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Die Fälle des § 176 HGB begründen nicht das Vorhandensein eines persönlich haftenden Gesellschafters i. S. v. § 264 Abs. 1 HGB
Die sofortige Beschwerde vom 04.04.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
2I.
3Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes von 5.000,00 EUR wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2009 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes erstmalig mit Verfügung vom 28.03.2011, zugestellt am 31.03.2011, angedroht. Mit Verfügung vom 15.11.2011 hat es gegen die Beschwerdeführerin sodann ein erstes Ordnungsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR festgesetzt und ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR angedroht. Diese Verfügung ist der Beschwerdeführerin am 17.11.2011 zugestellt worden.
4Gegen die Androhung des weiteren Ordnungsgeldes hat die Beschwerdeführerin Einspruch nicht eingelegt. Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 21.03.2012 nunmehr das weitere Ordnungsgeld festgesetzt. Gegen die ihr am 27.03.2012 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 04.04.2012 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdeführerin bekannt gemachter Entscheidung vom 01.06.2012 hat das Bundesamt für Justiz der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
5II.
6Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
7Es wird zur Begründung zunächst Bezug genommen auf die Ausführungen in der der Beschwerdeführerin bekanntgemachten Nichtabhilfeentscheidung des Bundesamts für Justiz, denen die Beschwerdeführerin nicht mehr entgegengetreten ist.
8Das Bundesamt für Justiz hat das Ordnungsgeld zu Recht festgesetzt, denn die Beschwerdeführerin hat die Rechnungslegungsunterlagen für das oben bezeichnete Geschäftsjahr weder innerhalb der sich aus § 325 HGB ergebenden gesetzlichen Frist noch innerhalb der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist von sechs Wochen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Maßgeblich für die Frage, ob die genannten Fristen eingehalten wurden, ist die fristgemäße Herbeiführung des Handlungserfolgs, also der rechtzeitige Eingang der vollständigen Unterlagen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Die objektive Beweislast bzw. die Feststellungslast für die Rechtzeitigkeit der Einreichung liegt entsprechend der allgemeinen Grundsätze bei der Beschwerdeführerin.
9Die Jahresabschlussunterlagen für das oben bezeichnete Geschäftsjahr wurden bisher gar nicht bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Die ab Zustellung der Ordnungsgeldentscheidung nebst Androhung eines weiteren Ordnungsgeldes laufende Nachfrist von 6 Wochen wurde entsprechend nicht eingehalten.
10Soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine Befreiung gemäß § 264a Abs. 1 Nr. 1 HGB beruft, geht dies fehl. Nach der selbst zitierten Rechtsprechung des LG Bonn (30 T 1279/09) und LG Osnabrück (15 T 6/05) kommt es für die Anwendbarkeit von § 264a Abs. 1 Nr. 1 HGB im Hinblick auf die Versäumung der Nachfrist auf den Zeitpunkt der Nachfrist bzw. den Zeitpunkt der Ordnungsgeldentscheidung an. D.h. es kommt nur darauf an, ob im Zeitraum zwischen Zustellung der Androhungsverfügung bis zum Ablauf der Nachfrist bzw. bis zur Ordnungsgeldentscheidung eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter vorhanden war (bzw. ist). Dies war nach dem eigenen Sachvortrag der Beschwerdeführerin nicht der Fall, unabhängig davon, ob § 264a Abs. 1 Nr. 1 HGB überhaupt die Fälle erfasst, in denen lediglich aufgrund der Regelung des § 176 HGB wegen eines nicht ordnungsgemäß im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten ein einem persönlich haftenden Gesellschafter gleichstehende natürliche Person (vorübergehend) vorhanden ist. Jedenfalls nach dem 11.02.2011 war keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter mehr vorhanden, so dass die Offenlegungsverpflichtung jedenfalls wieder auflebte. Die Androhungsverfügung wurde am 17.11.2011 zugestellt, also ca. 9 Monate danach, und bis zum Ablauf der Nachfrist war weiterhin keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter vorhanden.
