § 315 Abs.1 BGB, das Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben, und in Form der §§ 241 Abs.2, 242 BGB als Grundsatz vertraglicher Rücksichtnahmepflichten, mittelbare Wirkung (vgl. BVerfG NJW 2003, 2815f., BAG NJW 2003, 1685, 1686f.; Palandt/Grüneberg, aaO., § 242 Rd.8 jeweils m.w.N.).
39Dabei fällt das von den Verfügungsklägerinnen mit der von ihnen vorgetragenen Begründung beschlossene Tragen des Kopftuches unter den über Art. 4 Abs.1 und Abs.2 GG geschützten Bereich der Religionsfreiheit, die als Glaubens- und Bekenntnisfreiheit das Recht umfasst, nach ihrer eigenen Glaubensüberzeugung zu leben und zu handeln, mithin auch eine Schule sowie die weitere Öffentlichkeit aus religiösen Gründen nicht mehr ohne ein Kopftuch zu betreten (BVerfG NJW 2003, 2816; BVerfG NJW 1995, 2477; BAG NJW 2003, 1687). Das islamische Kopftuch stellt insoweit entgegen der Rechtsansicht der Verfügungsklägerinnen ein Symbol für eine bestimmte religiöse Überzeugung dar, weil dieses nicht ohne spezifischen Bezug zu den Glaubensinhalten des Islams gesehen und auf ein lediglich allgemeines, kulturelles Zeichen einer ethnischen Gruppe reduziert werden kann (vgl. – auch zu den nachfolgenden Ausführungen - BAG NJW 2003, 1687; Bock NZA 2011, 1201ff.; Hofmann NVwZ 2009, 74ff.; Bock NVwZ 2007, 1250ff.; Röper ZRP 2005, 32ff. jeweils m.w.N.; ebenso für Art. 9 EMRK: EGMR, Urteil vom 04.12.2008 – 27058/05 - Dogru ./. Frankreich = BeckRS 2010, 06929; EGMR, Urteil vom 10.11.2005 – 44774/98 – Leyla Sahin ./. Türkei = NVwZ 2006, 1389ff.). Deshalb gilt das Kopftuch wegen der Bedeutung, die ihm Muslime beilegen, als Sinnbild einer bestimmten Glaubensüberzeugung, als Ausdruck des Bekenntnisses der Trägerin zum islamischen Glauben und damit als sichtbares Zeichen für die Ausübung ihrer Religion. Gerade und nur deshalb fällt diese Freiheit auch in den Schutzbereich von Art. 4 GG sowie von Art. 9 EMRK. Die teilweise umstrittene Frage, ob das Tragen des Kopftuches Ausdruck eines zwingenden religiösen Gebotes des Korans ist, ist für die rechtliche Bewertung des Grundrechtsschutzes in diesem Zusammenhang nicht entscheidend (vgl. BAG NJW 2003, 1687; Bock NZA 2011, 1201f. jeweils m.w.N.).
40Infolge des hier einschlägigen Prüfungsmaßstabes von Art. 4 GG, der als grundrechtliche Spezialnorm zur Art. 2 Abs.1 GG anzusehen ist, verbleibt für eine Prüfung des Verhaltes der Verfügungsbeklagten unter dem Aspekt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes der Verfügungsklägerinnen im Sinne der Art. 1 Abs.1, 2 Abs.1 GG kein Raum (vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 65.Liefg., Juli 2014, Art. 4 Rd.36 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BVerfG).
41b) Im vorliegenden Fall stehen diesen Grundrechtspositionen der Verfügungsklägerinnen und ihrer Eltern jedoch grundrechtlich in gleichem Umfange geschützte Positionen der Verfügungsbeklagten entgegen, denen in Abwägung der kollidierenden Grundrechte der Parteien der Vorrang gebührt.
