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Die in der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 19.08.2021 gefassten Beschlüsse zu
TOP 06 Unterpunkt 6) „Erneuerung der Klingelanlage Wohnung B“
TOP 06 Unterpunkt 7) „Pflegeplan Grünflächen“ und
TOP 06 Unterpunkt 8) „Terrassenabtrennung der Wohneinheiten B“
werden für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % vollstreckbar.
31 C 6/21
2Amtsgericht Königswinter
3Tatbestand:
4Die Klägerin ist Miteigentümerin der Wohnung-und Teileigentumseinheit Nr. 1 des Aufteilungsplanes mit einem Miteigentumsanteil von 104,800/1000 und damit Mitglied der beklagten WEG in Königswinter. Die Wohnung der Klägerin, welche die Klägerin vermietet, befindet sich im östlichen Nebenhaus der Anlage. Sie verfügt wie alle anderen Wohnungen auch über ein an der Haustür im Eingangsbereich des Hauses befindliches Klingeltableau, in welchen sich die Klingel und die damit verbundene Gegensprechanlage befinden. Rund um die Häuser der Anlage befinden sich verschiedene Grünflächen, die zum Teil mit niedrigen Gewächsen, zum Teil mit Grasflächen, zum Teil mit Büschen und/oder Bäumen bewachsen sind. Das Objekt, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, besitzt zur rechten Eingangsseite hin eine solche Grünfläche. Diese Fläche ist weder dem Sondereigentum eines Miteigentümers zugewiesen, noch existiert hieran ein Sondernutzungsrecht. Die Wohnungen der Anlage verfügen teilweise über Terrassen und/oder Balkone. Diese werden zur jeweils angrenzenden Wohnung durch eine Holztrennwand abgegrenzt. Solche Trennwände befinden sich auf jeder Terrasse der gesamten Gemeinschaft und grenzen jeweils zwei Terrassen oder Balkone voneinander ab. Während die Trennwände der anderen Eigentumseinheiten von der Wand des Gebäudes bis zum Balkongeländer weichen, weist die Trennwand der Klägerin zur benachbarten Terrasse eine Lücke in einer Breite von etwa 70 cm zum Balkongeländer hin auf.
5Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage vom 20.09.2021, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 19.08.2021 zu Tagesordnungspunkten TOP 06 Unterpunkt 6) „Erneuerung der Klingelanlage Wohnung B“, TOP 06 Unterpunkt 7) „Pflegeplan Grünflächen“ und TOP 06 Unterpunkt 8) „Terrassenabtrennung der Wohneinheiten B“.
6Der Eigentümerversammlung vorausgegangen war diverse Kommunikation mit der Hausverwaltung.
7Mit E-Mail vom 08.02.2021 beantragte des Ehemann der Klägerin, des Zeugen B2, bei der Hausverwaltung die Aufnahme eines Tagesordnungspunkts auf der nächsten Eigentümerversammlung mit folgendem Inhalt:
8„Erneuerung der Klingelanlage und dazugehörige Gegensprechanlage; Wohnung B
9Hin und wieder fällt die Klingelanlage aus und ist ohne Funktion, die Klingelanlage ist auf Dauer nicht betriebssicher. Beigefügt erhalten Sie hierzu Fotos von der vorhandenen Klingelanlage zur Verdeutlichung. Die Eigentümergemeinschaft beschließt, die Erneuerung der Klingelanlage und dazugehörige Gegensprechanlage; Wohnung B. […]
10Frist: Umstellung innerhalb von 3 Monaten nach Versammlung.“
11Die Hausverwaltung nahm den Antrag auch wunschgemäß in die Tagesordnung auf, wobei hier eine sofortige Umsetzung vorgesehen wurde. Im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 19.08.2021 wurde sodann unter der Überschrift „Erneuerung der Klingelanlage Wohnung B“ folgendes beschlossen:
12„Die Gegensprechanlage ist durch Elektriker auf ihre Funktionsfähigkeit und Sicherheit hin zu überprüfen.