11Zudem begründet § 264a Abs. 1 Nr. 1 HGB allgemein keine (erst recht nicht dauerhafte) Befreiung von der Offenlegungsverpflichtung in den Fällen des § 176 HGB. Da nach Sinn und Zweck von § 264a HGB die Offenlegungsverpflichtung nur dann entfallen soll, wenn die Haftungsbeschränkung entfällt (vgl. Baumbach/Hopt HGB, 35. Auflage, § 264a, Rn. 1, LG Osnabrück aaO, LG Bonn aaO), werden hierdurch nur die Fälle erfasst, in denen die Gesellschaftsstruktur einen bestimmungsgemäß persönlich haftenden Gesellschafter – auf Dauer – aufweist. Dies ist in den Fällen des § 176 Abs. 2 HGB nicht der Fall, da insoweit lediglich eine in der Regel vorübergehende Haftungserweiterung zu Lasten von Kommanditisten für die Übergangszeit zwischen Eintritt und Eintragung normiert wird – die Fälle eines bestimmungsgemäß persönlich haftenden Gesellschafters betrifft dies nicht. Außerdem spricht auch der Wortlaut des § 176 HGB für dieses Verständnis der §§ 264a, 176 HGB, da § 176 HGB nur eine Haftung des Kommanditisten gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter normiert, diesen aber nicht in den Rang eines persönlich haftenden Gesellschafters erhebt. Dass die Fälle des § 176 HGB nicht von § 264a Abs. 1 HGB erfasst sind, erschließt sich auch ohne Weiteres durch die Kontrollüberlegung, dass ansonsten jegliche, auch nur ganz kurzzeitig verzögerte Eintragungen des Eintritts des Kommanditisten in das Handelsregister die Gesellschaft von ihrer Offenlegungsverpflichtung (auch für die Zukunft) befreien würde. Dass dies nicht dem Sinn und Zweck der §§ 264a, 176 HGB entspricht, ist offensichtlich.
12Die Beschwerdeführerin verkennt, dass die genannten Entscheidungen sich auf Fälle beziehen, in denen zum Zeitpunkt der Ordnungsgeldentscheidung eine persönlich haftende natürliche Person als Gesellschafter inzwischen vorhanden war – im vorliegenden Fall existierte eine solche allenfalls zwischenzeitlich vor Beginn der Nachfrist (und zudem nur aufgrund der vorübergehenden Haftungserweiterung gemäß § 176 HGB).
13Die Beschwerdeführerin hat die Veröffentlichungsfristen schuldhaft versäumt.
14Die Auferlegung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass ein Verschulden hinsichtlich der Nichteinhaltung der maßgeblichen Offenlegungsfristen positiv festgestellt werden kann. Die Gründe, die zu der Überschreitung der Fristen geführt haben, sind jedoch zumindest in aller Regel für außenstehende Dritte nicht erkennbar. Deshalb trifft die Beschwerdeführerin insoweit auch im Rahmen eines der Amtsermittlung unterliegenden Verfahrens eine sekundäre Darlegungslast. Es obliegt also zunächst der Beschwerdeführerin, darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Fristen nicht eingehalten wurden.
15Bei der Prüfung, ob der Beschwerdeführerin trotz der vorgetragenen Gründe der Fristüberschreitung ein Verschuldensvorwurf zu machen ist, ist von folgenden Überlegungen auszugehen: Kapitalgesellschaften haben sich über die sie treffenden gesetzlichen Pflichten zu informieren und auf diese einzustellen. Vernachlässigen sie diese Pflichten oder versäumen sie zur Erfüllung dieser Pflichten bestehende Fristen, handeln sie grundsätzlich sorgfaltspflichtwidrig. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass insbesondere an die Einhaltung der mit der Androhungsverfügung gesetzten Frist gesteigerte Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind, nachdem zuvor bereits eine sich aus dem Gesetz ergebende Frist ungenutzt geblieben ist.
16Die Einlassung der Beschwerdeführerin rechtfertigt keine Ausnahme von diesem Grundsatz. Sie ist nicht geeignet, den Verschuldensvorwurf entfallen zu lassen. Die Beschwerdeführerin hat keine Gründe vorgetragen, die zu der Überschreitung der maßgeblichen Fristen führten und die Fristüberschreitung – jedenfalls aus Sicht der Beschwerdeführerin – rechtfertigen würden.
