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Der Angeklagte ist des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des Raubes, des versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls, des Diebstahls sowie des Versuchs der Anstiftung zur Falschaussage schuldig.
Im Übrigen wird er freigesprochen.
Er wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
9 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.268,70 Euro wird angeordnet.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen, soweit er verurteilt ist. Hiervon ausgenommen sind die für bzw. im Rahmen der Hauptverhandlungstage am 27.07.2021, 28.07.2021, 02.08.2021, 05.08.2021, 19.08.2021, 02.09.2021 und 07.09.2021 entstandenen Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten, diese fallen der Landekasse zur Last.
Soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, trägt die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Angewendete Vorschriften:
§§ 153, 159, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt, 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Nr. 3, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt., 22, 23 Abs. 1, 30 Abs. 1, 49 Abs. 1, 52, 53, 73, 73c, 73d Abs. 2 StGB.
Gründe:
2I.Feststellungen zur Person
31. Allgemeine Feststellungen zur Person
4Der heute 40-jährige Angeklagte wurde am 00.00.0000 in S geboren. Er ist verlobt und hat eine heute achtzehnjährige Tochter aus einer früheren Beziehung.
5Der Vater des Angeklagten ist heute 63 Jahre alt und arbeitet als Gabelstaplerfahrer. In der Vergangenheit war er unter anderem auch als Türsteher tätig. Seine 59 Jahre alte Mutter ist gelernte Bürokauffrau, jedoch aufgrund eines Autounfalls im Jahre 2010 auf den Rollstuhl angewiesen. Sie bezieht eine Frührente. Der Angeklagte hat drei jüngere Geschwister. Seine Schwester D ist heute 36 Jahre alt, Mutter von vier Kindern und Hausfrau. N1 ist 34 Jahre alt und lebt mit seiner Partnerin und dem gemeinsamen Kind in S. N ist heute 31 Jahre alt.
6Der Angeklagte wuchs mit seinen Geschwistern zunächst im elterlichen Haushalt in S-T auf. Sein Vater zeigte an einem regelkonformen Verhalten seines Sohnes nur wenig Interesse. So wurde der Angeklagte im strafunmündigen Alter beispielsweise durch seinen Vater aufgefordert, ein Fahrrad zu klauen, wofür er als Belohnung schließlich 50,- DM von diesem erhielt. Als der Angeklagte 13 Jahre alt war, nahm sein Vater ihn in Kneipen mit, in denen er als Türsteher tätig war. Auf diese Weise kam der Angeklagte erstmals mit Alkohol in Kontakt. Zur Trennung seiner Eltern kam es als der Angeklagte 16 Jahre alt war. Der Angeklagte zog mit seinem Vater in eine eigene Wohnung. Dort war er keinerlei Regeln seitens seines Vaters unterworfen, kam und ging, wann er wollte, was der Angeklagte seinerzeit begrüßte. So achtete sein Vater etwa auch nicht darauf, dass der Angeklagte regelmäßig die Schule besuchte, weswegen das Ordnungsamt eingeschaltet wurde und es zu der Verhängung von Bußgeldern kam.
7Obwohl der Angeklagte fortan bei seinem Vater lebte, behielt er täglichen Kontakt zu seiner Mutter und seinen Geschwistern. Emotionalen Rückhalt erhielt er vornehmlich von diesen.
8Mittlerweile bestehen innerhalb der Familie des Angeklagten zwei untereinander zerstrittene Lager. Das eine Lager besteht aus dem Angeklagten, seiner Schwester D, seinem Bruder N sowie der Mutter. Das andere Lager besteht aus dem Vater des Angeklagten und seinem Bruder N1.
9Weitere Bezugsperson des Angeklagten während seiner Kindheit war sein langjähriger Fußballtrainer, der – als der Angeklagte zwölf oder 13 Jahre alt war – inhaftiert wurde, was der Angeklagte als schweren Verlust und belastenden Einschnitt erlebte.
10Der Angeklagte wurde mit sechs Jahren eingeschult. Nachdem er ein Jahr die Vorschule besucht hatte, ging er mit sieben Jahren auf die Grundschule. Im Anschluss besuchte er zunächst die Gesamtschule T1 in S. In der siebten Klasse wechselte er wegen des kürzeren Schulweges auf die L-Gesamtschule in S-T. Dort wurde er jedoch seines Verhaltens wegen in der achten Klasse der Schule verwiesen, u.a. hatte der Angeklagte in der dortigen Schulmensa einen Feuerwerkskörper gezündet. Auch während seines anschließenden Besuchs der X-Gesamtschule in S kam es zu Fehlverhalten seitens des Angeklagten sowie hohen Fehlzeiten. Schließlich verließ er die Schule ohne Abschluss nach der achten Klasse. Mehrmalige Versuche in den Folgejahren, seinen Hauptschulabschluss auf der Volkshochschule nachzuholen, schlugen aufgrund immer wieder anzutretender Haftzeiten – worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird – fehl. Auch während seiner teils mehrjährigen Haftstrafen vermochte der Angeklagte es nicht, einen Schulabschluss nachzuholen oder einen Beruf zu erlernen. In Freiheit befindlich lebte er von Sozialleistungen und ging lediglich kurzzeitigen Beschäftigungen nach; so verrichtete er etwa mit 18 oder 19 Jahren für circa neun Monate eine Aushilfstätigkeit bei einem Elektriker-Betrieb oder arbeitete für drei bis vier Monate im Security-Bereich als Türsteher. Während der Untersuchungshaft im hiesigen Verfahren war der Angeklagte etwa sechs Wochen für eine Fremdfirma tätig, welche Steckdosen herstellt. Die Beendigung erfolgte, da er feinmotorisch nicht mit dieser Tätigkeit zurechtkam.
11Im Jahre 2001 zog der Angeklagte mit seiner damaligen Freundin T2 in seine erste eigene Wohnung. Aus dieser Beziehung ist am 23.01.2003 die gemeinsame Tochter K hervorgegangen, die nach der Trennung im Jahre 2004 fortan bei ihrer Mutter lebte. Die Kontakthaltung zu seiner Tochter gestaltete sich aufgrund des belasteten Verhältnisses zu seiner Ex-Freundin und der Zeiten seiner Inhaftierungen durchweg schwierig. Während der letzten bis Ende Juli 2020 verbüßten siebenjährigen Haftstrafe bestand keinerlei Kontakt zu seiner Tochter. Nach seiner Entlassung hat der Angeklagte den Kontakt zu seiner Tochter wieder aufgenommen. Von diesem Verfahren und der Untersuchungshaft des Angeklagten hat seine Tochter keine Kenntnis. Unterhalt hat der Angeklagte für seine Tochter zu keiner Zeit gezahlt.
12Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
13a) Am 11.12.1996 stellte das Amtsgericht Recklinghausen ein wegen Diebstahls geringwertiger Sachen anhängiges Verfahren (Az.: 34 Ds 26 Js 1530/96) gemäß § 47 JGG ein.
14b) Wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall und vorsätzlicher Körperverletzung erteilte das Amtsgericht Recklinghausen dem Angeklagten am 25.03.1997 eine Verwarnung und verurteilte ihn zu der Erbringung von Arbeitsleistungen (Az.: 34 Ds 26 Js 1725/96-734/96).
15c) Unter Einbeziehung der vorgenannten Entscheidung verurteilte das Amtsgericht Recklinghausen den Angeklagten sodann am 29.07.1997 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall (Az.: 34 Ds 24 Js 650/97-220/97) zu zwei Wochen Jugendarrest. Zudem wurde ihm eine Verwarnung erteilt.
16d) Am 02.10.1997 verhängte das Amtsgericht Recklinghausen gegen den Angeklagten wegen Diebstahls und Diebstahls im besonders schweren Fall (Az.: 34A Ds 26 Js 770/97-67/97) unter Einbeziehung der unter b) und c) aufgeführten Entscheidungen vier Wochen Jugendarrest.
17e) Das Amtsgericht Recklinghausen (Az.: 31 Ls 26 Js 1772/97-138/97) verurteilte den Angeklagten sodann am 19.10.1998 wegen Diebstahls in sechs besonders schweren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, versuchtem Diebstahl mit Waffen, versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall, Diebstahls geringwertiger Sachen, Widerstands gegen die Staatsgewalt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Nach Teilverbüßung wurde der Rest der Jugendstrafe am 20.07.1999 bis zum 10.08.2001 zunächst zur Bewährung ausgesetzt.
18f) Unter dem 13.03.2000 verurteilte das Amtsgericht Recklinghausen (Az.: 31 Ls 26 Js 938/99-90/99) den Angeklagten überdies wegen Diebstahls geringwertiger Sachen, Diebstahls und Diebstahls im besonders schweren Fall unter Einbeziehung der unter e) aufgeführten Entscheidung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Nachfolgend wurde der Rest der nicht verbüßten Jugendstrafe zunächst bis zum 09.10.2003 zur Bewährung ausgesetzt.
19g) Unter Einbeziehung der unter e) und f) aufgeführten Entscheidungen verurteilte das Amtsgericht Recklinghausen (Az.: 31 Ls 25 Js 659/01-14/02) den Angeklagten nachfolgend am 11.07.2002 wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis und Beförderungserschleichung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren. Nach Teilverbüßung wurde der Rest der Jugendstrafe zunächst bis zum 11.09.2005 zur Bewährung ausgesetzt, in der Folgezeit jedoch widerrufen. Die Strafvollstreckung war schließlich am 12.01.2006 erledigt.
20h) Am 06.08.2003 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Recklinghausen (Az.: 28 Ds 59 Js 1414/02-180/03) wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, wobei die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde nachfolgend widerrufen, die Vollstreckung dieser Strafe war am 23.09.2005 erledigt.
21i) Am 22.01.2007 verurteilte das Amtsgericht Recklinghausen (Az.: 27 Ds 59 Js 1259/05) den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in sieben Fällen, davon einmal begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit Beleidigung sowie wegen Beleidigung in zwei weiteren Fällen und wegen Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Strafvollstreckung war am 27.08.2010 erledigt. Nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe trat zunächst Führungsaufsicht bis zum 27.08.2013 ein, wobei nachfolgend das Fristende auf den 26.08.2020 geändert wurde. Die Führungsaufsicht war endgültig erledigt am 30.07.2020.
22j) Am 14.11.2008 verurteilte das Amtsgericht Recklinghausen den Angeklagten (Az.: 26b Ls 11 Js 16/08-51/08) wegen Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Bedrohung zu einem Jahr Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung am 03.01.2010 erledigt war.
23k) Am 30.12.2008 verurteilte ihn das Amtsgericht Recklinghausen (Az.: 27 Cs 42 Js 1145/08-498/08) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen zu je 5,00 Euro.
24l) Am 28.04.2011 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Nettetal (Az.: 3 Cs 31 Js 344/11-439/11) wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt.
25m) Am 27.10.2011 erfolgte eine weitere Verurteilung durch das Amtsgericht Recklinghausen (Az.: 27 Cs 42 Js 929/11-476/11) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 Euro.
26n) Unter dem 21.12.2012 erkannte das Amtsgericht Recklinghausen gegen ihn wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln auf eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro (Az.: 27 Cs 47 Js 240/12-689/12).
27o) Zuletzt wurde der Angeklagte am 10.04.2014 durch das Landgericht Bochum (Az.: II-8 KLs 46 Js 33/13-6/14) wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
28Dem vorgenannten Urteil lagen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:
29Der Angeklagte und ein unbekannter Dritter begaben sich am 00.00.0000 gegen 04:00 Uhr morgens zu einem am H 33 in 45663 S gelegenen Reihenhaus. Der Versuch des Angeklagten, ein im Erdgeschoss befindliches Fenster aufzuhebeln, gelang nicht wegen der angebrachten Sicherungen. Anschließend machte er sich an der Haustür zu schaffen. Durch ein Knallgeräusch, ausgelöst von dem Einbruchsversuch, erwachten die Bewohner des Hauses, schalteten das Licht im Hausflur an und begaben sich nach unten. Daraufhin flüchteten der Angeklagte und sein Mittäter, da sie nunmehr nicht mehr in der Lage waren, den Einbruch unentdeckt durchzuführen, mit Fahrrädern und ohne Beute vom Tatort.
30Am 00.00.0000 zwischen 10:00 Uhr und 13:00 Uhr wurde ein Wohnungseinbruchdiebstahl in ein Einfamilienhaus in I verübt, an dem der Angeklagte zumindest als am Tatort anwesender Mittäter beteiligt war. Nachdem es wegen angebrachter Sicherungen zunächst nicht gelungen war, ein Fenster aufzuhebeln, wurde die Haustür mit Einbruchswerkzeug geöffnet und sich so Zugang zum Haus verschafft. Sämtliche Räumlichkeiten wurden nach Wertgegenständen durchsucht. Erbeutet wurde neben Bargeld, Schmuck und Elektronik, ein Webpelzmantel. Der Wert der Beute betrug insgesamt 1.000,- Euro. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die Tat vom Angeklagten alleine verübt wurde oder ob er einen oder mehrere Mittäter hatte. Ob er selbst in das Einfamilienhaus einbrach, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Sein Tatbeitrag bestand zumindest darin, dass er während der Tat „Schmiere stand“ oder den Tatort auskundschaftete. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinterließ er auf einem Garagenvorplatz eine PET-Flasche zurück, aus der er trank und an der sich nachfolgend eine DNA-Spur fand, die mit dem DNA-Profil des Angeklagten vollständig übereinstimmte.
31Am 00.00.0000 gegen 18:00 Uhr brachen der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte N2V in das freistehende Einfamilienhaus der Eheleute C in Mülheim ein. Mit einem mitgeführten Schraubenzieher hebelten sie das im Erdgeschoss befindliche Küchenfenster auf. Der zwischenzeitlich zurückgekehrte Zeuge C hörte in der Diele Geräusche, woraufhin ihm der N2V aus dem Obergeschoss entgegenkam und aus dem Küchenfenster floh, nachdem er zwischen sich und den ihn verfolgenden Zeugen einen Tisch sowie mehrere Schubladen geworfen hatte. Der Angeklagte floh mit einer grünen Geldkassette, in der sich Geld (100,- USD, 85,- DM und 400,- Euro) und EC-Karten befanden aus der Hauseingangstür, wo er an der Zeugin C vorbeikam.
32Der Angeklagte und ein unbekannter Mittäter kundschafteten am 00.00.0000 gegen 16:30 Uhr das Reihenhaus des Zeugen Dr. S1 in der N3 14 in 45657 S zunächst aus und versuchten dann, zwischen dem 00.00.0000, 20:00 Uhr und dem 00.00.0000, 09:00 Uhr zunächst vergeblich die Massivholzeingangstür sowie eine mit Glaseinfassung versehene Metallrahmentür im Souterrain aufzubrechen. Anschließend hebelten sie ein Fenster zum Souterrain auf und durchsuchten das Haus. Es wurden diverse Gegenstände, vornehmlich Schmuck, erbeutet sowie unter anderem auch Fremdwährungen zu einem Umrechnungswert von 1.070,- Euro. Der Wert der erbeuteten Gegenstände – ohne Bargeld – betrug insgesamt ca. 25.000,- Euro. Des Weiteren entwendeten der Angeklagte und sein Mittäter die vor dem Haus befindlichen Pkw, ein BMW-Cabriolet (Wert ca. 30.000,- Euro) sowie einen Porsche Cayenne (Wert: 62.000,- Euro), nachdem sie die dazugehörigen Schlüssel zuvor im Haus gefunden hatten. Der entwendete BMW konnte nachfolgend sichergestellt werden; der Porsche wurde mit gefälschten Papieren von einer unbekannten Person an einen Autohändler für 50.800,- Euro verkauft, woran der Angeklagte mitwirkte. Die – unversicherte – Familie Dr. S1 war derart beeindruckt von dem Erlebten, dass sie ihr Haus zunächst massiv sicherten, aus anhaltender Angst aber letztlich auszogen und das Haus verkauften.
33Am 00.00.0000 zwischen 04:20 Uhr und 16:00 Uhr drang der Angeklagte durch das Wohnzimmerfenster der im Erdgeschoss liegenden Mietwohnung des Ehemannes seiner Schwester D T3 in S ein. Der Angeklagte durchsuchte die Wohnung und entwendete ein Apple-iPad (Anschaffungspreis: 599,- Euro), ein Apple Laptop MacPro (Anschaffungspreis: 1.149,- Euro), eine Playstation 3, Bargeld in Höhe von 600,- Euro, ein Samsung Smartphone, eine Apple Computer-Maus (Anschaffungspreis: 69,- Euro), drei Armbanduhren, zwei Parfum, eine schwarze Sonnenbrille sowie eine Umhängetasche. Drei Tage später bot der Angeklagte den Laptop sowie das iPad in der Recklinghäuser Innenstand dem Zeugen N4 zum Kauf an, welcher ablehnte. Weitere zwei bis vier Tage später händigte der Angeklagte seiner Schwester die zuvor entwendete Umhängetasche mit den Worten aus: „Die brauche ich nicht mehr“.
34Zwischen dem 00.00.0000, 14:30 Uhr und dem 02.07.2013, 13:30 Uhr verschaffte sich der Angeklagte Zutritt zum Grundstück des Einfamilienhauses des Zeugen C1 in der X1 29 in 45665 S, wobei er das Vorhängeschloss des Gartentores aufbrach und so auf das Grundstück gelangte. Sodann kletterte er auf den Balkon des ersten Obergeschosses, hebelte die Balkontür auf und verschaffte sich so Zugang zu dem Haus. Der Angeklagte entwendete u.a. 8.500,- Euro sowie diverse Schmuckstücke. Außerdem entwendete er zwei Fahrzeugschlüssel (5er-BMW und Mini-Cooper), um auch die Autos zu stehlen. Da die Fahrzeuge (5er-BMW mit einem Wert von ca. 70.000,- Euro sowie Mini-Cooper mit einem Wert von ca. 15.000,- Euro) nicht vor dem Haus standen, gelang ihm dies jedoch nicht. Ein oder zwei Tage später präsentierte der Angeklagte zahlreiche Geldscheine im Betrag von mehreren tausend Euro, die aus dem Einbruch stammten, was mit einer Handykamera gefilmt wurde. Am 04.07.2013 flog er mit dem Zeugen H1 zu einem Urlaub in die Türkei, wobei er den Urlaub aus der Beute bestritt und auch die Reise des H1 bezahlte.
35Der Angeklagte befand sich in dem Verfahren II-8 KLs 46 Js 33/13-6/14 seit dem 06.08.2013 zunächst in Untersuchungshaft und nach Rechtskraft des Urteils ab dem 22.10.2014 in Strafhaft. Während seiner Inhaftierung absolvierte der Angeklagte im Jahr 2017 ein Anti-Gewalt-Training, ein Rückfallprophylaxetraining in Bezug auf Drogen sowie ein Soziales Training. Es gelang ihm während des Vollzugs nicht, angebahnte Ausbildungs- oder Schulmaßnahmen erfolgreich zu durchlaufen. Ausweislich der Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bochum vom 02.03.2020 zur Frage der Führungsaufsicht konnte eine angestrebte Verlegung in den offenen Vollzug zum Absolvieren einer Ausbildung im Lagerbereich und als Entlassungsvorbereitung Ende 2019 nicht realisiert werden, da der Angeklagte die dortigen Bedingungen aus Sicht der Vollzugseinrichtung nicht ernst nahm und ein Drogenscreening verweigerte. Sein Vollzugsverhalten könne – so die Stellungnahme – in der Gesamtbetrachtung als nicht ausreichend angemessen und unkooperativ beschrieben werden. Es scheine ihm schwer zu fallen, sich kontinuierlich an Verhaltens- und Interaktionsregeln zu halten. Seine Selbstwahrnehmung werde als überhöht eingeschätzt.
36Der Angeklagte wurde am 30.07.2020 aus der Justizvollzugsanstalt Bochum entlassen. Nach vollständiger Verbüßung der verhängten Strafe steht der Angeklagte bis zum 30.07.2023 unter Führungsaufsicht. Er wurde erneut der Führung und Leitung der Bewährungshelferin T4-K1, die ihn bereits aufgrund der seit dem Jahre 2010 andauernden Führungsaufsicht kannte, unterstellt.
372. Feststellungen zur Zeit nach der Haftentlassung 2020
38a) Wohnsituation
39Nach seiner Haftentlassung am 30.07.2020 kehrte der Angeklagte zunächst in den mütterlichen Haushalt zurück, wo er circa zwei Wochen verblieb. Von dort aus zog er, etwa bis Mitte Oktober 2020, in die Wohnung seines Bekannten S2 (phon.) in der Nähe des Tparks in S-T. Zu dieser Zeit lebte in dieser Wohnung ebenfalls der betäubungsmittelabhängige, mittlerweile verstorbene Freund des Angeklagten U C2.
40Etwa Mitte Oktober 2020 bot ihm der Zeuge S2 L1, den der Angeklagte noch aus Schulzeiten kannte, an, mietfrei zu ihm in dessen Wohnung auf der I1 1a in S zu ziehen. Der Angeklagte beteiligte sich jedoch an den Lebenshaltungskosten des S2 L1, indem er beispielsweise für den Einkauf von Lebensmittel aufkam und nachfolgend das Essen zubereitete. Dort lebte der Angeklagte bis er Mitte Dezember 2020 in die von ihm unter dem 18.10.2020 angemietete Wohnung in der B-Straße 27 in S einzog. Der Mietpreis für die 44 qm große Wohnung nebst zur Wohnung gehörendem PKW-Stellplatz betrug 595,00 Euro inklusive Nebenkosten. Die vom Angeklagten entrichtete Kaution belief sich auf 880,00 Euro.
41Während der gesamten Zeit bis März 2021 war der Angeklagte jedoch amtlich gemeldet unter der Adresse I2-Str. 7 in S, bei der es sich um eine Anlaufstelle für Wohnungslose handelt und unter der den Betroffenen Postsendungen zugestellt werden können. Hintergrund war, dass der Angeklagte gegenüber Behörden, Teilen seiner Familie, vornehmlich seinem Bruder N1, und Bekannten seinen wahren Aufenthaltsort verschleiern wollte. So gab der Angeklagte etwa in einem vor dem Amtsgericht Bochum am 15.02.2021 durchgeführten Haftprüfungstermin hinsichtlich seines Wohnortes zu Protokoll, dass er postalisch unter der I2-Straße 7 erreichbar, aber tatsächlich aufhältig bei seinem Vater in der C3 11 in S sei. An der Wohnanschrift seines Vaters hatte der Angeklagte nach seiner Haftentlassung jedoch zu keinem Zeitpunkt gewohnt oder war dort aufhältig gewesen. Auch gegenüber seiner Bewährungshelferin T4-K1, die den Angeklagten auch bereits während seiner letzten Inhaftierung betreut und in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten besucht hatte, teilte er seinen tatsächlichen Aufenthaltsort nicht mit. Nachdem diese zunächst bis November 2020 erfolglos versucht hatte, Kontakt zu dem Angeklagten aufzunehmen, sprach er bei dieser am 03.12.2020 unangemeldet vor und erklärte auf Nachfrage, über die Anschrift I2-Straße 7 in S erreichbar zu sein. Von seinem zu diesem Zeitpunkt bereits geplanten und Mitte Dezember 2020 erfolgten Einzug in die angemietete Wohnung in der B-Straße 27 in S erhielt die Zeugin K1 bis zuletzt keine Kenntnis.
42b) Wirtschaftliche Verhältnisse
43Am Tag seiner Haftentlassung im Juli 2020 wurde dem Angeklagten ein Überbrückungsgeld in Höhe von 2.152,56 Euro ausgezahlt. Zudem verfügte er nach eigenen Angaben aus den im Jahre 2014 zur Verurteilung gelangten Straftaten noch über Beuteanteile bzw. Geldbeträge in Höhe von etwa 85.000,00 Euro, wobei der Verbleib dieses Geldes nicht aufgeklärt werden konnte. Von diesem Geld bestritt der Angeklagte seine laufenden Kosten, unter anderem bezahlte er hiervon die Kaution sowie monatlichen Mietzahlungen der Wohnung in der B-Straße, kaufte für die Wohnung benötigte Einrichtungsgegenstände, (Weihnachts-) Geschenke für seine Familie und gab mindestens 10.000,- Euro für die Anmietung zweier Sportwagen samt Spritkosten aus.
44Des Weiteren verschaffte sich der Angeklagte durch den Handel und Verkauf von Schmuck sowie weiteren Gegenständen, wie etwa Handys, eine zusätzliche Einnahmequelle, die er nach eigenen Angaben auch in Zukunft beibehalten möchte.
45Aufgrund des Antrags des Angeklagten auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (Hartz 4) vom 06.10.2020 erhielt dieser – wegen fehlender Angaben und Unterlagen – erstmalig unter dem 21.01.2021 für die Monate Oktober 2020 bis Januar 2021 insgesamt 1.742,- Euro vom Jobcenter des Kreises S ausbezahlt. Auch für die Folgemonate wurden dem Angeklagten bis Juni 2021 seitens des Jobcenters Leistungen bewilligt und auf sein Konto bei der Postbank N5 überwiesen. Die Anmietung seiner Wohnung in der B-Straße legte der Angeklagte gegenüber dem Jobcenter ebenso wenig offen wie den Umstand, dass er noch über Geldbeträge aus vergangenen Straftaten verfügte.
46Der Angeklagte hat Schulden von unter 10.000,- Euro, die überwiegend aus Gerichtskostenforderungen bestehen. Im Jahre 2015 setzte er sich – nach eigenen Angaben – ergebnislos mit einer Schuldnerberatung in Verbindung.
47c) Persönliche Beziehungen des Angeklagten
48Nach seiner Haftentlassung bis zu seiner Verhaftung im April 2021 unterhielt der Angeklagte eine sexuelle Beziehung zu der Zeugin K2 C4. Bereits in Teenagerjahren waren beide für etwa sechs Monate in einer partnerschaftlichen Beziehung gewesen.
49Etwa ab September 2020 lebte zudem der Kontakt zu einer Jugendfreundin, nämlich der sechs Jahre älteren S3 T5 wieder auf. Über die sozialen Medien folgte ein intensiver schriftlicher Kontakt. Hierbei sprachen der Angeklagte und die Zeugin T5 auch über das Thema Heiraten. Das erste gemeinsame Treffen verabredeten sie für den Silvesterabend 2020. An diesem Abend verlobten sich der Angeklagte und die Zeugin T5. Für die nähere Zukunft planten sie, dass der Angeklagte in das Einfamilienhaus der Zeugin T5 in der C5 30 in S, wo auch deren Mutter lebt, zieht. Ohne dass er seine Verlobte darüber in Kenntnis gesetzt hätte, plante der Angeklagte, seine Wohnung in der B-Straße auf der Vermittlungs-Plattform „Airbnb“ anzubieten und damit Mieteinnahmen von circa 40,- bis 60,- Euro pro Tag zu generieren. Im März 2021 erfolgte eine amtliche Ummeldung des Angeklagten auf die C5 30 in S, wo die Verlobte des Angeklagten lebt. Zu einem tatsächlichen Einzug des Angeklagten in die Wohnung seiner Verlobten kam es in der Folgezeit nicht.
503. Feststellungen zur gesundheitlichen Verfassung und insbesondere zum Suchtmittelkonsum des Angeklagten
51Der 178cm große und um die 90 Kilogramm schwere Angeklagte weist körperliche gesundheitliche Einschränkungen nicht auf. Im Rahmen einer Schlägerei verblieb nach einem Schlag mit einer Flasche auf seinen Kopf eine Narbe zurück, weitergehende Verletzungen erlitt er hierbei jedoch nicht. Davon abgesehen hat er schwerwiegende Unfälle, insbesondere unter Beteiligung des Kopfes, in der Vergangenheit nicht erlitten. Nach eigenen Angaben erfreut sich der seit jungen Jahren Kraftsport treibende, muskulöse Angeklagte bester Gesundheit.
52Bei dem Angeklagten liegt eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.2) vor. An weitergehenden psychischen Störungen oder gar Erkrankungen leidet der Angeklagte nicht.
53Alkohol trank der Angeklagte erstmals im Alter von 13 Jahren. Ab seinem 15. Lebensjahr bis zu seiner Inhaftierung im Jahre 2013 trank der Angeklagte an Wochenenden oder Feiern in sozialüblichem Umfang alkoholische Getränke wie Krefelder und Whiskey-Cola.
54Der Angeklagte hat in der Vergangenheit illegale Drogen in Form von Marihuana, Ecstasy, Kokain sowie Amphetaminen konsumiert. Marihuana konsumierte der Angeklagte erstmals mit 16 Jahren, wobei sein Konsum, der in den Folgejahren täglich stattfand, auch während seiner Haftzeiten anhielt. Seit Februar 2020 hat der Angeklagte den Konsum von Marihuana aus eigenem Antrieb vollständig beendet, da ihm die Nebenwirkungen in Form von Herzrasen, Schwindel sowie allgemeinem Unwohlsein nicht mehr zusagten. Ecstasy probierte der Angeklagte im Rahmen von Feierlichkeiten im Alter von 18 Jahren mal aus, ebenso wie Amphetamine und Kokain in den Jahren 2012 und 2013. Ein regelmäßiger Konsum stellte sich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht ein. Erfahrungen mit der Einnahme anderer Betäubungsmittel besitzt der Angeklagte nicht.
55Ob sich der Umfang des Konsums von Alkohol und Amphetaminen nach der Zeitdauer seiner Inhaftierung ab August 2020 verändert hat und es ab diesem Zeitpunkt zu einem gesteigerten Konsum seitens des Angeklagten kam, hat die Beweisaufnahme vor der Kammer nicht sicher zu klären vermocht.
56Ausgehend von seinen eigenen Angaben, auf die im Folgenden noch im Einzelnen einzugehen sein wird, vermochte die Kammer jedenfalls Feststellungen zu einer forensisch relevanten suchtmittelbedingten Beeinträchtigung der gesundheitlichen Verfassung des Angeklagten nicht zu treffen.
574. Untersuchungshaftzeiten und Verfahrensgang
58Unter dem 07.10.2020 erließ das Amtsgericht Bochum (Az.: 64 Gs 46 Js 148/20-3713/20) gegen den Angeklagten bezüglich eines Teilvorwurfs im vorliegenden Verfahren einen Haftbefehl, aufgrund dessen der Angeklagte am 27.01.2021 festgenommen wurde und sich zunächst bis zum 15.02.2021 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bochum befand. Im vor dem Amtsgericht Bochum stattgefundenen Haftprüfungstermin am 15.02.2021 wurde, nachdem der Angeklagte den dem Haftbefehl zugrundeliegenden Tatvorwurf des Versuchs der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage eingeräumt hatte, der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Sodann befand der Angeklagte sich bis zum 22.04.2021 zunächst wieder auf freiem Fuß.
59Seit dem 23.04.2021 befindet sich der Angeklagte abermals in der vorliegenden Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bochum. Dies zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bochum vom 21.04.2021 (Az.: 64 Gs 46 Js 81/21-1347/21).
60Die Kammer hat zunächst ab dem 27.07.2021 an sieben Hauptverhandlungstagen bis zum 08.09.2021 die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten durchgeführt. Mit Beschlussfassung der Kammer vom 14.09.2021 ist die Hauptverhandlung aufgrund der krankheitsbedingten Verhinderung einer zur Entscheidung berufenen Person ausgesetzt worden.