13Abstimmungsergebnis: einstimmig angenommen“
14Mit weiterer E-Mail vom 08.06.2021 informierte der Zeuge B die Hausverwaltung darüber, dass die Grünfläche vor dem Sondereigentum der Klägerin seit längerer Zeit nicht gepflegt worden war, sodass hier Unkraut und Disteln gewachsen waren. Er beantragte zugleich die Beschlussfassung der Gemeinschaft über die Erstellung eines Pflegeplans mit Plandarstellung für die Grünflächen durch den Beirat, wobei eine Frist zur Umsetzung von 3 Monaten beschlossen werden sollte. Erneut nahm die Hausverwaltung den Antrag in die Tagesordnung auf, in der Eigentümerversammlung beschlossen wurde dann folgendes:
15„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass die Grünfläche zur rechten Eingangsseite der Wohnung Nr. 1 auf Kosten des Eigentümers neu zu bepflanzen sind. Über einen Plegeplan für die gesamt Gartenanlage wird danach entschieden.
16Abstimmungsergebnis: eine Gegenstimme, Rest Ja-Stimmen, mehrheitlich angenommen“
17Schließlich bat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 11.06.2021 um die Aufnahme eines Tagesordnungspunkts mit folgendem Wortlaut:
18„Sanierung der Terrassenabtrennung zwischen der Wohneinheit B durch Beseitigung der vorhandenen Lücke über eine Breite von etwa 70 cm auf Basis des der Hausverwaltung vorliegenden Angebots der Firma T vom 17. Dezember 2020 zur Verbreiterung der Trennwand zu Gesamtkosten in Höhe von 1.177,40 €.“
19Ihrem Wunsch entsprechend wurde der Tagesordnungspunkt aufgenommen, der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19.08.2021 lautet jedoch wie folgt:
20„Verbreiterung der Terassenabtrennung zurückgestellt.
21Abstimmungsergebnis: eine Ja-Stimme, Rest Nein-Stimmen, mehrheitlich abgelehnt.“
22Die Klägerin ist der Ansicht, die Beschlüsse entsprächen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Klingel- und Gegensprechanlage, die unstreitig zum Gemeinschaftseigentum gehört, sei unverzüglich instandzusetzen. Dies betreffe nicht nur wie beschlossen die Gegensprechanlage sondern auch die Klingelanlage. Die Pflege des Grünstreifens einseitig auf ihre Kosten vorzunehmen belaste sie gegenüber den Miteigentümern in unrechtmäßiger Art und Weise. Während alle anderen Eigentumseinheiten mit entsprechenden Trennwänden bis zum Balkongeländer ausgestattet sein, verfüge ihre Eigentumseinheit als einzige nicht über eine solche Trennwand, weshalb sie einen Anspruch auf entsprechende Verbreiterung der Trennwand habe; diese diene auch dem Einbruchschutz.
23Die Klägerin beantragt,
24die Beschlüsse der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 19. August 2021
25a) TOP 06 Unterpunkt 6) „Erneuerung der Klingelanlage Wohnung B“ b) TOP 06 Unterpunkt 7) „Pflegeplan Grünflächen“
26c) TOP 06 Unterpunkt 8) „Terrassenabtrennung der Wohneinheiten B“
27für ungültig zu erklären, hilfsweise die Nichtigkeit des Beschlusses festzustellen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Die Beklagte ist der Ansicht, die angefochtenen Beschlüsse entsprächen ordnungsgemäßer Verwaltung. Bei der Klingel- und Gegensprechanlage handele es sich um einen Fehler im Versammlungsprotokoll; der Beschluss habe auch die Klingelanlage umfasst. Die WEG sei berechtigt, der Klägerin die Kosten für die neue Bepflanzung aufzuerlegen gemäß § 16 Abs. 2 WEG. Hinsichtlich der Terrassenabtrennung habe die Eigentümerversammlung durch einen Geschäftsordnungsbeschluss beschlossen, zunächst Vergleichsangebote einzuholen und die Arbeiten durch die neue bestellte WEG-Verwalterin durchführen zu lassen. Dabei handele es sich um eine Ausübung ihres Ermessens.
31Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B2 in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2022. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme sowie des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2022 Bezug genommen.
32Entscheidungsgründe:
33Die Klage ist zulässig und begründet.
34Die Anfechtungsklage erfüllt die Fristenerfordernisse des § 45 Satz 1 WEG. Die Klägerin hat drei Beschlüsse der WEG zum TOP 06 der Versammlung vom 19.08.2021 fristgerecht angefochten und ihre Anfechtungsklage binnen der 2-Monatsfrist begründet.
35Die Klage ist begründet, weil die angefochtenen Beschlüsse nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen.
