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1.
Es wird festgestellt, dass sich der zwischen den Parteien am 01./20.12.2005 abgeschlossene Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ########## durch wirksamen Widerruf des Klägers vom 20.10.2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.
2.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Der Kläger macht Ansprüche aus dem Widerruf seiner auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung geltend.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten am 01./20.12.2015 im sogenannten Antragsverfahren einen Darlehensvertrag zu einem Nennbetrag in Höhe von 77.000,00 Euro. Der vertraglich vereinbarte Nominalzinssatz lag bei 4,07 % p.a. In der Widerrufsbelehrung des Vertrages heißt es u.a.: „Die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“.
4Für die Einzelheiten des Vertrages und des Wortlauts der Widerrufsbelehrung wird auf den Darlehensvertrag (Anlage K 1, Bl. # ff. d.A.) verwiesen.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.10.2014 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung (Anlage K 2, Bl. ## ff. d.A.). Die Beklagte wies den Widerruf des Klägers mit Schreiben vom 13.01.2015 zurück (Anlage K 4, Bl. ## f. d.A.).
6Der Kläger ist der Ansicht, die auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung sei wirksam widerrufen worden, da er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermögliche es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Auf die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie die Musterbelehrung einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen habe.
7Der Kläger beantragt,
81. festzustellen, dass der zwischen der Beklagten und ihm mit Datum vom 20.12.2005 abgeschlossene Darlehensvertrag Nr. ########## durch seinen Widerruf vom 20.10.2014 gegenstandslos geworden ist und sich in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt hat,
92. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.045,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2014 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte ist der Auffassung, die Feststellungsklage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu. Zum einen sei der Widerruf verfristet, da die verwendete Widerrufsbelehrung sowohl den gesetzlichen Vorgaben entspreche als auch der Schutzwirkung der Musterbelehrung unterfalle. Zum anderen sei die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger nach fast neun Jahren Vertragslaufzeit und Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen sowie der Erbringung von Sondertilgungen rechtsmissbräuchlich und verwirkt.
13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2015 (Bl. ### ff. d.A.) Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
16I. Der Klageantrag zu 1) ist zulässig und begründet.
171. Die Klage ist zulässig. An der Zulässigkeit der Feststellungsanträge keine Zweifel, weil dem Kläger die Bezifferung eines Leistungsantrages nicht ohne Weiteres möglich ist. Die Voraussetzung des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses ist erfüllt, wenn dem Kläger nicht ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Klageziel zu erreichen (Thomas/Putzo-Reichold, 35. Aufl. 2014, § 256 Rn. 18). Es ist insbesondere dann gegeben, wenn die Feststellungsklage unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der Streitpunkte führen kann (BGH NJW 2006, 2548). Das Feststellungsinteresse wird auch dann angenommen, wenn der Streit zunächst nur den Anspruchsgrund betrifft und zu erwarten ist, dass der Beklagte bei Feststellung seiner Leistungspflicht im Urteil zu einer Leistung fähig und bereit ist (BGH NJW 2007, 3002). Das ist vorliegend der Fall. Die Parteien streiten grundsätzlich über die Wirksamkeit des von dem Kläger erklärten Widerrufs. Die Folgen des Widerrufs, die Umwandlung der Darlehensverträge in ein Rückgewährschuldverhältnis, und die Höhe des Schadens sind im hiesigen Verfahren nicht streitgegenständlich. Auch ist zu erwarten, dass die Beklagte als Bankinstitut im Falle eines zusprechenden Urteils ihrer Leistungspflicht aus der tenorierten Feststellung nachkommen wird, ohne dass die Kläger die Zwangsvollstreckung betreiben müssten. Insofern wäre es schon bloße Förmelei, den Kläger auf den Vorrang einer Leistungsklage zu verweisen.
182. Die Klage ist auch begründet. Es wird festgestellt, dass sich der zwischen den Parteien am 01./20.12.2005 abgeschlossene Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ########## durch wirksamen Widerruf des Klägers vom 20.10.2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.
19Der Klageantrag zu 1) ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Feststellung begehrt, dass sich der Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs des Klägers in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.
20Dem Kläger stand im Hinblick auf den Darlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach §§ 495, 355 BGB (in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung vom 02.12.2004) zu.
21Die Widerrufsfrist war bis zur Erklärung des Widerrufs mit Schreiben vom 20.10.2014 nicht abgelaufen. Der vom Kläger erklärte Widerruf des jeweiligen Darlehensvertrags war wirksam, da das Widerrufsrecht mangels ordnungsgemäßer Belehrung gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung nicht erloschen ist.
22Die in der Vertragsurkunde enthaltene Widerrufsbelehrung genügte nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. Sie enthielt den Hinweis, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine solche Belehrung unzureichend, da sie den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt und folglich irreführend ist. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginne, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen, welche etwaigen - weiteren - Umstände dies sind (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.2009 - VIII ZR 219/08; Urt. v. 01.12. 2010 − VIII ZR 82/10; Urt. v. 01.03.2012 - III ZR 83/11, OLG Köln, Urt. v. 23.01.2013 – 13 U 69/12 - BeckRS 2013, 04235 jeweils m.w.N.).
23Es kommt nicht darauf an, dass diese Formulierung auch in der Musterwiderrufsbelehrung verwendet wird. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 2 und 3 BGB-InfoV kann sich die Beklagte vorliegend nicht berufen, weil sie die Musterwiderrufsbelehrung nicht vollständig übernommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2012 – III ZR 83/11).