61Die Kammer hat sodann unter dem 17.09.2021 – unter Aufhebung der vorgenannten Haftbefehle des Amtsgerichts Bochum – einen neuen Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen, der diesem am 20.09.2021 verkündet worden ist. Sodann hat die Kammer in der Zeit vom 12.10.2021 bis zum 10.12.2021 an zwölf Hauptverhandlungstagen die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten durchgeführt und nach Urteilsverkündung am 10.12.2021 die Haftfortdauer beschlossen.
62II.Feststellungen zur Sache
63In der Sache hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
641. Feststellungen zu den einzelnen Tatgeschehen sowie zum Teilfreispruch
65a) Tat vom 01.10.2020 (Fall 1 der Anklageschrift vom 03.02.2021, Az.: 46 Js 148/20)
66Der Bruder des Angeklagten, N T3, musste sich ab dem 01.10.2020 in einem Strafverfahren vor der hiesigen Kammer des Landgerichts Bochum (Az.: II-4 KLs 46 Js 27/20-39/20) verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf diesem u.a. vor, als S4-Mitarbeiter an einem Raubdelikt auf S4-Geldboten am 02.11.2019 sowie an einer Verbrechensverabredung zu einem Raub beteiligt gewesen zu sein. Im Publikum der öffentlichen Hauptverhandlung am 01.10.2020 anwesend war auch der Angeklagte.
67Als der für diesen Tag geladene Zeuge T6, welcher zu dem Überfall auf seine Person am 02.11.2019 aussagen sollte, vor dem Sitzungssaal alleine auf einer Sitzgelegenheit auf seinen Aufruf wartete, trat der Angeklagte aus dem Saal zu dem Zeugen heraus und setzte sich neben ihn. Der Angeklagte fragte den Zeugen T6 zunächst, wer er sei und was er mit diesem Verfahren zu tun habe. T6, der den Angeklagten nie zuvor gesehen hatte, antwortete, dass er als Zeuge eine Aussage machen müsse, er sei auf dem Weg zur Bank überfallen worden. Auf weitere Nachfrage, wo er arbeite, erklärte der Zeuge, dass er Mitarbeiter der S4-Filiale aus Westerholt sei. Nunmehr erfragte der Angeklagte, was er, der Zeuge T6, bezüglich seines Bruders N aussagen werde. Nachdem der Zeuge ihm geantwortet hatte, dass er sagen werde, dass ihn der N bei dem Überfall aufgefordert habe, die Tasche mit dem Geld loszulassen, ging der Angeklagte zunächst unverrichteter Dinge zurück in den Sitzungssaal.
68Kurze Zeit später trat er wieder zu dem Zeugen heraus vor den Sitzungssaal. Ausgehend von den zuvor erlangten Erkenntnissen fasste der Angeklagte spätestens zu diesem Zeitpunkt den Entschluss, den Zeugen T6 im Rahmen einer erneuten Ansprache dazu zu bringen, von den seinen Bruder belastenden Angaben in der bevorstehenden Zeugenaussage vor der Strafkammer abzusehen. Er ging davon aus, dass er aufgrund seiner muskulösen Statur sowie einer entsprechenden Ansprache einschüchternd auf den Zeugen T6 wirkt und dieser durch sein – des Angeklagten – Auftreten wahrheitswidrig von belastenden Angaben zu Lasten seines Bruders absehen wird.
69Dieses Mal hockte der Angeklagte sich auf Augenhöhe vor den Zeugen hin, sodass sich nur noch die angewinkelten Beine des Zeugen zwischen beiden befanden und sagte ihm, er solle die Aussage, dass N ihm – dem Zeugen T6 – gesagt habe, er solle die Tasche loslassen, einfach weglassen. Als der Zeuge daraufhin einwandte, er dürfe vor Gericht doch nur die Wahrheit sagen, wiederholte der Angeklagte, er solle ‚es‘ nicht sagen, er solle ‚es‘ weglassen, wobei seine Stimmlage bereits ernster wurde. T6, der den Angeklagten aufgrund seiner muskulösen Statur und auffälligen Tätowierungen sowie der durch die kniende Haltung aufgebauten körperlichen Nähe zunehmend als unangenehm und bedrohlich empfand und Angst verspürte, dessen sich der Angeklagte auch währenddessen bewusst war, entgegnete erneut, dass er das nicht tun könne. Daraufhin wiederholte der Angeklagte sein Anliegen noch mehrfach, wobei jede seiner Wiederholungen von ihm bewusst hartnäckiger und aggressiver verbalisiert wurden, um den Zeugen zu einer falschen, seinen Bruder N keinesfalls belastenden Aussage zu bewegen. Als der Zeuge T6 abermals entgegnete, dass er das nicht tun könne, erkannte der Angeklagte, dass er den Zeugen nicht entsprechend seines Vorhabens würde dazu bringen können, den Teil der seinen Bruder belastenden Aussage wegzulassen. Obwohl dem Angeklagten dies bewusst war, entgegnete er noch, dass man dann da mal wann anders drüber reden werde. Anschließend erhob sich der Angeklagte und ging wieder zurück in den Sitzungssaal.
70Der durch dieses Geschehen nachhaltig beeindruckte Zeuge T6 wandte sich umgehend hilfesuchend an einen Bediensteten der Wachtmeisterei des Landgerichts Bochum und berichtete diesem, dass er soeben bedroht worden sei und als Zeuge seine Aussage habe ändern sollen. Daraufhin wurde der Zeuge T6 zunächst in einen gesonderten, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Raum verbracht, wo er zunächst weiter auf seine Vernehmung wartete. Überdies wurde die verhandelnde Strafkammer von dem soeben stattgefundenen Geschehen vor dem Sitzungssaal informiert.
71Bei seiner anschließenden Vernehmung vor der Kammer berichtete der Zeuge T6 zunächst auf Nachfrage von dem vor dem Saal Erlebten und sagte, befragt zum eigentlichen Beweisthema, sodann wahrheitsgemäß aus, dass er am 00.00.0000, als er und sein Arbeitskollege N T3 die Tageseinnahmen in Höhe von rund 31.000,- Euro zur Bank bringen wollten, von zwei Personen – ein Dritter habe im Auto gewartet – überfallen worden seien. Ein Täter habe an der von ihm in der linken Hand getragenen Geldtasche gezogen. Durch einen Schubser gegen seine rechte Schulter habe er sich gedreht, die Geldtasche aber, die einer der Täter bereits ergriffen und daran gezogen habe, die ganze Zeit weiter fest in seiner Hand gehalten. Auch habe der Täter, der mit ihm die Tasche gehalten habe, eine geballte Faust erhoben und dadurch gedroht, ihn schlagen zu wollen. Erst als sein Arbeitskollege N T3 ihm dann gesagt habe, er solle die Tasche loslassen, habe er diese losgelassen und die Täter seien anschließend mit den Tageseinnahmen geflüchtet.
72Der in dem Verfahren II-4 KLs 39/20 zunächst schweigende Angeklagte N T3 bestätigte am Ende der Beweisaufnahme letztlich die zeugenschaftlichen Angaben des T6 zu dem Geschehen vom 00.00.0000 und räumte seine Tatbeteiligung ein. Die Kammer verurteilte ihn am 00.00.0000, dem zehnten Hauptverhandlungstag, wegen Raubes sowie der Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich einem Raub, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Hiergegen wandte sich der damalige Angeklagte N T3 mit dem Rechtsmittel der Revision, die durch den Bundesgerichtshof am 29.09.2021 (Az.: 4 StR 102/21) verworfen wurde.
73Nach seiner Vernehmung am 00.00.0000 machte der Zeuge T6 sich Gedanken darüber, ob der Angeklagte ihn ob der Bemerkung, dass man dann da mal wann anders drüber reden werde, an seiner Arbeitsstelle in I3 aufsuchen werde, da er ihm diese auf Nachfrage preisgegeben hatte. Auf Betreiben der Großmutter und Mutter des Zeugen T6, welche ob des Geschehens vor dem Sitzungssaal am 00.00.0000 beunruhigter waren als der Zeuge selbst, ließ sich der Zeuge T6 am Folgetag für eine Woche krankschreiben. Da sich an diesen Krankenschein sein bereits zuvor geplanter Urlaub anschloss, konnte T6 das Geschehen mit dem Angeklagten gut verarbeiten. Nach eigenem Bekunden begleitete ihn am 00.00.0000 noch das Gefühl von Angst, wobei es ihm am Folgetag schon besser ging und er das Geschehen mittlerweile verwunden hat. Zu einer weiteren persönlichen Begegnung mit dem Angeklagten kam es in der Folgezeit nicht mehr.
74Dass der Angeklagte vor der Begegnung mit dem Zeugen T6 alkoholische Getränke und/oder Betäubungsmittel in nennenswertem Umfang konsumiert hat, hat die Kammer nicht feststellen können.
75b) Tat zwischen dem 00.00. und 00.00.0000 (Fall 2 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
76Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 00.00.0000, 11:00 Uhr und dem 00.00.0000,15:15 Uhr begab sich der Angeklagte auf das Grundstück B1 in S, um über den rückwärtig gelegenen Wintergarten in die im Erdgeschoss liegende Wohnung einzubrechen und mitnehmenswerte Gegenstände in Form von Bargeld und Schmuck zu entwenden.
77Bei dem Objekt B1 handelt es sich um ein freistehendes Mehrfamilienhaus mit drei Geschossen. Im Dachgeschoss des Hauses wohnte die betäubungsmittelabhängige C6 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten sowie zwei Kindern. Aufgrund der Bekanntschaft des Angeklagten zu deren Bruder, C7, war dem Angeklagten das Haus bekannt und es kam nach seiner Haftentlassung Ende Juli 2020 zu diversen Besuchen dort, wobei nicht festgestellt werden konnte, wann sich der Angeklagte das letzte Mal vor dem 00.00./00.00.0000 zu Besuch bei C6 befunden hatte.
78Das Erdgeschoss des Hauses wurde bis Oktober 2020 von der am 13.02.1929 geborenen und mittlerweile am 17.01.2021 verstorbenen Eigentümerin des Hauses L2 bewohnt. Aufgrund eines Sturzes war diese zunächst ab Oktober 2020 im Krankenhaus und im Anschluss, bis zu ihrem Tod, in einem Pflegeheim aufhältig, ohne seitdem jemals wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt zu sein. Am 00.00.0000 war die Erdgeschosswohnung noch vollständig möbliert und machte nach wie vor den Eindruck einer bewohnten Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt war die Nichte der Hauseigentümerin, die Zeugin L3, die sich um die Angelegenheiten ihrer betagten Tante kümmerte, bemüht, den Hausstand ihrer Tante aufzulösen, da feststand, dass ihre Tante nicht mehr allein in ihre Wohnung werde zurückkommen können.
79An das Wohnzimmer der Erdgeschosswohnung schloss sich im Dezember 2020 rückwärtig zum vollständig eingefriedeten Garten gelegen ein angebauter Wintergarten mit mehreren Fenstern an. Sowohl der Garten als auch die Terrasse samt Wintergarten standen im alleinigen Nutzungsrecht der verstorbenen L2.
80In Umsetzung seines Tatplans begab der Angeklagte sich über den Gartenbereich zu dem über drei Stufen vom Garten aus erreichbaren, mit einer Mauer umgrenzten Terrassenbereich der Erdgeschosswohnung und hebelte ein seitlich gelegenes Fenster des Wintergartens im Bereich der Schließseite auf. Aufgrund zweier von innen an diesem Fenster angebrachter und mit dem Rahmen verschraubter Sicherungen in Form eines waagerechten Riegels, musste der Angeklagte hierbei mehrmals an verschiedenen Stellen mit seinem mitgeführten Hebelwerkzeug ansetzen und zudem erheblichen Druck gegen das Fenster aufwenden, um dieses öffnen zu können. Nachdem die Sicherungen gebrochen waren und sich der Angeklagte Zutritt zu dem Wintergartenbereich verschafft hatte, drückte er die zum Wohnzimmerbereich der Wohnung führende Terrassentür mit Gewalt auf und gelangte so in den Wohnbereich der Erdgeschosswohnung. Sodann durchsuchte er sämtliche Räume der Wohnung nach mitnehmenswerten Gegenständen. Dazu öffnete er im Wohnzimmer die Türen und Schubladen des Wohnzimmerschrankes und der Kommode und durchsuchte diese. Ebenso öffnete er den im Esszimmer befindlichen Kaminofen, um gegebenenfalls dort versteckte Wertsachen an sich zu nehmen. Im Schlafzimmer stieg er auf die Matratze des Schrankbettes, wodurch die Verkleidung des Schrankbettes brach, um an den darüber liegenden, mit Lamellen verschlossenen Schrank zu gelangen. Dort riss er die Lamellen auf, um den Schrankinhalt zu durchsuchen und holte jedenfalls einen in einem blauen Müllsack befindlichen Lautsprecher hervor, den er anschließend auf dem Fußboden des Zimmers zurückließ. Auch zog er die Matratze des Bettes zur Seite, um nachzusehen, ob darunter Wertgegenstände versteckt waren.
81Da die Nichte der Wohnungseigentümerin, die Zeugin L3, bereits zuvor begonnen hatte, die Wohnung nach und nach aufzulösen, befanden sich zum Zeitpunkt des Einbruchs des Angeklagten in den Schränken und Kommoden lediglich noch alte Batterien, Lautsprecher, Bilderrahmen, Bücher, Geschirr sowie alte Telefone. Schmuck oder auch Bargeld, worauf es der Angeklagte abgesehen hatte, befanden sich im Zeitpunkt des Einbruchs nicht mehr in der Wohnung, da es bereits ein Jahr zuvor und ca. ein bis zwei Jahre davor zu Einbrüchen in die Wohnung gekommen war.
82Nachdem der Angeklagte erkannte, dass er sein Vorhaben, Schmuck und Geld zu entwenden, nicht werde verwirklichen können, brach er die weitere Tatausführung ab und verließ die Wohnung sodann ohne Beute.
83Es verblieb ein Schaden an dem Einbruchsfenster, dem Schrankbett sowie der am Wintergarten hochgeschobenen Jalousie, deren Elektrik im Anschluss funktionsuntüchtig war. Der Schaden in Höhe von circa 3.000,- Euro wurde in der Folgezeit von der Versicherung der Geschädigten reguliert.
84Da die Zeugin L3 ihre altersschwache Tante schonen wollte, berichtete sie ihr nicht von dem Einbruchsgeschehen. Das Haus ist mittlerweile verkauft worden.
85Dass der Angeklagte vor dem Tatgeschehen alkoholische Getränke und/oder Betäubungsmittel in nennenswertem Umfang konsumiert hat, hat die Kammer nicht feststellen können.
86c) Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 28.06.2021, Az.: 46 Js 82/21)
87aa) Vortatgeschehen
88(1)
89Der von Sportwagen begeisterte Angeklagte fasste spätestens im Dezember 2020 den Entschluss, sich ein hochmotorisiertes Kraftfahrzeug anzumieten. Nach eigenem Bekunden hatte er aufgrund seiner langjährigen Inhaftierung und der pandemiebedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens das dringende Bedürfnis, Spaß zu erleben. Außerdem wollte er seinem Freund S2 L1, dem es zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer schweren Krebserkrankung seines Vaters nicht gut ging, eine Freude machen. Daher mietete der Angeklagte am 00.00.0000 bei der Sportwagenvermietung W in C8 einen mittelblauen B2 mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX an. Da der Angeklagte zu keiner Zeit eine Fahrerlaubnis besessen hatte, wurde als Vertragspartner des Mietvertrages der Zeuge S2 L1 aufgeführt, der den Angeklagten sowohl bei der Anmietung als auch in der Folgezeit bei Verlängerungen des Mietvertrages jeweils nach C8 begleitete. Die zunächst bis zum 00.00.0000 anfallende Miete in Höhe von 2.900,- Euro entrichtete der Angeklagte ebenso wie die Kaution in Höhe von 1.000,- Euro am 25.12.2020 vor Ort in bar. Im Rahmen dieses ersten Kontaktes am 00.00.0000 fiel dem Zeugen W der vom Angeklagten getragene Schmuck auf. Da der Zeuge W auf der Suche nach einer Plattengoldkette war, sprach er den Angeklagten an, ob er eine solche bei ihm kaufen könne, was dieser in Aussicht stellte. Die hochpreisigen Sportwagen der Sportwagenvermietung W waren mit GPS-Fahrzeugortungsgeräten ausgestattet. Der Angeklagte, der sich die letzten sieben Jahre in Haft befunden hatte, ging nach Hinweis des Zeugen W bei der Anmietung am 00.00.0000 davon aus, dass die Fahrzeuge lediglich im Falle eines Diebstahls geortet werden würden.
90(2)
91Wie zuvor vereinbart holte der Angeklagte seine Jugendfreundin, die Zeugin S3 T5, am 00.00.0000 zwischen 21:18 Uhr und 21:21 Uhr mit dem B2 vor ihrem Haus in der C5 Str. 30 in S zu ihrem ersten gemeinsamen Treffen seit Jugendtagen ab. Um etwa 21:34 Uhr erreichten sie die Wohnung des Angeklagten in der B-Straße 27. In der Wohnung angekommen, schliefen sie miteinander, aßen und tranken etwas zusammen und verlobten sich gegen 24:00 Uhr. Im Rahmen der gemeinsam mit der Zeugin T5 verbrachten Zeit trank der Angeklagte zusammen mit dieser in geringem Umfang Wodka und Champagner, ohne dass dies jedoch zu einer körperlichen oder psychischen alkoholbedingten Beeinträchtigung geführt hätte. Amphetamine konsumierte er während des gemeinsam verbrachten Abends nicht.
92Der Angeklagte hatte sich bereits vor diesem Treffen mit seinem Freund S2 L1 verabredet, zu dem er auch nach seinem Auszug aus dessen Wohnung weiterhin in gutem Kontakt stand. Da der Angeklagte nicht wie zuvor vereinbart, um 01:00 Uhr am Neujahrsmorgen bei dem Zeugen L1 erschien, sondern sich zu diesem Zeitpunkt noch gemeinsam mit S3 T5 in seiner Wohnung befand, begab sich der Zeuge L1 zu einer nicht exakt feststellbaren Uhrzeit zwischen 01:00 Uhr und 01:30 Uhr zu Fuß zu der Wohnung des Angeklagten. Dort angekommen, wurde ihm durch die Sprechanlage durch den Angeklagten mitgeteilt, er, der Angeklagte, werde gleich nachkommen, woraufhin der Zeuge L1 unverrichteter Dinge wieder zurück in seine 800 Meter entfernte, zu Fuß etwa in 10 bis 20 Minuten zu erreichende Wohnung in der I1 1a in S ging. Dort wartete er auf den außen liegenden Treppeneingangsstufen auf den Angeklagten. Als sich dieser kurze Zeit später mit einer Essensplatte in der Hand näherte, lief der Zeuge L1 dem Angeklagten entgegen und beide begaben sich zunächst zu dem nur 150 Meter bzw. zwei Gehminuten von der Wohnung des L1 entfernten Wohnhaus des Vaters und Bruders des Angeklagten N1 T3 in der C3 in S. Der Angeklagte sprach mit seinem Vater und zündete einige Silvesterknaller. Ewa gegen 02:30 Uhr begaben sie sich zu dritt – der Angeklagte, sein Bruder N1 sowie S2 L1 – in die Wohnung des S2 L1. Hier kam es zu einer Aussprache zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder N1 aufgrund eines Zerwürfnisses in der Vergangenheit, weshalb der Zeuge L1 derweil den Raum verließ. Möglicherweise konsumierte der Angeklagte während des Aufenthaltes in der Wohnung des S2 L1 noch in geringem Umfang Amphetamine und Alkohol.
93Nachdem N1 T3 etwa eine Stunde später, gegen 03:30 Uhr, die Wohnung wieder verließ, sprach der Angeklagte den Zeugen L1 an, er wolle einen „Juwelier klarmachen“ und er – L1 – solle mitkommen, er brauche doch Geld. Als der Zeuge L1 dies unter Verweis auf seinen kranken Vater ablehnte, beschimpfte der Angeklagte den Zeugen L1 , dieser habe „keine Eier in der Hose“ und sei kein Mann. Spätestens um 04:00 Uhr morgens am 00.00.0000 verließ der Angeklagte die Wohnung des Zeugen L1. Auf der Straße angekommen, brüllte er – für den Zeugen L1 in seiner Wohnung hörbar – erneut, dieser habe „keine Eier in der Hose“.
94bb) Das eigentliche Tatgeschehen
95Der Angeklagte entschloss sich, nunmehr alleine in das Juweliergeschäft B3 auf der C9 in I einzubrechen und dort befindlichen Schmuck zu stehlen. Dabei hatte der bis dato keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehende Angeklagte die Absicht, sich aus wiederholten Diebstählen bzw. Einbrüchen eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und nicht unerheblicher Dauer zu verschaffen. In Umsetzung seines Tatplans startete er um 04:50 Uhr den vor seiner Wohnung in der B-Straße stehenden B2. Den Autoschlüssel hatte er nach wie vor in seinem Besitz, da er die Zeugin T5 am Abend zuvor abgeholt hatte. Mit dem B2 fuhr er in die Stadt I, deren Stadtgrenze sich unmittelbar an die südliche Stadtgrenze S anschließt. Um 05:57 Uhr stellte der Angeklagte die Zündung auf der Q, und zwar in unmittelbarer Nähe eines Parkhauses in Höhe der Hausnummern 20/22 aus und begab sich in die unweit entfernte C9, welches die Haupteinkaufsstraße in der I Innenstadt ist. Zwischen 06:26 Uhr und 06:43 Uhr entfernte er zunächst die unteren Außenlamellen am Juweliergeschäft B3, die er in einer neben dem Geschäft befindlichen Hofeinfahrt ablegte. Zwischen 06:43 Uhr und 06:44 Uhr schlug er sodann die Glastür des Juweliers mit einem Notfallhammer ein, kroch durch die so geschaffene Öffnung in der Tür und gelangte in den Verkaufsraum des Juweliers. Sodann schlug er zielstrebig mehrere hinter dem Verkaufstresen befindliche Glasvitrinen ein und füllte einen vor seinem Bauch geöffneten Rucksack mit den in den Vitrinen befindlichen Schmuckstücken – teilweise samt Dekor. Des Weiteren steckte er offen neben den eingeschlagenen Vitrinen an der Wand hängende Ketten ein. Etwa eine Minute nach Einschlagen der Eingangstür verließ er das Geschäft über den Einstiegsweg. Beim Herauskriechen unter den Außenlamellen verlor er einige Schmuckstücke, die vor dem Geschäft auf der Einkaufsstraße liegen blieben. Als der Angeklagte gerade wieder auf die C9 herausgetreten war und nach links lief, kam ihm die Zeugin K3 entgegen, die sich gerade auf dem Nachhauseweg von ihrer Nachtschicht befand. Der Angeklagte lief sodann zügig in Richtung Q, in der er den B2 zuvor abgestellt hatte, und zwar über einen kleinen Verbindungsweg, der zwischen dem ehemaligen Karstadtgebäude und einer Reihe von Geschäften, in der sich auch ein Wollladen befindet, liegt. Vor diesem Wollladen verlor der Angeklagte erneut ein zuvor an sich genommenes Schmuckstück, welches auf dem Boden verblieb. Um 06:47 Uhr erreichte er den B2, startete diesen und fuhr davon.
96Der nicht gegen Einbruchdiebstahl versicherte Geschäftsinhaber des Juweliergeschäftes B3, der Zeuge C10, musste für die Reparatur der eingeschlagenen Glasvitrinen nebst Tür einen Geldbetrag in Höhe von 1.400,- Euro aufwenden. Für den Einkauf des entwendeten Gold- und Silberschmucks hat der Zeuge C10 zuvor einen Geldbetrag in Höhe von ca. 4.300,- Euro verauslagen müssen.
97cc) Nachtatgeschehen
98Wohin sich der Angeklagte begab, nachdem er den B2 um 06:47 Uhr gestartet hatte und aus der Q in I weggefahren war, hat die Beweisaufnahme vor der Kammer nicht zu klären vermocht. Er fuhr jedenfalls anschließend zurück nach S, wo er das Fahrzeug um 06:53 Uhr auf der Straße I4 in S abstellte. Das Fahrzeug verblieb dort zunächst, wurde um 10:33 Uhr erneut gestartet und letztlich um 10:54 Uhr am 00.00.0000 an der Wohnanschrift des Angeklagten auf der B-Straße abgestellt. Dort verblieb es bis zum Folgetag, dem 00.00.0000.
99Nachdem die zunächst vereinbarte Mietzeit des B2 am 00.00.0000 endete, verlängerte der Angeklagte die Anmietung zunächst vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000. Beim zweiten Aufeinandertreffen des Angeklagten mit dem Zeugen W am 00.00.0000 brachte der Angeklagte ein Säckchen voller Schmuck mit und zeigte dem Zeugen W dessen Inhalt. Unter anderem befand sich ein Goldarmreif darin, jedoch keine Plattengoldkette, sodass es zu einem Kaufgeschäft zwischen beiden nicht kam. Dass der dem Zeugen W zum Kauf angebotene Schmuck aus dem Einbruch am Vortag bei dem Juweliergeschäft B3 stammte, hat die Kammer nicht feststellen können.
100Am 00.00.0000 verlängerte der Angeklagte noch einmal die Anmietung des B2 bis zum 00.00.0000. Bei Rückgabe des B2 am 00.00.0000 ließ der Angeklagte im Wagen einen kleinen Silvesterknaller, eine Taschenlampe und einen Schraubendreher zurück.
101Ab dem 00.00.0000 mietete er sodann für einen Zeitraum bis zum 00.00.0000 einen B2 bei dem Zeugen W an.
102Die für die Anmietungen der Fahrzeuge B2 und B2 dem Angeklagten insgesamt entstandenen Mietkosten beliefen sich auf mindestens 8.000,- Euro. Daneben entstanden dem Angeklagten aufgrund des hohen Verbrauchs der Fahrzeuge Benzinkosten in Höhe von ca. 2.000,- Euro. Die Miet- und Benzinkosten bestritt der Angeklagte aus seinen aus vorherigen Straftaten erlangten „Rücklagen“.
103Sofern der Angeklagte und der Zeuge L1 nicht mit den angemieteten Fahrzeugen unterwegs waren, standen diese auf dem zu der Wohnung des Angeklagten gehörenden Stellplatz an der B-Straße in S. Lediglich der Angeklagte verfügte im Rahmen der Mietzeit über die jeweiligen Autoschlüssel, die er dem L1 nur zu gemeinsamen Fahrten aushändigte. In dem gesamten Mietzeitraum kam es letztlich zu zwei Fahrten des S2 L1 ohne den Angeklagten. Um seinem kranken Vater den Wagen zu präsentieren und diesen auf eine Spritztour mitzunehmen, bat S2 L1 den Angeklagten um Aushändigung des Schlüssels für eine Stunde, was dieser nur widerwillig zuließ. Nachdem der Angeklagte im vorliegenden Verfahren erstmalig am 00.00.0000 festgenommen worden war und der Zeuge L1 infolgedessen nichts mehr von ihm hörte, überkam ihn Sorge bezüglich des Verbleibs des B2, woraufhin S2 L1 den Zeugen W anrief und mitteilte, dass er nicht wisse, wo sich der Wagen befände. Nachdem das Fahrzeug nach Ortung durch den Zeugen W aufgefunden werden konnte, stellte dieser den PKW vor der Haustür des L1, der allerdings nicht über einen Schlüssel verfügte, ab. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Schlüssel des B2 bei dem Bruder des Angeklagten N T3. Am 00.00.0000 wurde S2 L1 der Autoschlüssel von N T3 ausgehändigt. Nach circa vier Stunden wurde das Fahrzeug sodann durch die Polizei wegen des Verdachts eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens beschlagnahmt. Fahrer des B2 war zu diesem Zeitpunkt S2 L1. Das gegen den Zeugen L1 zunächst eingeleitete Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Bochum unter dem 00.00.0000 (Az.: 421 Js 22/21) nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
104d) Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 09.06.2021, Az.: 46 Js 127/21)
105Nachdem sich der Angeklagte zwischen dem 00.00.0000 und dem 00.00.0000 in Untersuchungshaft befunden hatte, seine „Rücklagen“ auch aufgrund der Ausgaben für die Sportwagen um ca. 20.000,- Euro aufgebraucht waren, beabsichtigte er diese durch erneute Wohnungseinbrüche aufzufüllen. In Umsetzung dieses Tatplans begab er sich in der Nacht des 00.00.0000 gegen 02:30 Uhr zu dem am Ende einer Sackgasse gelegenen Wohnhaus T7 Straße 22 in S-T, um dort einzubrechen und mitnehmenswerte Gegenstände in Form von Bargeld und/oder Schmuck zu entwenden.
106Das eineinhalbgeschossige Wohnhaus T7 Straße 22 steht im Eigentum der am 28.07.1944 geborenen Zeugin G und deren Ehemann, die gemeinsam das Erdgeschoss des Hauses bewohnen. Das Obergeschoss vermieten die Eheleute seit 2006 über das Stadtportal der Stadt S unter anderem an Arbeiter, Monteure oder auch Feriengäste. Das Erdgeschoss des Hauses liegt etwas erhöht, weswegen man – um das Haus betreten zu können – ein paar Stufen zur Hauseingangstür überwinden muss. Öffnet man die Hauseingangstür liegt linker Hand die Treppe zum ersten Obergeschoss. Stirnseitig befindet sich die Wohnungseingangstür der Eheleute G. Diese Tür war bis zu der Nacht des 02.03.2021 niemals abgeschlossen, vielmehr steckte der Wohnungsschlüssel von außen, damit sich die Eheleute G einen schnelleren Zutritt zur Wohnung verschaffen konnten, da auch das ausgebaute Kellergeschoss durch diese als Wohnbereich genutzt wird.
107In der Nacht des 00.00.0000 befand sich die Zeugin G allein in dem Haus, da sie bereits einen Tag früher als zunächst geplant aus dem Urlaub zurückgekehrt war. Ihr Ehemann verblieb mit dem Wohnwagen, welcher üblicherweise sichtbar unter dem Carport auf dem Grundstück steht, noch am Urlaubsort. Ihren Pkw, mit dem die Zeugin zurückgefahren war, parkte sie in der nach außen geschlossenen Garage. Da zu diesem Zeitpunkt die Dachgeschosswohnung nicht mehr vermietet war, standen vor dem Haus auch keine sonstigen Fahrzeuge.
108Zuvor wohnten zwei polnische Ingenieure, unter anderem ein Mann namens B4, für sechs Monate in der Obergeschosswohnung. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt verlor einer dieser Mieter den ihm überlassenen Schlüssel für die Hauseingangstür, weswegen ein Zweitschlüssel für das Sicherheitsschloss angefertigt wurde. Der verloren gegangene Schlüssel wurde nie wieder aufgefunden.