42Denn die beanstandete Entscheidung der Verfügungsbeklagten fällt sowohl in den Schutzbereich der über Art. 12 Abs.1 Satz 2, 19 Abs.3 GG grundrechtlich garantierten Freiheit der Berufsausübung als auch der Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs.4 Satz 1, 19 Abs.3 GG). Die der Verfügungsbeklagten über Art. 7 Abs.4 Satz 1 GG garantierte Privatschulfreiheit beruht auf dem Bestreben, ein Gegengewicht zu einem zentralisierten und politisierten öffentlichen Schulwesen und seinen Bildungs- und Erziehungszielen zu ermöglichen, indem der denkbaren Vielfalt von Bildungs- und Erziehungszielen, denen sich Eltern sowie Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften verschrieben haben, ein verfassungsrechtlich gesicherter Raum eröffnet wird (vgl. Badura in Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, 70.Lieferg., Dez.2013, Art. 7 Rd.92ff.; Leibholz/Rinck, aaO., Art. 7 Rd.180). Damit garantiert die Privatschulfreiheit die Umsetzung verschiedenster Erziehungsziele und Bildungsideen und ist damit Ausdruck eines in einer demokratischen Gesellschaft unabdingbaren Pluralismus´, der in der Vielfalt des kulturellen, bildungspolitischen, religiösen und weltanschaulichen Unterrichts zum Ausdruck kommen soll (vgl. Robbers in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 6.Aufl. 2010, Art. 7 Rd.165 – 167; Badura, aaO., Rd.92 und Rd.107). Kennzeichnend für Privatschulen ist deshalb ein Unterricht eigener Prägung, insbesondere im Hinblick auf die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis sowie die Lehrmethoden (BVerfGE 112, 74, 83; Leibholz/Rinck, aaO., Art. 7 Rd.180). Daraus folgt zudem die grundrechtlich verbürgte Freiheit des Privatschulträgers, für seine Schule die Schüler so auszuwählen, dass ein seinen Vorstellungen entsprechender Unterricht durchgeführt werden kann (BVerfGE 112, 74, 83; Leibholz/Rinck, aaO., Art. 7 Rd.180).
43Die den Betrieb der „T School“ kennzeichnende ausnahmslose religiöse und weltanschauliche Neutralität, wie sie nicht zuletzt in der Kleiderordnung und damit auch in dem streitgegenständlichen Verbot des Tragens eines Kopftuches zum Ausdruck kommt, fällt damit unmittelbar in den Schutzbereich der Privatschulfreiheit. Die von den Verfügungsklägerinnen erstrebte einstweilige Verfügung ist mit dieser Zielsetzung und deshalb mit diesem Grundrecht als Abwehr- und Schutzrecht (vgl. Badura, aaO., Art. 7 Rd.97ff.; Robbers, aaO., Art. 7 Rd.168ff.) nicht vereinbar. Denn das Tragen des islamischen Kopftuch als ein sichtbares und starkes Zeichen des Bekenntnisses der Trägerin zum islamischen Glauben (siehre dazu oben unter 3.a)) konkurriert mit diesem Grundsatz ausnahmsloser religiöser und weltanschaulicher Neutralität (vgl. dazu auch EGMR, Urteil vom 04.12.2008 – 27058/05 - Dogru ./. Frankreich = BeckRS 2010, 06929; EGMR, Urteil vom 10.11.2005 – 44774/98 – Leyla Sahin ./. Türkei = NVwZ 2006, 1389ff.).
44c) Auch unter Abwägung aller konkreten Umstände des vorliegenden Falles überwiegen die Grundrechtspositionen der Verfügungsklägerinnen nicht die Grundrechtsposition der Verfügungsbeklagten.
45Anschließend an den eingangs unter 1. und 2. dargelegten Erwägungen fehlt es an tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für einen konkreten Vertrauenstatbestand der Verfügungsklägerinnen, der das gleichsam bestehende Vertrauen der Verfügungsbeklagten auf die Einhaltung der Regularien nebst Kleiderordnung der „T School“ überwiegen könnte.
46Auch der Umstand, dass die Verfügungsklägerinnen seit Januar 2011 an der „T School“ aus dem Bereich der Mitschüler einen eigenen Freundeskreis und ein ansprechendes Bildungsniveau aufbauen konnten, die durch einen Schulwechsel gefährdet werden könnten, führt in Anbetracht der im laufenden Schulbetrieb und damit bereits seit Anbeginn ihres Schulbesuches erkennbar umgesetzten Kleiderordnung zu keiner für die Verfügungsklägerinnen günstigeren Abwägung.
47d) Die von den Verfügungsklägerinnen zitierten Regelungen des § 2 Abs.6 und Abs.7 SchulG NRW führen hier schon deshalb zu keiner abweichenden Entscheidung, da diese Regelungen ausschließlich staatliche Schulen und – über § 2 Abs.12 SchulG NRW - Ersatzschulen betreffen.
