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Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Pods elektronischer Zigaretten anzubieten und/oder abzugeben, ohne hierbei durch Maßnahmen zur Altersprüfung sicherzustellen, dass kein Angebot und keine Abgabe dieser Produkte an Kinder oder Jugendliche erfolgt,
wenn dies geschieht wie durch den Versand des in Anlage RV1 dargestellten, über die Plattform B vertriebenen Artikels „Vaporesso ECO Nano, Cartridge, 2er Pack, 6 ml, 0.6 Ohm“ ohne Altersprüfung, wie in Anlage RV 2-3 dargestellt.
und/oder
wenn dies geschieht wie durch den Versand des in Anlage RV 4 dargestellten, über die Plattform B vertriebenen Artikels „Uwell Caliburn G2 GK2 Cartridge, mit Airfloweinstellung, 2er Pack ohne Coils“ ohne Altersprüfung, wie in Anlage RV 5-6 dargestellt-
Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.295,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.03.2025 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist bzgl. des Unterlassungstenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000 Euro, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Parteien handeln u.a. mit e-Zigaretten und Flüssigkeiten für e-Zigaretten. Die Klägerin vertreibt dabei insbesondere Produkte über die Plattform # im Umfang von etwa 20.000 Transaktionen im Monat.
3Der Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung „p“ u.a. sog. Pods für e-Zigaretten über die Plattform B.
4Im Rahmen eines Testkaufs erwarb die Klägerin am 09.01.2025 den Artikel „Vaporesso ECO Nano, Cartridge, 2er Pack, 6 ml, 0.6 Ohm“.
5Auch bei dem weiteren erworbenen Artikel „Uwell Caliburn G2 GK2 Cartridge, mit Airfloweinstellung, 2er Pack ohne Coils“ erfolgte eine Zustellung ohne Altersverifikation.
6Es handelt sich bei den Artikeln um Tanks mit einem Verdampferkopf, der zunächst befüllt und anschließend in das Gerät eingesetzt wird, für deren nähere Beschreibung auf die Anlagen RV 1 und 4 verwiesen wird.
7Die Klägerin hat den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 27.01.2025 abgemahnt, für dessen Einzelheiten auf die Anlage AM1 zur Klageschrift Bezug genommen wird.
8Die Klägerin ist der Ansicht, die o.g. Verkauf und Versand seitens des Beklagten verstoße gegen das Jugendschutzgesetz, da auch ein solcher Leertank - mit oder ohne Verdampferkopf - nach seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch ein unerlässliches Bauteil einer E-Zigarette darstelle. In der Folge liege zugleich auch ein Verstoß gegen die Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vor, da sich die Beklagte durch die unterbliebene, kostenpflichtige Altersprüfung eines ungerechtfertigten Preisvorteils bediene.
9Die Klägerin beantragt mit der am 10.03.2025 zugestellten Klage,
101. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
11im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Pods elektronischer Zigaretten anzubieten und/oder abzugeben, ohne hierbei durch Maßnahmen zur Altersprüfung sicherzustellen, dass kein Angebot und keine Abgabe dieser Produkte an Kinder oder Jugendliche erfolgt,
12wenn dies geschieht wie durch den Versand des in Anlage RV1 dargestellten, über die Plattform B vertriebenen Artikels „Vaporesso ECO Nano, Cartridge, 2er Pack, 6 ml, 0.6 Ohm“ ohne Altersprüfung, wie in Anlage RV 2-3 dargestellt.
13und/oder
14wenn dies geschieht wie durch den Versand des in Anlage RV 4 dargestellten, über die Plattform B vertriebenen Artikels „Uwell Caliburn G2 GK2 Cartridge, mit Airfloweinstellung, 2er Pack ohne Coils“ ohne Altersprüfung, wie in Anlage RV 5-6 dargestellt,
152. Der Beklagte wird verurteilt, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.295,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er ist der Ansicht, der Verkauf des Leertanks bedürfe keiner Altersprüfung, da der Tank alleine unbedenklich sei. Sinn und Zweck des Jugendschutzgesetzes sei der Schutz vor Tabakderivaten bzw. den sog. Liquids. Solche enthalte der verkaufte Tank aber gerade nicht. Dem Jugendschutz werde auch dadurch genügt, dass die sog. Liquids pp. nur mit Altersprüfung beziehbar seien.
19Schließlich sei das Verhalten der Klägerin rechtsmissbräuchlich. Diese vertreibe - unstreitig - selbst in anderen Gerichtsbezirken Zubehörteile in Form von Verdampfern, halte sich insoweit also ganz offenbar selbst nicht an die eigene Rechtsauffassung und nutze dabei die teils divergierenden Rechtsauffassungen aus, um eine ihr jeweils vorteilhafte Rechtsposition zu vertreten.
20Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die zwischen die Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zur Akte gelangten Unterlagen Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Der Klägerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. §§ 10 Abs. 3 u. 4 JuSchG zu.
23Bei der Klägerin handelt es sich im Hinblick auf die Anzahl abgesetzten Produkte aus dem Bereich der e-Zigaretten um eine qualifizierte Mitbewerberin im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (vgl. zu den Grundsätzen Urteil vom 7. März 2017 – I-4 U 162/16 –, Rn. 55 - 56, juris).
24Es liegt auch ein wettbewerbsrechtlich relevanter Verstoß im Sinne der §§ 3 und 3a UWG i.V.m. 10 Abs. 3 und 4 JuSchG vor.
