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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Kasko-Versicherung in Anspruch.
3Der Kläger unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer N01 eine Kraftfahrtversicherung für das Fahrzeug Audi A6 Avant 3.0 TDI, amtliches Kennzeichen: N02 unter Einschluss einer Teilkasko-Versicherung bei 150,00 € Selbstbeteiligung mit Versicherungsbeginn zum 24.10.2019. Einbezogen wurden die Allgemeine Versicherungsbedingungen Kfz-Versicherung (AKB) Stand 9.2019.
4Im Oktober 2020 meldete der Kläger gegenüber der Beklagten einen Fahrzeugteilediebstahl. Die Staatsanwaltschaft Bochum leitete hierzu ein Ermittlungsverfahren unter dem Az.: 421 UJs 98/20 ein. Die Beklagte holte zur Ermittlung der Schadenshöhe ein Gutachten des Sachverständigen P. vom 16.10.2020 ein, wonach sich die Netto-Reparaturkosten auf 5.720,80 € beliefen. Mit Schadensanzeige vom 21.10.2020 konkretisierte der Kläger seine Angaben. In der Folgezeit korrespondierten die Parteien über weitere Informationen, insbesondere über den Erwerb sowie die Nachbesichtigung des versicherten Fahrzeugs. Zuletzt forderte der Kläger die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 30.03.2021 sowie mit E-Mail vom 12.04.2021 unter Fristsetzung bis zum 19.04.2021 erfolglos zur Leistung auf.
5Der Kläger behauptet, er habe am 04.10.2020 gegen 22:00 Uhr in Bochum die Berliner Straße in Fahrtrichtung Wattenscheid befahren, um seinen Arbeitgeber, die Firma L., bei welcher er als Lkw-Fahrer beschäftigt sei, zum Zwecke einer Montagetour über die Woche zu erreichen. Kurz vor dem Kreuzungsbereich Wattenscheider Hellweg habe er einen Reifenschaden vorne rechts bemerkt und habe umgehend auf der rechts gelegenen Straße Auf´m Kamp angehalten und das versicherte Fahrzeug dort auf der rechten Seite Ecke Berliner Straße abgestellt. Er habe sich entschieden, den Pkw während der Montagezeit dort zu belassen und die weitere Vorgehensweise im Laufe der Montageabwesenheit zu veranlassen.
6Am 07.10.2020 habe er einen Telefonanruf der Bochumer Polizei mit der Mitteilung erhalten, dass in seinen Pkw eingebrochen und dieser zwecks Sicherung zur Firma A. nach Bochum verbracht worden sei. Bei dem Einbruchdiebstahls seien aus dem Pkw u.a. der Digitaltacho, der Lenkrad-Airbag, das Display-Navi und das Klimabedienteil entwendet worden. Die Diebe hätten sich gewaltsam Zugriff auf diese Teile verschafft, indem sie das Seitenfenster der rechten vorderen Fahrzeugtür eingeschlagen hätten.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.570,80 € nebst 5 % Punkte über dem jeweils geltenden Basiszinssatzes seit dem 04.04.2021 nebst außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 627,13 € zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte stellt bereits die Aktivlegitimation in Abrede und zweifelt den Fahrzeugerwerb durch den Kläger an.
12Im Übrigen macht sie insbesondere ein vorgetäuschtes Geschehen geltend und behauptet unter Berufung auf ein Privatgutachten des Sachverständigen X. vom 18.04.2021 über die Auslesung der Fehlerspeicher, die Komponenten seien schon lange vor dem klägerseits angegebenen Zeitraum in aller Ruhe mit einem nachgewiesenen Schlüssel aus dem Fahrzeug ausgebaut worden. Anschließend sei das Fahrzeug mit einer eingeschlagenen Scheibe am vermeintlichen Tatort präsentiert worden, wobei zu diesem Zeitpunkt die angeblich entwendeten Komponenten gar nicht mehr im Fahrzeug vorhanden gewesen seien. Erste Einträge zum Ausbau der entwendeten Fahrzeugkomponenten seien bereits ab dem 23.09.2020 um 17:58 Uhr in der Elektronik des Fahrzeuges mit entsprechenden Fehlermeldungen hinterlegt; ein weiterer Zugriff mit einem Ausbau des Klimabedienteils sei schon am 03.10.2020 erfolgt. Bei der Eintragung dieses Fehlers sei auch die Zündung aktiviert gewesen und der Schlüssel habe sich am Fahrzeug befunden.