109Der Angeklagte verschaffte sich in der Nacht des 00.00.0000 Zutritt zu dem Einfamilienhaus der Eheleute G. Die Zeugin G hatte zuvor, etwa gegen 02:00 Uhr noch die Toilette aufgesucht. Etwa eine halbe Stunde später, die Zeugin war noch nicht ganz eingeschlafen, öffnete der Angeklagte die Schlafzimmertür, trat hinein und leuchtete der Zeugin mit einer mitgeführten Taschenlampe in deren Gesicht, woraufhin diese erschreckt aus dem Bett aufsprang und fragte, was los sei und was er wolle. Der mit einer Sturmhaube maskierte Angeklagte mahnte die Zeugin zunächst zur Ruhe und begab sich zu einem im Schlafzimmer befindlichen Eckschrank, um diesen nach mitnehmenswerten Gegenständen abzusuchen. Während er sich diverse Schmuckstücke besah, aber keines fand, was ihm zusagte, entgegnete die Zeugin, dass da nichts zu finden sei und forderte ihn auf, die Wohnung zu verlassen. Sodann stellte die Zeugin G sich dem Angeklagten, in der irrigen Annahme, dass ihr Mieter in ihrem Schlafzimmer stünde, in den Weg, fasste den Angeklagten leicht an der Schulter und fragte, ob er der Herr B4 sei. Daraufhin entgegnete der Angeklagte erneut „Ruhe“ und versetzte der Zeugin G, um eine weitere Gegenwehr der Zeugin gegen die Wegnahme von Wertgegenständen zu unterbinden, einen leichten Stoß gegen den Brustbereich, wodurch die Zeugin, an der Bettkante stehend, zurück auf das Bett fiel, da sie sich infolge des Stoßes nicht mehr auf den Beinen zu halten vermochte. Anschließend begab er sich – ohne jegliche Beute – in Richtung Tür und sagte zu der Zeugin noch „Geld“. Die Zeugin G, die sich wieder vom Bett erhoben hatte, beabsichtigte, dem Angeklagten aus dem Schlafzimmer hinaus zu folgen. Dieses verhinderte der Angeklagte jedoch, indem er als erstes aus dem Schlafzimmer heraustrat und die Tür zuschlug. Sodann schloss er die Zeugin G mittels des außen steckenden Schlüssels im Schlafzimmer ein, um jedwede weitere Gegenwehr der Zeugin gegen die Wegnahme von Wertgegenständen zu verhindern und um das Haus weiter in Ruhe nach Schmuck und Geld absuchen zu können.
110Während der Angeklagte die übrigen Räume des Erdgeschosses nach mitnehmenswerten Gegenständen durchsuchte, fürchtete die im Schlafzimmer eingeschlossene Zeugin G, der Angeklagte werde zurückkommen. Sie ergriff Panik, da sie keine Möglichkeit sah, um Hilfe zu rufen, da sich im Schlafzimmer kein Telefon befand und sie Hilferufe aus dem Fenster heraus nicht für erfolgversprechend hielt, da die Schlafzimmerfenster ihrer Nachbarn sämtlich zur anderen Straßenseite gelegen waren. Sodann versuchte sie, da sie keine andere Möglichkeit sah, aus dem Zimmer herauszukommen, über das Schlafzimmerfenster ins Freie zu gelangen. Dazu kletterte sie zunächst auf den Fenstersims des – vom Gehweg aus gesehen – in einer Höhe von 1,80 Metern gelegenen Schlafzimmerfensters und versuchte, sich an dem in der Nähe gelegenen Treppengeländer herunter zu hangeln. Sie vermochte sich dabei aber nicht ausreichend festzuhalten, rutschte herunter und kam schließlich mit den unbeschuhten Füßen auf den am Boden befindlichen sechseckigen Pflastersteinen auf, wobei sie sich unter anderem schmerzhaft am linken Fuß verletzte. Dass die Zeugin G, um aus dem verschlossenen Schlafzimmer ins Freie zu gelangen, aus dem Fenster klettern würde, um weiteren Kontakten oder gar gewaltsamen Übergriffen seitens des Angeklagten zu entfliehen, war auch für den Angeklagten nicht fernliegend.
111Nachdem sie im Freien befindlich war, lief die Zeugin G zunächst unter Schmerzen zu ihrer Nachbarin, klingelte und bat darum, nachdem ihre Nachbarin erwacht, an die Tür getreten und von der Zeugin G darüber informiert worden war, dass in ihrem Haus eingebrochen werde, die Polizei zu verständigen. Anschließend begab die Zeugin G sich, um zu beobachten, wann der Täter das Haus wieder verlassen würde, hinter das Auto ihrer Nachbarin, von welchem sie eine gute Sicht auf ihren circa vier bis fünf Meter entfernten Hauseingang hatte. Etwa zehn Minuten nachdem der Angeklagte die Zeugin G im Schlafzimmer eingeschlossen hatte, trat der Angeklagte – nach wie vor maskiert – aus der Haustür, blickte sich nach links und rechts um, rannte die Treppenstufen hinunter und anschließend weiter in einen kleinen Weg, der auf die L4-Straße führt. Dies beobachtete die hinter dem Fahrzeug kauernde Zeugin G und vernahm bei dem Weglaufen des Angeklagten ein von diesem ausgehendes klapperndes, metallenes Geräusch.
112Der Angeklagte überquerte die L4-Straße, um seine Flucht weiter auf einem schmalen, zu einem Spielplatz hinführenden, von Bäumen gesäumten Weg fortzusetzen. Dort verlor oder warf er – gut 110 Meter vom Wohnhaus der Eheleute G entfernt – einen etwa 40 Jahre alten, früher den Kindern der Eheleute G gehörenden Jeansstoff-Brustbeutel, den er zuvor aus dem Schreibtisch des Arbeitszimmers der Eheleute G entwendet hatte, weg. Dieser Brustbeutel wurde gegen 10:00 Uhr von den Polizeibeamten N6 und C11 sichergestellt, wobei sich an der Öffnungslasche des Brustbeutels nachfolgend DNA-Antragungen des Angeklagten fanden.
113Der Angeklagte entwendete aus dem Haus der Eheleute G insgesamt folgende Gegenstände: aus dem Garderobenschrank eine Herrenhandtasche mit 200,00 Euro Bargeld sowie dem Führerschein des Ehemannes der Zeugin G, aus dem Schreibtisch im Arbeitszimmer eine metallene Geldkassette, in der sich Sonderprägungen von DM-Münzen (Münzwert: 17,00 DM) sowie alte Schlüssel befanden, Bargeld in Höhe von 60,00 Euro aus dem zuvor in der Küche befindlichen Portemonnaie der Zeugin G, einen Schlüsselbund mit mehreren Schlüsseln von der Schlüsselleiste im Flur sowie den 40 Jahre alten Brustbeutel aus Jeansstoff aus einer Schreibtischschublade im Arbeitszimmer. Ob sich in dem Brustbeutel, bevor der Angeklagte diesen nachfolgend verlor oder wegwarf, noch Fremdwährungen unbekannter Stückzahl befanden, die der Angeklagte zuvor an sich genommen hatte, hat die Beweisaufnahme nicht sicher zu klären vermocht.
114Über die von ihm angefassten Türen, Schlösser sowie Schubladen im Haus der Eheleute G goss der Angeklagte eine nicht näher feststellbare ölige Substanz, um etwaige von ihm angebrachte Spuren zu vernichten. Modeschmuck bzw. nicht wertigen Schmuck der Zeugin G, an dem der Angeklagte kein Interesse hatte, warf der Angeklagte auf den Fußboden und ließ ihn dort zurück.
115Durch das Herausklettern aus dem Fenster erlitt die Zeugin G, die sich insbesondere wegen der Fußschmerzen in ärztliche Behandlung begab, eine Schürfwunde am Handgelenk, Hämatome am Oberschenkel rechts sowie am Unterarm rechts und Schmerzen, vor allem im Bereich des Fußes, der Ferse sowie des Sprunggelenkes links beim Auftreten. Der Fuß, der im Bereich des Knöchels erheblich anschwoll, wurde bandagiert. Die Schmerzen der Zeugin G im Bereich des Fußes hielten mindestens zwei Wochen an. Im Schlafzimmer vermochte die Zeugin im Folgenden zunächst nicht mehr auf ihrer Bettseite zu schlafen. Über einen Zeitraum von zwei Monaten gingen ihr immer wieder die Bilder dieser Nacht durch den Kopf, was sie psychisch stark belastete. Psychotherapeutische Hilfe nahm die Zeugin nicht in Anspruch, sie sprach mit ihrem Ehemann und ihren Kindern über das Geschehen, um dieses zu verarbeiten.
116Wie der Angeklagte in der Nacht in das Wohnhaus der Eheleute G gelangen konnte, hat die Beweisaufnahme vor der Kammer nicht sicher zu klären vermocht.
117Dass der Angeklagte vor dem Tatgeschehen alkoholische Getränke und/oder Betäubungsmittel in nennenswertem Umfang konsumiert hat, hat die Kammer nicht feststellen können.
118Die polnischen Mieter der Eheleute G gaben am darauffolgenden Wochenende – wie vor dem Tatgeschehen mit diesen bereits vereinbart – ihre Haustürschlüssel zurück. Daneben händigten sie der Zeugin G eine bei ihrem Auszug versehentlich mitgenommene Spülmittel-Flasche der Marke Pril aus.
119e) Geschehen vom 00.00.0000 (Fall 1 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
120Hinsichtlich des ausgeurteilten Freispruchs hat die Kammer folgende Feststellungen treffen können:
121In der Nacht des 00.00.0000 war der Angeklagte auf der Suche nach einem geeigneten Objekt, in das sich lohnen würde einzubrechen. Dazu begab er sich zwischen 01:02 Uhr und 01:05 Uhr zu dem Grundstück der 90-jährigen Frau Dr. C12, T8 Weg 62 in S. Zu diesem Zeitpunkt trug der Angeklagte einen auffallend roten Trainingsanzug mit an den Schultern abgesetzten schwarzen Streifen und schwarze Sportschuhe mit einem an der Außenseite jeweils befindlichen roten Streifen. Daneben trug er Handschuhe, einen schwarzen Rucksack und sein Gesicht war bis oberhalb der Nasenspitze mit einem schwarzen Tuch bedeckt.
122Bei dem direkt an den T8 Park angrenzenden, in S-T gelegenen Grundstück der Frau Dr. C12, welches circa 2.500 qm misst, handelt es sich um ein solches, das – bis auf den Vorgarten – vollständig umzäunt ist. Auf der linken Seite befindet sich ein ca. 1,20 Meter hohes – zu jeder Zeit verschlossenes – Jägerzäunchen, durch welches man in den Garten gelangt. Die auf dem Grundstück befindliche Bebauung besteht aus einem Haupt- und einem Nebenhaus. Das Nebenhaus diente den Eheleuten Dr. C12 seinerzeit als Zahnarztpraxis, wird nunmehr seit mehreren Jahren von der Zeugin X2 als Mieterin bewohnt. In dem Haupthaus wohnt die 90-jährige Dr. C12. Sowohl der zum Garten gelegene Terrassenbereich als auch der zur Straße gelegene Hauseingangsbereich sind mit Bewegungsmeldern, der Eingangsbereich zusätzlich mit einer Videoüberwachungsanlage gesichert.
123Der Angeklagte beabsichtigte in dieser Nacht dieses Grundstück auszubaldowern. Um festzustellen, ob das Haus derzeit bewohnt ist und welche Einstiegswege günstig wären, leuchtete der Angeklagte nach Betreten des Vorgarten-/Hauseingangsbereiches die Hauseingangstür, den umliegenden Bereich samt Lichtschächten zunächst mit einer mitgeführten Taschenlampe ab. Sodann brach er von einem im Vorgarten befindlichen Strauch ein kleines Ästchen ab und positionierte dieses zwischen Türblatt und Zarge. Dadurch versprach er sich einen Hinweis über die Frequentierung des Hauses, da bei einem Öffnen der Hauseingangstür mit einem Herausfallen des Stöckchens zu rechnen wäre. Zusätzlich leuchtete er mit der Taschenlampe in den an der Hauswand befindlichen Briefkasten und sah nach, ob sich – als weiterer Hinweis auf eine Abwesenheit der Hausbewohner – gegebenenfalls Post darin stapelt. Sodann begab er sich über den Jägerzaun auf das rückwärtige Gartengrundstück, um das Haus auch rückwärtig auszubaldowern, dazu trat er bis kurz vor die eine Stufe höher liegende Terrasse. Aufgrund des Erscheinens des Angeklagten reagierte der installierte Bewegungsmelder und erleuchtete den rückwärtigen Bereich. Die Zeugin X2, welche durch ihre circa ein Drittel hochgezogene Außenjalousie sah, wie sich eine ganz in Rot gekleidete Person mit einer erleuchteten Taschenlampe einen Überblick über das rückwärtige Grundstück verschaffte, erschrak und klopfte reflexartig zweimal gegen ihre Fensterscheibe, woraufhin der Angeklagte die Zeugin bemerkte und sich ruhigen Schrittes vom Grundstück entfernte.
124Die völlig verängstigte Zeugin X2 informierte daraufhin umgehend die Polizei.
125Der Angeklagte, der gleichwohl nachprüfen wollte, ob sich das von ihm am Vortag in den Türspalt positionierte Stöckchen noch dort befindet, betrat in der Nacht des 00.00.0000 erneut den Vorgartenbereich des Hauses T8 Weg 62 mit einer Taschenlampe. Nachdem der Angeklagte die Hauseingangstür abgeleuchtet und feststellte hatte, dass sich das Stöcken, welches zuvor von dem Sohn der Hauseigentümerin, dem Zeugen Dr. Georg C12, entfernt worden war, nicht mehr dort befand, verließ er das Grundstück unverrichteter Dinge. Zu einem Einbruch in das Wohnhaus T8 Weg 62 in S kam es in der Folgezeit nicht.
126f) Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 26.05.2021, Az.: 46 Js 118/21)
127Spätestens am frühen Morgen des 00.00.0000 entschloss sich der Angeklagte, in das freistehende Einfamilienhaus der Familie M in der O 8 in S-T einzubrechen, um dort Bargeld sowie sonstige Wertgegenstände (Schmuck, Mobiltelefone u.a.) zu entwenden.
128Im Erdgeschoss des Hauses lebt die am 00.00.0000 geborene Zeugin Anna Elisabeth M, im Obergeschoss ihr Sohn sowie ihre Schwiegertochter, welche sich am Vorfallstage jedoch im Urlaub befanden, weswegen jegliche Kraftfahrzeuge, die üblicherweise vor dem Haus stehen, fehlten. Am frühen Morgen des 00.00.0000 war die 90-jährige Anna Elisabeth M allein zu Hause.
129In Umsetzung seines Tatentschlusses verschaffte sich der Angeklagte zunächst zwischen 05:15 Uhr und 05:40 Uhr gewaltsam Zutritt zu dem Kellergeschoss des Einfamilienhauses, indem er die äußere Kellertür des Wohnhauses und anschließend eine weitere Innentür im Kellergeschoss aufhebelte. Der Angeklagte beabsichtigte nun, über das Kellergeschoss in die Wohnräume des Erdgeschosses zu gelangen. Dazu passierte er eine Treppe, auf der im unteren Bereich auf hintereinander folgenden Stufen zwei Putzeimer sowie ein Wasserkasten standen. Auf der letzten Stufe vor der Verbindungstür standen zudem linksseitig zwei Schrubber und ein Bügelbrett, die den Durchgang vom Kellerbereich in den Wohnbereich einengten.
130Anna Elisabeth M war zwischenzeitlich durch Geräusche wach geworden, die sie nicht einzuordnen vermochte. Sie begab sich daraufhin von ihrem Schlafzimmer in die Küche und von dort aus in den angrenzenden kleinen Dielenflur. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte gerade die letzte verschlossene Verbindungstür erreicht und machte sich daran, diese aufzuhebeln. An der Verbindungstür wurde die Zeugin M auf das durch den unteren Türschlitz der Kellertür blitzende Licht aufmerksam. In Verkennung, sie habe das Licht am Abend vergessen auszuschalten, öffnete sie daraufhin die Verbindungstür zum Keller. Unmittelbar nachdem sie diese geöffnet hatte, sprühte ihr der Angeklagte gezielt und aus kurzer Entfernung ein mit sich geführtes Reizgas (CS-Gas) direkt in die Augen, um eine Gegenwehr der Zeugin, in deren Wohnbereich zu gelangen und Wertgegenstände zu entwenden, zu verhindern. Aufgrund des versprühten Reizstoffes verspürte die Zeugin Anna Elisabeth M umgehend starke Schmerzen und konnte nichts mehr sehen, was der Angeklagte bei Einsatz des Reizgases für möglich gehalten und jedenfalls billigend in Kauf genommen hatte. Gleichwohl schaffte sie es, die Tür unverzüglich wieder zu schließen und zu verriegeln. Zudem ergriff sie einen Stuhl, der sich unweit der Tür im Küchenbereich befand, warf diesen auf die Erde und verkeilte ihn zwischen Verbindungstür und der gegenüberliegenden Wand derart, dass es dem Angeklagten nunmehr unmöglich war, die Tür noch zu öffnen und in das Erdgeschoss des Wohnhauses zu gelangen. Gleichwohl versuchte der Angeklagte weiterhin, die Verbindungstür zu den Wohnräumen zu öffnen, hebelte an der Schließseite und rüttelte mehrfach an der Türklinke, um sein Vorhaben, Bargeld sowie sonstige Wertgegenstände zu entwenden, fortzusetzen. Erst als sich die Zeugin M in das Obergeschoss flüchtete und dort vom Balkon aus mehrfach laut um Hilfe rief, gab der Angeklagte, der nunmehr erkannte, dass er nicht mehr in die Wohnung werde gelangen können, die weitere Tatausführung auf und flüchtete ohne Beute.
131Ein etwa 50 Meter entfernt wohnender Nachbar der Zeugin M, der die Hilferufe gehört hatte, alarmierte die Polizei, die gegen kurz vor 06:00 Uhr am Tatort erschien. Der hinzugerufenen Beamtin der Kriminalwache, der Zeugin I3-C13, berichtete Anna Elisabeth M das Geschehen zusammenhängend und machte auf diese, insbesondere angesichts ihres hohen Alters, einen „taffen Eindruck“. Erst als die hinzugerufene Enkeltochter, die Zeugin Claudia M, etwa gegen 07:00 Uhr im Haus ihrer Großmutter erschien, begann sie zu weinen und berichtete auch dieser von dem Geschehen. Sie zitterte und war deutlich geschwächt und vermochte sich kaum auf den Beinen zu halten. Dieser Zustand hielt noch den ganzen Tag über, auch nachdem sie zusammen mit ihrer Enkelin die Augenklinik aufgesucht und anschließend etwas geschlafen hatte, an.
132Durch das Besprühen mit dem reizenden Stoff erlitt Anna Elisabeth M eine massive, schmerzhafte Reizung der Lidkanten und der Bindehaut sowie eine Hornhauterosion. Zudem litt sie unter dem Gefühl von Luftnot. Unter massiven Schmerzen in den Augen litt sie mindestens zwei Tage lang. Es dauerte 14 Tage bis die Beeinträchtigungen im Bereich der Augen vollständig abgeklungen waren. Diese Verletzungen hatte der Angeklagte bei Einsatz des reizenden Stoffes für möglich gehalten und zumindest billigend in Kauf genommen.
133Die bis zu diesem Tage selbstbewusste und angstfreie Anna Elisabeth M fühlt sich seit dem Überfall unsicher in ihrem vor 60 Jahren erbauten und seitdem von ihr bewohnten Haus. Nach dem Vorfall schlief sie zunächst ein paar Wochen im Wohnzimmer, um nachts nicht mehr an der Kellertür vorbeigehen zu müssen und um schneller an der Treppe zu sein, die zu ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter ins erste Obergeschoss führt. Noch heute erschrickt sie, sobald sie ein Geräusch innerhalb des Hauses hört. Stets beobachtet sie den Garten und am Haus vorbeilaufende Passanten. Wenn es an der Haustür schellt, öffnet sie nicht mehr unbefangen die Haustür, sondern vergewissert sich erst – teilweise auch durch Ansprache durch das Badezimmerfenster – wer sich vor der Haustür befindet. Während vor dem Vorfall tagsüber alle Türen des Hauses offen standen, werden auf ihr Betreiben und damit sie sich sicherer fühlt, mittlerweile alle verschlossen. Auf ihren Wunsch hat ihre Schwiegertochter einen Keil anfertigen lassen, der jede Nacht vor die Verbindungstür zum Keller gelegt wird. Befindet sich die Geschädigte tagsüber im Wintergarten, schließt sie auch diesen ab. Am Abend verriegelt sie darüber hinaus die Badezimmertür von außen, was vorher nicht der Fall war, um so Einbrechern, die über das Badezimmerfenster einsteigen könnten, den Zutritt zum Haus zu erschweren. Sobald sie sich alleine im Haus befindet, empfindet sie starke Angst.
134Dass der Angeklagte vor diesem Tatgeschehen alkoholische Getränke und/oder Betäubungsmittel in nennenswertem Umfang konsumiert hat, hat die Kammer nicht feststellen können.
135Die Familie M hat aufgrund dieses Geschehens die äußere Kellertür des Hauses durch eine massive Stahltür mit mehreren Verriegelungen ersetzt. Von den ihnen dadurch entstandenen Kosten in Höhe von 2.800,- Euro hat die Versicherung einen Betrag von 2.100,- Euro erstattet.
1362. Feststellungen zur psychischen Befindlichkeit des Angeklagten in den Tatzeitpunkten
137Bei Begehung sämtlicher festgestellter Taten war der Angeklagte nicht in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nach Maßgabe der Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB eingeschränkt. Insbesondere konnte – wie bereits ausgeführt – ein vorheriger, seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigender Konsum von Betäubungsmitteln und/oder alkoholischen Getränken bei dem Angeklagten vor den Tatgeschehen nicht festgestellt werden. Auch die bei diesem vorhandene dissoziale Persönlichkeitsstörung hat sich weder auf seine Einsichts- noch auf seine Steuerungsfähigkeit in den jeweiligen Tatzeitpunkten ausgewirkt.
138III.Beweiswürdigung
1391. Feststellungen zur Person des Angeklagten
140a) Allgemeine Feststellungen zur Person
141Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zu seinem Werdegang beruhen auf dessen eigenen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung. Diese wurden in Teilen durch die Angaben der Zeugen Ingmar T9 und N T3 bestätigt. Auch im Rahmen des mit dem Sachverständigen Dr. M1 stattgefundenen Explorationsgesprächs machte der Angeklagte zu seinem schulischen Werdegang und seiner Kindheit dementsprechende Angaben.
142Die Feststellungen zu dem strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen, seine Person betreffenden Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 07.09.2021. Daneben hat die Kammer das Urteil des Landgerichts Bochum vom 10.04.2014 (Az.: II-8 KLs 46 Js 33/13-6/14) ebenso wie den Inhalt der Stellungnahme der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bochum vom 02.03.2020 ausweislich der Sitzungsniederschrift in die Hauptverhandlung eingeführt.
143b) Feststellungen zur Zeit nach der Haftentlassung 2020
144Die getroffenen Feststellungen zu der Zeit nach seiner Haftentlassung Ende Juli 2020, insbesondere seiner Wohnsituation, seinen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zu den von ihm geführten partnerschaftlichen Beziehungen beruhen im Wesentlichen auf den auch diesbezüglich glaubhaften Angaben des Angeklagten. Diese wurden – sofern ihrer jeweiligen Wahrnehmung zugänglich – bestätigt und zudem ergänzt durch die Angaben der Zeugen Ingmar T9, S3 T5, K2 C4, Kevin W, S2 L1 und T4-K1. Insbesondere hat der Angeklagte, nachdem er die kostspieligen Anmietungen der Sportwagen und damit verbundenen Ausgaben von mindestens 10.000,- Euro inklusive Spritkosten bestätigt hat, erklärt, dass er am Tage seiner Entlassung noch über Geldbeträge in Höhe von circa 85.000,- Euro verfügt habe. Dies sei die Tatbeute aus den Straftaten seiner letzten Verurteilung im Jahre 2014, die ihm auch zustünde, da er „dafür ja schließlich gesessen“ habe. Darüber hinaus habe er Freunde, deren Väter Juweliere seien. Von denen habe er neuwertigen Schmuck zum Weiterverkauf erhalten. So habe er es auch mit Fahrrädern oder Handys gehandhabt und beabsichtige, sich dadurch auch in Zukunft ein paar hundert Euro dazu zu verdienen. Durch die Anmietungen der Sportwagen nebst Spritkosten, seiner Wohnung samt Einrichtung derselben sowie auch dadurch, dass er seinen Familienangehörigen Geschenke zu Weihnachten gemacht habe, seien von den 85.000,- Euro bereits 20.000,- Euro verbraucht gewesen. Geldprobleme habe er zu keiner Zeit gehabt. Wenngleich diese Einlassung des Angeklagten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen sicherlich auch darauf angelegt war, zum Ausdruck zu bringen, er habe aufgrund vorhandenen Vermögens keine Notwendigkeit gehabt, die diesem Verfahren zugrundeliegenden Wohnungseinbruchdiebstähle oder Raubtaten zu begehen, erachtete die Kammer diese Angaben für glaubhaft. Aus dem in die Hauptverhandlung eingeführten Urteil des Landgerichts Bochum vom 10.04.2014 ergab sich, dass der Angeklagte eine Tatbeute in dieser Größenordnung erzielt haben kann, insbesondere da das Urteil sich zu dem Verbleib der jeweiligen Beute aus den vollendeten Taten nicht verhält. Die insbesondere dem Zeugen W übergebenen erheblichen Geldbeträge für die Anmietungen der Fahrzeuge, die Kautions- samt Mietzahlungen für die Wohnung in der B-Straße oder auch der Einkauf der Möbel lassen sich auch nicht mit Erträgen aus den in diesem Verfahren erlangten Tatbeuten, dem Weiterverkauf von Schmuck von Freunden oder dem erstmalig im Januar 2021 erfolgten Bezug von Arbeitslosengeld 2 erklären. Ebenso unumwunden erklärte der Angeklagte, dass er seinen tatsächlichen Aufenthaltsort in der B-Straße in S bewusst vor Behörden oder Teilen seiner Familie, insbesondere vor seinem Bruder N1 T3, verschwiegen und zukünftig – trotz des Bezugs von Arbeitslosengeld 2 – beabsichtigt habe, diese Wohnung über „Airbnb“ zu vermieten. Die Kammer hatte keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Ergänzend konnten die Angaben des Angeklagten auch über die ausweislich der Sitzungsniederschrift eingeführten Urkunden, etwa den Mietvertrag betreffend die Wohnung in der B-Straße 27 in S oder die Bewilligungsbescheide des Jobcenters des Kreises S oder die Kontoauszüge des Angeklagten bei der Postbank N5, Bestätigung finden. Die jeweiligen Beziehungen zu den Zeuginnen T5 und C4 haben diese – den Angaben des Angeklagten entsprechend – ihrerseits vor der Kammer bestätigt. Die den Feststellungen zugrunde gelegten Mietzeiten der Fahrzeuge samt Kosten haben daneben auch durch die in die Hauptverhandlung eingeführten Mietverträge samt Rechnungen und auch durch die Angaben des Zeugen Kevin W Bestätigung gefunden.
145c) Feststellungen zur gesundheitlichen Verfassung und insbesondere zum Suchtmittelkonsum des Angeklagten
146Dass der Angeklagte sich in der Vergangenheit und bis heute guter physischer und psychischer Gesundheit erfreut, hat die Kammer zunächst aufgrund seiner eigenen glaubhaften Angaben angenommen.
147Darüber hinaus hat die Kammer diese Feststellungen auf der Grundlage der forensisch-psychiatrischen Ausführungen des hinzugezogenen Sachverständigen und Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie forensische Psychiatrie Dr. med. Michael M1 treffen können, der im Rahmen seiner mündlichen Gutachtenerstattung dies bestätigt und dabei insbesondere ausgeführt hat, dass der psychopathologische Befund des Angeklagten mit Ausnahme der Feststellung einer dissozialen Persönlichkeitsstörung nach ICD-10: F60.2, die allerdings keinen Krankheitswert besäße, keinerlei Auffälligkeiten gezeigt habe.
148Die Kammer geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass der Angeklagte in der Vergangenheit Alkohol sowie Betäubungsmittel in Form von Marihuana und Amphetaminen sowie – kurzzeitig – Ecstasy und Kokain konsumiert hat. Dass er seinen langjährigen Marihuanakonsum ab Februar 2020 aus eigenem Antrieb vollkommen eingestellt hat, konnte die Kammer ebenfalls aufgrund der insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten annehmen, zumal seine dazu zeugenschaftlich befragten Familienangehörigen, seine Mutter Ingmar T9 und sein Bruder N T3, ebenso wie sein Freund S2 L1 glaubhaft bestätigt haben, dass der Angeklagte nach seiner Haftentlassung im Jahre 2020 nicht mehr geraucht habe.
149Dass die Kammer zu dem Umfang seines Amphetaminkonsums und einem etwaigen gesteigerten Alkoholkonsum ab August 2020 keine sicheren Feststellungen zu treffen vermochte, beruht auf folgenden Umständen:
150Der Angeklagte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung hinsichtlich des Zeitraumes nach seiner Haftentlassung Ende Juli 2020 dahingehend eingelassen, er sei bei seinem Aufenthalt in der Wohnung des S2 gemeinsam mit U C2 in alte Verhaltensmuster gerutscht. Drogen habe er dort ein bis zweimal genommen. Alkohol habe er – schließlich bis zu seiner Inhaftierung im April 2021 – unter der Woche und am Wochenende in Form von Wodka und Whiskey, und zwar circa einen halben bis zu einem Liter täglich, getrunken. Er sei regelmäßig angetrunken gewesen. Das habe sich dergestalt geäußert, dass es komisch gewesen sei zu laufen, ihm „schummrig“ gewesen sei und er sich habe festhalten müssen, um nicht umzufallen. Nachdem er im Oktober 2020 zu dem Zeugen L1 gezogen sei, habe er mit diesem Amphetamine konsumiert. Zunächst weniger, später jedoch täglich, wobei es in diesem Zustand für ihn unproblematisch gewesen sei, spazieren zu gehen, mit dem Fahrrad rumzufahren und Kollegen zu besuchen. Er sei mit dem Fahrrad aber regelmäßig besonders vorsichtig gefahren, da er seinen Führerschein habe machen wollen und sich diesbezüglich bereits zu einer Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU) angemeldet habe. Nach seinem Auszug aus der Wohnung des S2 L1 sei es bei einem täglichen Konsum von Alkohol und Amphetaminen geblieben, wobei er nicht sagen könne, wieviel Amphetamine er täglich zu sich genommen habe. Dieses habe er überwiegend kostenfrei von Kumpels auf diversen Partys zur Verfügung gestellt bekommen. Es habe zum freien Konsum für alle auf Tischen gelegen, sobald es aufgebraucht gewesen sei, wurde umgehend Neues nachgelegt. Auch er habe gelegentlich mal welches beigesteuert. Er selbst sehe bei sich ein Problem mit Amphetaminen deshalb, da er nach dem Aufstehen sofort welches eingenommen habe.
