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Für die abschließende Entscheidung über die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Bonn vom 29.07.2020 ist der Rechtspfleger zuständig.
Unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses vom 09.09.2020 insoweit, als die Sache dem zuständigen Abteilungsrichter zur Entscheidung vorgelegt worden ist, wird das Verfahren zur abschließenden Entscheidung über die Erinnerung dem zuständigen Rechtspfleger vorgelegt.
Gründe:
2I.
3Mit Beschluss vom 16.07.2020 hat das Amtsgericht durch den Rechtspfleger der Antragstellerin Beratungshilfe gewährt.
4Dem Vergütungsfestsetzungsantrag ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 23.07.2020 hat das Amtsgericht durch die im mittleren Dienst tätige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Festsetzungsbeschluss vom 29.07.2020 insoweit nicht entsprochen als die Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG nicht auf 19,38 EUR, sondern wegen der Absenkung des Umsatzsteuersatzes in der Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 nur auf 16,32 EUR festgesetzt worden ist.
5Dem als Erinnerung ausgelegten Widerspruch der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 11.08.2008 hat die in Vertretung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit deren Aufgaben betraute Rechtspflegerin nach vorheriger Mitteilung mit Beschluss vom 09.09.2020 nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Abteilungsrichter zur Entscheidung vorlegt.
6Auf den Hinweis des Abteilungsrichters zur Zuständigkeit des Rechtspflegers für die abschließende Entscheidung über Erinnerungen gegen die Vergütungsfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemäß §§ 3 Nr. 3f sowie 24a RPflG unter Verweis auf die hierzu ergangene Rechtsprechung hat die die Nichtabhilfeentscheidung getroffene Rechtspflegerin der richterlichen Bitte um weitere Veranlassung in eigener Zuständigkeit nicht entsprochen, sondern unter näherer Begründung um Überprüfung und Entscheidung über die Zuständigkeit durch Beschluss gebeten.
7II.
8Über die Zuständigkeit war wie erkannt gemäß § 7 S. 1 RPflG durch richterlichen Beschluss zu entscheiden, da die Zuständigkeit für die abschließende Entscheidung über die vorliegende Erinnerung zwischen Richter und Rechtspfleger streitig ist.
9Für die abschließende Entscheidung über die Erinnerung der Erinnerungsführerin und Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 11.08.2020 gegen den Beschluss über die Vergütungsfestsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29.07.2020 ist der Rechtspfleger zuständig. Unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses vom 09.09.2020 im tenorierten Umfang ist das Verfahren deshalb dem zuständigen Rechtspfleger zur abschließenden Entscheidung über die Erinnerung vorzulegen.
10Über die vorliegende Erinnerung der Erinnerungsführerin gegen die gemäß § 55 Abs. 4 RVG durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erfolgte Vergütungsfestsetzung im Fall der Beratungshilfe entscheidet nach § 56 Abs. 1 S. 3 RVG das nach § 4 Abs. 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
11Funktionell zuständig ist hierfür der Rechtspfleger (LG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2013 - 25 T 671/13, juris; LG Wuppertal, Beschluss vom 13.08.2012 - 6 T 404/12, juris; LG Mönchengladbach, Beschluss vom 28.11.2008 - 5 T 313/08, juris; AG Kiel, Beschluss vom 08.01.2009 - 7 II 543/08, juris; AG Lübeck, Beschluss vom vom 02.11.1983 - 45b II 1193/83, juris; Volpert, in: Burhoff/Volpert, RVG, 5. Aufl. 2017, Rn 1890; Burhoff/Volpert in: Burhoff/Kotz, Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl. 2016, Teil D: Vergütung und Kosten Rn 529; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, § 56 RVG Rn 8). Die gegenteilige Ansicht (LG Gießen, Beschluss vom 10.07.2009 - 7 T 101/19, juris; AG Halle, Beschluss vom 04.01.2011 - 103 II 4688/10, juris; wohl auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.01.2004 - 10 WF 19/03; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 56 Rn 10; Kießling, in: Meyer-Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 56 Rn 17) überzeugt nicht.
12Der Rechtspfleger ist Gericht im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 3 RVG, da ihm nach §§ 3 Nr. 3f sowie 24a RVG die Entscheidung über die Gewährung und Aufhebung von Beratungshilfe übertragen worden ist (AG Kiel, a.a.O.; Volpert, a.a.O.; s.a. Hartmann, a.a.O.). Er trifft auch eine Sachentscheidung, weil er über die Gewährung und Aufhebung von Beratungshilfe nach den gesetzlichen Voraussetzungen in sachlicher Unabhängigkeit entscheidet (vgl. Volpert, a.a.O.). Es liegt insoweit jedenfalls faktisch eine Vollübertragung vom Richter auf den Rechtspfleger vor (Volpert, a.a.O. Rn 1891 m.w.N.).
13Dem steht nicht entgegen, dass statt des Rechtspflegers der Richter entscheiden kann (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 11.10.2010 - 17 W 141/10, juris). Gemäß § 8 Abs. 1 RPflG wird hierdurch die Wirksamkeit des Geschäfts nicht berührt.