24Die Beklagte hat gegenüber der Klägerseite in den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen keine Formulierung verwendet, die dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB InfoV in der hier maßgeblichen Fassung vom 08.12.2004 (BGBl I 2004, 3110) vollständig entspricht. Dass die Beklagte die von ihr verwendeten Belehrungen an dieses Muster angelehnt hat, genügt für ein Berufen auf dessen Schutzwirkung nicht. Wie der BGH wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmer sich auf die Schutzwirkung der BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urt. v. 28.06.2011, XI ZR 349/10; Urt. v. 01.03.2012, III ZR 83/11). Entscheidend ist allein, ob der Unternehmer den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift er in den gestellten Mustertext ein, kann er sich schon deshalb auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderung, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, a.a.O.).
25Dabei kommt es auch nicht auf die Frage an, ob sich die Abweichung zulasten des Verbrauchers auswirkt, etwa das Verständnis des Verbrauchers durch diese erschwert werden kann (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.01.2013 – 13 U 69/12- BeckRS 2013, 04235).
26Die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen entsprechen nicht in jeder Hinsicht dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung. Sie weichen vielmehr an verschiedenen Stellen inhaltlich und gestalterisch vom Muster ab.
27Beispielsweise enthalten sie den Zusatz „oder in lesbarer Form auf einem anderen beständigen Datenträger“ hinter der Bestimmung, dass der Widerruf in Textform erklärt werden muss, und reihen die Voraussetzungen für den möglichen Widerruf anders auf als das Muster. Zudem fehlen im Vergleich zu der Musterwiderrufsbelehrung die Zwischenüberschriften wie „Widerrufsrecht“ und „Widerrufsfolgen“. Ferner sind die Widerrufsfolgen gegenüber dem Muster eigenständig formuliert. Es fehlt zudem die Angabe, dass die „beiderseits“ empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind.
28Diese Abweichungen haben nicht nur formellen oder redaktionellen, unerheblichen Charakter, sondern stellen eine inhaltliche Bearbeitung dar und lassen die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung entfallen.
29Die Ausübung des Widerrufsrechts ist weder rechtsmissbräuchlich noch verwirkt.
30Insbesondere begründen die etwaigen Motive des Klägers für den Widerruf keinen Rechtsmissbrauch. Das Gericht folgt insofern nicht der zum Teil in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen abweichenden Ansicht, wonach u.a. die Motivation des Widerrufenden den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung rechtfertigen kann. Nach Auffassung des Gerichts haben die Motive für eine Widerrufserklärung keinen Einfluss auf deren Wirksamkeit. Vielmehr trägt das Risiko, dass bei unzureichender Belehrung auch auf eine lange Laufzeit angelegte Verträge widerrufen werden können, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung für den Verbraucher nachteilig darstellt, nach der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen der Unternehmer (OLG Oldenburg, Urt. v. 28.05.2009 - 14 U 60/08- Rz. 51 – zitiert nach juris; Habersack/Schürnbrand ZIP 2014, 749, 756 m.w.N.).
31Auch die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Widerrufsrechts sind vorliegend nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben.
32Die Verwirkung eines Rechts tritt ein, wenn es vom Berechtigten über längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist und der andere Teil sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGH, Urt. v. 23.01.2014 - VII ZR 177/13; Urt. v. 14.06. 2004 - II ZR 395/01). Ob das notwendige Zeitmoment angesichts der Zeitspanne zwischen Abschluss des Darlehensvertrags und der Widerrufserklärung vorliegend zu bejahen ist, kann offen bleiben, da es jedenfalls am Umstandsmoment fehlt. Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (BGH, Urt. v. 09.10.2013 - XII ZR 59/12). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, Urt. v. 09.10.2013 a.a.O.). Hierzu bot das Verhalten des Klägers indes keinen Anlass. Nach Ansicht des Gerichts reicht die Tatsache, dass die Klägerseite ihre Pflichten aus dem Darlehensvertrag erfüllt und die Darlehensraten gezahlt hat, nicht aus, um ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten zu begründen und als Umstandsmoment die Annahme einer Verwirkung zu rechtfertigen. Auch die entsprechend der vertraglichen Regelung jährlich geleisteten Sondertilgungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Verwirkung. Diese Tilgungsleistungen sind vom Aussagegehalt vielmehr vergleichbar mit der Zahlung der monatlichen Darlehensraten und lassen nicht den Schluss zu, dass sich der Darlehensnehmer inhaltlich mit der Frage der Bestandskraft des Vertrages auseinander gesetzt hat.
33II. Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet.
34Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.045,88 Euro nebst Zinsen aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Es fehlt an einem kausalen Schaden, da der Widerruf über den Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärt worden ist und sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht in Verzug befand (vgl. BGH, Urt . v. 31.10.1984, VIII ZR 226/83, Rn. 52 – juris). Auch ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB scheidet aus. Es kann dahingestellt bleiben, ob in der Zurückweisung des Widerrufs seitens der Beklagten eine Pflichtverletzung liegt, da es jedenfalls an der Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden fehlt. Der Widerruf ist erstmalig durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärt worden.
35Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. 2 ZPO.
36Der Streitwert wird auf 18.000 Euro festgesetzt.
37Rechtsbehelfsbelehrung:
38Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bonn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.