17Soweit die Einlassung so verstanden werden sollte, dass im Hinblick auf §§ 264a Abs. 1 Nr. 1, 176 HGB (s.o.) ein Rechtsirrtum vorgelegen habe, aufgrund dessen die Beschwerdeführerin der Ansicht gewesen sei, nicht veröffentlichungspflichtig zu sein, war ein solcher Rechtsirrtum bei verständiger Lektüre der selbst zitierten Rechtsprechung jedenfalls vermeidbar, zumal auch kaum nachvollziehbar ist, dass die Beschwerdeführerin überhaupt aufgrund dieser Rechtsansicht nicht veröffentlichte, denn dann hätte nichts näher gelegen, als bereits gegen die zuvor ergangenen Androhungsverfügungen/Ordnungsgeldentscheidungen Einspruch bzw. Beschwerde einzulegen, was indes unterblieb.
18Das Ordnungsgeld wäre auch durch die Veröffentlichung, die nach Ablauf der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist erfolgt ist, nicht entfallen, denn es hat auch Sanktionscharakter, ahndet also die bereits eingetretene Pflichtverletzung. Diese Auslegung des § 335 HGB hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen gebilligt (Beschluss vom 11.03.2009, Az. 1 BvR 3413/08 = NZG 2009, 874). Nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist war das Ordnungsgeld daher unabhängig davon festzusetzen, ob die Offenlegung vor der Festsetzung noch nachgeholt worden ist.
19Allenfalls wäre eine Herabsetzung des Ordnungsgeldes auf den Mindestbetrag von 2.500,00 € angemessen, soweit die Veröffentlichung zwischenzeitlich - auch nach Ablauf der Nachfrist - erfolgt wäre, weil dann die Beugefunktion des Ordnungsgeldes entfallen wäre.
20Eine solche Veröffentlichung ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
21Die Höhe des Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Das Ordnungsgeld beträgt nach § 335 Abs. 1 HGB mindestens 2.500,00 Euro und höchstens 25.000,00 Euro. Hier hat sich das Bundesamt darauf beschränkt, zunächst den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag von 2.500,00 Euro festzusetzen und diesen sodann bei der weiteren Ordnungsgeldentscheidung in Anbetracht des Maximalbetrags maßvoll zu erhöhen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Bundesamt für Justiz bei der Bezifferung des zweiten Ordnungsgeldes ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bereits zwei Androhungsverfügungen und eine Ordnungsgeldentscheidung ohne eine auf die Erfüllung der Offenlegungspflicht gerichtete Reaktion der Beschwerdeführerin geblieben waren und das Bundesamt für Justiz dementsprechend davon ausgehen musste, dass lediglich eine spürbare Erhöhung des ersten Ordnungsgeldes zu einem Handeln der Beschwerdeführerin Anlass geben würde. Abgesehen davon liegt auch das zweite Ordnungsgeld noch im unteren Bereich des von § 335 Abs. 1 HGB vorgegebenen Rahmens.
22Eine weitere Herabsetzung des Ordnungsgeldes ist - abgesehen von dem Fall des § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB - ebenso wie ein Erlass aus Billigkeitsgründen nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn das Gericht das im Einzelfall vorliegende Verschulden – was hier deshalb dahinstehen kann – als gering bewertet (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 01.02.2011, 2 BvR 1236/10).
23Die Voraussetzungen des § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB (geringfügige Fristüberschreitung) liegen nicht vor. Das Landgericht sieht in ständiger Rechtsprechung nur eine Fristüberschreitung von maximal zwei Wochen als geringfügig an.
24Die Höhe des Ordnungsgelds erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Das Gericht muss berücksichtigen, dass der Gesetzgeber der Offenlegungspflicht eine hohe Bedeutung zugemessen und einen entsprechend hohen Mindestbetrag verbindlich festgelegt hat. Im Übrigen hätte es die Beschwerdeführerin, der die einschlägigen Vorschriften bekannt sein mussten oder jedenfalls durch die Androhungsverfügung bekannt gemacht wurden, in der Hand gehabt, durch eine rechtzeitige Offenlegung die Festsetzung eines Ordnungsgelds abzuwenden.
25Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335 Abs. 5 S. 7 HGB). Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig (§ 335 Abs. 5 S. 6 HGB).
26Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,00 EUR.