151Im Rahmen des im Vorfeld der Verhandlung am 06.07.2021 stattgefundenen Explorationsgesprächs mit dem seitens der Kammer hinzugezogenen Sachverständigen Dr. M1, der diese Angaben im Rahmen seiner mündlichen Gutachtenerstattung vor der Kammer bestätigt hat, hat der Angeklagte, zu einem etwaigen Amphetaminkonsum befragt, angegeben, er habe nach seiner Haftentlassung ab Oktober 2020 bis zu seiner erneuten Festnahme täglich zwei bis drei Gramm konsumiert, wobei er den Konsum von seinem Überbrückungsgeld bezahlt habe. Befragt zu seinem Alkoholkonsum hat der Angeklagte zunächst angegeben, dass er das erste Mal Alkohol mit 13 Jahren getrunken habe und in den Folgejahren zu Anlässen wie Discothekenbesuchen am Wochenende in Form des Mischgetränks Wodka-Red Bull. Während seiner Haftaufenthalte habe er keinen Alkohol konsumiert, in den Zeiten dazwischen habe er bei Treffen Wodka-Red Bull oder Tequila-Bier getrunken, wobei der Konsum zumeist an Wochenenden stattgefunden habe. Als es im weiteren Verlaufe der Exploration – das Themengebiet Suchtanamnese sei bereits abgeschlossen gewesen – nun um frühere Straftaten und die gegenwärtig vorhandenen Strafvorwürfe gegangen sei, habe der Angeklagte – so der Sachverständige – eigenständig und ungefragt die alkoholbezogenen Anamnesedaten ergänzt und ihm, dem Sachverständigen, vorgeworfen, er sei diesbezüglich nur ungenau von ihm befragt worden. Der Angeklagte habe dann weiter angegeben, dass er nach seiner Haftentlassung im Juli 2020 rasch beginnend täglich Alkohol in einer Menge von einem halben bis zu einem Liter Wodka zu sich genommen habe.
152Die Einlassung des Angeklagten zum Umfang seines Alkohol- bzw. Amphetaminkonsums nach seiner Haftentlassung begründeten aus Sicht der Kammer bereits Zweifel an deren Glaubhaftigkeit. So war zunächst nicht nachvollziehbar, dass der Angeklagte angab, nach seiner Haftentlassung in „alte Verhaltensmuster“ zurückgefallen zu sein, wobei er kurz zuvor noch geäußert hat, vor Juli/August 2020 habe er sowohl Alkohol als auch Betäubungsmittel in einem aus seiner Sicht sozialüblichem Umfang konsumiert und keine Problematik bei sich erkannt. Die Kammer verkennt an dieser Stelle nicht, dass es sich insofern lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit des Angeklagten gehandelt haben könnte, der hiermit möglicherweise lediglich zum Ausdruck hat bringen wollen, nach seiner Entlassung grundsätzlich wieder Alkohol und Amphetamine zu sich genommen zu haben. Fraglich war aus Sicht der Kammer überdies die Darstellung, er habe überwiegend kostenfrei von Bekannten seinen täglichen Konsum zur Verfügung gestellt bekommen, wobei er nur gelegentlich etwas beigesteuert habe. Dass er nicht angeben konnte, um wieviel Amphetamin es sich auch nur ungefähr täglich gehandelt haben soll, welches er konsumiert haben will, verwunderte zudem, zumal er im Rahmen des Explorationsgesprächs gegenüber dem Sachverständigen Dr. M1 noch konkrete Mengen von zwei bis drei Gramm anzugeben vermochte. Auch die dem Sachverständigen Dr. M1 gegenüber getätigte Darstellung seines Konsumverhaltens von Alkohol ließ jedenfalls Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben aufkommen.
153Die Zweifel an der Einlassung des Angeklagten zu dem Umfang seines Konsums wurden durch die sonstigen Erkenntnisse aus der Beweisaufnahme zu seinem Alkohol-/Drogenkonsum noch verstärkt. Denn das Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen lässt Zweifel an einem über einen gelegentlich stattgefundenen Konsum von Amphetaminen hinausgehenden Betäubungsmittelkonsum oder gesteigerten Alkoholkonsum des Angeklagten nach dessen Haftentlassung Ende Juli 2020 aufkommen. Zunächst hat keiner der auch zu seinen persönlichen Verhältnissen vernommenen Zeugen Auffälligkeiten bei diesem geschildert, die bei einem gesteigerten bzw. von ihm beschriebenen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum zu erwarten gewesen wären.
154So hat etwa die Mutter des Angeklagten, die Zeugin Ingmar T9, bekundet, sie wisse zwar, dass der Angeklagte Alkohol in Form von Wodka und Whiskey trinke, er habe bei ihr zur Hause auch schon mal Wodka getrunken. Nennenswert alkoholisiert habe sie ihn jedoch zu keinem Zeitpunkt erlebt, wobei sie nach seiner Entlassung bis zu seiner Inhaftierung im April 2021 täglichen Kontakt zu ihrem Sohn gehabt habe. Sie hätten sich wöchentlich vier bis fünf Mal persönlich gesehen, ansonsten hätten sie telefoniert oder über Whatsapp gechattet. Wegen ihres Allgemeinzustandes aber auch speziell aufgrund zweier erlebter epileptischer Anfälle in diesem Zeitraum, habe sich der Angeklagte um sie gesorgt und gekümmert. Sie wisse, dass er mit dem Rauchen von Marihuana aufgehört habe, das habe er ihr auch erzählt, von dem Konsum anderer Drogen habe sie nichts mitbekommen.
155Des Weiteren hat der Bruder des Angeklagten, N T3, der nach seiner eigenen Haftentlassung im Dezember 2020 alle zwei Tage Kontakt zu dem Angeklagten gehabt haben will, seinerseits bekundet, dass der Angeklagte in seinem Beisein keinerlei Drogen konsumiert und er auch solche bei seinem Bruder zu keinem Zeitpunkt gesehen habe. Er wisse, dass dieser kein Marihuana mehr rauchen würde. Von anderen Drogen wisse er nichts. Er habe schon mitbekommen, dass sein Bruder Wodka als Mixgetränk getrunken habe. Allerdings habe der Angeklagte auch, wenn er mal mehr getrunken habe, nie den Eindruck vermittelt, betrunken zu sein. Er sei immer Herr seiner Sinne gewesen.
156Ferner haben die Zeuginnen K2 C4 und S3 T5 übereinstimmend bekundet, dass sie weder Drogen noch einen übermäßigen Alkoholkonsum beim Angeklagten gesehen oder bemerkt hätten. Vielmehr habe der Angeklagte – so die Zeugin K2 C4 – ihr gegenüber angegeben, er habe früher mal gekifft, würde mittlerweile aber keine Drogen mehr nehmen. Dies habe sie ihm auch geglaubt und im Rahmen ihrer Kontakte auch nichts Gegenteiliges feststellen können. Entsprechendes hat der Angeklagte seiner Verlobten S3 T5 gegenüber angegeben, die nach eigenen Angaben zuvor schlechte Erfahrungen mit betäubungsmittelabhängigen Ex-Partnern gemachte habe und bei diesem Thema durchaus sensibilisiert sei. Angesichts eines alkoholabhängigen Vaters – so die Zeugin T5 weiter – habe sie zudem ein besonderes Augenmerk für übermäßigen Alkoholkonsum. Einen solchen habe sie bei dem Angeklagten zu keiner Zeit feststellen können.
157Daneben hat der Zeuge S2 L1, bei dem der Angeklagte mehrere Monate gewohnt hat und zu dem auch nachfolgend noch freundschaftlicher Kontakt bestand, angegeben, der Angeklagte habe anfänglich als sie zusammen gewohnt hätten keine Amphetamine konsumiert. Erst später, aber noch im Jahre 2020, habe dieser gelegentlich und in Maßen konsumiert. Der Angeklagte habe irgendwann immer welches in einer kleinen Schatulle bei sich geführt. Er habe sich – so der Zeuge L1 – jedoch nie „vollgeballert“, sondern mal „eine kleine Nase zwischendurch gezogen“, um wach zu bleiben.
158Zudem hat der Zeuge W angegeben, dass ihm zwar aufgefallen sei, dass der Angeklagte bei seinen Besuchen in der Autovermietung in C14 schon mal ein Wodka-Mix-Getränk dabei gehabt habe. Einen angetrunkenen oder gar betrunkenen Eindruck habe der Angeklagte bei den mehrfachen Begegnungen im Zuge der Anmietungen jedoch zu keinem Zeitpunkt hinterlassen.
159Schließlich hat der Angeklagte gegenüber seiner Bewährungshelferin T4-K1 nach deren glaubhaften Angaben vor der Kammer zu keinem Zeitpunkt eine Betäubungsmittelproblematik geschildert oder einen intoxikierten Eindruck erweckt. Sie selbst habe ihrerseits auch zu keinem Zeitpunkt angenommen, dass der Angeklagte mit Drogen oder Alkohol ein Problem haben könnte. Die Kammer hat bei der Würdigung dieses Umstands nicht verkannt, dass der Angeklagte bei tatsächlichem Bestehen einer Betäubungsmittelproblematik gegebenenfalls allein vor dem Hintergrund der amtlichen Funktion dieser Zeugin an einer Offenlegung aus nachvollziehbarem Motiv kein Interesse gehabt haben dürfte. Ebenso hat die Kammer bei Würdigung der Aussage dieser Zeugin nicht verkannt, dass es nach der Entlassung des Angeklagten 2020 wegen der Corona-Pandemie nur zu einem persönlichen (03.12.2020) und drei telefonischen (14.09.2020, 21.01.2021 sowie 23.03.2021) Begegnungen gekommen ist.
160Die Kammer hat keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Angaben der vorbenannten Zeugen zu einem etwaigen Konsumverhalten des Angeklagten zu zweifeln. Insbesondere haben die Zeugen keinerlei Tendenz erkennen lassen, den Angeklagten durch unzutreffende Angaben zu dessen Konsumverhalten schützen zu wollen. Insbesondere die den Angeklagten besondere nahestehenden Personen, die Zeugen Ingmar T9, N T3, K2 C4 und S3 T5, haben diesbezüglich zu keinem Zeitpunkt den Eindruck vermittelt, als würden sie – zugunsten oder zulasten des Angeklagten – falsche Angaben machen.
161Der Einwand des Angeklagten, er würde vor „seinen Mädchen“ niemals Drogen konsumieren, kann die Kammer durchaus nachvollziehen, lässt die durchgreifenden Zweifel an seinen Angaben zum Umfang seines Konsums jedoch nicht entfallen. Insbesondere ist nicht klar, wie der Angeklagte einen von ihm geschilderten erheblichen täglichen Konsum durchlebt haben will, wenn es zu seiner Mutter täglichen Kontakt, zu seinem Bruder alle zwei Tage und zu seiner Verlobten und seiner Geliebten – teilweise zumindest – wöchentlichen Kontakt gegeben haben soll, was die Kammer nicht in Zweifel zieht, da im Verlaufe der Hauptverhandlung deutlich zu Tage trat, dass dem Angeklagten der Kontakt – insbesondere zu seiner kranken Mutter – wichtig war und er sich um sie sorgt. Diese Zeugen haben – abgesehen von einem nicht weiter erwähnenswerten Konsum von Wodkamixgetränken – einen Drogenkonsum des Angeklagten zu keiner Zeit wahrnehmen können oder hatten Kenntnis darüber. Des Weiteren erschließt sich anknüpfend daran auch nicht, wie sich der Angeklagte im – wie von ihm geschildert – täglich erheblich intoxikierten Zustand um seine Mutter überhaupt gekümmert haben sollte.
162Auch der den Angeklagten begutachtende Sachverständige Dr. M1 bekundete im Rahmen seiner Gutachtenerstattung vor der Kammer Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Angeklagten zu seinem Konsumverhalten. Dies nicht zuletzt aufgrund des bereits oben geschilderten Ablaufes der Exploration betreffend die Suchtanamnese. Für den Sachverständigen sei überraschend und nicht nachvollziehbar gewesen, dass der Angeklagte, befragt zu seinem Konsum, zunächst – in seinen Augen abschließende – Angaben gemacht habe und als dieser Komplex bereits abgeschlossen gewesen und es nur noch um gegenwärtige Straftaten gegangen sei, plötzlich und ohne Anlass, seine Angaben wie erwähnt ergänzt habe, was er damit begründet habe, der Sachverständige hätte ihn hierzu nur ungenau befragt.
163Ferner haben auch die sonstigen über die zeugenschaftlichen Vernehmungen der polizeilichen Ermittlungsführer des vorliegenden Verfahrens, der Zeugen N6 und H2, in die Hauptverhandlung eingeführten Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren Anhaltspunkte für einen gesteigerten Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten nicht ergeben. Nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugen N6 und H2 sei die Auswertung der sichergestellten Mobiltelefone des Angeklagten insoweit ergebnislos verlaufen. Auch die im Zeitraum 00.00. bis 00.00.0000 kurzzeitig durchgeführten Observationen des Angeklagten hätten diesbezüglich keine weitergehenden Erkenntnisse gebracht. Lediglich bei der am 00.00.0000 erfolgten Festnahme des Angeklagten sei es – was der Angeklagte seinerseits vor der Kammer bestätigt hat – zur Sicherstellung von vier Klemmverschlusstütchen mit 1,95 Gramm Marihuana, 0,12 Gramm MDMA sowie 1,9 Gramm Amphetamin gekommen. Nach Angaben des Angeklagten vor der Kammer seien die Betäubungsmittel teilweise für seinen Freund S2 L1 bestimmt gewesen. Die Kammer hat – insbesondere im Hinblick auf die insoweit ergebnislos erfolgte Sichtung seiner Mobiltelefone – bei ihrer Würdigung nicht verkannt, dass der mit Ermittlungsverfahren vertraute Angeklagte ganz bewusst keine etwaigen Ankäufe von Betäubungsmitteln mittels Mobiltelefon aufgrund der nachträglich möglichen Nachweisbarkeit von eben solchen Geschäften hierüber getätigt haben könnte.
164In der Gesamtschau der dargestellten Umstände liegt es allerdings aus Sicht der Kammer nahe, dass die Einlassung vorrangig mit Blick auf die mit der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB verbundenen denkbaren Folgen, namentlich eine mögliche Entlassung aus dem Maßregelvollzug zum Halbstrafenzeitpunkt, angesichts einer zu erwartenden erheblichen Freiheitsstrafe abgegeben wurde und die Angaben des Angeklagten zum Konsum von Betäubungsmitteln und Alkohol jedenfalls in wesentlichen Teilen nicht der Wahrheit entsprechen.
165d) Untersuchungshaftzeiten und Verfahrensgang
166Die Feststellungen zur den Zeiten der Freiheitsentziehungen im vorliegenden Verfahren beruhen auf den ausweislich der Sitzungsniederschrift eingeführten Urkunden der Festnahmeprotokolle vom 00.00.0000 und 00.00.0000 sowie Untersuchungshaftbefehle. Der Angeklagte hat seine Haftzeiten im vorliegenden Verfahren im Übrigen auch bestätigt.
1672. Feststellungen zur Sache
168Die Feststellungen sowohl zu den zur Aburteilung gelangten Taten als auch zum Vortatgeschehen und dem den Taten nachfolgenden Geschehen beruhen auf den Angaben des Angeklagten – soweit diesen gefolgt werden konnte –, im Übrigen auf den nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln.
169Der Angeklagte hat, nachdem er durch seinen Verteidiger am ersten Hauptverhandlungstag zunächst eine Einlassung zur Sache in Aussicht gestellt hatte, am zweiten Hauptverhandlungstag erklärt, er wolle nichts zur Sache sagen, habe aber mit diesen Taten überhaupt nichts zu tun. Im Laufe der weiteren Hauptverhandlung ließ der Angeklagte sich zu einzelnen Tatgeschehen teilweise konkreter ein, stellte jedwede Tatbeteiligung – mit Ausnahme des Besitzes von geringfügigen Mengen an Betäubungsmitteln bei seiner Festnahme am 00.00.0000, insoweit hat die Kammer das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt – aber weiterhin in Abrede.
170Im Einzelnen:
171a) Tat vom 00.00.0000 (Fall 1 der Anklageschrift vom 03.02.2021, Az.: 46 Js 148/20)
172Der Angeklagte hat im Rahmen seiner Einlassung zu dem Geschehen am 00.00.0000 zunächst bestätigt, dass er in dem Haftprüfungstermin vor dem Amtsgericht Bochum am 00.00.0000 eine seitens seiner Verteidigerin abgegebene Erklärung, wonach dieser zugebe, dass er den Zeugen T6 vor dem Gerichtssaal zu einer für seinen Bruder günstigen Aussage habe bewegen wollen, als zutreffend anerkannt und sie bestätigt habe. Im Rahmen des sechsten Hauptverhandlungstages vor der Kammer (00.00.0000) hat der Angeklagte dieses Geständnis widerrufen und erklärt, bei der Haftprüfung habe er das zugeben sollen, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden. Ihm sei das unter Druck nahegelegt worden. Im Anschluss an den Termin beim Amtsgericht habe er seiner Verteidigerin direkt erklärt, dass das Geständnis widerrufen werden soll.
173Zu dem Tatgeschehen hat der Angeklagte sich dahingehend eingelassen, er habe den Zeugen vor dem Saal sitzen sehen. Er habe ihn zuvor noch nie gesehen und ihn daher einfach angesprochen. Er halte das Ansprechen anderer (unbekannter) Personen für menschlich. Er sei im Zuge der Ansprache vor den Zeugen T6 getreten und habe nur gefragt, was dieser hier mache. Nicht gefragt habe er den Zeugen T6 dagegen nach seiner Geschichte zum Überfall am 00.00.0000. Vor ihm hockend – dies halte er für vollkommen üblich, so begegne man sich ja auch im Bus – habe er nur gefragt, warum er „das“ gesagt habe, wobei der Angeklagte mit „das“ die Aussage des Zeugen meinte, sein Bruder N habe ihn aufgefordert, die Tasche loszulassen. Er, der Angeklagte, habe jedoch zu keiner Zeit geäußert, der Zeuge solle etwas weglassen oder etwas Bestimmtes sagen. Er habe ihm auch nicht gedroht. Das sei eine ganz normale Unterhaltung gewesen.
174Die Kammer ist der Einlassung des Angeklagten lediglich in dem aus den getroffenen Feststellungen zur Sache ersichtlichen Umfang gefolgt.
175Die Einlassung des Angeklagten weist bereits aus sich heraus Unklarheiten auf, die nachhaltige Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben begründen. So erklärt sich bereits nicht, warum der vor dem Sitzungssaal wartende Zeuge auf die Frage, was er, der Zeuge, hier mache, nicht lediglich geäußert haben soll, er würde gleich eine Aussage machen müssen, sondern – nach der Einlassung des Angeklagten ungefragt – den Inhalt seiner Aussage einer ihm völlig fremden Person mitgeteilt haben soll. Ohne eine dementsprechende Nachfrage des Angeklagten und einen nachfolgenden Bericht des Zeugen über das Geschehen vom 00.00.0000 erklärt sich ansonsten auch nicht, dass der Angeklagte seinerseits nachgefragt haben will, warum der Zeuge „das“ gesagt habe. Die Erklärung des Angeklagten, es sei üblich, in der Hocke kniend mit einer bis dato völlig unbekannten Person in Kontakt zu treten, überzeugt auch unter Berücksichtigung, dass der Umgang des Angeklagten mit ihm wildfremden Menschen individuell anders von statten gehen kann, ebenfalls nicht. Zumal es dem Angeklagten in dieser Situation ohne weiteres möglich gewesen wäre, einfach neben dem Zeugen Platz zu nehmen.
176Die Überzeugung, dass sich die Tat so wie festgestellt ereignet hat, hat die Kammer aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen T6 und Dr. C15 gewonnen.
177Der Zeuge T6 hat den Ablauf der Begegnung mit dem Angeklagten, das nachfolgende Geschehen und die von ihm während der Gespräche erlittenen Ängste – so wie festgestellt – flüssig und eigenständig beschrieben. Insbesondere hat der Zeuge angegeben, dass der Angeklagte, nachdem er sich geweigert habe, seine Aussage zu ändern, sein Anliegen mehrfach und zunehmend hartnäckiger und aggressiver geäußert habe. Im Rahmen seiner Zeugenaussage wurde deutlich, dass T6 stets ein konkretes Bild der Ereignisse vor sich hatte. Obwohl die Tat zum Zeitpunkt seiner Aussage bereits über ein Jahr zurücklag, konnte er sich noch sicher an das Kerngeschehen erinnern, seine Aussage war konstant. Dabei hat der Zeuge auch im Rahmen seiner Vernehmung – angesichts des Zeitablaufs nahe liegende – Unsicherheiten in der genauen zeitlichen Abfolge freimütig eingeräumt. So gab er zunächst an, der Angeklagte habe ihn – nach zwischenzeitlichem Verschwinden in den Gerichtssaal – erst im zweiten Gesprächsabschnitt gefragt, was er aussagen werde und ihn sodann aufgefordert, er solle dies einfach weglassen. Nach Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung vom 00.00.0000 stellte er jedoch klar, dass das, was er inhaltlich aussagen werde, bereits Teil des ersten Gespräches gewesen sei und, nachdem der Angeklagte wieder aus dem Saal zu ihm herausgetreten sei, es nur noch darum gegangen sei, dass er seine Aussage bzgl. des N T3 weglassen solle. An der Verlässlichkeit seiner Angaben bestehen keine vernünftigen Zweifel. Vielmehr zeigte sich ein Bemühen des Zeugen um einen verantwortungsbewussten Umgang mit seinen Erinnerungen, was zusätzlich den Eindruck von Authentizität der Schilderungen vermittelte.
178Die Kammer schließt auch aus, dass der Zeuge T6 den Angeklagten zu Unrecht belastet hat. Ein nachvollziehbares Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, ist angesichts des Umstands, dass der Zeuge zu dem Angeklagten in keinerlei persönlicher Beziehung steht, schon nicht ansatzweise erkennbar. Übermäßige Belastungstendenzen haben sich an keiner Stelle gezeigt. So erklärte er beispielsweise, dass er sich zwar Gedanken darüber gemacht habe, ob der Angeklagte ihn ob seiner Bemerkung, dass man dann da mal anders drüber reden werde, an seiner Arbeitsstelle aufsuchen werde. Den Krankenschein habe er aber vornehmlich auf Betreiben seiner Mutter und Großmutter genommen, die ob des Geschehens beunruhigter gewesen seien als er selbst. Ihm selbst sei es am Tag nach dem Geschehen schon besser ergangen und er habe das Geschehen mittlerweile gut verarbeitet.
179Die Kammer erachtet den Zeugen T6 für glaubwürdig. Stets schilderte er das Erlebte sachlich, ruhig und klar strukturiert. Er war imstande, seine Angaben, insbesondere auch seine emotionale Befindlichkeit, differenziert und nachvollziehbar darzustellen. Dies zeigte sich insbesondere auch an der Stelle, als er davon berichtete, dass der eigentliche Überfall vom 00.00.0000 ihn nicht so wie das Geschehen mit dem Angeklagten mitgenommen habe, da der Überfall vom 00.00.0000 nicht gegen ihn als Person gerichtet gewesen sei, den Tätern sei es nur um das Geld gegangen. Das sei bei dem Geschehen mit dem Angeklagten vom 00.00.0000 anders gewesen. Zu keiner Zeit trat bei dem Zeugen ein besonderes Geltungsbedürfnis zutage. Seine emotionale Betroffenheit zeigte sich plastisch daran, dass er sich hilfesuchend an die Wachtmeisterei des Landgerichts wandte.
180Die Angaben des Zeugen T6 werden zudem gestützt durch die glaubhaften Angaben der Zeugin Dr. C15, die in dem gegen N T3 geführten Strafverfahren (Az.: II-4 KLs 46 Js 27/20-39/20) Mitglied der 4. großen Strafkammer und Berichterstatterin des Verfahrens war. Die Zeugin Dr. C15 hat ihrerseits glaubhaft bekundet, dass im Laufe des u.a. gegen N T3 geführten ersten Hauptverhandlungstages ein Wachtmeister an die Kammer herangetreten sei und erklärt habe, es sei auf einen vor der Saaltür wartenden Zeugen eingewirkt worden. Nachdem der Zeuge T6 in den Zeugenstand gerufen worden sei, habe dieser – zunächst befragt zu der Situation vor der Saaltür – angegeben, er sei draußen von einer Person angesprochen und befragt worden, aus welcher S4-Filiale er komme. Außerdem habe er den Ablauf des Überfalles schildern sollen. Nachfolgend sei diese Person dann wieder in den Saal gegangen und kurze Zeit später wieder zu ihm herausgetreten. Er habe dem Zeugen sodann – auf Augenhöhe kniend – gesagt, er – T6 – solle nicht sagen, dass der N T3 ihm gesagt habe, er solle die Tasche loslassen. Die Person, die sich ganz dicht vor ihm befunden habe, habe immer wiederholt, dass er das nicht sagen müsse. Der Zeuge habe sich von der Person, die ihn angesprochen habe, bedroht gefühlt, auch wegen dessen muskulöser Erscheinung nebst Tätowierungen. Die Person sei dann wieder in den Saal gegangen und der Zeuge T6 habe einen Justizwachtmeister hilfesuchend angesprochen. Die Zeugin Dr. C15 hat auf Nachfrage bekundet, dass sie die Schilderungen des Zeugen T6 damals als glaubhaft und den Zeugen selbst für glaubwürdig erachtet habe. An der Glaubwürdigkeit der Zeugin Dr. C15 bestehen ebenfalls keine Zweifel.
181Die Feststellungen zu dem Einlassungsverhalten des damaligen Angeklagten N T3, dessen Verurteilung und dem weiteren Verfahrensgang beruhen ebenso auf den glaubhaften Bekundungen der Zeugin Dr. C15. Darüber hinaus hat die Kammer Rubrum, Tenor sowie die den Angeklagten N T3 betreffenden Feststellungen des Urteils des Landgerichts Bochum vom 21.12.2020, Az. II-4 KLs-46 Js 27/20-39/20, im Rahmen des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt.
182b) Tat zwischen dem 00.00. und 00.00.0000 (Fall 2 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
183Hinsichtlich des Wohnungseinbruchs in die Erdgeschosswohnung der Geschädigten L5 hat der Angeklagte bestritten, diesen begangen zu haben. Er habe allerdings Zugang zu dem Haus B1 in S gehabt. Im Dachgeschoss wohne die Schwester seines verstorbenen Freundes U C2, die C6, die er auch nach seiner Entlassung Ende Juli 2020 besucht habe. Es treffe auch zu, dass er sich im Garten und auf der Terrasse der Erdgeschosswohnung des Öfteren aufgehalten habe. Hintergrund sei gewesen, dass er bei Besuchen sein Fahrrad, bei dem es sich um ein teures Trekkingfahrrad handele, welches lediglich zwei Kilogramm wiege, dort abgestellt habe, um es vor Diebstählen zu schützen. Sein Fahrrad habe er dazu an die Hauswand auf der Terrasse im Bereich des Wintergartens abgestellt. Hierfür habe er das Fahrrad über den Gartenzaun gehoben, sei über den Rasen durch den Garten, am Carport vorbei und dann auf die Terrasse zum Wintergarten gelaufen. Der Garten sei für alle zugänglich, da sehe er gar kein Problem. Ab 22:00/23:00 Uhr seien die Rollos auch immer heruntergelassen gewesen. Er gehe dann leise durch den Garten und stelle das Fahrrad hin und verlasse den Bereich im Anschluss auf demselben Wege. Die gefundenen DNA-Spuren an dem aufgebrochenen Einstiegsfenster könnten gut von ihm stammen. Denn er habe sich an Hauswand samt Fenstern abgestützt bzw. angelehnt, um dort auf der Terrasse zu urinieren. Wenn man Amphetamine „ziehe“, habe man regelmäßigen Urindrang. Er habe einfach „gepinkelt“, wo er gerade gestanden habe und einfach alles angefasst. Unter Amphetaminen und unter Alkohol stehend habe er das alles nicht mehr so richtig geregelt bekommen. Wann er zuletzt vor dem 00.00./00.00.0000 bei C6 zu Besuch gewesen sei, könne er nicht sagen. Wenn ihm vorgehalten werde, dass er sein – besonders leichtes – Fahrrad auch nach oben in die Dachgeschosswohnung hätte mitnehmen können, um dieses so noch besser im Blick behalten zu können, habe er daran einfach nicht gedacht. Außerdem würde man dann ja andere Türen in der Wohnung blockieren, das sei bei einem Freund von ihm so. Wenn er gefragt werde, ob er in dem von ihm geschilderten Zustand unter Alkohol- und Drogeneinfluss überhaupt in der Lage gewesen sei, sein Fahrrad wieder zurück über den Zaun zu heben und im Anschluss die Rückfahrt anzutreten, dann sei dies kein Problem für ihn gewesen. Er sei dann auch schon mal im „Zickzack“ gefahren.
184Die Einlassung des Angeklagten ist – mit Ausnahme der von ihm geschilderten Besuche in der Dachgeschosswohnung der C6, die die Kammer als glaubhaft erachtet hat – bereits aus sich heraus an mehreren Punkten nicht nachvollziehbar, unplausibel und darüber hinaus auch lebensfremd, was nachhaltig Zweifel an deren Glaubhaftigkeit begründet.