361. TOP 06 Unterpunkt 6) „Erneuerung der Klingelanlage Wohnung B“
37Der Beschluss widerspricht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Klägerin nach § 19 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, dass die ihrem Sondereigentum zugeordnete Klingel- und Gegensprechanlage schnellstmöglich instandgesetzt wird.
38Denn gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist Bestandteil der ordnungsgemäßen Verwaltung die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Diese umfasst sowohl die Instandhaltung als auch die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entspricht, mithin ordnungsgemäß ist.
39Bei der Klingel- und Gegensprechanlage handelt es sich unstreitig um Gemeinschaftseigentum, welches grundsätzlich von der Beklagten instandzusetzen und instandzuhalten ist. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klingelanlage nachhaltig defekt ist. Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Anlage defekt sei und nicht mangelfrei funktioniere. Es ist bereits fraglich, ob dieses Bestreiten erheblich ist. Jedenfalls aber ist durch die Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen B das Gegenteil zweifelsfrei bewiesen. Der Zeuge hat ausführlich geschildert, wie er gemeinsam mit seinem Mieter die Klingel- und Gegensprechanlage bei dessen Einzug in Augenschein genommen hat. Dabei hat er sie nicht nur auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft, sondern auch versucht, mit dem als Elektrotechnikermeister sachkundigen Mieter den Fehler der Anlage zu finden und zu beheben. Der Zeuge hat nachvollziehbar dargestellt, dass es sich nicht um einen einzigen Fehler sondern um eine insgesamt veraltete und nicht mehr funktionstüchtige Anlage handelt. Nach der Aussage des Zeugen ist es für das Gericht nachvollziehbar, dass die Anlage nicht nur überprüft, sondern schnellstmöglich instand gesetzt oder sogar komplett erneuert werden muss. Insoweit hat der Zeuge unter Berufung auf seinen sachkundigen Mieter dargelegt, dass eine Instandhaltung voraussichtlich nicht mehr möglich ist, weil altersbedingt keine Ersatzteile mehr verfügbar sind.
40Der angefochtene Beschluss der WEG vom 19.08.2021 ist vor diesem Hintergrund vollständig unzureichend. Im beschlossenen „stufenweisem Vorgehen“ ohne jegliche Umsetzungsfrist liegt insoweit eine ermessensfehlerhafte Entscheidung der Miteigentümer. Der Beklagten, vertreten durch ihren damaligen Verwalter, war bereits seit dem 08.02.2021 bekannt, dass die Anlage nicht ordnungsgemäß funktioniert. Die entsprechende E-Mail des Zeugen B war an den damaligen Verwalter gerichtet. Insoweit ist es bereits nicht nachvollziehbar, dass die Verwaltung sich nicht unmittelbar des Problems angenommen und dieses im Sinne der Beklagten schnellstmöglich gelöst hat. Denn nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei der Klingel- und Gegensprechanlage – anders als beispielsweise bei einem energetischen Austausch von Fenstern – um einen Defekt, welchen der Verwalter sogar nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG unmittelbar hätte beheben können und müssen. Denn bei einer nicht funktionsfähigen Klingel- und Gegensprechanlage handelt es sich um einen Nachteil im Sinne des §§ 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG, weil eine funktionsfähige Klingel- und Gegensprechanlage nach Ansicht des Gerichts einen wesentlichen Bestandteil einer Wohnung darstellt. Es ist für einen Eigentümer oder Mieter nicht zumutbar, über einen längeren Zeitraum – hier: ein Jahr! – in seiner eigenen Wohnung nicht über eine Klingel erreichbar zu sein. Das Ermessen der Miteigentümer war deshalb vorliegend auf Null reduziert; ein kurzfristiges Beheben des Defekts einzig geboten.
412. TOP 06 Unterpunkt 7) „Pflegeplan Grünflächen“
42Auch dieser Beschluss widerspricht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, weil er willkürlich und ermessensfehlerhaft ist, weil die Pflege der im Gemeinschaftseigentum stehenden Grünflächen bzw. die Kosten hierfür einseitig und nur teilweise auf eine Miteigentümerin abgewälzt wird.