13Darüber hinaus sei das behauptete Bild eines Einbruchs über das Einschlagen der Scheibe mit einem anschließenden Öffnen der Fahrzeugtüren nicht stimmig. Denn wenn das Fahrzeug ordnungsgemäß mit einem einmaligen Verriegeln verschlossen worden sei, hätten Täter nach einem Einschlagen der Seitenscheibe nicht mehr durch das Öffnen der Tür eindringen können, weil das Fahrzeug über die sogenannte „Safelock-Funktion“ verfüge.
14Zudem macht die Beklagte geltend, dass der Kläger bei Antragstellung bewusst einen zu geringen Kilometerstand angegeben habe, um die von der jährlichen Laufleistung abhängige Versicherungsprämie zu drücken.
15Schließlich beruft sich die Beklagte auch auf arglistige Obliegenheitsverletzungen gemäß § 28 Abs. 2 VVG.
16Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin D. sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Zeugen-Beweisaufnahme sowie wegen der Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.09.2021 (Bl. 341 ff. d.A.) Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. rer. nat. C. vom 29.12.2022 (Bl. 422 ff. d.A.) sowie wegen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen auf das Sitzungsprotokoll vom 29.03.2023 nebst schriftlicher Anlagen zum mündlichen Gutachten (Bl. 535 ff. d.A.) verwiesen.
17Die Akte der Staatsanwaltschaft Bochum - Az.: 421 UJs 98/20 - wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.570,80 € aus der zwischen den Parteien bestehenden Teilkasko-Versicherung i.V.m. A.2.2.1., A.2.2.1.2a) AKB.
21Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehen jedenfalls zur sicheren Überzeugung der Kammer Umstände fest, die mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf ein nur vorgetäuschtes Diebstahlsereignis schließen lassen. Ein erheblicher Verdacht für einen bloß vorgetäuschten Diebstahl wird auch dadurch begründet, dass durch das Auslesen von Fehlerspeichereinträgen, die im Zusammenhang mit dem Ausbau der angeblich entwendeten Komponenten in der Fahrzeugelektronik nebst Begleitdaten gespeichert werden, nachgewiesen wird, dass der behauptete Versicherungsfall nicht wie behauptet stattgefunden hat.
22Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. rer. nat. W. ist in der Zusammenschau mit sämtlichen sonstigen Umständen bewiesen, dass die streitgegenständlichen Komponenten bereits unter dem 23.09.2020 bzw. dem 03.10.2020 und damit außerhalb des vom Kläger angegebenen möglichen Tatzeitraums ausgebaut wurden.
23Dies folgt aus den Fehlerspeicherprotokollen, wonach Fehlermeldungen hinsichtlich der streitgegenständlichen Komponenten unter dem 23.09.2020 zwischen 17:58:51 Uhr und 18:09:50 Uhr sowie unter dem 03.10.2020 zwischen 14:54:35 Uhr bis 15:12:39 Uhr mit einem Kilometerstand von 264.567 km gespeichert sind. Der Sachverständige hat aufgrund einer Vergleichsuntersuchung überzeugend festgestellt, dass die gespeicherten Fehlermeldungen prinzipiell eine hohe Belastbarkeit aufwiesen. Die Speicherung der Fehler erfolge sehr zuverlässig und es gebe keine Hinweise auf eventuell auftretende Fehler. Der Sachverständige hat ferner festgestellt, dass zu der Fehlermeldung vom 23.09.2020 auch eine Motordrehzahl von 796,5U/min eingetragen sei, so dass diese Fehlermeldung bei laufendem Motor entstanden sei.
24Soweit der Sachverständige angemerkt hat, dass der tatsächliche Zeitpunkt insofern nicht mehr rekonstruiert werden könne, als die in den Fehlermeldungen gespeicherten Angaben zum Datum/zur Uhrzeit den Einstellungen der Borduhr entsprächen, die allerdings manuell verändert werden könne, so ergeben sich hieraus im Streitfall keine Unsicherheiten. Eine manuelle Veränderung der Einstellungen an der Borduhr hat der Kläger weder behauptet noch sind irgendwelche Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.
