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In der Familiensache – Umgang - betreffend die Kinder T und F M,
hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bonn b e s c h l o s s e n:
I. Die vom Amtsgericht Siegburg in dem Verfahren AG Siegburg 320 F 20/17 gebilligte, am 24.3.2017 geschlossene Elternvereinbarung (der Vater übernimmt folgende Betreuungszeiten: in ungeraden Wochen freitags mittags bis montags morgen, in geraden Wochen donnerstags 16.00 Uhr bis samstags 9.15 Uhr) wird wie folgt geändert und ergänzt:
1. Der Vater hat in den ungeraden Kalenderwochen Umgang mit den Kindern von Freitagnachmittag nach der Schule bis Montagmorgen bis zur Schule. Der Vater holt die Kinder am Freitag von der Schule ab und bringt sie am Montag dorthin zurück.
In Zeiten, in denen die Kinder nicht zur Schule gehen (z.B. wegen der Corona-Gefahr) und der Vater sie somit nicht von der Schule abholen oder dorthin bringen kann, holt der Vater die Kinder freitags um 14.00 Uhr bei der Mutter ab und bringt sie montags um 8.30 Uhr zur Mutter zurück.
2. Während die Kinder bei der Mutter sind, sollen sie den Vater mindestens dreimal (ca. alle drei bis vier Tage) anrufen (also z.B. mittwochs, sonntags und wieder mittwochs), während der Betreuung beim Vater sollen sie die Mutter einmal anrufen (z.B. sonntags). Darüber hinaus sollen die Kinder die Möglichkeit haben, den nicht anwesenden Elternteil immer dann anzurufen, wenn sie das Bedürfnis haben.
3. In den Osterferien kann der Vater die Kinder in der ersten Ferienhälfte zu sich nehmen, in den Herbstferien in der zweiten Hälfte. In den Weihnachtsferien kann der Vater die Kinder jährlich wechselnd in der ersten oder zweiten Ferienhälfte zu sich nehmen. Die Eltern können für einzelne Ferien auch vereinbaren, dass es sich um die andere Ferienhälfte handeln soll. In den Sommerferien kann der Vater die Kinder für zwei Wochen zu sich nehmen, aber nicht zusammenhängend; die Eltern sollen die Lage dieser beiden Wochen so vereinbaren, dass die Kinder drei Wochen durchgehend bei der Mutter sind. Während einwöchiger Aufenthalte beim Vater soll er zwei Telefonate der Kinder mit der Mutter gewährleisten. Während die Kinder in den Ferien bei der Mutter sind, gilt im Hinblick auf Telefonate dasselbe wie unter Ziff. 2.
4. Den Eltern wird aufgegeben, an einer fortlaufenden gemeinsamen Elternberatung teilzunehmen.
II. Das Gericht weist die Eltern darauf hin, dass bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus dem Beschluss ergebenden Verpflichtungen das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 25.000,- Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen kann. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen.
III. Die in dem Verfahren AG Bonn 407 F 51/20 erlassene einstweilige Anordnung (Beschlüsse vom 4. und 19.3.2020) tritt außer Kraft. Die Umgangspflegschaft ist beendet.
IV. Die Kosten des Verfahrens werden zwischen den Eltern gegeneinander aufgehoben
G r ü n d e
2Die Entscheidung beruht auf §§ 1696 Abs. 1, 1684 Abs. 3 BGB. Die bestehende Umgangsregelung – Elternvereinbarung vom 24.3.2017 (der Vater übernimmt die Kinder in ungeraden Wochen freitags mittags bis montags morgens, in geraden Wochen donnerstags 16.00 Uhr bis samstags 9.15 Uhr), geändert im Wege der einstweiligen Anordnung durch Beschlüsse vom 4. und 19.3.2020 (AG Bonn 407 F 51/20 Umgang des Vaters in ungeraden Wochen von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen) – muss aus triftigen, das Wohl der Kinder nachhaltig berührenden Gründen geändert werden. Die jetzt getroffene Regelung entspricht zur Überzeugung des Gerichts dem Kindeswohl am besten.
3Vor dem Hintergrund der umfangreichen Ermittlungen des Gerichts, dem ausführlichen Vortrag der Beteiligten (zuletzt ein 11-seitiger Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Vaters vom 18.8.2020) und insbesondere dem persönlichen Eindruck, den die Kinder und die Eltern auf das Gericht gemacht haben, ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass die Umgangskontakte nicht so wie bisher weiter geführt werden können, sondern geändert werden müssen. In verschiedenen Verfahren hat das Gericht die Kinder persönlich angehört und die Eltern erlebt. Dabei hat es eine sich stetig verschlechternde Stimmungslage festgestellt, sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern. Zu Beginn der beim Amtsgericht Bonn geführten Verfahren waren die Kinder noch fröhlich und aufgeweckt, und die Eltern wirkten zumindest nach außen offen. Bei den Eltern war dann eine zunehmende Belastung und Verhärtung erkennbar, die es – z.B. in dem Verfahren AG Bonn 407 F 51/20 - unmöglich machte, eine einvernehmliche Lösung zu erzielen. Die Kinder machten dann im Anhörungstermin vom 10.8.2020 einen so verschüchterten Eindruck – sie wollten sich erkennbar am liebsten überhaupt nicht äußern -, dass es für das Gericht auf der Hand liegt, dass zu ihrem Wohl eine Änderung unabdingbar ist.
