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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit leisten in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Klage ist gerichtet auf die Zahlung von Schmerzensgeld wegen eines Verkehrsunfalls.
3Der Verkehrsunfall ereignete sich am 00.00.0000 in I. auf der M.-straße. Der Beklagte zu 1) fuhr mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Bmw, amtliches Kennzeichen N01 auf das von der Klägerin geführte Fahrzeug auf. Die alleinige Haftung der Beklagten für die unfallbedingten Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Der von der Klägerin geführte Pkw wurde beschädigt; die Reparaturkosten beliefen sich auf ca. 3800 Euro.
4Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin durch den Unfall verletzt wurde. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die Beklagte zu 2) außergerichtlich zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes auf. Die Beklagte zu 2) bezahlte dafür ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 500 Euro an die Klägerin und lehnte die Regulierung eines weiteren Schmerzensgeldes ab.
5Die Klägerin behauptet, sie sei durch den Unfall erheblich verletzt worden. Sie habe unfallbedingt eine schwere HWS-Zerrung erlitten sowie Frakturen der HWK 6 u. 7. Für die ersten 2 Wochen nach dem Unfallereignis habe die Klägerin einen „Stiff Neck“ tragen müssen – ein starres Halsgerüst, welches die Bewegungsfähigkeit der gesamten HWS einschränke. Der Stiff Neck habe nach einem erneuten MRT weitere Wochen getragen werden müssen. Sie – die Klägerin – sei wegen der Verletzungen arbeitsunfähig gewesen in der Zeit 00.00.-00.00.0000. Nach dem 00.00.0000 habe sie noch Kopfschmerzen, Ohrengeräusche, Druck im Ohr sowie leichte Schwindelbeschwerden gehabt. Sie habe dann wegen der Verletzungen für mindestens 6 Wochen physiotherapeutische Maßnahmen und Krankengymnastik absolvieren müssen.
6Durch den Anstoß des Beklagtenfahrzeugs habe das Klägerfahrzeug eine Geschwindigkeitsänderung von min. 15 km/h erfahren. Daher sei das Unfallereignis objektiv dazu geeignet gewesen, die genannten Verletzungen der Klägerin herbeizuführen, Bl. 5 d. A. Der Klägerin stehe ein angemessenes Schmerzensgeld von 4000-5000 Euro zu. Für einen Arztbericht des Krankenhaus Z. an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe die Klägerin Attestkosten in Höhe von 51,52 Euro verauslagen müssen.
7Die Klägerin beantragt,
81. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 51,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
92. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des angerufenen Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
103. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin freizustellen gegenüber den Rechtsanwälten G., N., in Höhe der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vorgerichtlich notwendigerweise angefallenen 1,3 Geschäftsgebühr gem. VV 2300 RVG in Höhe von 413,64 Euro.
11Die Beklagten beantragen,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagten sind der Auffassung, die Beklagte zu 2) habe alle berechtigten Ansprüche der Klägerin aus dem Verkehrsunfallereignis reguliert. Die Beklagten bestreiten die unfallbedingten Verletzungen der Klägerin. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen seien nicht geeignet, eine unfallbedingte Verletzung der Klägerin zu belegen. Unfallbedingt seien bei der Klägerin keine HWS-Distorsion bzw. Zerrung sowie keine Frakturen der HWS eingetreten. Das Unfallereignis sei auch nicht geeignet gewesen, derartig erhebliche Beschwerden auszulösen. Nach den Schadenunterlagen habe sich die Beschädigung des Klägerfahrzeugs auf lösbare Anbauteile beschränkt; tragende Karosserieteile seien nicht beschädigt worden. Es sei nur von einer Geschwindigkeitsänderung des Klägerfahrzeugs in der Größenordnung von etwa 9 km/h auszugehen, Bl. 53 d. A. Das geltend gemachte Schmerzensgeld sei selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrages der Höhe nach übersetzt.
14Das Gericht hat Beweis erhoben zu den Fragen des technischen (biomechanischen) Ablaufs des Unfalls und der behaupteten Verletzungen der Klägerin durch die Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten. Bezüglich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das technische Gutachten von Herrn E. vom 15.04.2021 (Bl. 114 ff. d. A.) verwiesen sowie auf das medizinische Gutachten von Herrn U. vom 12.09.2021 (Bl. 178 ff. d. A.).
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
17Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von weiterem Schmerzensgeld gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.
18Die durchgeführte Beweisaufnahme hat den von der Klägerin behaupteten Verletzungsumfang nur teilweise bestätigt. Insofern hat die Klägerin den notwendigen Beweis für die behaupteten weiteren Verletzungen nicht erbracht; dies fällt der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin als Anspruchstellerin zur Last. Die Schmerzensgeldvorstellungen der Klägerin von 4000-5000 Euro stellen sich danach als weit überzogen dar. Anhand der Feststellungen des gerichtlich bestellten medizinischen Sachverständigen ist vielmehr davon auszugehen, dass der ursprünglich (teilweise) berechtigte Schmerzensgeldanspruch der Klägerin jedenfalls durch den von der Beklagten zu 2) dafür unstreitig bezahlten Betrag von 500 Euro bereits erfüllt wurde, § 362 BGB. Daher steht der Klägerin kein weiteres Schmerzensgeld mehr zu.