43Unstreitig wurden und werden die Kosten für die Pflege der Grünflächen bislang von allen Eigentümern entsprechend dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile gemeinsam getragen. Grundsätzlich obliegt es den Wohnungseigentümern, eine hiervon abweichende Regelung zu beschließen, indem für einzelne Kosten eine abweichende Verteilung beschlossen wird, § 16 Abs. 2 S. 2 WEG. § 16 Abs. 2 S. 2 gibt den Wohnungseigentümern die umfassende Beschlusskompetenz, den gesetzlichen oder einen vereinbarten Umlageschlüssel für die meisten Kosten und Kostenarten zu ändern. Er soll es den Wohnungseigentümern erleichtern, über eine angemessene Kostenverteilung zu beschließen. Der Beschluss nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Dies ist der Fall, wenn er einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen aller Wohnungseigentümer in einem reibungslosen Zusammenleben einerseits und den Individualinteressen des einzelnen Wohnungseigentümers andererseits findet. Hier ist unter anderem zu fragen, ob der Verursachung angemessen Rechnung getragen wird. Im Rahmen des Ermessens sind an dieser Stelle in der Regel Gebrauch und die Möglichkeit des Gebrauchs zu berücksichtigen. Zudem bedarf es für die Änderung des geltenden Umlageschlüssels eines sachlichen Grundes. Sowohl „ob“ als auch das „wie“ der Änderung dürfen nicht willkürlich sein (Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Auflage 2021, § 16 Rn. 44, 60 ff; BeckOK WEG/Bartholome, 47. Ed. 1.1.2022, WEG § 16 Rn. 114, 150 ff).
44Diesen Grundsätzen widerspricht der angefochtene Beschluss. Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt, bei der streitgegenständlichen Grünfläche handele es sich um eine Grünfläche unmittelbar neben der zu der Wohnung der Klägerin gehörenden Terrasse, so entspricht dieser Vortrag nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Diese sind dem Gericht durch eigene Ortskenntnis bekannt. Die streitgegenständliche Grünfläche befindet sich mit Blick auf das Wohngebäude rechts, während sich die zur Wohnung der Klägerin gehörende Terrasse linker Hand befindet. Weiterhin vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit die streitgegenständliche Grünfläche für die Klägerin bzw. deren Mieter nutzbar sein soll. Die Fläche liegt oberhalb der Eingangsstufen, wird wenige Quadratmeter groß und befindet sich unmittelbar an der Godesberger M-Straße. Sie ist weder dazu geeignet, dort seine Freizeit zu verbringen, noch vermag man dort sinnvollerweise Fahrräder oder Ähnliches abzustellen. Sie ist nicht einmal von der Wohnung der Klägerin aus unmittelbar einsehbar. Die von den Beklagten pauschal behauptete Nutzung besteht höchstens darin, dass sich der Eingang der Wohnung der Klägerin dort befindet und der Blick beim Betreten der Wohnung unwillkürlich hierauf fällt.
45Weitere sachliche Gründe für den Beschluss gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG trägt die Beklagte nicht vor. Solche sind auch nicht erkennbar. Vielmehr erscheint der Beschluss willkürlich und nicht gerechtfertigt, weil die Pflege für einen einzigen Teil der gesamten kleineren und größeren Grünflächen rund um die Anlage einer Wohnungseigentümerin auferlegt wird, während die Kosten für die Pflege der sämtlichen weiteren Grünflächen weiterhin über die Gemeinschaft abgerechnet werden sollen und die Klägerin damit auch mit den Kosten der Pflege dieser Grünflächen belastet wird. Hierbei handelt es sich auch um Grünflächen, welche mit dem Sondereigentum der Klägerin in keinem Verhältnis stehen, weil diese sie beim Betreten und Verlassen ihres Sondereigentums nicht einmal zu sehen vermag. Anders ist dies bei der streitgegenständlichen Grünfläche, welche unmittelbar an der Grund Godesberger M-Straße liegt und so auch allen anderen Miteigentümern bzw. deren Mietern bei der Einfahrt zu ihren Wohnungen ins Auge fällt.
463. TOP 6, Unterpunkt 8 „Terrassenabtrennung der Wohneinheiten B“
47Der Beschluss hinsichtlich der Terrassenabtrennung widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil der Klägerin ein Anspruch auf Gestaltung der Vornahme dieser baulichen Veränderung zusteht.