14Zudem ist seit dem Ersten Justizmodernisierungsgesetz vom 24.08.2004 (BGBl. 2004 I, 2198) die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 3 RPflG a.F. abgeschafft. Danach war ein Rechtspfleger nicht befugt, über Anträge zu entscheiden, die auf die Änderung einer Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gerichtet waren, und diese Aufgabe dem Richter vorbehalten. Jedoch hielt das Erste Justizmodernisierungsgesetz an § 4 Abs. 2 Nr. 3 RPflG nicht mehr fest (vgl. BT-Drs. 15/1508, 29 sowie AG Kiel, a.a.O.).
15Unerheblich ist ferner, dass § 21 RPflG das Beratungshilfeverfahren nicht nennt. Dem Rechtspfleger sind die Geschäfte im Verfahren nach dem Beratungshilfegesetz nicht nach dieser Vorschrift, sondern nach § 24a RPflG übertragen (LG Wuppertal, a.a.O.; LG Mönchengladbach, a.a.O.).
16Auch kommt es nicht darauf an, wer über die Erinnerung des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Vergütungsfestsetzung gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG entscheidet (vgl. dazu etwa OLG Köln, Beschluss vom 05.12.2012 - 4 WF 128/12). Hierum geht es vorliegend nicht, sondern um die Erinnerungsentscheidung nach § 56 Abs. 1 S. 3 RVG im Beratungshilfeverfahren. Diese trifft nach der letztgenannten Vorschrift das nach § 4 Abs. 1 BerhG zuständige Gericht, also das Gericht, dass auch über den Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe entscheidet. Wenn aber schon die Entscheidung über die Gewährung von Beratungshilfe dem Grunde nach gemäß § 24a Abs. 1 Nr. 1 RPflG dem Rechtspfleger übertragen ist, muss dies erst Recht für die Entscheidung gelten, in welchem Umfang dies geschieht.
17Ohne Belang ist insoweit auch, ob bei der Vergütungsfestsetzung ein Rechtspfleger Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrgenommen hat (vgl. auch AG Kiel, a.a.O.). Vorliegend wurde der Vergütungsfestsetzungsbeschluss von einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im mittleren Dienst erlassen, nicht aber einem Rechtspfleger. Ein solcher hat nur als mit der Vertretung des im mittleren Dienst tätigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Betrauter der Erinnerung nicht abgeholfen. Hierdurch kann aber die Zuständigkeit des Richters für die abschließende Erinnerungsentscheidung schon deshalb nicht herbeigeführt werden, weil nach dem Sinn und Zweck des Abhilfeverfahrens als Mittel der Selbstkontrolle die Abhilfeentscheidung durch die ursprünglich entscheidende Instanz selbst, vorliegend also den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, zu erfolgen hat. Selbst wenn diese aber ein Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle getroffen hätte, mag dieser zwar von der abschließenden Entscheidung über die Erinnerung gegen seine eigene Festsetzung ausgeschlossen sein (vgl. auch Volpert, a.a.O.); hierdurch wird aber weder die Festsetzungsentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu einer Entscheidung des Rechtspflegers noch kommt es zu doppelten Erinnerungsverfahren. Vielmehr handelt auch ein Rechtspfleger, der gemäß § 153 Abs. 3 Nr. 1 GVG mit der Aufgabe des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle betraut ist und die Vergütung im Beratungshilfeverfahren gemäß § 55 Abs. 4 RVG festsetzt, funktional als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle und gerade nicht als Rechtspfleger. Die funktionale Zuständigkeit des Rechtspflegers für die abschließende Entscheidung über die Erinnerung kann dadurch nicht umgangen und erst recht nicht die Zuständigkeit des Richters hierfür erschlichen werden. Andernfalls wäre dem Erinnerungsführer die Überprüfung der abschließenden Erinnerungsentscheidung in den Fällen von vornherein genommen, in denen etwa der Beschwerdewert gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 3 RVG nicht erreicht wird. Dies kann gerade auch im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht richtig sein.
18Für die Zuständigkeit des Rechtspflegers zur abschließenden Entscheidung über die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten im Beratungshilfeverfahren spricht schließlich auch der Vergleich mit der rechtspflegerischen Zuständigkeit in anderen Erinnerungsverfahren gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Wenn der Rechtspfleger etwa in Grundbuchsachen nach nahezu einhelliger Auffassung abschließend über die Erinnerung gegen Maßnahmen des Urkundsbeamten in Grundbuchsachen entscheidet (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom Beschluss vom 6. 10. 2010 - 3 Wx 214/10, juris), muss dies erst recht für die vergleichsweise weniger einschneidenden Maßnahmen der Vergütungsfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Beratungshilfeverfahren gelten (vgl. auch Volpert, a.a.O.), zumal der Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren in aller Regel sehr erfahren ist.
19Der Beschluss ist gemäß § 7 S. 2 RPflG unanfechtbar.