25Der Versand und die Zustellung der von der Beklagten angebotenen beiden Artikeln ohne Altersprüfung verstößt gegen das Jugendschutzgesetz. Denn dabei handelt es sich um einen Bestandteil und nicht lediglich Zubehör von e-Zigaretten. Denn sie besteht aus einem Tank der schon nach seiner Bezeichnung als „Ersatz Pod“ eben als Ersatz für den normalen Tank verwendet wird. Auch der Verdampfer stellt insoweit ein essentielles Teil der e-Zigarette dar, ohne den diese nicht funktionsfähig ist. Insofern mag zwar theoretisch auch eine Jugendschutzkonforme Befüllung denkbar sein, indes ergibt sich gerade aufgrund des Bestimmungszwecks als Explizites Ersatzteil der e-Zigarette naheliegend, dass er Tank mit nikotinhaltigen Produkten bzw. Liquids befüllt wird.
26Der Schutz des § 10 Abs. 4 JuSchG beschränkt sich dabei auch nicht allein auf solche Tanks, die bereits mit Liquids vorbefüllt sind, da der Schutzbereich des Gesetzes extensiv auszulegen ist (vgl. OLG Hamm Urteil vom 02.03.2021; 1-4 U 185/20 sowie zuletzt v. 03.04.2025; I-4 U 29/24). Wollte man den Schutzbereich nur auf Nikotin oder Liquids enthaltende Elemente beschränken, verstieße dies bereits gegen den eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 4 JuSchG der insofern den Schutzbereich gegenüber den Abs. 1 und 3 ausdrücklich erweitert, sodass auch das systematische Verständnis gerade für das Verständnis der Kammer spricht. Anderenfalls müsste nach der von der Beklagten vertretenen Auffassung der Verkauf von E-Zigaretten selbst ohne Altersfreigabe möglich sein, solange darin (noch) kein Nikotinprodukt bzw. Liquids enthalten ist.
27Dies entspricht sowohl der Legaldefinition des Begriffs in § 2 Nr. 8 TabakerzG i.V.m. Artikel 2 Nr. 16 der Verordnung 2014/40/EU, bei der auch die Bestandteile dieses Produktes - namentlich der Tank - ausdrücklich diesem Begriff untergeordnet werden wie auch dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. In BT-Drucks. 18/7394, S. 7 heißt es hierzu: "Kinder und Jugendliche sind deshalb wie bei den nikotinhaltigen Produkten hiervor zu schützen. Die Produkte gibt es sowohl als Einwegprodukte als auch als Nachfüllprodukte, so dass die Erzeugnisse sowie die Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten und elektronische Shishas (Behältnisse) in die Verbote einzubeziehen sind." Insofern teilt die Kammer das in der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 11.05.2022 (6 U 362/21) zum Ausdruck kommende Verständnis der Erwägungen des Gesetzgebers nicht (so auch ausdrücklich OLG Hamm im Urteil vom 03.04.2025; I-4 U 29/24).
28Diese Erweiterung des Schutzbereichs ist auch deswegen geboten, da anders als bei „klassischen“ Zigaretten, aufgrund der Möglichkeit den konsumierten Rauch zu affinieren ein wesentlich höher Konsumanreiz gerade auch für Kinder und Jugendliche geschaffen wird, sodass die strengeren Abgabeanforderungen damit sinnvollerweise korrespondieren.
29Dem insoweit entstandenen Anspruch steht auch nicht der erhobene Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne des § 242 BGB bzw. § 8 Abs. 4 UWG entgegen.
30Es kann dahinstehen, ob die Klägerin sich durch ihr Verhalten beim Verkauf sonstiger Teile von e-Zigaretten zur hier vertretenen Rechtsauffassung in Widerspruch setzt, denn der der Einwand, die Klägerin handele in gleicher Weise wettbewerbswidrig wie der Beklagte als sog. „Unclean-hands-Einwand“, ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil das hier in Rede stehende Verbot zumindest auch das Interesse der Allgemeinheit berührt (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2018 – 2 U 37/18 in GRUR-RR 2019, 301, beck-online mit Verweis auf: BGH, GRUR 1977, 494 [497] – DERMATEX; OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67 [69] – Mehrwochenschein vor Urlaub; BGH, GRUR 1998, 1039 [1040] – Fotovergrößerungen; BGH, GRUR 2002, 703 – Vossius & Partner; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2015, 217 – Ostsee-Ressort; Köhler/Bornkamm, UWG, 36. Aufl., § 11 Rn. 2.39 iVm Rn. 0.11). Daher ist den Bekl. der „Unclean hands-Einwand“ von vornherein verwehrt (BGH, GRUR 1967, 430 [432] – Grabsteinaufträge I; BGH, GRUR 1977, 494 [497] – DERMATEX; OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2008, 410 – Ökostrom billiger als Atomstrom; OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67 [69] – Mehrwochenschein vor Urlaub; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2015, 217 – Ostsee-Ressort; OLG Celle, GRUR-RR 2015, 446 – Sammeltransfer zum Flughafen; Köhler in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 11 Rn. 2.39).
31Die Abmahnkosten sind in der Folge gem. § 13 Abs. 2 UWG in der tenorierten Höhe ebenfalls erstattungsfähig. Die Verzinsung folgt aus § 288, 291 ZPO.
32Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
33Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.