48Zunächst besteht der Anspruch der Klägerin nach §§ 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG. Hiernach kann jeder Wohnungseigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Einbruchschutz dienen. Die beantragte Verbreiterung der Trennwand stellt eine bauliche Veränderung dar, die dem Einbruchschutz dient. Der Begriff „Einbruchsschutz“ meint technische Vorrichtungen, welche darauf abzielen, das Wohnungseigentum oder die Wohnungseigentumsanlage gegen das das Eindringen oder Einbrechen Unbefugter zu schützen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 90; BeckOK WEG/Elzer, 47. Ed. 1.1.2022, WEG § 20 Rn. 87). Eine bauliche Veränderung dient dem Einbruchsschutz, wenn sie geeignet ist, den widerrechtlichen Zutritt zu einzelnen Wohnungen oder zu der Wohnungseigentumsanlage insgesamt zu verhindern, zu erschweren oder auch nur unwahrscheinlicher zu machen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20). Dies ist vorliegend unzweifelhaft der Fall. Durch die beantragte Verbreiterung der Trennwand wird verhindert, dass Dritte ungehinderten Zugang zu der Immobilie der Klägerin durch den fehlenden Abschluss über den Balkon erhalten. Unbestritten ist nämlich die Wohnung der Klägerin – anders als alle anderen Wohnungen – von der Nachbarterrasse aus ungehindert begehbar. Auch hier bedarf die Durchführung der Maßnahme jedoch eines Beschlusses durch die Gemeinschaft. Ist ein Wohnungseigentümer wie im vorliegenden Fall nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG berechtigt, eine privilegierte bauliche Veränderung zu verlangen, hat er nach § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG einen Anspruch, dass die anderen Wohnungseigentümer über die Durchführung der entsprechenden baulichen Veränderung im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG) beschließen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 109).
49Darüber hinaus hat die Klägerin einen Anspruch auf Gestattung der baulichen Maßnahme gemäß § 20 Abs. 3 WEG. Der Anspruch aus § 20 Abs. 3 WEG ist nach seinem Sinn und Zweck gegeben, wenn kein Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. In diesem Fall bedarf es auch keines Einverständnisses (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 139). Er besteht „unbeschadet“ des Anspruchs aus Absatz 2, kann also vom Anspruchsberechtigten neben dem Anspruch aus § 20 Abs. 2 geltend gemacht werden (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 123). So liegt der Fall hier: Eine rechtlich relevante Beeinträchtigung anderer Miteigentümer ist ausgeschlossen. Denn die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass sämtliche andere Wohneinheiten mit entsprechend verlängerten Terrassenabtrennungen ausgestattet sind. Diese wurden im gleichen Verfahren, also jeweils auf Wunsch der anderen Eigentümer, beschlossen und auf Kosten der Beklagten errichtet. Einen nachvollziehbaren Grund, das bereits vorliegende und der Verwaltung durch die Email des Verwaltungsbeirats vom übermittelte Angebot (Anlage K9, Bl. 69 d.A.) abzulehnen – zumal gleichzeitig die Sanierung der Terrassenabtrennung auf Kosten der Gemeinschaft unter TOP 06, Unterpunkt 4b), beschlossen wurde – hat die Beklagte nicht vorgetragen. Vielmehr gebietet es das Gebot der Wirtschaftlichkeit, nicht weitere Angebote anderer als der bereits beauftragten Firma einzuholen, sondern zugleich mit der Sanierung auch die Verlängerung der Terrassenabtrennung in Auftrag zu geben. Die Wohnungseigentumsanlage wird durch die Maßnahme weder grundlegend umgestaltet, noch wird ein Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt, vgl. § 20 Abs. 3 WEG. Im Gegenteil wird die Klägerin durch das Unterlassen der Maßnahme gegenüber den anderen Miteigentümern unbillig benachteiligt, was ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.
50Grundsätzlich haben Wohnungseigentümer zwar bei der Vornahme baulicher Maßnahmen einen Ermessensspielraum. Liegen allerdings die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 3 WEG vor, hat ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf einen Gestattungsbeschluss. Für die Wohnungseigentümer besteht für das „Ob“ und auch für das „Wie“ des Beschlusses dann kein Ermessen mehr (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 142).
51Zur Frage der Kostentragungspflicht verhält sich der angegriffene Beschluss nicht. Vor dem Hintergrund, dass alle weiteren Wohnungen entsprechend dem Verlangen der Klägerin auf Kosten der Beklagten ausgestattet wurden wird auf § 21 Abs. 5 WEG hingewiesen (vgl. zum Willkürverbot auch BeckOK WEG/Bartholome, 47. Ed. 1.1.2022, WEG § 16 Rn. 114).
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
53Streitwert: bis 5.000,- €
54Rechtsbehelfsbelehrung:
55Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
561. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
572. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
58Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, M-M-Straße, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
59Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
60Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
61Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
62Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
63Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
64Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.