185So verfängt die Erklärung, er habe gedacht, die Nutzung des Garten- und Terrassenbereiches sei nicht allein auf die Erdgeschosswohnung begrenzt, schon vor dem Hintergrund nicht, dass er selbst angibt, auf das Gartengrundstück gelangt zu sein, indem er den Gartenzaun überstiegen habe. Sofern er von einer Berechtigung ausgegangen wäre, hätte es nahe gelegen, dass er sich beispielsweise Zutritt durch eine dafür vorgesehene Öffnung, wie etwa den bestehenden Jägertoren, verschafft hätte. Wobei die Kammer nicht verkennt, dass der Angeklagte auf Nachfrage, ob er angesichts seiner letzten, wegen Wohnungseinbruchdiebstählen verbüßten siebenjährigen Haftstrafe nicht sensibilisiert gegenüber dem Betreten offensichtlich im fremden Eigentum stehender Gärten/Terrassen sei und allein aus der Sorge, man könne ihn deswegen erneut einer ähnlich gelagerten Straftat verdächtigen, von dem Betreten Abstand genommen hätte, gänzlich unbeeindruckt erschien. Er wiederholte an verschiedenen Stellen, dass er das nicht so eng sehe. Obwohl sein erklärtes Motiv, sein teures Trekkingfahrrad vor einem Diebstahl schützen zu wollen, grundsätzlich durchaus nachvollziehbar ist, erscheint die vom Angeklagten geschilderte Umsetzung dessen bereits aufgrund des damit einhergehenden Aufwands lebensfern. Denn der Angeklagte hätte in diesem Fall das Fahrrad zunächst über den Zaun heben, sodann durch den Garten bis zur Terrasse eine Wegstrecke von – wie die Messung des Zeugen Menge und die entsprechende Inaugenscheinnahme des Kartenausdrucks ergeben haben – ca. 22,92 Metern zurücklegen müssen, um anschließend dieselbe Strecke zurückzugehen, das Grundstück bis zum Hauseingang zu umrunden, um sodann der C6 seinen Besuch abzustatten. Nach dem Besuch hätte er sodann dieselbe Strecke erneut zurücklegen müssen. Auch wenn angesichts des seitens des Angeklagten angegebenen Gewichts des Fahrrades von zwei Kilogramm das Heben über den Zaun unproblematisch möglich gewesen sein dürfte, erscheint es wesentlich naheliegender, dass der Angeklagte das Fahrrad einfach mit ins Dachgeschoss genommen hätte, was für ihn aufgrund seiner Physis auch unproblematisch möglich gewesen wäre. Seine auf entsprechenden Vorhalt abgegebene Erklärung, er hätte hieran gar nicht gedacht und das Fahrrad hätte ja dann Türen innerhalb der Wohnung blockiert, wertete die Kammer als reine Schutzbehauptung. Im Übrigen hat er dazu auch weitere Ausführungen, etwa dass das Dachgeschoss besonders verwinkelt, die Treppe steil oder die Wohnung klein sei, weswegen ein Fahrrad dort für einen kurzen Besuch nicht hätte Platz finden können, vermissen lassen. Dem Angeklagten wäre es – wie er auch selbst angegeben hat – unproblematisch möglich gewesen, das Fahrrad in die dafür vorgesehenen Fahrradständer neben dem Haus zu stellen und mit besonderen Sicherungsmaßnahmen vor einer Entwendung zu schützen. Die vorgebrachte Sorge des Angeklagten bzgl. seines Fahrrades bestand offenbar auch nur in Bezug auf das Grundstück B1, denn zu dieser Zeit ist der Angeklagte ausschließlich mit seinem Fahrrad unterwegs gewesen. Dass er sich auch sonst – bei anderen Gelegenheiten – so viele Gedanken über einen etwaigen Diebstahl seines Fahrrades gemacht und entsprechende Sicherungsmaßnahmen dagegen unternommen hätte, hat er nicht aufgezeigt. Unterstellt man sein Motiv, sein teures Trekkingfahrrad mit dem Abstellen auf der Terrasse schützen zu wollen, als wahr, so erschließt sich seine Begründung zu den von ihm aufgebrachten DNA-Spuren an dem aufgebrochenen Einstiegsfenster des Wintergartens auch nicht notwendigerweise. Denn zum einen gab der Angeklagte an, ab 22:00 bzw. 23:00 Uhr seien die Rollos immer heruntergelassen gewesen, weswegen er sein Fahrrad dort unbemerkt hätte abstellen können. Diesen Umstand zugrunde legend, hätte sowohl das Abstellen des Fahrrades genau in dem Bereich des aufgebrochenen Fensters als auch das anschließende Urinieren auf der Terrasse wohl nicht dazu geführt, dass der Angeklagte mit dem Fenster in Berührung gekommen wäre. Dass er sich beim Urinieren auf der Terrasse an dem freien Fenster abgestützt und auf diese Weise Spurenmaterial hinterlassen haben könnte, erscheint auch bei Annahme einer hohen Intoxikation des Angeklagten lebensfern. Es hätte – einen nicht länger aushaltbaren Harndrang unterstellt – viel näher gelegen, wenn der Angeklagte sich Erleichterung in einem nahe gelegenen Busch verschafft hätte, anstatt auf einer gepflasterten Terrasse im Wintergartenbereich.
186Die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten und dass sich die Tat – so wie festgestellt – ereignet hat, hat die Kammer aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der glaubhaften Aussagen der dazu vernommenen Zeugen, der Gutachten der dazu vernommen Sachverständigen sowie aufgrund der Inaugenscheinnahme der vom Tatort angefertigten Lichtbilder und Kartenausdrucke gewonnen.
187Die Feststellungen zum Zeitraum des versuchten Einbruchs in die Wohnung der Geschädigten L5, dass diese seit Oktober 2020 nicht mehr dort wohnhaft war und dass der vollständig umfriedete Garten nebst Terrassenbereich in deren alleinigem Nutzungsrecht stand, stand aufgrund der glaubhaften Angaben der Nichte der Geschädigten, der Zeugin L3, fest. Diese hat im Rahmen ihrer Vernehmung im Einzelnen angegeben, dass ihre am 13.02.1929 geborene und mittlerweile verstorbene Tante seit Oktober 2020 nicht mehr in der Erdgeschosswohnung wohnhaft gewesen sei, weswegen sie im Dezember 2020 mit der Auflösung des Hausstands beschäftigt gewesen sei. Am Samstag, den 00.00.0000 sei sie – wie zu dieser Zeit regelmäßig an den Samstagen – noch bis 11:00 Uhr in der Wohnung ihrer Tante gewesen. An diesem Tage sei auch noch alles in Ordnung gewesen. Am 00.00.0000 sei sie dann gegen 15:15 Uhr, wobei sie die genaue Uhrzeit noch deshalb erinnere, weil sie in dem Moment unterwegs zu der Geburtstagsfeier ihrer Mutter gewesen sei, von einem Freund ihrer Tante angerufen worden, der ihr von dem stattgefundenen Einbruch berichtet habe. Widerwillig habe sie sich dann zu dem Haus ihrer Tante aufgemacht, den Einbruch festgestellt und die Polizei hinzugezogen. Die Zeugin L3 hat darüber hinaus die durch den Einbruch verursachten Schäden am Einstiegsfenster nebst Sicherungen und an der Außenjalousie sowie die Veränderungen innerhalb der Wohnung, die auf ein Durchsuchen der selbigen schließen ließen, ebenso überzeugend geschildert wie die Höhe des entstandenen und von der Versicherung regulierten Schadens. Auch hat diese – unter Schilderung der noch vorhandenen Gegenstände innerhalb der voll möblierten Wohnung – bekundet, sie nehme aufgrund der zuvor stattgefundenen Einbrüche nicht an, dass der Einbrecher etwas mitgenommen habe, weswegen die Kammer im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte die Wohnung letztlich ohne Tatbeute verlassen hat. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin L3 ergaben sich zu keinem Zeitpunkt, sie schilderte ihre Beobachtungen durchweg sachlich und ohne Belastungseifer. Ihre Aussage war auch durchweg konstant, wovon sich die Kammer durch Vernehmung der die Zeugin L3 am 00.00.0000 vernehmenden Kriminalbeamtin I3-C13 überzeugen konnte. Die Zeugin I3-C13 hat auch – ihrerseits glaubhaft – den Zustand der Wohnung aus eigener Anschauung entsprechend den Angaben der Zeugin L3 bestätigt. Darüber hinaus ergab sich dieser auch aus der Inaugenscheinnahme der vom Tatort am 00.00.0000 angefertigten Lichtbilder.
188Darüber hinaus konnte sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme zahlreicher weiterer Lichtbilder ein eigenes Bild von der Tatörtlichkeit, insbesondere von dem Garten- und Terrassenbereich, machen. Hierdurch konnte die vollständige Umfriedung des Gartengrundstückes mit Zäunen – entsprechend der Angaben der Zeugin L3 – ebenfalls festgestellt werden. An die rechtsseitige Hauswand schließt sich direkt der Wintergartenanbau an. Einen Zugang zum Gartengrundstück gibt es von hier aus nicht. Mit Ausnahme eines Zugangs zur Hauseingangstür zieht sich um die Vorderseite (Am Tpark) über die linke Seite des Hauses (Q1) bis zur Doppelgarageneinfahrt ein grüner 1,20 Meter hoher Metallzaun. Teilweise ist dieser Abschnitt zudem mit Hecken, Bäumen und Sträuchern gesäumt. Rechts und links neben der Doppelgarage gibt es zwei etwa ein Meter hohe hölzerne Jägerzäune. Ginge man durch das rechte Törchen, gelangte man nicht auf das Garten- und Terrassengrundstück, da man sich nach einem kurzen Rasenstück einer hohen Mauer gegenübersieht, welche einen Durchgang zum Garten verhindert. Über den linken Jägerzaun wäre ein Zugang möglich. Von der Garage schließt sich erneut der grüne Metallzaun an, welcher sich nach einem kurzen Stück auch um die Rückseite des Grundstückes zieht. Auch hier ist die Grundstücksaußenkante teilweise mit Hecken und Sträuchern gesäumt. Sofern man sich im Garten des Grundstücks befindet und den vorgesehenen Weg Richtung Hausrückseite beläuft, gelangt man zu einer gefliesten Treppe, welche auf die ebenfalls geflieste Terrasse führt. Dieser Terrassenbereich ist vollkommen umgeben von einer mit Efeu umrankten Mauer, die die Terrasse vom übrigen Garten abgrenzt.
189Wie sich der Angeklagte Zutritt zur Erdgeschosswohnung der Geschädigten L5 verschafft hat, beruht insbesondere auf den glaubhaften und überzeugenden Angaben des Zeugen C16, welcher am Einsatztag für den objektiven Tatortbefundbericht zuständig war. Dieser umfasste insbesondere auch die Spurensuche und deren Sicherung. Diesbezüglich hat der Zeuge bekundet, dass ihm im Rahmen derer – deutlich erkennbar wegen des erheblich verschmutzten bzw. verstaubten Einstiegsfensters – drei (Finger- )Wischspuren aufgefallen seien, wobei Papillarlinien nicht darin zu erkennen gewesen seien. Vielmehr habe es sich um Handschuhprofile gehandelt, die ein parallelverlaufendes Wellenmuster aufgewiesen hätten. Diese hätten sich an drei Stellen zunächst sichtbar abgedrückt und seien dann jeweils ausgelaufen. Des Weiteren habe er mehrere Hebelmarken entlang der Verschlussseite feststellen können. Die Höhe dieser Wischspuren und die der Hebelmarken hätten für ihn dergestalt korrespondiert, dass sich der Täter nach seiner Einschätzung vor Ort auf Höhe jeder Hebelmarke am Fenster abgestützt haben könnte. Außerdem habe der Täter wegen der zwei verschraubten Zusatzriegel innen am Fenster massiven Druck aufwenden müssen, damit diese – wie geschehen – hätten brechen können. Speziell wegen dieses aufzubringenden Drucks habe er sich dort aufgebrachte Täter-DNA versprochen und derentwegen die drei Wischspuren mittels Watteträger gesichert. Zu dem Hintergrund seiner diesbezüglichen Einschätzung befragt, gab der Zeuge an, dass er langjährig und regelmäßig mit der Sicherung von Tatortspuren beschäftigt und auch dementsprechend geschult sei. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass die Beschläge der Wintergartentür zum Wohnzimmer beschädigt gewesen seien, weswegen er davon ausgehe, dass diese durch den Täter lediglich hatte aufgedrückt werden müssen. Die Kammer hat bei Zugrundelegung der Ausführungen dieses Zeugen nicht verkannt, dass dessen Bekundungen teilweise in den Bereich sachverständiger Ausführungen reichten. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Zeugen C16 allerdings um einen im Bereich Spurensuche und – sicherung erfahrenen Polizeibeamten handelt, wovon die Kammer sich im Rahmen seiner Vernehmung überzeugen konnte, erachtete die Kammer dies für unbedenklich. Zumal die Angaben bzw. Bewertungen des Zeugen C16 auch nachfolgend – worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird – im Rahmen der gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. T10 Überprüfung fanden.
190Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass es sich bei dem Täter um den Angeklagten handelt. Denn die gutachterliche Analyse der mittels Watteträger an der äußeren Verglasung des Wintergartenfensters abgeriebenen, durch den Zeugen C16 gesicherten Handschuhwischspur kommt – nach Auswertung und Vergleich mit dem DNA-Profil des Angeklagten – zu dem Ergebnis, dass es praktisch erwiesen ist, dass der Angeklagte der Spurenleger ist. Auch der Angeklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei den gesicherten Spuren um seine DNA handelt, denn er hat sich – wie bereits ausgeführt – dahingehend eingelassen, dass es sich bei diesen aufgefundenen DNA-Spuren durchaus um seine handeln könne. Darüber hinaus besteht zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang, der den Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten rechtfertigt. Hierzu im Einzelnen:
191Das sichergestellte Spurenmaterial (Abriebe Wintergartenfenster) wurde zunächst – im Auftrag des LKA NRW – durch das akkreditierte Institut für forensische Genetik Münster untersucht, welches im Jahr zwischen 6.000 und 10.000 Fälle über fünf Gutachter verteilt bearbeitet. Der Sachverständige Dr. T10, der bereits seit sieben Jahren als forensischer Molekulargenetiker tätig ist, hat ihm Rahmen der Erstattung seines Gutachtens der Kammer eingangs das allgemeine Vorgehen des Institutes dargestellt, wonach – um Kontaminationen zu vermeiden – in einer so genannten Einbahnstraße gearbeitet werde. Bei Eingang eines zu untersuchenden Kontingents durch das LKA NRW erfolge im ersten Schritt eine Prüfung auf Vollständigkeit und Vergabe einer eigenen Fallnummer und Abgleich der verschiedenen Kennziffern der Polizei und KTU, um Verwechslungen auszuschließen. Sofern es hier bereits Unstimmigkeiten gebe, werde dies mit dem LKA kommuniziert. Erst im Anschluss werde der übersandte Umschlag geöffnet und das Material bezüglich etwaiger Auffälligkeiten wie Verfärbung, Schimmel etc. in Augenschein genommen, sodann erfolge erst die eigentliche DNA-Extraktion. Nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen konnte eine Verwechselung oder eine Kontamination des Spurenmaterials ausgeschlossen werden.
192Im vorliegenden Falle sei – so der Sachverständige – ein Paar übersandte Abriebtupfer mit der Beschriftung „Wintergartenfenster“ mittels des standardisierten PCR-Verfahrens analysiert worden. Insgesamt hätten in diesem Fall sechs Piktogramm menschlicher DNA, was im Gegensatz zu Blutspuren, bei denen grundsätzlich mehr DNA zu gewinnen sei, wenig, aber vorliegend ausreichend gewesen sei, zur weiteren Analyse verwendet werden können. Nach sogar vier anstatt zwei üblicher Analysevorgängen habe eine Mischspur von mindestens zwei Personen reproduziert werden können, die für direkte Abgleiche geeignet gewesen sei. Ferner habe das DNA-Identifizierungsmuster der Hauptkomponente dieser Spur abgeleitet werden können, welches zudem für die Speicherung und Recherche in der DNA-Analyse-Datei (DAD) geeignet gewesen sei und wie folgt ausgesehen habe:
193System |
Allel 1 |
Allel 2 |
SE 33 |
Ohne Befund |
Ohne Befund |
D21S11 |
30 |
31.2 |
VWA |
19 |
Ohne Befund |
TH01 |
6 |
9.3 |
FGA |
22 |
26 |
D3S1358 |
14 |
17 |
D8S1179 |
10 |
12 |
D18S51 |
12 |
13 |
D1S1656 |
11 |
15 |
D2S441 |
14 |
14 |
D10S1248 |
13 |
18 |
D12S391 |
20 |
Ohne Befund |
D22S1045 |
15 |
16 |
D16S539 |
12 |
14 |
D2S1338 |
19 |
22 |
D19S433 |
12 |
14 |
Amelogenin |
X |
Y |
Die Befunde seien – so der Sachverständige Dr. T10 weiter – dahingehend zu bewerten, dass es sich um eine Mischspur von mindestens zwei Personen handele, wobei bereits von einer dominanten Spur mit Beimischungen auszugehen sei. Bei den Systemen „D12S391“ und „VWA“ sei zwar jeweils nur ein Allel angegeben worden, was aber nicht heiße, dass von einer Homozygotie ausgegangen werden könne. Entweder es bestehe das Phänomen des sogenannten Allelic drop-outs (Signalstärke des zweiten Allels war zu schwach) oder die eigenen laborinternen Ansprüche an die Stärke des Signals zur Annahme einer Homozygotie seien nicht überschritten gewesen. Es könne auch eine Heterozygotie vorliegen mit unerwartet wenig Signal des zweiten Allels. Dieses Ergebnis sei sodann dem LKA NRW übermittelt worden, welches zu einem Treffer geführt habe, woraufhin eine Anfrage zur Ergebnisprüfung – wie es üblich sei – erfolgt sei. Nach nochmaliger Überprüfung habe das gemeldete Ergebnis bestätigt werden können.
195Der durch das LKA NRW ermittelte Treffer bezog sich auf ein DNA-Identifizierungsmuster, welches im Rahmen des im Jahre 2014 gegen den Angeklagten geführten Verfahrens vor dem Landgericht Bochum (Az.: II-8 KLs 46 Js 33/13-6/14) erlangt und nachfolgend als DNA-Profil des Angeklagten unter der Bezeichnung „S.S. 1981“ in der DNA-Analyse-Datei hinterlegt wurde. Die Kammer hat im vorliegenden Verfahren den damaligen Beschluss der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 25.02.2014, wonach die Entnahme von Körperzellen des Angeklagten sowie die molekulargenetische Untersuchung des auf diese Weise erlangten Materials angeordnet wurde ebenso wie die damalige Stellungnahme des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für forensische DNA-Spuren und Abstammungsbegutachtungen, Dr. X3, in das Verfahren eingeführt. Hiernach stand fest, dass dieses seinerzeit erstellte Identifizierungsmuster mit dem in der deutschen Analysedatei gespeicherten DNA-Profil Nr. K050940470985 übereinstimmt, welches Grundlage für alle im vorliegenden Verfahren dargestellten Spur-Personen-Abgleiche war.
196Das DNA-Profil des Angeklagten ist unter der Bezeichnung „S.S.1981“ hinterlegt und stellt sich wie folgt dar:
197System |
Allel 1 |
Allel 2 |
SE 33 |
15 |
29.2 |
D21S11 |
30 |
31.2 |
VWA |
18 |
19 |
TH01 |
6 |
9.3 |
FGA |
22 |
26 |
D3S1358 |
14 |
17 |
D8S1179 |
10 |
12 |
D18S51 |
12 |
13 |
D1S1656 |
11 |
15 |
D2S441 |
14 |
14 |
D10S1248 |
13 |
18 |
D12S391 |
20 |
20 |
D22S1045 |
15 |
16 |
D16S539 |
12 |
14 |
D2S1338 |
19 |
22 |
D19S433 |
12 |
14 |
Amelogenin |
X |
Y |
Mit dem eigentlichen Spur-Personen-Abgleich wurde im vorliegenden Verfahren die Sachverständige Prof. Q2 beauftragt, die ebenfalls ihr Gutachten vor der Kammer erstattet hat. Nach den Ausführungen der Sachverständigen hätten sich bei einem ersten Abgleich der durch das Institut für forensische Genetik Münster übermittelten Spur mit dem des „S.S.1981“ – dem Angeklagten – nahezu alle Allele, die auch der Angeklagte aufweise, gefunden. Lediglich in dem System VWA habe der Angeklagte die Allele 18 und 19, wobei in der Spur nur das Allel 19 eingetragen worden sei. Bei der biostatistischen Berechnung, die von der Spurenkommission für derartige Mischspuren empfohlen werde, und die auf der Kombination der Häufigkeit aller in dieser Spur nachgewiesenen Allele beruhe, sei folglich zunächst auf die Einbeziehung dieses Systems verzichtet worden. Danach ergebe sich eine Genotyphäufigkeit von 4,33 x 10-12, wobei aufgrund der Tatsache, dass es sich ursprünglich um einen Datenbanktreffer gehandelt habe, die Größe der Datenbank rechnerisch miteinbezogen worden sei. Das Ergebnis liege oberhalb des von der Spurenkommission empfohlenen Schwellenwertes von einer Person unter 30 Milliarden Personen (ausgenommen eineiige Mehrlinge). Hiernach sei es praktisch erwiesen, dass die Vergleichsperson, mithin der Angeklagte, Spurenleger sei. Ergänzend hierzu habe sie sodann noch, da bei dieser ersten Berechnung das System „VWA“ nicht berücksichtigt worden sei, wobei sie von einem so genannten allelic-drop-out ausgehe, die vier ihr nachfolgend übersandten Elektropherogramme überprüft. Diese Überprüfung habe ergeben, dass sich die Abriebe „äußere Verglasung Winterfenster „ als Mischspur darstellten, die von mindestens zwei Personen verursacht worden seien. Jedes der Allele, über die der Angeklagte verfüge, fände sich in mindestens einem dieser Elektropherogramme. Mindestens in einem der vier Elektropherogramme sei das Allel 18 in dem System „VWA“ zur Darstellung gekommen, sodass dieses bei der Analyse nunmehr habe miteinbezogen werden können. Nach erneuter Berechnung mit Hilfe der sog. Likelihood-Methode sei es 5,8 Trillionen Mal, unter Berücksichtigung des Datenbanktreffers 5,8 Billionen Mal wahrscheinlicher, dass die DNA-Antragungen am Wintergartenfenster vom Angeklagten und einer weiteren Person verursacht worden seien, als dass sie von zwei unbekannten, mit dem Angeklagten nicht verwandten Personen aus derselben Population verursacht worden seien. Damit sei es praktisch erwiesen, dass der Angeklagte Spurenleger ist.
199Die Kammer schließt sich dieser Beurteilung an. Eine biostatistische Zuordnung der DNA-Spur zu dem DNA-Profil des Angeklagten war möglich. Mit Ausnahme des im System „VWA“ nicht darstellbaren zweiten Allels „18“, was entweder auf ein so genanntes allelic-drop-out zurückzuführen ist oder wegen zu geringer Größe als Stotterbande klassifiziert und daraufhin nicht im DAD-Bogen angegeben wurde, stimmten die ausgewerteten Systeme überein. Allerdings konnte die Sachverständige Prof. Q2 dieses Allel 18 in einem der vier Elektropherogramme nachweisen. Der berechnete Seltenheitswert der Merkmalskombinationen liegt weit unter einem Seltenheitswert im Millionenbereich, der rechtlich bereits für die Überzeugung ausreichen kann, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur von dem Angeklagten herrührt. Selbst dann, wenn man das System „VWA“ unberücksichtigt ließe, liegt der berechnete Seltenheitswert von 4,33 x 10-12 oberhalb des der Spurenkommission empfohlenen Schwellenwertes von 30 Milliarden. Die Berechnungsgrundlage ist nicht zu beanstanden. Die nachgewiesenen DNA-Merkmale sind unabhängig voneinander vererbbar, auf die kombinierte Phänotypfrequenz darf daher abgestellt werden. Auch trifft die Auswahl der Vergleichspopulation – mitteleuropäische Bevölkerung – zu, da der Angeklagte nicht etwa einer fremden Ethnie angehört. Dass die hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten lediglich auf einer statistischen Aussage beruht, hat die Kammer ebenso berücksichtigt wie den Umstand, dass es sich hier lediglich um eine Mischspur handelt. Gesichtspunkte, die den Beweiswert der Merkmalsübereinstimmungen schmälern könnten, haben sich – über den Gesichtspunkt der Mischspur als solcher hinaus – nicht ergeben.
200Den überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. T10 und Prof. Q2 ist die Kammer nach eigener kritischer Sachprüfung insgesamt gefolgt. Die Sachverständige Prof. Q2 ist der Kammer auch aus einer Vielzahl von Verfahren aus ihrer Tätigkeit im Bereich der forensischen Spurenanalyse als besonders erfahren und sachkundig bekannt. Ihre Ausführungen waren – ebenso wie die des Sachverständigen Dr. T10 – widerspruchsfrei und jederzeit nachvollziehbar.
201Die zur Untersuchung gelangten Spuren sind auch spurenschonend gesichert worden. Anhaltspunkte für eine Verunreinigung sind nicht zu Tage getreten. Hierzu befragt, gab der Zeuge C16 an, er habe die drei Wischspuren am Glaseinsatz des Einstiegsfensters entsprechend der Vorgaben in den Spurensicherungslehrgängen mit einer Bakteriette zunächst feucht und mit einer zweiten anschließend trocken gesichert. Um möglichst viel Substanz zu erhalten, habe er die Spurenabnahme im Zentrum der Wischspur, nicht im äußeren Bereich bzw. Umfeld der Wischspuren herum genommen. Bei der Sicherung habe er – um Kontaminationen zu vermeiden – einen Mundschutz sowie Handschuhe getragen und sei im Übrigen wie üblich vorgegangen, indem er die steril verpackten Bakterietten geöffnet und aus ihrem Röhrchen herausgenommen habe. Anschließend habe er die Spur genommen und die Bakteriette wieder in das Röhrchen geführt und verschlossen. Er habe diese verpackt, mit einem Barcode beschriftet und noch am selben Tage in die Kriminaltechnische Untersuchung (KTU) weitergeleitet, was sich auch – diese Angaben bestätigend – dem seitens der Kammer eingeführten Spurensicherungsbericht sowie dem verlesenen Auftrag an die KTU, jeweils datierend vom 21.12.2020, entnehmen ließ.
202Zwischen der am Tatort gesicherten DNA-Spur und der Tat besteht auch ein Zusammenhang, der den Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten rechtfertigt. Dass der Angeklagte prinzipiell Zugang zum Haus B1 in S aufgrund seiner Besuche in dem Dachgeschoss hatte, steht einer anzunehmenden Täterschaft nicht entgegen. Dass die DNA-Spur bei einem solchen Besuch allerdings zufällig und ohne Bezug zum Tatgeschehen vom Angeklagten hinterlassen wurde, schließt die Kammer aus. Die vom Angeklagten im Rahmen seiner Einlassung vorgetragene Möglichkeit (Abstellen seines Fahrrades auf der Terrasse und anschließendes Urinieren dort) überzeugte die Kammer – wie bereits ausgeführt – nicht. Ergänzend hierzu hat der Spurenbeamte und Zeuge C16 ausgeführt, dass die von ihm abgeriebenen Wischspuren frisch waren, was wegen der ansonsten deutlich verschmutzten bzw. verstaubten Scheiben erkennbar offenkundig gewesen sei, sodass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Tat und dem Aufbringen der Spur nahe liegt. Dass der Angeklagte – seine Einlassung als wahr unterstellt – in engem zeitlichem Zusammenhang sein Fahrrad dort abgestellt und die Fensterscheibe berührt haben soll, erachtete die Kammer als nicht naheliegend. Dies hat der Angeklagte auch so nicht behauptet. Da – wie die Sachverständigen Prof. Q2 und Dr. T10 im Rahmen ihrer Gutachtenerstattungen nachvollziehbar und übereinstimmend angaben – die Qualität von DNA-Spuren ganz unterschiedlichen Einflüssen unterliegen können, insbesondere Witterungseinflüssen, kann der Zeitpunkt, zu der der Angeklagten seine DNA auf das Fenster aufgebracht hat, nicht sehr weit vor dem Tatzeitpunkt gelegen haben, zumal es Winter und das Wintergartenfenster nicht etwa durch ein Vordach vor Witterungseinflüssen gesondert geschützt war.
203Möchte man der Einlassung des Angeklagten, er habe sich beim Urinieren auf die gesondert ummauerte und zudem geflieste Terrasse mit seinen Händen an dem Einstiegsfenster abgestützt, wobei der Angeklagte lediglich pauschal erklärte, er habe sich überall abgestützt und alles angefasst, wären am Glaseinsatz des Einstiegsfensters nicht lediglich geringe DNA-Mengen, wie es die Sachverständigen Dr. T10 und Prof. Q2 erörterten, gefunden worden. Im Übrigen wären, sofern der Angeklagte kurz vor dem tatsächlichen Einbruchsgeschehen dieses Fenster angefasst haben will, Hand- und Fingerabdrücke samt Papillarlinien auf dem massiv verstaubten Fenster sichtbar gewesen. Der Zeuge Bertes bekundete hingegen, solche gerade nicht gesehen zu haben. Vielmehr habe er ein Handschuhprofil mit Wellenmuster vorgefunden, welches wegen der Verschmutzung des Fensters deutlich sichtbar gewesen sei. Seiner Auffassung nach habe es sich um den Abdruck eines industriell hergestellten Gummihandschuhs oder ähnlichem gehandelt. Dies zugrunde legend erscheint die Einlassung des Angeklagten noch weniger plausibel, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Angeklagte solche – auch nicht im Winter 2020 – als tägliches Bekleidungsstück trug oder bei sich hatte. Dies hat der Angeklagte auch nicht behauptet. Insbesondere spricht – wie bereits ausgeführt – die vom Zeugen C16 bekundete Kompatibilität der Hebelspuren zu den Handschuhabdruckspuren gegen eine zufällige Spurenlegung außerhalb des Tatgeschehens. Auch eine (zufällige) Spurenübertragung durch andere Personen im Bereich des allein der Geschädigten L5 obliegenden Nutzungsrechts von Garten- und Terrassenbereich schließt die Kammer aus.
204c) Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 28.06.2021, Az.: 46 Js 82/21)
205Der Angeklagte hat den Einbruch in das Juweliergeschäft B3 am 00.00.0000 im Rahmen seiner Einlassung in Abrede gestellt. Zu der Anmietung und Nutzung der Fahrzeuge und den damit verbundenen Ausgaben hat er sich jedoch ebenso erklärt wie zu dem Ablauf des Silvesterabends und der Neujahrsnacht.
206aa)
207Zu der Anmietung der Sportwagen Audi B2 und B2 und der generellen Nutzung dieser Fahrzeuge hat der Angeklagte sich im Rahmen des 6. Hauptverhandlungstages zunächst wie folgt eingelassen:
208Es sei zutreffend, dass er diese Fahrzeuge angemietet und für die Mietkosten zwischen 8.000,- bis 9.000,- Euro und die Spritkosten, die sich bestimmt allein auf 2.000,- Euro belaufen hätten, aufgekommen sei. Täglich habe er zwischen 150,- und 200,- Euro an Spritkosten ausgegeben. Der B2 habe ihn schon immer fasziniert. Er habe sieben Jahre im Gefängnis gesessen und da wegen der Corona-Pandemie nicht viel los gewesen sei, einfach Spaß haben wollen. Er habe S2 L1 aber auch eine Freude machen wollen, dieser habe ihn ja mietfrei bei sich wohnen lassen und sei zu der Zeit wegen der Krebserkrankung seines Vaters schlecht drauf gewesen. S2 L1 sei bei den Anmietungen als Fahrer eingetragen worden, weil er selbst keinen Führerschein habe. Bei der Anmietung sei ihnen nur ein Schlüssel ausgehändigt worden, der habe sich eigentlich immer bei S2 befunden. Die Autos hätten sich immer auf dem zu seiner Wohnung gehörenden Stellplatz an B-Straße befunden. Das habe den Grund gehabt, dass der S2 eine drogensüchtige und völlig durchgeknallte Freundin gehabt habe, die auch in der Vergangenheit schon mal Sachen zerstört habe. Aus Sorge, diese könne den Wagen demolieren, hätte er das Fahrzeug nicht bei S2 abstellen wollen, schließlich habe er, der Angeklagte, ja eine Selbstbeteiligung von 3.000,- Euro gehabt. Der Fußweg von S2 zu ihm betrage ca. 15 Minuten. Wenn er ihn, S2, als Fahrer gebraucht habe, sei dieser zu ihm gelaufen und sie seien von der B-Straße aus gemeinsam losgefahren. Es träfe zu, dass er dem Vermieter Kevin W bei der zweiten Anmietung, weil dieser eine Plattengoldkette gesucht und ihn darauf angesprochen hätte, Schmuck mitgebracht und gezeigt habe. Das sei aber kein gestohlener Schmuck gewesen, sondern neuwertiger Schmuck von Freunden, deren Vätern mit Schmuck handelten.