19Entgegen der Behauptungen der Klägerseite hat der medizinische Sachverständige Herr U. festgestellt, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer unfallbedingten Fraktur des 6. Und 7. HWKs gekommen sei, Bl. 201 ff. d. A. Darüber hinaus sei es auch zu keiner schweren HWS-Zerrung mit Fraktur gekommen, sondern nur zu einer milden bis mäßigen HWS-Distorsion. Es habe sich nur um ein HWS-Trauma 1. Grades gehandelt. Es sei glaubhaft, dass die Klägerin für 14 Tage eine Halskrawatte getragen habe. Der behandelnde Arzt habe eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 00.00.0000 bestätigt. Dies entspräche den allgemeinen Erfahrungen mit einer derartigen HWS-Distorsion 1. Grades. Angesichts der Ergebnisse des technischen Gutachtens sei es sehr unwahrscheinlich, dass die nach dem 00.00.0000 noch geäußerten Beschwerden unfallbezogen gewesen seien; maßgeblich seien diesbezüglich wahrscheinlicher der degenerative Verschleiß an der HWS der Klägerin gewesen, Bl. 202 d. A. Bei der Klägerin hätten erhebliche degenerative Veränderungen der HWS vor dem Unfall bestanden.
20Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen und Feststellungen des medizinischen Sachverständigen vollumfänglich an. Der medizinische Sachverständige hat unter Zugrundelegung und Beachtung der Erkenntnisse aus dem vorangegangenen technischen (biomechanischen) Gutachten die Klägerin eingehend untersucht und den Verletzungsumfang und den Krankheitsverlauf unter Ausschöpfung der möglichen Erkenntnisquellen – insbesondere auch der Behandlungsunterlagen – genau analysiert. Die Ausführungen des Sachverständigen sind insgesamt logisch, nachvollziehbar und glaubhaft; es besteht kein Anlass an der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen zu zweifeln. Demzufolge hat die Klägerin aber unfallbedingt nur eine einfache HWS-Distorsion 1. Grades erlitten, welche das Tragen einer sog. Halskrawatte für 14 Tage sowie eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 00.00.0000 nach sich zog. Für das beschriebene Verletzungsbild ist der gezahlte Betrag von 500 Euro aber auskömmlich. Ein Betrag in dieser Größenordnung ist für eine HWS-Distorsion 1. Grades und die damit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen nach der ständigen Rechtsprechung der Instanzgerichte angemessen. Die von der Klägerin behaupteten Frakturen der HWS sowie die angebliche schwere HWS-Zerrung wurden gerade nicht bestätigt, sondern vom Sachverständigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verneint. Etwaige weitere Beschwerden nach dem 00.00.0000 und die etwaige Notwendigkeit einer physiotherapeutischen Behandlung sind maßgeblich (auch) auf die erhebliche Degeneration der HWS der Klägerin unabhängig von dem Unfall zurückzuführen. Es handelt sich dabei offensichtlich um eine unfallunabhängige Vorerkrankung der Klägerin. Insoweit fehlt es an dem notwenigen Ursachenzusammenhang (Kausalität) zwischen dem Unfallereignis und den möglichen weiteren Beschwerden und Behandlungen der Klägerin. Angesichts der genannten Ergebnisse der Beweisaufnahme sind die Schmerzensgeldvorstellungen der Klägerin weit übersetzt. Da das außergerichtlich bezahlte Schmerzensgeld von 500 Euro hiernach ausreichend und angemessen war, musste den Einwendungen der Beklagtenseite gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen nicht weiter nachgegangen werden, vgl. Bl. 225 d. A.
21Die Klägerin hat gegen die Beklagten aus den o. g. Normen auch keinen Anspruch auf Bezahlung der Kosten für ein ärztliches Attest des Krankenhauses an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Höhe von 51,52 Euro.
22Unabhängig von der Frage, ob der Klägerin diese Kosten für das ärztliche Attest tatsächlich entstanden sind, steht der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch insoweit nicht zu. Erstens schulden die Beklagten die Erstattung der Attestkosten nicht, weil die Beklagte zu 2) mit der Bezahlung von 500 Euro außergerichtlich bereits freiwillig ein angemessenes Schmerzensgeld an die Klägerin bezahlt hatte (s. o.). Wegen der freiwilligen auskömmlichen Zahlung der Beklagten zu 2) bestand keine Veranlassung und keine Notwendigkeit, das ärztliche Attest einzuholen. Der über die Feststellungen des medizinischen Sachverständigen hinausgehende Verletzungsumfang über eine leichte HWS-Distorsion 1. Grades hinaus hat sich nicht bestätigt und lag dementsprechend unfallbedingt auch nicht vor (s. o.). Zweitens war die Einholung dieses (zusätzlichen) ärztlichen Attestes auch nicht notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Klägerin. Denn einem solchen ärztlichen Attest kommt kein Beweiswert zu. Die Klägerin hätte den Verletzungsumfang und den Krankheitsverlauf auch anhand der üblichen vorhandenen ärztlichen Behandlungsunterlagen dokumentieren können. Die Notwendigkeit eines (zusätzlichen) ärztlichen Attestes, welche zusätzliche Kosten auslöst, erschließt sich nicht. Daher hat die Klägerin diese zusätzlichen Kosten selbst zu tragen.
23Mangels einer begründeten Hauptforderung stehen der Klägerin auch die Nebenforderungen nicht zu.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
25Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
26Der Streitwert wird auf 4.051,52 EUR festgesetzt.