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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.204,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2021 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Klägerin, ein Mietwagenunternehmen, verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen Mietwagenkosten.
3Für einen Unfall vom 02.06.2020 haftete die Beklagte als Haftpflichtversicherer zu 100% für die Schäden des Geschädigten I. Dieser mietete bei der Klägerin für den Zeitraum vom 03.06.2020 bis 22.06.2020 ein Fahrzeug an und trat diesbezügliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab.
4Die Klägerin beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.204,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie meint, ein Anspruch sei nicht gegeben, weil der Geschädigte keinen Nutzungswillen bezüglich des Fahrzeugs gehabt hätte, was sich daran zeige, dass er sich nachher –unstreitig– kein Fahrzeug mehr angeschafft hätte. Es sei zumindest ein Vorteilsausgleich in Höhe von 15% für die Nichtnutzung des eigenen Fahrzeugs vorzunehmen, und die Kosten für ein Navigationsgerät und den zweiten Fahrer seien nicht erforderlich gewesen. Die Kosten für eine Haftungsreduzieren seien nicht ersatzfähig, da sie für das eigene Fahrzeug des Geschädigten ebenfalls nicht vereinbart wäre.
9Sie behauptet, der Geschädigte hätte ein Fahrzeug zu günstigeren Konditionen anmieten können, nämlich für 870 Euro, sodass höchstens dieser Betrag erforderlich wäre.
10Entscheidungsgründe:
11Die Klage ist begründet.
12I.
13Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung des tenorierten Betrages gemäß § 7 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG zu. Das erkennende Gericht folgt mit seiner Berechnungsweise der Rechtsprechung des OLG Köln und des LG Bonn. Der Schaden wird nach § 287 ZPO geschätzt.
141. Hinsichtlich des Grundpreises wird als Schätzgrundlage das arithmetische Mittel zwischen der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Liste in dem jeweiligen Postleitzahlengebiet der Vermieterin herangezogen (OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013, 15 U 212/12; LG Bonn, Beschluss vom 17.03.2016, 5 S 138/15 = AG Bonn, Urteil vom 20.11.2015, 110 C 293/15). Den Tabellenwerken ist der Preis für den von der erreichten Gesamtmietdauer umfassten größten Zeitabschnitt zu entnehmen. Daraus ist ein entsprechender Ein-Tages-Wert zu errechnen, den man sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert (OLG Köln, Urteile vom 30.07. 2013 15 U 212/12, vom 01.08.2013, 15 U 9/12 und vom 10.11.2016, 15 U 59/16; LG Bonn, Urteile vom 15.01.2014 und 17.11.2015, 5 S 48/13 und 8 S 107/15). Diese Berechnungsweise hat die Klägerin ausweislich der Seite 7 der Klageschrift angewendet. Das Fahrzeug ist in die Mietwagengruppe 6 einzuordnen. Ein einfaches Bestreiten der Beklagten genügt nicht, insbesondere nach dem Hinweis des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung.
15Die Anmietdauer von insgesamt 20 Tagen ist nicht zu beanstanden. Ausweislich des Privat-Schadengutachtens war eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen geschätzt. Diese Dauer ist nur leicht überschritten. Ausgehend vom Erstellungsdatum des Gutachtens ist sie sogar eingehalten.
162. Ein pauschaler Aufschlag von 20 % ist zuzubilligen. Dies ist dann der Fall, wenn die Vermietenden Leistungen erbringen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und die infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Als unfallbedingte Besonderheiten sind anerkannt: Das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen; das nicht endgültige Feststehen der Mietzeit; die Vorfinanzierung durch das Mietunternehmen; die Eilbedürftigkeit bzw. Notlage der Kundschaft nach dem Verkehrsunfall; erhöhter Verwaltungsaufwand und Zinsverluste aufgrund von längeren Zahlungsfristen. Dabei müssen diese Merkmale nicht kumulativ vorliegen. Es reicht, wenn eines gegeben ist (OLG Köln, Urteile vom 16.06.2015, 15 U 220/14 und vom 10.11.2016, 15 U 59/16; LG Bonn, Beschluss vom 30.07.2012, 5 S 94/12; dasselbe, Urteil vom 17.11.2015, 8 S 107/15). Vorliegend war die Haftungsfrage ungeklärt, das Fahrzeug wurde vorfinanziert unnd die Mietdauer war flexibel.