209Zu dem Silvesterabend 2020 und dem Neujahrstag 2021 hat der Angeklagte sich – im Rahmen der Hauptverhandlung teilweise verändernd – wie folgt eingelassen:
210Im Rahmen des 6. Hauptverhandlungstages ließ der Angeklagte sich dahingehend ein, er habe seine Freundin S3 T5 gegen 21:00 Uhr/ 21:30 Uhr mit dem RS7 zu Hause abgeholt. Sie beide seien dann zu ihm in die B-Straße gefahren, wo sie sich unterhalten, etwas gegessen und auch Sex gehabt hätten. Um Mitternacht hätten sie sich dann verlobt. Um 01:30 Uhr habe der Zeuge L1, mit dem er eigentlich erst um 02:00 Uhr in dessen Wohnung verabredet gewesen sei, gegen sein Fenster geklopft. S2 sei auch lauter geworden, er habe gemerkt, dass dieser betrunken gewesen sei. Er, der Angeklagte, habe S2 geöffnet, ihn aber im Hausflur stehen lassen. Er sei schon startklar gewesen, habe sich das zubereitete Essen genommen und sei dann mit S2 zusammen losgegangen. S2 habe ihn gefragt, wo der Autoschlüssel des B2 sei, woraufhin er ihm diesen gegeben habe. S2 habe sich dann Richtung Parkplatz aufgemacht, er selbst habe aber laufen wollen, weil S2 deutlich betrunken gewesen sei. Sie hätten sich dann zu Fuß zu seinem Vater aufgemacht. Selber zu fahren sei nicht sein Ding gewesen, wegen der laufenden „MPU“ und weil er keine Anzeige habe riskieren wollen. Er habe es nur schnell riskiert, seine Freundin Ricarda abzuholen, weil er diese habe beeindrucken wollen. S2s Wohnung auf der I1 1a und die Wohnung seines Vaters auf der C3 würden nah beieinander liegen. Er glaube, er habe zuerst die Essensplatten zu S2 gebracht, da sei es vielleicht 03:00 Uhr gewesen. Dort hätten sie sich ca. 20 bis 30 Minuten aufgehalten und seien dann zusammen zu der Wohnung des Vaters gelaufen. Dort hätten sie dann Silvesterknaller gezündet und seien anschließend zusammen mit seinem Bruder N1 in S2s Wohnung gegangen. Dort habe es eine Aussprache mit seinem Bruder gegeben, zu deren Inhalt wolle er aber keine Angaben machen, das sei eine Familienangelegenheit. Wie lange sie sich insgesamt in der Wohnung von S2 aufgehalten hätten, könne er nicht sagen, vielleicht 30, 45 oder 60 Minuten. N1 habe als erster die Wohnung verlassen, er sei noch etwas geblieben und habe mit S2 Alkohol und Amphetamine konsumiert. Während seines Aufenthaltes bei dem Zeugen sei niemals so etwas gefallen wie „lass uns ein Ding drehen“ oder „I“. Er sei dann auch gegangen, da er „das Mädchen“ – gemeint war seine Verlobte, die Zeugin T5 – doch nicht alleine zu Hause habe lassen können. Schließlich hätten sie sich gerade erst verlobt. Als er vom L1 losgegangen sei, sei es schätzungsweise 05:00 Uhr/05:30 Uhr gewesen. Er sei ein bisschen spazieren und dann nach Hause gegangen. Keinesfalls sei es 03:00 Uhr oder 03:30 Uhr gewesen. Der Autoschlüssel des B2 sei bei S2 geblieben. Wann er zu Hause angekommen sei, könne er nicht sagen, da er vermutlich kein Handy dabeigehabt habe. Er habe in seiner Wohnung auch keine Uhr. Zu Hause angekommen, habe er sich dann zu seiner Verlobten gelegt und mir ihr Geschlechtsverkehr gehabt.
211Im Rahmen des 9. Hauptverhandlungstages ließ der Angeklagte sich – nachdem der Zeuge L1 bereits vor der Kammer vernommen worden war und zu einem späteren Zeitpunkt dieses Hauptverhandlungstages die Vernehmung der Zeugin S3 T5 stattfinden sollte – ergänzend zu dem Ablauf der Silvesternacht ein und erklärte, er und S2 seien ungefähr um 01:30 Uhr oder 01:45 Uhr von ihm losgelaufen. Da er mit den zwei Essensplatten die Hände voll gehabt habe, habe S2 den Autoschlüssel einfach aus seiner Hosentasche gezogen und an sich genommen. Dann seien sie zu Fuß weiter. Auf Vorhalt seiner Einlassung vom 6. Hauptverhandlungstag, wonach S2 ihn nach dem Schlüssel gefragt haben soll, und er ihm diesen, obwohl er gemerkt haben will, dass S2 völlig betrunken gewesen sei, gegeben haben will, antwortete der Angeklagte zunächst nicht und erklärte dann, dass er immer zugelassen habe, dass S2 den Schlüssel bekomme. S2 fahre immer, wenn er auf Droge oder betrunken sei, das würde dieser auch mit dem Auto seiner Mutter so machen. Ihm, dem Angeklagten, sei das egal gewesen, auch wenn er die Kaution hinterlegt habe, es sei ja S2s Führerschein gewesen. Zu dem Ablauf der Silvesternacht erklärte er, dass das Knallen an der Wohnung des Vaters vielleicht 40 bis 45 Minuten betragen habe, dann seien sie zurück in S2s Wohnung. Da sei es vielleicht 03:00 Uhr gewesen. Er sei um 05:00 Uhr/05:30 Uhr von dort weggegangen. Auf Vorhalt der bereits eingeführten GPS-Daten, wonach der RS7 am 01.01. bereits um 04:50 Uhr auf der B-Straße gestartet worden sei und des Zeitpunkts, wann er den Zeugen L1 nach maximal einer Stunde Aufenthalt verlassen haben will, was nicht plausibel sei, erklärte der Angeklagte, dass S2 ihn auch zu Fuß überholt und das Auto genommen haben könne. Dieser sei ein schneller Läufer. Es gäbe im Übrigen bestimmt vier oder fünf unterschiedliche Wege von S2s Wohnung zur B-Straße, sie beide müssten sich deshalb auch nicht notwendigerweise auf dem Weg begegnet sein. Er, der Angeklagte sei ja auch noch etwas spazieren gewesen, bevor er zurück in seine Wohnung sei. Er sei um 06:00 Uhr zu Hause gewesen. Wenn ihm vorgehalten werde, dass der B2 um 06:47 Uhr in I in der Q geortet worden sei, dann muss das derjenige gewesen sein, der den Autoschlüssel gehabt habe. Der Autoschlüssel des B2 sei, als er wieder nach Hause gegangen sei, bei S2 verblieben. Auf nochmaligen Vorhalt der Kammer erklärte der Angeklagte sodann, dass das alles kein Problem sei, darum gehe es nicht. Warum halte „man S2 die zeitlichen Abläufe nicht genauso vor?“ Er – der Angeklagte – sei die ganze Zeit „am Schweigen“. Er wisse aber so viel von dem L1. Es interessiere aber keinen, wenn er etwas sage. Während der Vernehmung des Zeugen L1 habe er ihm gegenüber ja schon gesagt, er – L1 – könne froh sein, dass er – der Angeklagte – seinen Mund halte und ihn nicht reinziehe in Sachen.
212Aus Sicht der Kammer waren die Angaben des Angeklagten zu den unmittelbaren Besitzverhältnissen an den Fahrzeugen und den Fahrzeugschlüsseln bereits nicht nachvollziehbar und letztlich darauf angelegt, in jedem Falle eine mögliche, mit dem verfahrensgegenständlichen Juweliereinbruch im Zusammenhang stehende Fahrt des Angeklagten mit dem B2 in der Nacht des 00.00.0000 negieren zu wollen.
213Die Erklärung des Angeklagten, warum die Sportwagen immer auf seinem Stellplatz und nicht in der Nähe von S2 L1s Wohnung gestanden hätten, wenngleich letzterer eigentlich immer betrunken und unter Drogen stehend damit gefahren sein soll, war bereits nicht überzeugend. Soweit er den Standort auf seinem Stellplatz nämlich damit erklärt hat, er habe das Fahrzeug vor etwaigen Beschädigungen durch die Freundin des S2 L1 wegen der ihn treffenden Selbstbeteiligung von 3.000,- Euro schützen wollen, ist nicht nachvollziehbar, dass es ihm anderseits ausnahmslos egal gewesen sein soll, wenn S2 L1 unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol gefahren sei, auch wenn er, der Angeklagte, die Kaution hinterlegt habe.
214Davon losgelöst erscheint – sofern man das Auto vor der Freundin des L1 habe schützen wollen – die Lösung, das Auto auf dem Stellplatz des Angeklagten zu stellen, während der Zeuge L1 „eigentlich immer“ den Autoschlüssel im Besitz gehabt haben soll, umständlich und damit lebensfremd. Dies hatte nämlich denklogisch zur Folge, dass, sofern S2 L1 das Auto mit oder auch ohne den Angeklagten hätte nutzen wollen, er zunächst 15 Minuten zum Angeklagten hätte zurücklegen müssen, um nach seiner Rückkehr dieses dort zunächst wieder abzustellen und sich anschließend dann wieder fußläufig zu seiner Wohnung zu begeben. Nicht nur, dass es im gesamten Mietzeitraum ab dem 00.00.0000 Winter und damit kalt war und ein solches Vorgehen für den Zeugen L1 durchaus ungemütlich gewesen sein dürfte, hätte es wesentlich näher gelegen, dass S2 L1 – sofern es darum gegangen sein sollte, die Anmietung vor dessen Freundin geheim zu halten – das Fahrzeug einfach in einer Nebenstraße seiner Wohnung abgestellt hätte. Angesichts des amtlichen Kennzeichens XXXX wäre für die Freundin des Zeugen L1 das angemietete Fahrzeug als ein zu diesem gehörendes Fahrzeug nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Im Übrigen wäre die Umsetzung eines derartigen Willens der Freundin des Zeugen L1, das Auto beschädigen zu wollen, auch gleichermaßen – sofern sie davon gewusst hätte – am frei zugänglichen Stellplatz an der Wohnanschrift des Angeklagten möglich gewesen.
215Dass der Angeklagte sich der Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge durch eine Überlassung der Schlüssel an S2 L1 gänzlich begeben hätte, erscheint bereits angesichts der hohen Anmietungskosten nicht überzeugend. Auch unter Zugrundelegung der von ihm geschilderten Motive für die Anmietungen, nach jahrelangem Gefängnisaufenthalt als autoaffiner Mensch, noch dazu in Corona-Zeiten, Spaß haben zu wollen, erklärt sich dieses Verhalten auch vor dem Hintergrund, dass er seinem Freund eine Freude hat machen wollen, nicht. Dass S2 L1, der nach den Angaben des Angeklagten finanzielle Probleme gehabt haben soll, sich im Übrigen an den hohen Spritkosten – nach Angaben des Angeklagten ca. 150,- bis 200,- Euro am Tag – beteiligt hätte, hat der Angeklagte auch nicht vorgetragen, sondern vielmehr erklärt, er selbst sei für diese aufgekommen.
216Unter ergänzender Berücksichtigung des von dem Angeklagten im Laufe der mehrtägigen Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks dürfte eine derartige, annähernd selbstlose Überlassung der Fahrzeuge samt Kostenübernahme selbst einem Freund gegenüber, der ihm zuvor Obdach gewährt hat, der Persönlichkeit des Angeklagten fernliegen. Dass der Angeklagte sich dieses Statussymbols nahezu gänzlich begeben hätte und in der Rolle des Beifahrers nach vorheriger telefonischer Anmeldung die Erfüllung seiner Anmietungsmotive gefunden hätte, erscheint der Kammer abwegig.
217Darüber hinaus war die Einlassung des Angeklagten zum zeitlichen und tatsächlichen Ablauf der Neujahrsnacht widersprüchlich und überzeugte die Kammer im Ergebnis nicht.
218Zunächst – insoweit anknüpfend an die vorherigen Ausführungen zur generellen Überlassung der Fahrzeuge an S2 L1 – waren die Angaben des Angeklagten widersprüchlich, wie der Zeuge L1 am 01.01.2021 in den Besitz des Autoschlüssels gekommen sein soll. Da dieser Punkt wichtig war, wie nämlich der Angeklagte sich des Schlüssels entledigt haben will, nachdem er am Vorabend als Fahrer des B2 die Zeugin T5 noch abgeholt hatte, verwunderte diese Ungenauigkeit. Der Angeklagte hat sich nämlich überwiegend als außergewöhnlich erinnerungsstark, auch was die Inhalte der Beweisaufnahme der zuvor ausgesetzten Hauptverhandlung betraf, vor der Kammer präsentiert. Dass diese Frage insgesamt von Wichtigkeit war, war dem Angeklagten auch durchaus bewusst, so dass die Ungenauigkeit eher dafür sprach, dass die Schilderung(en) des Angeklagten an dieser Stelle keinen Erlebnisbezug hatte(n). Beide vom Angeklagten angebotenen Erklärungen – sowohl das Geben des Schlüssels nach vorheriger Nachfrage des Zeugen L1 als auch die Ansichnahme durch diesen wegen der vom Angeklagten transportierten zwei Essensplatten – waren im Übrigen nicht aus sich heraus verständlich. Insoweit hat der Angeklagte nämlich angegeben, dass S2 L1 nach dessen Ankunft bei ihm deutlich betrunken gewesen sei, weswegen er, der Angeklagte, nicht den Wagen habe nehmen wollen. Warum der Angeklagte dem Zeugen L1 dann überhaupt den Schlüssel gegeben haben sollte, erklärt sich nicht ohne weiteres. Die allgemeine Erklärung des Angeklagten, dass er immer zugelassen habe, dass der Zeuge L1 den Schlüssel bekomme, überzeugte die Kammer – wie bereits dargestellt – nicht.
219Darüber hinaus waren die zeitlichen Angaben des Angeklagten nicht schlüssig, wobei die Kammer bei der Bewertung berücksichtigt hat, dass es sich dabei, da der Angeklagte die Uhrzeit in der Nacht nachvollziehbarer Weise nicht regelmäßig kontrolliert haben wird, um Schätzungen gehandelt hat. Gleichwohl erklärt sich zunächst nicht, dass nach der zunächst erfolgten Einlassung des Angeklagten der Zeuge L1 gegen 01:30 Uhr an seiner Wohnung erschienen sein soll, sich beide zeitnah auf den Weg gemacht haben sollen und er gleichwohl erst mit diesem gegen 03:00 Uhr mit den Essensplatten an dessen Wohnanschrift, die sich ca. 15 Fußminuten entfernt befinden soll, angekommen sein will. Auch unter Zugrundelegung, dass S2 L1 erheblich betrunken und damit nicht so schnell wie ansonsten zu Fuß gewesen sein dürfte, erscheint das Zeitfenster von mindestens 1:15 Stunden zu lang. Im Rahmen seiner späteren Einlassung hat er die Uhrzeit 03:00 Uhr – insofern nachvollziehbarer – dem Zeitpunkt zugeschrieben, als sie nachfolgend zu dritt mit seinem Bruder N1 in die Wohnung des Zeugen L1 gekommen seien, nachdem sie zuvor etwa 40 bis 45 Minuten an der Wohnanschrift des Vaters in unmittelbarer Nähe gewesen seien. Der Zeitpunkt, wann er die Wohnung des S2 L1 dann allerdings zwecks Rückkehr zu seiner wartenden Verlobten wieder verlassen haben und bei dieser eingetroffen sein will, war jedoch ebenfalls nicht plausibel. So gab er an, dass der Aufenthalt bei S2 L1 maximal eine Stunde betragen habe, er diesen aber erst gegen 05:00 Uhr/05:30 Uhr verlassen haben will, um anschließend – nach einem kleinen Spaziergang – zu seiner Verlobten zurückzukehren. Insgesamt vermittelte der Angeklagte, was den zeitlichen Ablauf der Nacht anging, den Eindruck, als wolle er das Geschehen seiner Rückkehr zeitlich vorverlagern, um eine Tatbegehung durch ihn am 00.00.0000 ab 06:26 Uhr ausschließen zu können. Zumal – was dem Angeklagten aufgrund der ausgesetzten Hauptverhandlung und der darin bereits erfolgten Vernehmung seiner Verlobten S3 T5 jedenfalls bewusst gewesen sein dürfte – erwartbar war, dass diese, sollte sie ihre Vernehmung in gleicher Weise ausrichten, die Rückkehr seiner Person auf nach 06:00 Uhr verorten würde. Dass die Zeugin T5 diese Angabe im Rahmen der ersten, sodann ausgesetzten Hauptverhandlung so getätigt hatte, hat der Angeklagte im Rahmen seiner am 9. Hauptverhandlungstag abgegebenen Einlassung – nach vorherigem Vorhalt – auch entsprechend bestätigt. Dass er zunächst noch angab, er könne nicht sagen, wann er zu Hause wieder eingetroffen sei, da er vermutlich kein Handy dabei gehabt habe und zu Hause über keine Uhr verfüge, hernach aber seine Rückkehr auf 06:00 Uhr verortete, war nicht überzeugend. Angesichts der erfolgten Verlobung um 24:00 Uhr des 00.00.0000., die nach Angaben des Angeklagten eine ernste Sache gewesen sein soll, erschloss sich für die Kammer überdies nicht gänzlich, dass er nach dem Treffen mit S2 L1 die Rückkehr zu seiner Verlobten, die erstmalig die Nacht bei ihm verbracht hat, durch so etwas Unbedeutendes wie einen nächtlichen Spaziergang verzögert haben sollte. Wobei unter der Prämisse, dass die Wegstrecke von der Wohnung des S2 L1 zu seiner Wohnung nach der Einlassung des Angeklagten nur etwa 15 Minuten beträgt, das spätere Eintreffen bei seiner Verlobten nur so erklärlich wäre.
220Dem Angeklagten war im Rahmen seiner Einlassung bewusst, dass es denknotwendig und auch nach seiner Einlassung nur er selbst oder S2 L1 gewesen sein können, die den B2 in der Nacht des 00.00.0000 bewegt haben. Vor seiner am 9. Hauptverhandlungstag erfolgten ergänzenden Einlassung hatte die Kammer auch das GPS-Protokoll des B2 bereits eingeführt, wonach der B2 am 00.00.0000 bereits um 04:50 Uhr in der B-Straße gestartet und weggefahren wurde. Auch vor diesem Hintergrund erschien die Einlassung des Angeklagten, er habe die Wohnung des S2 L1 erst um 05:00 Uhr/05:30 Uhr verlassen, wobei S2 dort geblieben sein soll, nicht erklärlich.
221bb)
222Die Einlassung des Angeklagten ist, soweit sie mit den getroffenen Feststellungen in Widerspruch steht, widerlegt.
223(1)
224Die Feststellungen zu dem Einbruchsgeschehen als solchem, der erlangten Tatbeute und entstandenen Schäden beruhen zunächst auf den in Augenschein genommenen Überwachungsvideos des Juweliergeschäfts B3 und den glaubhaften Bekundungen des dazu vernommenen Geschäftsinhabers C10.
225Die Inaugenscheinnahme von zwei der insgesamt vier Kameraansichten hat ergeben, dass eine maskierte männliche Person, welche eine Jogginghose, Jacke, Turnschuhe sowie einen Rucksack und Handschuhe trägt, bei der Zeitmarkierung 07:36:10 beginnt, die Lamellen der Außenjalousie seitlich herauszuschieben und außerhalb des Kamerawinkels wegträgt. Bei der Zeitmarkierung 07:39:25 läuft dieselbe Person mit dem Rücken zur Kamera an dem Geschäft vorbei, um bei der Markierung 07:45:50 wieder zurückzukommen. Ab der Markierung 07:53:40 kommt die Person wieder in das Bild, stellt sich erst kurz vor die Außenjalousie, deren unterer Bereich nunmehr vollkommen entfernt wurde, geht ein paar Schritte in Richtung der Einkaufsstraße und sieht sich um, kehrt erneut zurück, hockt sich vor den freigelegten Bereich der Jalousie, um dann aufzustehen und nochmals in Richtung der Einkaufsstraße zu laufen, wo sie kurz aus dem Bild verschwindet. Kurz danach kehrt die Person wieder in das Kamerabild zurück und begibt sich mit einem Gegenstand in der rechten Hand unter die Außenjalousie. Bei der Zeitmarkierung 07:54:14 sieht man Glas auf den Boden fallen sowie die Aktivierung der außen liegenden Alarmanlage. Im Anschluss robbt sich die Person auf dem Bauch liegend in das Innere des Geschäftes. Circa eine Minute später, bei der Markierung 07:55:10, kriecht dieselbe Person wieder unter der Jalousie hindurch ins Freie, wobei sie einige Dekore verliert und in kleinen Schritten nach links rennt. Unter dem Zeitstempel 07:57:30 kommt eine telefonierende Frau ins Bild, die vor dem Laden stehen bleibt.
226Die den Innenbereich des Ladenlokals aufnehmende Kamera zeigt beim Zeitstempel 07:54:13 das Zerbarsten der Scheibe der Ladentür. Sodann krabbelt eine Person unter der Jalousie durch die gebrochene Schaufensterscheibe hindurch, steht auf und zerschlägt zielgerichtet mit einem nunmehr als solchen erkennbaren Nothammer die Glasscheiben der hinter dem Verkaufstresen an der Wand angebrachten Vitrinen, wobei sich von links nach rechts vorarbeitet. Aus jeder der so zerschlagenen Vitrine entnimmt die Person in schnellem Tempo die darin befindlichen Schmuckstücke nebst Dekore und stopft sie in den mitgeführten, nunmehr vor den Bauch geschobenen Rucksack. Zuletzt greift die Person nach den offen neben den geleerten Vitrinen an der Wand aufgehängten Ketten und steckt diese ebenfalls in den Rucksack. Bei der Zeitmarkierung 07:55:10 verlässt die Person den Laden schnellen Schrittes über den Einstiegsweg.
227Die in den Videosequenzen abgebildete Bekleidung des Täters wirkt hell (weiß). Auch die Vermummung des gesamten Kopf- und Stirnbereichs bei lediglich vorhandener Aussparung der Augenpartie und des Nasenwurzelbereichs erscheint in heller/weißer Farbe. Lediglich der mit einem Riemen über den Körper hängende Rucksack erscheint auf den Aufnahmen in dunkler Farbe. Nach den diesbezüglichen Angaben des Zeugen C10 bilden die Kameras, sowohl in der Innen- als auch in der Außenansicht, nicht die realen Farben ab. Dunkle Farben stelle die Kamera – so der Zeuge C10 – weiß dar, wobei weiß auch weiß bliebe. Aufgrund dessen lassen die ohnehin nur in schwarz-weiß vorliegenden Aufnahmen aus Sicht der Kammer keinen Schluss auf die tatsächliche Farbgebung der Täterkleidung zu. Im Übrigen erscheint es auch nicht lebensnah, dass ein Täter, der vermutlich möglichst unentdeckt in das Juweliergeschäft hat einbrechen wollen, auffallend weiße oder helle Kleidung getragen haben sollte.
228Die Beweisaufnahme hat zudem ergeben, dass der Zeitstempel der Überwachungskamera nicht der tatsächlichen Zeit entsprach. Dies wurde durch den Zeugen C10 bestätigt und im Übrigen belegt durch das verlesene Alarmprotokoll des von dem Zeugen beauftragten Wachdienstes. Hiernach ging bei dem Wachdienst WSH GmbH, Singen der Alarm betreffend das Objekt C9 72 in I am 01.01.2021 um 06:44 Uhr ein. Der Zeuge C10 hat hierzu im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt, dass die von ihm beauftragte Firma 30 Sekunden nach Auslösen des Alarms eine Meldung erhalte, wobei der Alarm erst durch die Unterbrechung zweier Kontakte an den Seiten der Eingangstür ausgelöst werde, was etwa durch das Einschlagen des Scheibenglas bzw. wenn diese auf andere Art geöffnet werde, der Fall sei. Durch eine Entfernung der vor der Tür angebrachten Außenlamellen könne – so der Zeuge C10 – der Alarm hingegen noch nicht ausgelöst werden. Damit divergiert die reale Zeit zu der in der Kamera hinterlegten Zeit um ca. eine Stunde und zehn Minuten. Der eigentliche Einbruch muss sich danach – unter Berücksichtigung einer Zeitdifferenz bis zum Eingang der Meldung um 30 Sekunden – zwischen 06:43 Uhr und 06:45 Uhr ereignet haben.
229Dass die von der Überwachungskamera aufgenommene Bekleidung des Täters keinen Rückschluss auf deren Farbe zulässt, hat im Übrigen die Vernehmung der Zeugin K3 ergeben. Aus deren glaubhaften Angaben war es der Kammer auch möglich, die Uhrzeit des Einbruchgeschehens und den sodann vom Täter genommen Fluchtweg zu rekonstruieren. An der Glaubhaftigkeit der Angaben der völlig unbeteiligten Zeugin K3 bestanden keine Zweifel.
230Die Zeugin K3 hat bekundet, dass sie sich nach ihrer beendeten Schicht im Krankenhaus auf dem Nachhauseweg befunden habe. Auf der C9 sei sie zunächst durch einen lauten Knall, der wie klirrendes Glas geklungen habe, auf das Geschehen aufmerksam geworden. Kurz danach sei ein Alarm losgegangen. Ihr sei in dem Moment klar gewesen, dass irgendwo auf der C9 ein Einbruch passiere. Später habe sie dann ausmachen könne, dass es sich um den Juwelier gehandelt habe. Im Zeitpunkt des Alarms sei sie ca. 50 Meter von dem Ladenlokal entfernt gewesen. Sodann sei sie die C9 weiter in Richtung Bahnhof gelaufen und habe auf der rechten Seite eine Person gesehen, die unter dem Rollo eines Geschäftes hervor gekrochen und ihr sodann entgegen gelaufen sei. Die Person sei männlich, maskiert und dunkel gekleidet gewesen und habe vor sich einen Beutel getragen, der auf sie nicht dunkel gewirkt habe. Diese Person habe der Statur und nach der Art des Weglaufens auf sie bullig gewirkt. Nachdem diese Person zunächst in ihre Richtung gelaufen sei, sei die Person dann – aus deren Sicht – an dem ehemaligen Karstadtgebäude nach rechts in eine kleine Straße abgebogen. Sie, die Zeugin K3, sei dann zügig weiter in diese Richtung gelaufen, habe die Person aber dann nicht mehr sehen können. Sie habe auch kein Auto unmittelbar starten oder wegfahren hören. Auch habe sie keine weitere Person neben diesem Täter gesehen. Sie schätze, dass sich das Geschehen um ca. 06:40 Uhr abgespielt habe, sie habe eigentlich bis 06:30 Uhr arbeiten müssen, habe an diesem Morgen aber etwas eher ihre Schicht beenden können. Wenn ihr vorgehalten werde, dass ihr Notruf um 06:46 Uhr bei der Polizei eingegangen sei, stimme dies mit ihrer Vorstellung überein. Als die Polizei eingetroffen sei, habe sie die kleine Straße als Fluchtweg des Täters beschrieben.
231Die Kammer hat im Rahmen der Vernehmung der Zeugin K3 auch das Überwachungsvideo der Außenansicht in Augenschein genommen. Neben dem heraus kriechenden Täter, zu dem die Zeugin erklärte, dieser stelle den von ihr beobachteten Täter dar, zeigte dies – zu einem späteren Zeitpunkt – auch die den Notruf wählende bzw. telefonierende Zeugin selbst, was die Zeugin K3 ebenfalls bestätigt hat. Die Inaugenscheinnahme mit der Zeugin hat ergeben, dass die auch von der Außenkamera aufgenommenen Farben der Bekleidung der Zeugin nicht der tatsächlichen Farbgebung der von ihr am 00.00.0000 getragenen Kleidung entsprachen.
232Von der Inaugenscheinnahme der Videoaufnahmen sowie der Inaugenscheinnahme der von den Videoaufnahmen erstellten Lichtbilder allein vermochte die Kammer nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass es sich bei dem Täter um den Angeklagten handelt. Ein Ausschluss des Angeklagten als Täter war hiernach allerdings auch nicht anzunehmen. Der Täter ist – wie bereits dargestellt – mit Ausnahme einer freien Augenpartie und des Nasenwurzelbereichs vermummt. Zu erkennen ist, auch angesichts der Art, wie der Täter sich unter den Lamellen hindurch kriechend in das Geschäft hinein begibt, darin bewegt und es wieder verlässt, eine gewisse sportliche Fähigkeit und ebensolche Statur des Täters. Daneben ist aufgrund des eng anliegenden Tuchs um den Mund-Nasenbereich eine eher ausgeprägte Nase, im Wurzelbereich etwas breiter anmutend, zu erkennen. Dies schloss den sportlich muskulösen Angeklagten, von dessen äußerem Erscheinungsbild sich die Kammer aufgrund der mehrtägigen Hauptverhandlung einen eigenen Eindruck verschaffen konnte, nicht aus. Wegen der weiteren Einzelheiten des Erscheinungsbildes der am 00.00.0000 in das Juweliergeschäft einbrechenden Person sowie des Angeklagten wird ergänzend gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder Bl. 20 bis 21 und Bl. 42 bis 45 der Akte 46 Js 82/21 (StA Bochum) sowie auf die Lichtbilder Bl. 704 bis 707 der Hauptakte 46 Js 81/21, Band 3, die den Angeklagten zeigen, verwiesen. Die auf der Videoaufnahme des Innenbereichs deutlich zutage tretende schnelle und präzise Tatausführung des vermummten Täters, die ein geübtes und professionelles Vorgehen dokumentiert, schloss den Angeklagten als eine Person, die in der Vergangenheit Erfahrungen im Bereich von Einbruchdiebstählen gesammelt hat, ebenfalls nicht aus.
233Die Bekundungen der Zeugin K3 zu dem Fluchtweg des Täters werden zudem gestützt durch die Angaben des vor der Kammer vernommenen Polizeibeamten N7. Dieser hat glaubhaft bekundet, dass er vor Ort entsprechend der Angaben der Zeugin K3 den Fluchtweg abgesucht habe und in dem kleinen Weg, der zwischen dem alten Karstadtgebäude und einer Reihe von gegenüber liegenden Geschäften entlang führe, vor einem dort befindlichen Wollladen ein Schmuckstück gefunden und sichergestellt habe. Gehe man diesen Weg weiter, komme man auf eine Kreuzung, an welcher sich auf der rechten Seite ein Parkhaus befinde.
234Durch Inaugenscheinnahme der vom Zeugen angefertigten Lichtbilder, auf denen u.a. der Fundort des Schmuckstücks vor dem Wollladen zu erkennen ist, haben die Angaben der Zeugen K3 und N7 hinsichtlich des Fluchtweges zudem Bestätigung gefunden. Daneben hat die Kammer zusammen mit dem Zeugen N7 weitere von diesem am 00.00.0000 gefertigte Lichtbilder und ein Satellitenbild in Augenschein genommen, worauf der vermeintliche Fluchtweg und die sodann – nach dem Verbindungsweg – befindliche Q in I auszumachen waren.
235Dass das auf dem Verbindungsweg gefundene Schmuckstück aus dem Einbruch bzw. zum Bestand des Juweliergeschäftes B3 gehörte, haben zudem die glaubhaften Angaben des Zeugen C10 ergeben, der insoweit bekundet hat, dass ihm noch vor Ort von der Polizei Schmuckstücke ausgehändigt worden seien, die eindeutig aus seinem Geschäft stammten. Die Aushändigung der sichergestellten Schmuckstücke an den Geschäftsinhaber C10 – sowohl derjenigen, die auf der C9 vom Täter verloren wurden als auch desjenigen, das auf dem Verbindungsweg sichergestellt werden konnte – hat der dazu vernommene Kriminalbeamte Scharmach ebenso glaubhaft bestätigen können. Letzterer hat darüber hinaus im Rahmen seiner Vernehmung angegeben, dass die vom Täter entfernten Außenlamellen in einer neben dem Juweliergeschäft befindlichen Hofeinfahrt hätten aufgefunden werden können.