48Bei der von der Verfügungsbeklagten betriebenen „T School“ handelt es sich demgegenüber um eine privat-rechtlich betriebene Ergänzungsschule (vgl. VG Köln, Beschluss v. 12.09.2014, aaO.; vgl. auch zu dieser Unterscheidung: Badura, aaO., Art. 7 Rd.101 und Rd.112; Robbers, aaO., Art. 7 Rd.181ff.). Denn eine der „T School“ entsprechende vergleichbare öffentliche Schule, in denen der Schulpflicht genügt werden kann, existiert nicht. Die „T School“ stellt deshalb eine sogenannte Ergänzungsschule dar, die nicht dem in Art. 7 Abs.4 Satz 2 bis 4 GG formulierten Genehmigungsvorbehalt untersteht (vgl. Robbers, aaO., Art. 7 Rd.181ff. und Rd.190 jeweils m.w.N.). Die von den Verfügungsklägerinnen zitierte Literaturmeinung (Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1, 4.Aufl. 2006, Rd.1011 = Bl. 114 – 115 d.A.), wonach die besondere landesrechtlichen Regelungen des SchulG NRW für Ergänzungsschulen dazu führen sollen, dass es sich dabei materiell um Ersatzschulen handelt, ist - wie auch die dortige Zitatstelle selbst zutreffend ausführt – mit den klaren und deshalb zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG einerseits und Art. 7 Abs. 4 Satz 2 bis 4 GG andererseits nicht zu vereinbaren.
49Diese Erwägungen gelten auch in dem vorliegenden Hauptsacheverfahren fort. Die dazu mit Klägerschriftsatz vom 28.11.2014 und vom 18.02.2015 ergänzend vorgetragenen Einwendungen rechtfertigen keine abweichende Würdigung der Sach- und Rechtslage.
50Die von den Klägerinnen angeführte Weihnachtsfeier begründet auf der Grundlage des Klägervortrages keinen Widerspruch zu dem in der Entscheidung des Gerichts vom 12.11.2014 dargestellten Konzept einer ausnahmslos religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Schulbetriebes der „T School“. Denn die Beklagte hat dazu unwidersprochen vorgetragen, dass bei dieser Feier weder Weihnachtsmessen gelesen werden noch andere vergleichbare religiöse Handlungen stattfinden. In Anbetracht der damit von der Beklagten einleuchtend vorgenommenen Einstufung dieser Veranstaltung als „lokales Brauchtum“ kann dem Einwand der Klägerinnen nicht gefolgt werden, die Beklagte praktiziere damit eine Bevorzugung der christlichen zu Lasten der muslimischen Glaubensrichtung.
51Die zwar über § 2 Abs.1 Ziffer 7. AGG im Grundsatz auf Privatschulverhältnisse anwendbaren Regelungen des AGG (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl. 2015, § 2 AGG Rd.10) führen gleichsam zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn die in der zitierten Entscheidung vom 12.11.2014 vorgenommene Abwägung der gegenüber dem einfachen Gesetz des AGG höherrangigen Grundrechte der Parteien gilt – mit Ausnahme von Art.2 Abs.1 GG - auch im Rahmen der Subsumtion dieses Falles unter den Begriff „Benachteiligung aus Gründen der Religion“ im Sinne der §§ 1 und 3 Abs.1 und Abs.2 AGG (vgl. Palandt/Ellenberger, aaO., § 1 AGG Rd.4 und Einleitung von § 1 AGG Rd.7 jeweils m.w.N.).
52Dass § 184 Satz 1 GVG der in englischer Sprache eingereichten Unterlagen der Berücksichtigung dieser Dokumente in dem in der Entscheidung von 12.11.2014 aufgezeigten Rahmen nicht entgegen steht (vgl. nur Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 184 GVG Rd.1 und Rd.3f.) bedarf keiner Vertiefung. Denn die wenigen – auch im Tatbestand dieser Entscheidung – zitierten englischsprachigen Passagen sind insbesondere vor dem Hintergrund der Ausbildung der Klägerinnen an der englischsprachigen Privatschule “T“ von diesen ohne weiteres zu verstehen.
53Einer Vernehmung des Zeugen P sowie der mit Beklagtenschriftsatz vom 26.01.2015 gegenbeweislich benannten Zeugen bedurfte es schon aus Rechtsgründen nicht. Insoweit wird auf die eingangs zitierten Ausführungen in der Entscheidung vom 12.11.2014 unter 1. noch einmal Bezug genommen.
54Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1, 100 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
55Streitwert: 63.000,00 €
56(vgl. Amtsgericht Bonn, Beschluss v. 15.10.2014 – 109 C 279/14 = Bl.67 I – 68 I d.A.).