25Soweit der Kläger eine mögliche Erklärung für die ausgelesenen Daten darin sucht, dass die Batterie vollständig entladen gewesen sei und er deshalb das Fahrzeug ca. zwei Wochen vor dem Schadensereignis nicht habe starten können, nachdem das Fahrzeug in den letzten vier Monaten vor dem 07.10.2020 weitestgehend in der Garage gestanden habe, so vermag er hiermit nicht durchzudringen. Der Sachverständige hat nämlich anlässlich seiner mündlichen Anhörung unmissverständlich ausgeführt, dass sich anhand der Daten bei der Fehlerauslesung auch feststellen lasse, ob es Probleme mit der Batterie gegeben habe. Der Sachverständige hatte hierzu vorab schriftliche Auswertungen vorgenommen, wonach in den letzten zehn Monaten vor dem behaupteten Ereignis in der Fahrzeugelektronik kein Hinweis enthalten sei, dass sich die Batterie entladen habe; bei der Fehlerauslesung im System des streitgegenständlichen Fahrzeugs habe sich der letzte diesbezüglich kritische Batteriezustand am 31.01.2018 belegen lassen.
26Der Sachverständige hat ferner betont, dass zumindest zu dem Zeitpunkt der Fehlerauslesung durch den Privatsachverständigen O. am 19.10.2020 die Uhr noch korrekt eingestellt gewesen sei, allerdings unter Beachtung einer Fehlertoleranz von 2 Stunden. Dies bedeute, dass dann, wenn tatsächlich durch Entladung der Batterie die Zeit zurückversetzt gewesen sei, diese bis zu diesem Zeitpunkt auch wieder manuell korrekt hätte eingestellt werden müssen. Bei einer vollständiger Entladung der Batterie oder bei einem Abklemmen werde die Uhrzeit automatisch auf 0:00 gesetzt wird und das Datum sozusagen eingefroren.
27Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig und auch für den technischen Laien gut nachvollziehbar. Er hat aufgrund der Fragestellungen des Klägers als Anlage zum mündlichen Gutachten eine schriftliche Auswertung vorgenommen, in welcher nachvollziehbar die Ausführungen zu einer möglichen Batterieentladung ablesbar sind. Die Kammer folgt insgesamt - nach eigener Überprüfung - den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen.
28Nach dem Ergebnis des Gutachtens lassen sich damit Tatsachen feststellen, die mit dem vom Kläger geschilderten Geschehen nicht in Einklang zu bringen sind. Über die o.g. ausgelesenen Daten hinsichtlich des Ausbaus der streitgegenständlichen Komponenten hinaus ergibt sich ein weiterer erheblicher Umstand: Soweit beim Ausbau des Kombiinstruments auch eine Motordrehzahl ausgelesen werden konnte, bedeutet dies nämlich, dass der Ausbau bei laufendem Motor - also bei Vorhandensein eines Fahrzeugschlüssels - erfolgte, was dem Klagevortrag jedoch ebenfalls widerspricht, wonach die Täter durch das Einschlagen der Seitenscheibe in das Fahrzeug eingedrungen seien. Ein solcher Hergang ließe sich nicht plausibel erklären, wenn doch vor Ort ein Fahrzeugschlüssel vorhanden war.
29Auch bei einer unterstellten manuellen Änderung der Uhreinstellung oder Batterieentleerung mit der Folge einer Zeitverschiebung ließe sich nicht erklären, wieso denn dann die Fahrten am 03.10. und 04.10.2020 im System zeitlich korrekt erfasst sind. Ebenso wenig ließe sich erklären, wie in einem Tatzeitraum von 3 Tagen vom 04.10.2020 bis zum 07.10.2020 Fahrzeugteile entwendet worden sein sollen, während doch ausweislich der Fehlerauslesung die Komponenten tatsächlich in 2 Arbeitsschritten in einem Zeitabstand von 10 Tagen entfernt worden sind.
30Nach allem ergeben sich bereits aus den o.g. Umständen hinreichende Indizien, die mit der nach ständiger Rechtsprechung ausreichenden erheblichen Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass ein nur vorgetäuschter Fahrzeugteilediebstahl vorliegt.
31Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Zinsen und auf Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten.
32Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
33Der Streitwert wird auf 5.570,80 EUR festgesetzt.