236Die Feststellungen zu den Schäden und zum Umfang der Tatbeute beruhen auf den auch insoweit glaubhaften Angaben des Zeugen C10, welcher hierzu bekundet hat, dass er für den am 00.00.0000 entwendeten Silberschmuck insgesamt ca. 1.500,- Euro und für den entwendeten Goldschmuck insgesamt ca. 2.800,- Euro aufgewandt habe. Er kaufe den Schmuck immer nach Gewicht ein, der angesichts des täglich wechselnden Kurses für Gold und Silber variiere. Der Silberschmuck werde in seinem Juweliergeschäft dann in etwa für das Doppelte des Einkaufspreises verkauft, bei Goldschmuck beliefe sich der Gewinn auf zwischen 20 % bis 50 %. Für die Reparatur an Vitrinen und Tür seien ihm Unkosten in Höhe von 1.400,- Euro entstanden. Eine Versicherung gegen einen solchen Einbruch habe am Tattag nicht bestanden, so dass er keine Entschädigung erhalten habe.
237(2)
238Dass zwischen dem Einbruchsgeschehen in das Juweliergeschäft B3 und der Nutzung des vom Angeklagten angemieteten B2 als Fluchtfahrzeug ein Zusammenhang besteht, der sodann einen Rückschluss auf die Täterschaft des Angeklagten zulässt, hat zunächst der Vergleich mit den in die Hauptverhandlung eingeführten GPS-Daten des B2 ergeben.
239Aufgrund der GPS-Auszüge des B2 konnte nämlich festgestellt werden, dass sich der Pkw, der am 00.00.0000 um 04:50 Uhr an der Wohnanschrift des Angeklagten gestartet wurde, um 05:55 Uhr über die W1 2 in I kommend zur Adresse Q 20 in I bewegt und der Motor dort um 05:57 Uhr abgestellt wird. Erst um 06:47 Uhr wird der Wagen wieder gestartet und fährt von dannen.
240Den oben dargestellten, nicht der Realzeit entsprechenden Zeitstempeln der Überwachungskameras kann jedenfalls entnommen werden, dass der Täter vom Entfernen der Lamellen (07:36:10) bis zum Verlassen des Geschäftes (07:55:10) insgesamt knapp 20 Minuten Zeit benötigt hat, was die tatsächliche Haltezeit des B2 auf der Q von insgesamt 50 Minuten jedenfalls teilweise erklärt. Aufgrund der Kompatibilität zwischen dem sicher rekonstruierbaren Zeitpunkt, in dem der Täter das Juweliergeschäft wieder verlässt, der benötigten Zeitdauer für den festgestellten Fluchtweg des Täters und dem Starten des B2 auf der Q um 06:47 Uhr ist die Kammer davon überzeugt, dass ein Zusammenhang anzunehmen ist.
241Da – mit einer zu berücksichtigenden Zeitdifferenz von 30 Sekunden – der Alarm um 06:44 Uhr bei dem Wachdienst einging, hat der Täter spätestens gegen 06:44:30 Uhr das Türfenster eingeschlagen. Unter Berücksichtigung, dass er das Geschäft knapp eine Minute später verlassen hat, wäre dem Täter bis zum Starten des B2 um 06:47 Uhr mindestens eine Zeit von einer Minute und 30 Sekunden verblieben. Die Kammer hat hinsichtlich des Fluchtwegs von der C9 71 bis hin zur Q 20/22 zwei Google-Maps-Auszüge in Augenschein genommenen und die dazu angegebenen Wegstrecken verlesen. Zu berücksichtigen war insoweit, dass die von Google vorgeschlagenen Wegstrecken letztlich nicht der von dem Täter gewählten – deutlich kürzeren Wegstrecke – entsprachen. Denn der durch den Verbindungsweg erfolgte, deutlich kürzere Fluchtweg war über Google-Maps nicht darstellbar. Nach den verlesenen Routenangaben wären entweder eine Wegstrecke von 300 Meter oder 280 Metern zu überwinden gewesen. Unter Berücksichtigung, dass der von der Zeugin K3 wahrgenommene Täter jedenfalls so schnell lief, dass diese ihn – nach Erreichen des Verbindungsweges – nicht mehr erblicken konnte und unter Berücksichtigung des wesentlich kürzeren als 280 Meter verbleibenden Laufweges bis zur Q 20/22 und des Umstands, dass die Kammer das kleinstmöglichste Zeitfenster von einer Minute und 30 Sekunden ihrer Berechnung zugrunde gelegt hat, wäre es dem Täter durchaus möglich gewesen, diese Wegstrecke bis zum Abstellort des B2 zurückzulegen, das Fahrzeug zu starten und damit wegzufahren. Bei Berücksichtigung, dass es sich bei dem Angeklagten um einen sportlich durchtrainierten Menschen handelt, bestanden – ihn als Täter annehmend – an der Fähigkeit des Zurücklegens dieser Wegstrecke keinerlei Bedenken. Dass der B2 genau zu diesem Zeitpunkt in unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Nähe zu dem Einbruchsgeschehen zufällig und davon unabhängig geparkt, gestartet und weggefahren sein soll, schloss die Kammer auch angesichts der nachfolgend dargestellten Erwägungen aus.
242(3)
243Dass es der Angeklagte war, der in den frühen Morgenstunden den B2 an der B-Straße in Betrieb nahm, um 05:57 Uhr in der Q in I abstellte, den Einbruch verübte und sodann um 06:47 Uhr wieder wegfuhr, steht nach der Vernehmung des Zeugen S2 L1 zur Überzeugung der Kammer fest. Der Zeuge L1 hat den Ablauf der Neujahrsnacht 2021 und darüber hinaus die allgemeinen Umstände, wie der Angeklagte generell mit den Fahrzeugen nach deren Anmietungen verfahren ist und wie sich ihre Beziehung gestaltet und entwickelt hat, überzeugend und nachvollziehbar geschildert. Aus seinen Beschreibungen, insbesondere zum Ablauf des 00.00.0000, wurde deutlich, dass der Zeuge L1 stets ein konkretes Bild der Ereignisse vor Augen hatte. Inhaltlich waren die Angaben des Zeugen durch Detailreichtum, logische Konsistenz und die stimmige Schilderung räumlich-zeitlicher Verknüpfungen geprägt.
244So hat der Zeuge L1 zu dem Ablauf des 00.00.0000 angegeben, er und der Angeklagte seien um 01:00 Uhr zum gemeinsamen Feiern bei ihm verabredet gewesen. Nachdem der Angeklagte nicht gekommen sei, sei er zu ihm in die B-Straße gelaufen und habe geklingelt. Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt schon deutlich betrunken gewesen, da er zuvor bei seiner Schwester gefeiert habe. Ihm sei vom Angeklagten jedoch nach seinem Klingeln nicht geöffnet worden. Dieser habe ihm lediglich durch die Sprechanlage mitgeteilt, dass er gleich kommen werde und er – L1 – zu Hause warten solle, woraufhin er zurückgegangen sei und auf den Stufen seines Hauses gewartet habe. Er habe den Angeklagten dann mit einer Essenplatte in der Hand gut gelaunt kommen sehen und sie seien sodann zunächst gemeinsam zu dem Haus des Vaters bzw. Bruders N1 gegangen, wo der Angeklagte seinem Vater gratuliert und anschließend Silvesterknaller gezündet habe. Anschließend seien er, der Angeklagte und dessen Bruder N1 zu ihm in die Wohnung gegangen, wo sie erst gegessen hätten und es dann zu einer Aussprache zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder N1 gekommen sei, weswegen er, der Zeuge L1, den Raum verlassen habe. Der Angeklagte habe angefangen zu weinen, N1 habe nicht geweint, aber so etwas gesagt wie, dass er verzeihen, aber nicht vergessen könne. Nach etwa einer Stunde sei N1 gegangen und der Angeklagte habe ihn dann unbedingt irgendwohin mitnehmen wollen. Er habe im Badezimmer auf dem Badewannenrand gesessen und der Angeklagte habe gesagt, sie sollten „irgendein Juwelier klarmachen“. Er habe das aber abgelehnt, wobei der Angeklagte noch gesagt habe, dass er, der Zeuge, doch Geld brauche und mitkommen solle. Er habe dies jedoch erneut unter Hinweis auf seinen kranken Vater abgelehnt, woraufhin ihn der Angeklagte beschimpft und gesagt habe, er habe „keine Eier in der Hose“ und sei kein Mann. Dann sei der Angeklagte gegangen und habe auch noch mal draußen auf der Straße herumgeschrien, dass er, der Zeuge L1, „keine Eier in der Hose“ habe. Da sei es 03:00 Uhr oder 04:00 Uhr gewesen, als der Angeklagte seine Wohnung verlassen habe. Er selbst sei noch etwas in seiner Wohnung geblieben und anschließend zu seiner Nachbarin gegangen, mit der er eine Affäre gehabt habe, was seine damalige Freundin nicht habe mitbekommen sollen.
245Auf Vorhalt der Angaben des Angeklagten schloss der Zeuge aus, dass er in der Nacht mit dem Angeklagten gemeinsam die Wegstrecke zu seinem Haus zur I1 1 a zurückgelegt habe und auch, dass beide zunächst in seine Wohnung gegangen seien und dort Zeit verbracht hätten, bevor sie zu dem Wohnhaus des Vaters und Bruders gegangen seien. Der Angeklagte sei auch nicht erst um 05:00 Uhr oder 05:30 Uhr abgehauen, das sei spätestens um 04:00 Uhr der Fall gewesen. N1 und der Angeklagte seien etwa eine Stunde bei ihm geblieben und der Angeklagte anschließend allein noch maximal eine halbe Stunde. Der Angeklagte habe ihm auch in der Nacht nicht etwa den Autoschlüssel des B2 gegeben oder ihm überlassen. Der Angeklagte habe ihm schon im nüchternen Zustand den Autoschlüssel nicht übergeben, das würde dieser im alkoholisierten Zustand, in dem er, der Zeuge, sich befunden habe, wohl erst recht nicht tun. Es stimme, dass der Angeklagte ihm zu einem späteren Zeitpunkt mal gesagt habe, dass er in der Silvesternacht irgendwo drin gewesen sei. Näher konkretisiert habe der Angeklagte das aber nicht. Er habe auch nicht näher nachgefragt. Er habe sich später zusammengereimt, dass es sich um den Juwelier in I gegenüber dem alten Karstadtgebäude gehandelt haben könnte. Den habe ihn der Angeklagte bei einem Einkauf in I irgendwann kurz vor Weihnachten mal gezeigt und beiläufig erwähnt, dass dieser schon mal ausgeraubt worden sei.
246Die Aussage des Zeugen L1 ist glaubhaft. Er konnte sich an das von ihm Bekundete noch sicher erinnern und es bestand kein Zweifel daran, dass er das Geschilderte, soweit es in sein Wissen gestellt ist, zutreffend wahrgenommen und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat, zumal es in großen Teilen auch mit der Einlassung des Angeklagten übereinstimmte. Zwar hatte der Zeuge an dem Abend bereits vor dem Treffen mit dem Angeklagten nicht unerhebliche Mengen Alkohol konsumiert, was er auch freimütig geäußert hat. Dass dies seine Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit jedoch nachhaltig beeinträchtigt haben könnte, nimmt die Kammer nicht an. Hiergegen sprechen bereits die im Rahmen seiner Schilderung wiedergegebenen Details, wie etwa die Aussprache zwischen dem Angeklagten und dessen Bruder nebst gefallener Worte oder die Beschimpfungen durch den Angeklagten, nachdem der Zeuge seine Teilnahme an einer Straftat abgelehnt hatte. Die zahlreichen Details der Aussage des Zeugen L1, die sich jederzeit zu einem logischen Handlungsablauf zusammenfügten, sprechen im Übrigen für die Qualität seiner Aussage. So schilderte der Zeuge etwa, dass er laute Musik bei dem Angeklagten gehört habe, als er dort angekommen sei. Er sei sich auch sicher gewesen, dass dieser eine Frau dagehabt habe, da der Angeklagte ihm vor 24:00 Uhr eine Sprachnachricht geschickt habe, in der er auch eine weibliche Stimme gehört habe. Gesehen habe er diese Person jedoch nicht. Daneben schilderte der Zeuge auch, dass sich auf der vom Angeklagten mitgebrachten Essenplatte Fleischbällchen befunden hätten und dass dieser gut gelaunt und mit einer Maske verkleidet zu ihm gekommen sei. Der Zeuge L1 hat auf entsprechende Nachfrage auch seinerseits bekundet, dass er zwar betrunken gewesen sei, aber durchaus noch das, was geschehen sei, mitbekommen habe und entsprechend wiedergeben könne.
247Im Rahmen seiner Vernehmung hat der Zeuge auch – bereits angesichts des Zeitablaufs nahe liegende – Unsicherheiten in der zeitlichen Einordnung auch selbstkritisch offenbart. So gab er beispielsweise an, dass er nicht sagen könne, wann er bei dem Angeklagten, nachdem dieser nicht wie verabredet bei ihm erschienen sei, angekommen sei und geklingelt habe. Die Wegstrecke zu ihm würde zwischen 15 und 20 Minuten betragen. Auch wann er genau zu seiner Nachbarin gegangen sei, nachdem der Angeklagte ihn verlassen habe, könne er nicht sagen. Darin zeigte sich ein Bemühen des Zeugen um einen verantwortungsbewussten Umgang mit seinen Erinnerungen, was zusätzlich den Eindruck von Authentizität der Schilderungen vermittelte.
248Die Aussage des Zeugen L1 hinsichtlich des Ablaufs des 00.00.0000 ist auch konstant. Nennenswerte Abweichungen oder Widersprüche zu seinen Angaben in vorherigen Vernehmungen seiner Person waren nicht festzustellen. So gab der Zeuge bereits in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 00.00.0000 an, er sei für 01:00 Uhr des Neujahrsmorgens mit dem Angeklagten verabredet gewesen. Sie hätten sich bei ihm treffen wollen. Als der Angeklagte nicht gekommen sei, sei er zur Wohnanschrift des Angeklagten gegangen, jedoch nicht eingelassen worden. Der Angeklagte habe Besuch gehabt, von wem, könne er nicht sagen. Gesehen habe er niemanden. Der Angeklagte habe ihm gesagt, dass er gleich zu ihm – dem Zeugen L1 – komme, woraufhin er unverrichteter Dinge wieder zu seiner Wohnung zurückgekehrt sei. Dort habe er sich auf die Treppe vor dem Haus gesetzt. Kurz daraufhin sei der Angeklagte erschienen und habe eine große Platte mit Essen dabeigehabt. Sie seien dann auf den Vater und den Bruder des Angeklagten getroffen; mit letzterem seien sie anschließend in seine Wohnung gegangen. Weiter gab der Zeuge in seiner Vernehmung an, dass er glaube, dass zwischen den beiden früher einmal was vorgefallen sei. Der Angeklagte habe sich bei dem N1 entschuldigt. Man habe geweint. Das alles sei so eine halbe Stunde gegangen. N1 habe danach die Wohnung wieder verlassen. Der Angeklagte habe dann ein Ding starten wollen. Er habe Geld machen wollen. Irgendein Juwelier. Er habe ihm gesagt, dass das nicht gehe, er sei ja betrunken gewesen, woraufhin der Angeklagte ziemlich sauer abgehauen sei. Den Juwelier habe der Angeklagte ihm nicht genannt. Er sei sich aber sicher gewesen, dass er den meine, bei dem sie schon einmal gemeinsam gewesen seien. Da habe ihm der Angeklagte erzählt, dass dieser Juwelier schon einmal ausgeraubt worden sei. Das solle der Juwelier in der Innenstadt, gegenüber vom Fitnessstudio sein. Er – der L1 – sei gegen 03:00 Uhr am Neujahrsmorgen zu seiner Freundin gegangen. Der Sven habe draußen noch rumgeschrien, dass er – der L1 – keine Eier in der Hose habe. Nachher habe ihm der Angeklagte noch erzählt, dass er bei der Tat gesehen oder beobachtet worden sei. Zu der Person solle er dann gesagt haben: „Ich kenn dich, geh weiter!“.
249Im Rahmen seiner Vernehmung vor der Kammer, in welcher ihm seine früheren Angaben auch vorgehalten wurden, gab der Zeuge L1 von sich aus an, dass seine Angabe, dass er sich gegen 03:00 Uhr zu seiner Freundin aufgemacht habe, nicht richtig gewesen sei. Tatsächlich habe er sich zu seiner Nachbarin begeben, mit der er ein Verhältnis gehabt habe, was seine damalige Freundin aber nicht habe wissen sollen. Diese Angabe sei also nicht richtig gewesen. Diese Korrektur des Zeugen belegte aus Sicht der Kammer, dass der Zeuge sich seiner umfassenden Wahrheitspflicht im Rahmen seiner Vernehmung vor der Kammer – auch was lediglich Randbereiche seiner damaligen Aussage betraf – durchaus bewusst war und dementsprechend seine Angaben getätigt hat.
250In seiner zweiten Beschuldigtenvernehmung vom 00.00.0000 ist der Zeuge L1 nicht mehr weiter zu dem Juweliereinbruch befragt worden. Im Rahmen dieser durch die Ermittlungsführerin H2 geführten Vernehmung ließ der Zeuge sich zu zwei weiteren, nicht verfahrensgegenständlichen Taten (Einbruch in eine Apotheke in Oer-Erkenschwick und Zigarettenautomatensprengung in I) im Zusammenhang mit dem Angeklagten ein, an denen er nach seinen damaligen Angaben als Fahrer des Fahrzeugs beteiligt gewesen sein soll. Diese Angaben hat die Kammer durch die zeugenschaftlichen Vernehmungen der Ermittlungsführer H2 und N6 eingeführt. Im Rahmen seiner Vernehmung vor der Kammer hat der Zeuge L1 insoweit von dem ihm zustehenden Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Dies belegte aus Sicht der Kammer jedoch nicht etwa die Unglaubhaftigkeit seiner Angaben zu der Silvesternacht 2020 oder eine mangelnde Glaubwürdigkeit seiner Person, sondern lediglich, dass der Zeuge L1 seine ihm zustehenden Rechte wahrzunehmen weiß und jedenfalls im Rahmen des ursprünglich ebenfalls gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens sich selbst auch nicht etwa geschont und den Angeklagten ausschließlich allein belastet hätte.
251Den Eindruck, dass der Zeuge L1 den Angeklagten belastet hätte, um sich selbst hinsichtlich des Tatgeschehens vom 01.01.2021 zu entlasten, hat die Kammer zu keinem Zeitpunkt gewinnen können. Eine Motivation, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, war bei dem Zeugen L1 nicht erkennbar. Vielmehr wurde bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor der Kammer, insbesondere als es konkret um den Punkt ging, wozu der Angeklagte ihn am 00.00.0000 hat überreden wollen, deutlich, dass der Zeuge mit den Antworten und mit einer Belastung des Angeklagten haderte bzw. rang. So äußerte er an dieser Stelle zunächst lediglich, dass der Angeklagte ihn irgendwohin habe mitnehmen wollen. Erst auf Nachfrage schob er zögerlich hinterher, dass der Angeklagte irgendetwas habe „reißen“ wollen und er – L1 – mitkommen sollte, da er nach Ansicht des Angeklagten doch Geld gebraucht habe. Auf weitere Nachfrage der Kammer gab der Zeuge zunächst an, dass der Angeklagte dies nicht näher konkretisiert habe. Dieser rede nicht viel und sei immer sehr für sich. Erst auf die weitere Nachfrage, ob in dieser Nacht etwas über einen Juwelier gefallen sei und auf Vorhalt der Angaben in seiner ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 00.00.0000, bei der der Zeuge angegeben hatte, dass der Angeklagte irgendein Ding bei irgendeinem Juwelier habe starten wollen, erklärte der Zeuge mit leiser Stimme, wenn das da so stehe, dann stimme das so. Danach erst erklärte er mit deutlicher Stimme: „Ja, das ist so gefallen. Irgendein Juwelier klarmachen. Ein Ort ist nicht gefallen. Auch nicht, wo der Juwelier sein sollte“. An der Art und der Form wie der Zeuge an dieser Stelle seine den Angeklagten konkret belastende Aussage ausrichtete, wurde deutlich, dass es dem Zeugen deutlich schwer fiel, den Angeklagten zu belasten. Dass erst die Vorhalte der Kammer den Zeugen hieran wieder erinnert hätten, seine vorherigen, vagen Angaben also Ausdruck einer Erinnerungslücke gewesen sein könnten, schloss die Kammer aus. Vielmehr wurde insbesondere an diesem zähen Ringen mit den getätigten Inhalten seiner damaligen Aussage deutlich, dass der Zeugen L1 bemüht war, den Angeklagten einer Straftat nicht konkret zu beschuldigen.
252Dass der Zeuge L1 den Angeklagten tendenziell eher entlasten als belasten wollte, hat sich auch nach einer Ergänzungsfrage der Vertreterin der Staatsanwaltschaft gezeigt, die der Zeuge L1 dahingehend beantwortete, dass er nicht gedacht habe, dass der Angeklagte das „Ding“, womit er den Juweliereinbruch meinte, noch drehen werde, nachdem er selbst nicht habe mitkommen wollen.
253Diesen Eindruck vermittelte der Zeuge L1 auch im Übrigen, indem er beispielsweise – zu dem allgemeinen Verhältnis beider befragt – schilderte, dass der Angeklagte sich, während er bei ihm in der Wohnung gewohnt habe, auch dann, wenn er, der Zeuge, mal bei seiner Freundin übernachtet habe, um alles gekümmert habe. Dieser habe gekocht und den Kühlschrank befüllt und sei für die Aufnahme in seiner Wohnung dankbar gewesen und hätte das auch gezeigt. Auch dass es dem Angeklagten darum gegangen sei, ihm mit der Anmietung der Fahrzeuge eine Freude zu machen, bestätigte der Zeuge, indem er angab, der Angeklagte habe bei der Ankündigung der Anmietung gesagt, er wolle ihm, dem Zeugen, ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Auch dies belegt, dass der Zeuge L1 zu einer differenzierten Betrachtung des Verhältnisses zum Angeklagten durchaus in der Lage ist und dies auch in seiner Aussage vermitteln wollte. Dass der Zeuge L1 über das Geschehene insgesamt auch Verärgerung verspürt und diesen Umstand auch vor der Kammer offen legte, indem er an anderer Stelle erklärte, er habe sich 40 Jahre nichts zuschulden kommen lassen, habe dem Angeklagten vertraut, ihn in seine Wohnung gelassen und dafür säße er jetzt hier, führte zu keiner anderen Bewertung der Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Vielmehr wirkte der Zeuge in der Darstellung seiner darin zum Ausdruck kommenden Gefühle authentisch. Nachvollziehbar waren die Angaben des Zeugen aus Sicht der Kammer auch insofern als dieser schilderte, er habe dem Angeklagten auch nicht ganz vertraut. Er habe nämlich einen eigenen GPS-Tracker in den B2 verbaut, so habe er immer beobachten können, wo sich das Fahrzeug gerade befunden habe. Er habe Angst gehabt, dass das teure Auto wegkäme und er als Mieter der Fahrzeuge dafür haftbar gemacht werde. Von dem Einbau des Trackers habe er dem Angeklagten jedoch nichts erzählt.
254Den Eindruck der Kammer, dass es dem Zeugen L1 gerade nicht darum gegangen ist, den Angeklagten zu belasten, haben auch die dazu vernommenen Ermittlungsführer, die Zeugen N6 und H2, bestätigt. So erklärten beide übereinstimmend zu den im Ermittlungsverfahren erfolgten Beschuldigtenvernehmungen des Zeugen L1, dass sie ihrerseits an manchen Stellen den Eindruck gehabt hätten, der Zeuge wolle den Angeklagten schützen, denn er habe in ihren Augen angesichts des Ermittlungsstandes durchaus mehr erzählen können, was er jedoch nicht getan habe. Die Zeugin H2 ergänzte noch, dass der Zeuge L1 bei seiner Vernehmung auf sie eingeschüchtert gewirkt habe. An einer Stelle, als es konkret um eine strafbare Handlung des Angeklagten gegangen sei, habe sie den Eindruck gewonnen, der Zeuge L1 habe Angst vor dem Angeklagten und befürchte, dass dieser ihm im Falle einer ihn belastenden Aussage etwas antun könne.
255Die Kammer hat der Aussage des Zeugen L1 auch insofern Glauben geschenkt, als dass dieser zu den tatsächlichen Nutzungen der Fahrzeuge erklärt hat, er habe lediglich einmal für eine Stunde den B2 allein von dem Angeklagten bekommen, um eine Spritztour mit seinem schwerkranken, mittlerweile verstorbenen Vater unternehmen zu können. Darum habe er beim Angeklagten aber betteln müssen. Ansonsten seien sie immer zu zweit gefahren. Ob der Angeklagte auch alleine gefahren sei, wisse er nicht. Daneben habe er noch eine einzige Fahrt mit dem B2 unternommen, da sei das Fahrzeug dann aber von der Polizei beschlagnahmt worden. Vorher habe er das Fahrzeug noch suchen und der Vermieter W das Fahrzeug orten müssen. Da sei der Angeklagte wohl schon inhaftiert gewesen. Anschließend habe es noch Theater mit dem Schlüssel gegeben. N T3 habe diesen zunächst nicht rausrücken wollen. Am 00.00.0000 habe er den Schlüssel aber von N T3 erhalten, sei mit dem Fahrzeug gefahren und dann sei es auch schon beschlagnahmt worden. Der Zeuge hat auf entsprechenden Vorhalt des bei der Staatsanwaltschaft Bochum geführten Ermittlungsverfahrens (Az.: 421 Js 22/21) und der Einstellungsverfügung vom 00.00.0000 seinerseits bestätigt, dass der gegen ihn erhobene Verdacht eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens letztlich eingestellt worden sei. Die Fahrzeuge hätten – so der Zeuge weiter – immer auf dem Stellplatz an der Wohnung des Angeklagten gestanden und der Angeklagte habe auch immer die jeweiligen Schlüssel gehabt.
256Die Kammer hatte keinen Anlass an der Richtigkeit dieser Angaben des Zeugen L1 zu zweifeln. Insbesondere weil sie auch – wie bereits ausgeführt – dem Eindruck entsprachen, den die Kammer einerseits von dem Angeklagten und andererseits von dem Zeugen L1 im Rahmen der Hauptverhandlung persönlich gewonnen hat. Einen diesen Angaben entsprechenden Eindruck von dem Verhältnis des Angeklagten zu dem Zeugen L1 hat im Übrigen auch der Zeuge Kevin W im Rahmen der Anmietungen der Fahrzeuge geschildert. Der Angeklagte sei extrovertiert, viel präsenter rübergekommen, der alles geregelt habe. Der Zeuge L1 sei ihm als Typ deutlich leiser vorgekommen, dieser habe nur selten etwas gesagt. Der Zeuge W hat darüber hinaus die Angaben des Zeugen L1 bestätigt, wonach er den B2, nachdem der Zeuge L1 ihm davon berichtet habe, dass das Fahrzeug für ihn nicht auffindbar sei, zunächst mittels GPS geortet und sie anschließend zusammen das Fahrzeug mit einem von ihm mitgebrachten Ersatzschlüssel zu dem Zeugen L1 gefahren hätten. Der Zeuge L1 habe zu diesem Zeitpunkt den Schlüssel des angemieteten B2 nicht besessen. Dass nicht etwa der Zeuge L1 im Besitz des Schlüssels des B2 war, sondern zuvor der Angeklagte, hat darüber hinaus die Vernehmung des Bruders des Angeklagten N T3 ergeben, der seinerseits angegeben hat, er habe auf den B2 nach der Festnahme seines Bruders zugreifen können, weil der Angeklagte den Schlüssel in dem Seitenfach des Autos eines Kollegen zurückgelassen habe. Dies widersprach wiederum der Angabe des Angeklagten, nicht er, sondern der Zeuge L1 sei immer im Besitz der Schlüssel der Fahrzeuge gewesen.
257Soweit im Dezember 0000 und damit auch kurz vor Weihnachten die Geschäfte lockdownbedingt in Nordrhein-Westfalen geschlossen waren, geht die Kammer nicht davon aus, dass der Zeuge L1 bewusst die Unwahrheit gesagt hat, indem er im Rahmen seiner Vernehmung angegeben hat, er habe sich aufgrund eines Einkaufs kurz vor Weihnachten in der Innenstadt in I und der beiläufigen Bemerkung des Angeklagten, dass bei dem Juwelier dort schon mal eingebrochen worden sei, zusammengereimt, dass der Angeklagte dort eingebrochen sei. Zum einen waren Geschäfte des täglichen Lebens, Drogerien, Apotheken und Supermärkte nach wie vor geöffnet. Zum anderen haben der Zeuge L1 und der Angeklagte viel Zeit miteinander verbracht – auch in Zeiten, in denen die Geschäfte in der Ir Innenstadt nicht geschlossen gewesen waren. Der beiläufige Hinweis des Angeklagten auf den Juwelier hätte danach auch zu einem anderen Zeitpunkt gefallen sein können, den der Zeuge L1 gegebenenfalls fälschlicherweise mit einem Einkauf vor Weihnachten in Verbindung bringt. Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang auch, dass der Zeuge L1 diesbezüglich auch nicht etwa behauptet hat, dass der Angeklagte genau dort eingebrochen sei, sondern dass er selbst, der Zeuge, diese Verbindung im Nachhinein gedanklich in einen Zusammenhang gebracht habe. Da die Beschuldigtenvernehmung des Zeugen zu dem Einbruchsgeschehen auch erst viel später, nämlich am 00.00.0000, und damit gut vier Monate nach Neujahr stattgefunden hat, und er vermutlich nicht unmittelbar nach Neujahr von dem konkreten Einbruchsgeschehen Kenntnis erlangt haben wird, ist eine zeitliche Ungenauigkeit des Zeugen L1 jedenfalls verständlich. Die dahingehende Schilderung des Zeugen ist aber so anschaulich, dass die Kammer überhaupt keinen Zweifel daran hat, dass der Zeuge diesen gedanklichen Zusammenhang hergestellt haben sollte. Angesichts des generellen, bereits geschilderten Aussageverhaltens dieses Zeugen hat die Kammer bei der Bewertung dieses Aussageinhalts jedenfalls nicht angenommen, dass der Zeuge L1 gewillt war, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten.
258Für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen L1 spricht darüber hinaus die Reaktion des Angeklagten gegenüber dem Zeugen während dessen Vernehmung. Ersichtlich emotional aufgebracht und mit durchdringendem Blick äußerte er in Richtung des Zeugen L1: „Ich weiß ganz viel über dich und sage dazu nichts. Ich könnte das alles erzählen, mache das aber nicht.“ In dieser an den Zeugen gerichteten Erklärung wird aus Sicht der Kammer deutlich, dass der Angeklagte sich damit nicht etwa über zuvor getätigte unwahre Angaben des Zeugen seine Person betreffend beschweren wollte, sondern vielmehr monierte, dass der Zeuge Dinge über ihn preisgibt, obwohl der Angeklagte selbst ganz viel über den Zeugen zu erzählen hätte, seinerseits aber schweigt. Hätte der Zeuge L1 unwahre Dinge über ihn behauptet, hätte es aus Sicht der Kammer nahe gelegen, dass der Angeklagte genau das äußert und kritisiert. Das hat der Angeklagte jedenfalls mit dieser unmittelbar an den Zeugen gerichteten Reaktion nicht getan.