4Im Ergebnis hält das Gericht die Empfehlung der Sachverständigen aus eigener Überzeugung des Gerichts für den jetzt im Hinblick auf das Kindeswohl am besten geeigneten Weg. Auf die Vorwürfe, die der Vater gegen die Sachverständige erhebt, braucht nicht eingegangen zu werden. Das Gericht hat sowohl die Ausführungen und Erläuterungen der Sachverständigen als auch die ausführlichen Gegenargumente des Vaters zur Kenntnis genommen, ebenso wie die Stellungnahmen der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter, des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin. Auch wenn sich das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin der Empfehlung der Sachverständigen angeschlossen haben, ist es nicht so, dass das Gericht ohne eigene Überzeugungsbildung zu demselben Ergebnis kommt. Es hat sich vielmehr ein eigenes Bild gemacht: Der Vater zeigt in seinem Verhalten eine solch ungewöhnliche Intensität, dass die Kinder davor durch eine Reduzierung der Umgangszeiten geschützt werden müssen. Eine einmal eingenommene Haltung vermag der Vater nicht aufzugeben. Er argumentiert und argumentiert immer weiter. Das Gericht hat das selbst bei intensiven Einigungsversuchen im vorliegenden Verfahren in dem Termin am 13.12.2020 erlebt (s. Protokoll vom 13.12.2019, Bl. 534ff GA). Es wäre so wünschenswert gewesen, einen Kompromiss zwischen den Eltern zu erzielen, um die Kinder entsprechend der eindringlichen Empfehlung insbesondere der Verfahrensbeiständin aus dem Konflikt der Eltern herauszulösen; ein solcher Kompromiss war auch zum Greifen nahe – und das Gericht hatte den Eindruck, er werde auch vom Anwalt des Vaters unterstützt. Der Vater jedoch hatte die Meinung, die Kinder müssten fünf Übernachtungen in einem Zeitraum von zwei Wochen bei ihm verbringen, und blieb bei dieser Haltung. Die umfangreichen Schriftsätze des Vaters mit zahlreichen Anlagen, die er selbst an das Gericht gesandt hat, machen ebenfalls deutlich, wie kompromisslos er ist: nur er allein hat Recht. Alle Hinweise, die auf Fehlverhalten von ihm hindeuten könnten (z.B. seine sinngemäße Bemerkung gegenüber den Kindern, sie könnten in ein Heim kommen oder seine Betonung, er sei wegen der Eizellenspende der einzige genetische Elternteil) bekämpft er mit zahlreichen Argumenten. Zur Unterstützung seiner Meinung sucht er im Internet (Internetseite der Kanzlei Wendelmuth) und holt Expertisen von Personen ein, die im Hinblick auf die Kritik von familiengerichtlichen Gutachten bekannt sind. Ein Umgangsregelungsverfahren, in dem es wie im vorliegenden Verfahren nicht etwa um einen Umgangsausschluss sondern um einige Tage mehr oder weniger Umgang geht, so zu führen, ist im Vergleich zu ganz vielen anderen Umgangsregelungsverfahren, die das Gericht erlebt, sehr ungewöhnlich. Es zeigt dem Gericht die Persönlichkeitsstruktur des Vaters, die mit Sicherheit auch die Kinder erleben werden. Wenn sie weniger Umgangszeiten mit dem Vater haben und ein durchaus immer noch als „normal“ empfundenes „Residenzmodell“ erleben, mit Umgangszeiten zweiwöchentlich von Freitag nach der Schule bis Montag zum Schulbeginn, besteht die Erwartung, dass sie dadurch zur Ruhe kommen und ihre Belastung, die auch vom Jugendamt und der Verfahrensbeiständin überaus deutlich hervorgehoben wurde, abnimmt.
5Anlass für eine Einschränkung des Umgangs in Form begleiteten Umgangs gibt es nicht. Dass sich ein Bekannter des Vaters (Herr B) mit einem Schreiben vom 31.7.2020 an das Gericht gewandt hat, kann eine solche Maßnahme nicht begründen. Das Jugendamt hat ein Telefonat mit Herrn B geführt, bei dem sich gezeigt hat, dass die geäußerten Befürchtungen keine ausreichende Substanz haben. Herr B ist unkonkret geblieben und wollte nicht weiter kontaktiert werden.
6Telefonate der Kinder mit den Eltern und die Aufteilung der Ferien waren vom Grundsatz her zu regeln, damit es insoweit keine Unsicherheiten gibt. Es wird Aufgabe der Eltern sein, sich nicht um Details zu streiten. Im Hinblick auf die Sommerferien gilt das zu den regelmäßigen Umgangskontakten Gesagte: Um die Kinder vor der Intensität des Vaters zu schützen, sollen sie längstens zusammenhängend eine Woche mit ihm verbringen; diese Ferienregelung kann mit zunehmenden Alter der Kinder durchaus verändert werden – es wäre wünschenswert, wenn dies den Eltern eigenständig gelänge.
7In der Hoffnung, dass doch noch eine Verbesserung der Kommunikation der Eltern erreicht werden kann, ist entsprechend dem Vorschlag des Jugendamts den Eltern die Teilnahme an einer fortlaufenden gemeinsamen Elternberatung aufgegeben worden.
8Der Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelungen beruht auf § 89 Abs. FamFG. Zur Vermeidung von Unsicherheiten ist klargestellt worden, dass die in dem Verfahren AG Bonn 407 F 51/20 erlassene einstweilige Anordnung mit der vorliegenden Regelung im Hauptsacheverfahren außer Kraft tritt. Einer Umgangspflegschaft bedarf es nicht mehr; sie ist beendet.
9Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
10Verfahrenswert: 3.000,- Euro.