173. Ob sich der Geschädigte beziehungsweise die Klägerin ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen müssen, kann dahinstehen, weil sich die Klägerin jedenfalls eine Eigenersparnis von 4% abziehen lässt. Dieser Betrag ist zutreffend und wird entsprechend durch das Gericht geschätzt.
184. Der Geschädigte hat nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.
19a. Die Versicherung der Schädigenden (hier: die Beklagte) hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen ohne Weiteres zugänglich war (OLG Köln, Urteil vom 10.11.2016, 15 U 59/16; LG Bonn, Urteile vom 28.06.2011 und 27.06.2013, 8 S 86/11 und 8 S 13/13). Alternativangebote, die Versicherungen unterbreiten, müssen folgende Anforderungen erfüllen: Sie müssen sich auf Zeitpunkt und Ort der Anmietung beziehen. Die Angebote dürfen nicht aus einem Sondermarkt stammen, wozu auch Internetangebote gehören. Es ist ein bestimmtes Fahrzeugmodell und nicht nur Beispiele für bestimmte Fahrzeugklassen anzugeben. Die Höhe des Grundtarifs, gegebenenfalls mit einem Aufschlag für einen Unfallersatztarif muss ersichtlich sein. Daneben sind die Kosten für die Zusatzleistungen gemäß Tabellenwerken anzugeben. Hinsichtlich der Kaskoversicherung ist die Höhe der Selbstbeteiligung zu nennen. Es sind Angaben zur Vorfinanzierung zu machen. Schließlich müssen die Leistungen am Sitz der Vermieterin im fraglichen Zeitraum tatsächlich verfügbar sein (OLG Köln, Urteile vom 30.07.2013, 15 U 212/12 und vom 10.11.2016, 15 U 59/16; LG Bonn, Beschlüsse vom 09.01.2012 und 30.07.2012, 8 S 255/11 und 5 S 94/12; LG Bonn, Urteile vom 18.12.2012 und 26.02.2013, 8 S 158/12 und 8 S 280/12 sowie Urteile vom 27.06.2013 und 15.01.2014, 8 S 13/13 und 5 S 48/13).
20b. Die Angebote, die die Beklagte nennt und vorlegt, sind mit dem der Klägerin nicht vergleichbar. Die Angebote unterstellen eine feste Anmietdauer, eine Kilometerbegrenzung und sagen nichts über eine begrenzte Selbstbeteiligung aus.
21c. Mit der Haftungsreduzierung verstößt der Geschädigte ebenfalls nicht gegen die Schadensminderungspflicht. Er durfte eine Haftungsreduzierung vereinbaren auch im Hinblick darauf, dass hierfür höhere Mietkosten entstehen würden.
225. Sämtliche Zusatzleistungen, die die Rechnungen der Klägerin enthalten, sind dem Grunde nach ersatzfähig. Da das geschädigte Fahrzeug ein Navigationsgerät hatte, durch der Geschädigte auch ein Navigationsgerät in Anspruch nehmen. Da das geschädigte Fahrzeug von einem zweiten Fahrer genutzt werden konnte, durfte er dies zu zusätzlichen Kosten ebenfalls in Anspruch nehmen.
236. Ein Nutzungswille des Geschädigten ist bei der tatsächlichen Inanspruchnahme eines Ersatzfahrzeugs unerheblich. Der Begriff wurde offenbar der Rechtsprechung zum sog. Nutzungsausfallschaden entnommen, welcher fiktiv voraussetzt, dass man das geschädigte Fahrzeug nutzen wollte und (aufgrund des schädigenden Ereignisses) nicht nutzen konnte. Dies betrifft den vorliegenden Fall, in dem ein Ersatzfahrzeug gemietet wurde, nicht. Davon abgesehen hat der Geschädigte einen Nutzungswillen durch die unstreitige Nutzungs des Fahrzeugs manifestiert, sodass die Voraussetzung, selbst wenn man sie stellen würde, erfüllt wäre.
247. Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten folgen aus Verzug, §§ 286 ff. BGB.
25II.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
27Der Streitwert wird auf 2.204,83 EUR festgesetzt.
28Rechtsbehelfsbelehrung:
29Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
301. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
312. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
32Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
33Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.
34Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
35Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.