259Die Kammer hat bei ihrer Prüfung der Aussage des Zeugen L1 nicht unberücksichtigt gelassen, dass auch er zeitweise im vorliegenden Verfahren (Mit- )Beschuldigter war und er sich – wie bereits dargestellt – im Rahmen polizeilicher Beschuldigtenvernehmungen auch zu gemeinsamen Tatbegehungen mit dem Angeklagten geäußert und damit selbst belastet hat. Dieser Umstand allein führte jedoch nicht dazu, dass an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben oder der Glaubwürdigkeit seiner Person – wie ausgeführt – zu zweifeln gewesen wäre.
260Vielmehr spricht nicht zuletzt für deren Richtigkeit die in weiten Teilen mit der Einlassung des Angeklagten vorhandene Übereinstimmung. Wesentliche Abweichungen stellte die Kammer lediglich hinsichtlich der Uhrzeit, zu der der Angeklagte von zu Hause losgegangen sein will, ob dies allein oder mit dem Zeugen erfolgte, der Schlüsselübergabe des B2, dem vorherigen Aufenthalt von 20-30 Minuten beim Zeugen L1 sowie bezüglich des Zeitpunktes, zu der der Angeklagte dessen Wohnung wieder verlassen haben will, fest. Die wechselnden Zeitangaben des Angeklagten waren – wie bereits dargestellt – nicht überzeugend und plausibel. Auch die Zeitdauer der einzelnen Wegstrecken erschlossen sich nach den in Augenschein genommenen Google-Maps-Auszügen und der verlesenen Routenangaben zwischen der I1 1a und der B-Str. 27, da im ungünstigsten Falle 850 Meter und ein Fußmarsch von elf Minuten zu überwinden gewesen wäre, was der Angeklagte bei Inaugenscheinnahme auch so bestätigt hat, nicht. Für den zeitlichen Ablauf, wie ihn der Zeuge L1 schildert, spricht im Übrigen, dass das Fahrzeug am 00.00.0000 um 04:50 Uhr in der B-Straße in S gestartet wurde. Danach hätte entweder der Zeuge L1 oder der Angeklagte die Wohnung des Zeugen spätestens gegen 04:40 Uhr verlassen müssen. Soweit der Angeklagte behauptete, der L1 habe den Autoschlüssel gehabt, hätte dieser zeitlich vor dem Angeklagten seine eigene Wohnung verlassen müssen. Das haben aber sowohl der Angeklagte als auch der Zeuge L1 nicht behauptet.
261Gegen die Täterschaft des Angeklagten spricht schließlich auch nicht, dass dieser am 6. Hauptverhandlungstag erklärt hat, er habe von der GPS-Ortung der Fahrzeuge gewusst. Davon geht die Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme nämlich nicht aus. Der Vermieter der Fahrzeuge, der Zeuge W, bekundete dazu befragt glaubhaft, er sage seinen Kunden eigentlich grundsätzlich, dass die Autos bei einem Diebstahl, insbesondere bei einer Verbringung der Fahrzeuge über die deutsche Grenze, geortet werden könnten, er sich die Fahrzeuge aber hinsichtlich deren Wegstrecken ansonsten nicht ansehe. Es könne aber sein, dass er den Angeklagten auch hierauf nicht hingewiesen habe. An anderer Stelle seiner Vernehmung, als es um das Wiederauffinden des verloren gegangenen B2 ging, bekundete der Zeuge, dass er nach S gekommen sei, um das Auto zu suchen und dem Zeugen L1 am Telefon noch nicht gesagt habe, dass die Möglichkeit bestehe, das Auto durch Ortung wiederzufinden. Dies könnte dafür sprechen, dass von einer Ortungsmöglichkeit bei Anmietung der Fahrzeuge noch nicht die Rede gewesen war. Der Zeuge L1 bekundete dazu befragt ebenfalls glaubhaft, dass er sich nicht daran erinnern könne, dass bei der Anmietung über die Möglichkeit einer GPS-Ortung gesprochen worden sei. Er selbst gehe auch davon aus, dass der Angeklagte davon nichts gewusst habe. Über eine Ortungsmöglichkeit der Fahrzeuge habe er mit dem Angeklagten jedenfalls erst nach der Anmietung des B2 ab dem 00.00.0000 gesprochen.
262Nach alledem geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte am 00.00.0000 nicht positiv gewusst hat, dass eine GPS-Ortung des B2 auch ohne Abhandenkommen des Fahrzeugs möglich war bzw. erfolgen würde. Das bei der Tat genutzte Fluchtfahrzeug B2 ist zu keinem Zeitpunkt entwendet worden, so dass – selbst bei der Annahme einer dementsprechenden Aufklärung durch den Zeugen W – dem Angeklagten nicht notwendigerweise klar gewesen sein muss, dass eine nachträgliche Ortung des von ihm genutzten Fluchtfahrzeugs erfolgen würde. Darüber hinaus ist fraglich, ob dem Angeklagten nach einer ab dem 06.08.2013 erfolgten siebenjährigen Freiheitsentziehung eine solche technische Möglichkeit am 00.00.0000 positiv bekannt war. Aber selbst wenn der Angeklagte als autoaffiner Mensch von einer Ortungsmöglichkeit gewusst haben sollte, hätte dieser Umstand nicht notwendigerweise dazu führen müssen, dass der Angeklagte von der Nutzung des B2 als Fluchtfahrzeug abgesehen hätte. Denn dass ein Zusammenhang zwischen diesem als genutztem Fluchtfahrzeug und dem Einbruchsgeschehen besteht, lag nicht unmittelbar auf der Hand. Zum einen hatte der Angeklagte den B2 nicht in unmittelbarer Nähe zu dem Juweliergeschäft B3 abgestellt, sondern er nahm die Flucht zunächst fußläufig auf. Eine direkte Zuordnung durch das Tatgeschehen zufällig beobachtende Passanten war dadurch erheblich erschwert und ist vorliegend auch durch die Zeugin K3, die den Angeklagten nur ein Stück weit hat weglaufen sehen und anschließend kein Motorengeräusch wahrgenommen hat, auch nicht erfolgt. Zum anderen wäre jedenfalls zunächst – für den Fall, dass ein Zusammenhang zwischen dem Tatgeschehen und dem B2 als Fluchtfahrzeug hergestellt worden wäre – nicht etwa der Angeklagte, sondern S2 L1 am 00.00.0000 als Mieter des B2 und vermuteter Nutzer ermittelt worden.
263Die Angaben der von dem Angeklagten benannten Zeugin S3 T5 vermögen den Angeklagten nicht zu entlasten. Die Kammer hatte an der Verlässlichkeit der Bekundungen dieser Zeugin, insbesondere was den von ihr geschilderten Zeitpunkt der Rückkehr des Angeklagten am Neujahrsmorgen betraf, erhebliche Zweifel.
264Die Zeugin T5 hat zu dem Ablauf des Silvesterabends angegeben, der Angeklagte habe sie am 00.00.0000 eigentlich um 20:30 Uhr abholen wollen, er sei aber erst um 20:45 Uhr an ihrer Wohnanschrift angekommen. Wegen ihres nervösen Terrier-Hundes habe sie draußen auf der Straße gewartet, damit dieser nicht anschlage, wenn geschellt werde. Sie habe mit ihren Taschen auf der Straße stehend gewartet, es sei kalt gewesen. Nachdem der Angeklagte dann erschienen sei, seien beide mit einem Sportwagen in die Wohnung des Angeklagten gefahren. Dort hätten sie schnell miteinander geschlafen. Um 20 Minuten vor 22:00 Uhr habe sie nach dem Sexualverkehr, im Bademantel sitzend, ihre Stationsleitung und Freundin angerufen, um mitzuteilen, dass alles in Ordnung sei. Diese würde sich nämlich immer große Sorgen machen, wenn sie, die Zeugin T5, einen Mann träfe, den ihre Freundin nicht kenne. Zuvor habe sie dieser das aber schon per Textnachricht mitgeteilt, dass alles in Ordnung sei, da ihre Freundin das Klingeln ihres Telefons bei einem vorherigen Versuch, diese anzurufen, wohl zunächst nicht gehört habe. Der Angeklagte habe dann gekocht und sie hätten im Anschluss daran gegessen und sich unterhalten. Kurz vor Mitternacht hätten sie erneut miteinander geschlafen. Der Angeklagte habe dann gesagt, er gehe zu einem Freund, woraufhin er das Essen eingepackt habe. Das habe sie durchaus etwas irritiert, aber da sie sehr müde gewesen sei, habe sie ihn gehen lassen. Sie meine, es sei fünf nach halb zwei oder 20 Minuten vor 02:00 Uhr gewesen, als es geklingelt habe. Um 01:45 Uhr sei der Angeklagte dann gegangen. Sie beide seien dann erst wieder am Morgen aufeinander getroffen. Der Angeklagte habe sie geweckt, indem er ein Kissen neben sie geworfen habe. Sie habe auf ihr Telefon gesehen, sei zur Toilette gegangen und habe sich anschließend neben ihn gelegt. Da sei es 06:10 Uhr oder 06:15 Uhr gewesen und sie habe sich gedacht, dass sie schon wieder nur so kurz geschlafen habe und dass sie um diese Uhrzeit nicht wieder gut einschlafen könne, sondern erst wieder gegen 09:00 Uhr. Sie hätten dann erst wieder miteinander geschlafen und sie habe zunächst Geschirr gespült, weil sie nicht habe einschlafen könne. Dann habe sie sich wieder ins Bett gelegt, sei eingeschlafen und als sie aufgewacht sei, habe der Angeklagte im Sessel gesessen. Dann hätten sie ihrer Erinnerung nach gefrühstückt, ferngesehen und sich wieder zusammen hingelegt. Sie seien bis zum 03.01.2021 zusammen gewesen, da sie erst am Montag wieder habe arbeiten müssen. Der Angeklagte sei in dieser Zeit auch immer mal zwischendurch längere Zeit weg gewesen, sie habe dann in seiner Wohnung geschlafen, gespült oder Spiele gespielt. Der Angeklagte habe sie nach den Tagen am Montag wieder mit dem Sportwagen nach Hause in die C5-Straße gefahren.
265Die Kammer hatte hinsichtlich der von der Zeugin angegebenen Uhrzeiten, wann sie welches Ereignis des Abends verortete, Zweifel an der Verlässlichkeit ihrer Angaben. Auf Nachfrage, warum sie sich die Uhrzeiten dieses Abends überhaupt und in so exakter Form gemerkt haben will, bekundete die Zeugin, dass sie das immer so mache. Sie und ihr Vater hätten „komische Gehirne“, weswegen sie sich an vieles gut erinnern könne. Sie würde sich immer die Uhrzeiten merken, sie bräuchte das. Zum Beispiel schaue sie auf der Arbeit immer auf die Uhr, wenn etwas Bestimmtes noch nicht gemacht worden sei. Diese Erklärung überzeugte die Kammer nicht. Zwar ist die Bekundung der Zeugin, auf der Arbeit auf die Uhr zu schauen, wenn bestimmte Dinge noch nicht erledigt worden sind, durchaus nachvollziehbar. Dass sie dies aber im Rahmen eines ersten privaten Treffens mit dem Angeklagten, dessen Verlauf und Ende völlig offen war, ebenso gemacht haben soll, war nicht verständlich. Hinsichtlich des in diesem Verfahren wichtigen Zeitpunktes, nämlich der konkreten Rückkehr am 00.00.0000, überzeugte die nähere Erklärung der Zeugin auch nicht, was sie nach dem frühen Erwachen gedacht haben will. Dass sie in Sorge über einen zu kurzen Schlaf gewesen sein sollte, erschloss sich schon vor dem Hintergrund nicht, dass die Zeugin an dem Tag und den Folgetagen Urlaub hatte und sowohl am 00.00.0000 als auch den Folgetagen – wie von ihr bekundet – mühelos in der Lage war, ihr Schlafbedürfnis ausreichend zu stillen. Im Hinblick darauf, dass sich kurz zuvor eine Verlobung mit dem Angeklagten ereignet hatte und beide sich nach langen Jahren erstmalig wieder getroffen haben, erscheint eine solche Sorge auch eher ungewöhnlich. Nach entsprechendem Vorhalt, dass es auch angesichts des Zeitablaufs seit dem 00.00.0000/00.00.0000 ungewöhnlich sei, dass sie sich die jeweiligen Uhrzeiten so genau gemerkt habe, erklärte die Zeugin – insoweit einschränkend –, dass sie meine, es sei 01:45 Uhr gewesen, als der Angeklagte seine Wohnung am frühen Morgen des 00.00.0000 verlassen habe. Eine Abweichung von fünf oder zehn Minuten hielte sie für möglich. Auf weiteren Vorhalt, dass es nach der bisher durchgeführten Beweisaufnahme jedenfalls fraglich sei, dass der Angeklagte erst so spät wieder bei ihr eingetroffen sein soll, schränkte die Zeugin ihre vorherigen Angaben auch insoweit erneut dahingehend ein, dass sie meine, sie habe auf ihrem Handy, bei dem es sich um kein Smartphone handele, viertel nach oder zehn nach 6 Uhr gesehen. Sie meine, als das Kissen flog, habe sie schauen wollen, wie spät es sei und sich ihr Telefon genommen. Davon abgesehen gründeten sich weitere Zweifel an der Verlässlichkeit der Angaben der Zeugin T5 hinsichtlich ihrer Merkfähigkeit von Ereignissen, da sie erst auf mehrmalige – zunächst offene, dann konkrete – Nachfrage, ob an dem Abend noch etwas Wichtiges, zum Beispiel eine Verlobung, vorgefallen sei, ihre Verlobung mit dem Angeklagten erinnerte. Dies verwunderte insbesondere angesichts des Umstands, dass die Zeugin ansonsten noch viele Einzelheiten ungefragt zu erzählen wusste, etwa, dass sie den Angeklagten, als dieser die Wohnung verlassen habe, noch um die Besorgung einer Zahnbürste gebeten haben will. Da die Zeugin im Rahmen ihrer Vernehmung durchweg einen dem Angeklagten über alle Maßen zugewandten Eindruck machte, verwunderte das anfängliche Vergessen dieses Ereignisses umso mehr. Insgesamt vermittelte die Zeugin T5 im Rahmen ihrer Vernehmung den Eindruck, als würde sie erheblich unter dem Einfluss des Angeklagten stehen, was sich unter anderem auch daran zeigte, dass sie auf eine Frage, die das innerfamiliäre Verhältnis des Angeklagten betraf, mit einem unsicheren, zu dem Angeklagten gewandten Blick zunächst äußerte „der Sven will nicht, dass ich das erzähle“. Dass die Zeugin sich im Zeitpunkt ihrer Vernehmung jedenfalls der Wichtigkeit des Rückkehrzeitpunktes am 00.00.0000 bewusst gewesen ist, kann die Kammer annehmen, da die Zeugin T5 auf Nachfrage bestätigt hat, dass sie im Rahmen der ersten gegen den Angeklagten geführten und später ausgesetzten Hauptverhandlung oftmals im Zuschauerraum anwesend gewesen sei und den Gang der Beweisaufnahme verfolgt habe. Darüber hinaus ergeben sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen aber auch Zweifel an der von der Zeugin T5 dargestellten guten Merkfähigkeit von Zeitpunkten und somit der Verlässlichkeit ihrer diesbezüglichen Angaben. Denn nach den in die Hauptverhandlung eingeführten GPS-Daten des B2 wurde dieser von dem Angeklagten am 00.00.0000 erst um 21:08 Uhr an seiner Wohnanschrift, der B-Straße in S, gestartet, befuhr um 21:18 Uhr die C5 179 und verließ diese drei Minuten später. Erst um 21:34 Uhr traf das Fahrzeug wieder an der Anschrift B-Straße, S ein, wo die Zündung ausgeschaltet wurde. Damit übereinstimmend hat auch der Angeklagte angegeben, die Zeugin T5 erst um 21:00 Uhr/21:30 Uhr zu Hause abgeholt zu haben. Hiernach können aber sowohl die Angaben der Zeugin T5, der Angeklagte habe sie bereits um 20:45 Uhr abgeholt und sie habe bereits um 21:40 Uhr – nach dem Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten – mit ihrer Stationsleitung telefoniert, nachdem sie dieser zuvor noch eine Textnachricht geschickt und vergeblich versucht haben will, diese anzurufen, nicht zutreffend sein. Die Kammer verkennt bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage dieser Zeugin nicht, dass der eigentliche Verlauf der Ereignisse des Abends von ihr zutreffend wiedergegeben worden sein dürften, auch nimmt die Kammer an, dass der Angeklagte irgendwann wieder zu ihr in die Wohnung B-Straße 27 zurückgekehrt sein wird und sie die weiteren Tage zusammen verbracht haben werden. Da es jedoch gerade auf die Erinnerungsfähigkeit und –willigkeit der Zeugin, was den genauen Rückkehrzeitpunkt des Angeklagten betrifft, ankommt, an denen die Kammer – wie dargestellt – erhebliche Zweifel hatte, vermochten die Angaben der Zeugin T5, dieser sei bereits um kurz nach 06:00 Uhr bei ihr gewesen und geblieben, was eine Tatbegehung am 01.01.2021 ab 06:26 Uhr unmöglich gemacht hätte, den Angeklagten nicht zu entlasten.
266Der im Übrigen vernommene Zeuge Sahin Kurt vermochte zu dem eigentlichen Tatgeschehen bzw. zu der Wegstrecke, die der Angeklagte mit dem Fluchtfahrzeug B2 nahm, keine relevanten Angaben machen. Nachdem sowohl die ermittelnden Polizeibeamten in der Tatnacht als auch die Kammer zunächst davon ausgegangen waren, der Zeuge habe das Fluchtfahrzeug aus dem Parkhaus Q 20/22, I fahren sehen, stellte sich in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor der Kammer heraus, dass er zwar tatsächlich gegen 07:00 oder 08:00 Uhr ein Fahrzeug, seiner Ansicht nach allerdings einen B2, aus einem Parkhaus hat fahren sehen. Allerdings handelte es sich nach den Angaben des Zeugen um ein weiter südlich auf der Q gelegenes weiteres Parkhaus. Aufgrund der eingeführten GPS-Auszüge konnte festgestellt werden, dass sich der B2 um diese Uhrzeit nicht in der südlich von der W2-Straße weiterführenden Q in I befunden hat. Da der Zeuge L6 zudem angegeben hat, er habe das Fahrzeug nur kurze Zeit, bevor er mit Polizeibeamten gesprochen habe, die ein mögliches Fluchtfahrzeug gesucht hätten, mit überhöhter Geschwindigkeit wegfahren sehen, konnte der Zeuge L6 denknotwendig jedenfalls nicht das bereits um 06:47 Uhr wegfahrende Fluchtfahrzeug des Angeklagten gesehen haben. Aufgrund des erst um 06:46 Uhr eingehenden Notrufes der Zeugin K3 schied dies zeitlich aus.
267Gegen eine Täterschaft des Angeklagten spricht schließlich nicht, dass nach der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte am 00.00.0000 dem Zeugen Kevin W bei der erneuten Anmietung des B2 solchen Schmuck zum Kauf angeboten hat, der aus dem Einbruchsgeschehen einen Tag zuvor bei der Firma B3 stammte. Die Kammer hat mit dem Zeugen W die vom Zeugen C10 zur Verfügung gestellten Lichtbilder, auf der der entwendete Schmuck vom 00.00.0000 der Art nach zu sehen ist, in Augenschein genommen. Der Zeuge W vermochte sich jedoch lediglich an einen ihm vorgelegten Armreif erinnern und bekundete, dass er sich im Übrigen an keine weiteren Schmuckstücke erinnern könne. Dass es sich bei dem dem Zeugen W vorgelegten Schmuck um den einen Tag zuvor entwendeten Schmuck oder generell aus einem Einbruchsgeschehen stammenden Schmuck handeln könnte, hat der Angeklagte seinerseits abgestritten und erklärt, dieser stamme von Freunden, deren Väter mit Schmuck handelten, was eine Einnahmequelle für ihn dargestellt habe. Diese Angaben waren aus Sicht der Kammer nicht zu widerlegen. Dass er dem ihm unbekannten Zeugen W in solch zeitlich nahem Zusammenhang Schmuckstücke aus einem Einbruchsgeschehen vorlegen würde, war aber angesichts weiterer Ausführungen des Angeklagten eher fernliegend. So hat der Angeklagte zu einer bei seiner Wohnungsdurchsuchung sichergestellten, deutliche Gebrauchsspuren aufweisenden weißen Sturmmaske erklärt, dass diese nicht von ihm stamme. Er wäre „nicht so blöd“, eine von ihm bei einer Tat gebrauchte Maske in seiner Wohnung aufzubewahren, da er ja wisse, dass die Polizei die Wohnungen durchsuche und solche Sachen beschlagnahme. Dann wäre das ja ein Beweismittel. Er würde eine Maske nach einem Überfall direkt entsorgen. Wenn der Angeklagte hiernach aber schon mit bei Taten getragener Bekleidung so sorgsam umzugehen weiß, war nicht anzunehmen, dass er die Tatbeute auf diese Weise abzusetzen versuchen würde. Hieraus folgernd ist im Übrigen auch nicht weiter verwunderlich, dass im Zeitpunkt der beim Angeklagten durchgeführten Wohnungsdurchsuchung, unabhängig von dem zeitlichen Ablauf, auch keine Beute aus den verfahrensgegenständlichen Taten aufgefunden werden konnte. Vor dem Hintergrund der Angaben des Angeklagten, wie er generell mit bei Straftaten getragener Kleidung verfahren würde, sprach dies jedenfalls nicht gegen eine mögliche Täterschaft des Angeklagten.
268Dass im Rahmen der Beweisaufnahme nicht geklärt werden konnte, wohin der Angeklagte ging oder sich aufhielt, als er den B2 um 06:53 Uhr auf der Straße I4 in S abstellte, sprach ebenfalls nicht gegen seine Täterschaft. Die Ermittlungsführer H2 und N6 haben im Rahmen ihrer Vernehmungen bekundet, dass die diesbezüglich angestrengten Ermittlungen kein Ergebnis erbracht hätten. Auch die übrigen hierzu vernommenen Zeugen S2 L1 und N T3 haben – dazu vor der Kammer befragt – erklärt, dass ihnen diese Anschrift nichts sagen würde. Nach den GPS-Daten steht jedoch fest, dass das Fahrzeug von dort aus um 10:33 Uhr am 00.00.0000 wieder zur Wohnanschrift des Angeklagten gebracht wurde und dort zunächst bis zum 00.00.0000 verblieb. Hieraus und aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte mit dem Zeugen L1 das Fahrzeug an eben diesem Tag wieder zur Firma W fuhr und der Angeklagte nachfolgend die Zeugin T5 damit wieder nach Hause brachte, folgt jedoch gleichwohl, dass das Fahrzeug dem unmittelbaren Zugriffsbereich des Angeklagten unterfiel. Dies wiederum sprach im Übrigen dagegen, dass ein unbekannter Dritter sich des Audi RS7 als Fluchtfahrzeug nach dem Einbruchsgeschehen beim Juweliergeschäft B3 bedient hätte. Denn ansonsten hätte der Angeklagte, der nach eigenen Angaben nur über einen einzigen Fahrzeugschlüssel verfügt hat, nur schwerlich am 00.00.0000 oder an den Folgetagen auf das Fahrzeug zugreifen können.
269Die getroffenen Feststellungen zu der Entfernung zwischen der Wohnung des Zeugen L1 und der des Vaters des Angeklagten auf der C3 11 in S beruhen auf dem in Augenschein genommenen Google-Maps-Auszug und der Verlesung der diesbezüglichen Routenangaben, welche durch den Angeklagten ebenfalls als zutreffend bestätigt wurden.
270d) Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 09.06.2021, Az.: 46 Js 127/21)
271Auch das Tatgeschehen zum Nachteil der Geschädigten G hat der Angeklagte pauschal in Abrede gestellt. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Angeklagte jedoch dieser Tat überführt.
272Die Feststellungen zu den äußeren Rahmenumständen der Tat, der Lage und Aufteilung des Wohnhauses nebst vorheriger Vermietung der oberen Etage sowie der Tatsache, dass sich die Geschädigte in der Tatnacht alleine in dem Wohnhaus befand, beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin G. Diese hat darüber hinaus den Ablauf des Tatgeschehens und das der Tat nachfolgende Geschehen, insbesondere ihren Fluchtversuch aus dem Schlafzimmer, ihre dadurch entstandenen Verletzungen sowie die aufgenommene Verfolgung des Täters – wie festgestellt – im Rahmen ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung vor der Kammer überzeugend geschildert. Ein Gesichtspunkt, der Anlass zu Zweifeln an den Angaben der Zeugin geben könnte, ist nicht zutage getreten.
273So hat die Zeugin insbesondere ihr anfängliches überrascht sein ob des in ihrem Schlafzimmer des Nachts befindlichen Täters, dessen Suche nach Beute, die an sie gerichtete Ermahnungen zur Ruhe, da sie sich ihm mit ihren Worten und tatsächlich in den Weg gestellt habe, ebenso wie den leichten Stoß, den der Täter ihr gegen den Brustbereich versetzt habe, woraufhin sie zunächst auf das Bett gefallen sei, und das anschließende Einschließen durch diesen aufgrund des außen im Schloss steckenden Schlafzimmerschlüssels flüssig und eigenständig beschrieben. Im Rahmen ihrer Erzählung wurde deutlich, dass die Zeugin stets ein konkretes Bild der Ereignisse vor Augen hatte. Inhaltlich waren die Angaben der Zeugin durch Detailreichtum, logische Konsistenz und die stimmige Schilderung räumlich-zeitlicher Verknüpfungen geprägt. Daneben hat die Zeugin auch ihre das Tatgeschehen begleitenden Emotionen, nämlich dass sie noch mit dem Täter im Schlafzimmer befindlich zunächst Wut ob des unberechtigten Eindringens in ihren privaten Bereich verspürt und sie anschließend – im Schlafzimmer eingeschlossen – Angst und Panik ergriffen und sie gedacht habe, der Täter komme noch einmal zurück, nachvollziehbar geschildert. Letzteres habe sie veranlasst aus dem 1,80 Meter hohen Schlafzimmerfenster nach draußen zu klettern, da sie andere Hilfsmöglichkeiten einfach nicht gesehen habe. Die Zeugin wirkte auch im Rahmen ihrer Emotionsschilderungen, wie auch im Übrigen, authentisch. Durchgängig waren die Angaben der Zeugin von einer hohen Objektivität geprägt.
274Der festgestellte zeitliche Ablauf, insbesondere dass der Angeklagte nach dem Einschließen der Zeugin noch ca. 10 Minuten lang das Haus nach mitnehmenswerten Gegenständen durchsuchte und erst sodann die metallene Geldkassette mit Münzgeld und alten Schlüsseln an sich nahm und nachfolgend mitsamt der übrigen festgestellten Gegenstände aus dem Haus transportierte, beruht ebenso auf den glaubhaften Angaben der Zeugin G. Diese hat nämlich angegeben, dass ihr, als der Täter sich noch in ihrem Schlafzimmer befunden habe, nur die Taschenlampe und kein weiterer getragener Gegenstand in dessen Hand aufgefallen sei. Vielmehr habe dieser zunächst auch noch den Eckschrank des Schlafzimmers durchsucht. Auch das klappernde, metallene Geräusch, was die Zeugin der entwendeten Geldkassette zuordnete, habe sie im Schlafzimmer nicht gehört. Vielmehr sei ihr dieses Geräusch erst aufgefallen, als sie hinter dem Fahrzeug befindlich den Hauseingang beobachtet habe und der Täter weggelaufen sei. Da habe sie auch sehen können, dass der Täter etwas in der Hand gehalten habe. Die zeitliche Verweildauer des Angeklagten nach dem Einsperren ihrer Person hat die Zeugin darüber hinaus schlüssig mit ca. zehn bis zwölf Minuten angegeben. Zum einen habe sie eine Weile gebraucht, sich dafür zu entschließen aus dem Fenster zu klettern. Letztlich habe das Herausklettern auch einige Zeit in Anspruch genommen. Bis sie bei ihrer Nachbarin angekommen sei, wären schon circa fünf Minuten vergangen gewesen. Dort habe sie erst lange schellen und warten müssen, da ihre Nachbarin bereits geschlafen habe. Ehe sie ihr alles habe erklären können, seien bestimmt fünf weitere Minuten ins Land gegangen. Anschließend habe sie noch etwas hinter dem Auto gewartet, bis der maskierte Täter an der Tür erschienen sei und die Flucht angetreten habe.
275Die Angaben zum festgestellten Fluchtweg des Angeklagten beruhen ferner auf den auch insoweit glaubhaften Angaben der Zeugin G, die angegeben hat, der Täter sei nach rechts in einen kleinen Weg gelaufen, der ihr Haus, welches das letzte Haus der T7 Straße bilde und am Ende einer Sackgasse liege, mit der L4-Straße verbinde. Sie vermute, der Täter sei über diese L4-Straße hinweg in einen weiteren, schräg gegenüber verlaufenden kleinen Weg gelaufen, da sie ihn auf dieser großen Hauptverkehrsstraße nicht mehr habe entdecken können. Bis dahin sei die dem Täter nämlich noch mit einem gewissen Sicherheitsabstand gefolgt. Auch habe sie das Starten eines Fahrzeugs in der ansonsten geräuscharmen Nacht nicht vernehmen können.
276Die Kammer erachtet die Zeugin G auch als glaubwürdig. Wie bereits dargestellt, ließ die Aussage keinen Belastungseifer zum Nachteil des Angeklagten erkennen. So hat die Zeugin von sich aus und erneut auf Nachfrage erklärt, im Schlafzimmer habe der Angeklagte ihr lediglich einen leichten, keinen schweren Stoß gegen die Brust versetzt. Auch bei der Schilderung der für sie psychisch entstandenen Folgen entstand zu keiner Zeit der Eindruck, als wolle sie den Angeklagten schwerer belasten.
277Die Aussage der Zeugin G war auch durchweg konstant, was die zeugenschaftlichen Vernehmungen der Polizeibeamten N7, C11 und H2 vor der Kammer belegen.
278So hat die Zeugin G gegenüber dem die Strafanzeige gegen 04:00 Uhr am Tattag aufnehmenden Kriminalbeamten N7 bekundet, sie sei wach geworden, als jemand an ihrem Bett gestanden habe. Der Täter sei vermummt gewesen. An verbaler Kommunikation seien nur Einwortsätze, und zwar „Ruhe“ und „Geld“ geäußert worden. Sie sei von dem Täter geschubst und im Zimmer eingesperrt worden, weswegen sie aus dem Fenster geklettert sei und die Polizei über die Nachbarin verständigt habe. Nachdem sie die Nachbarin gebeten habe, die Polizei zu rufen, habe sie sich versteckt, um den Täter zu beobachten, wie er aus dem Haus heraustrete. Dies habe sie dann auch tatsächlich beobachten können; dabei habe der Täter eine Geldkassette in der Hand gehabt. Der Zeuge N7 gab ferner an, dass das Schlafzimmerfenster der Zeugin ca. 1,80 – 2,00 Meter über dem Erdboden liege. Zum Hauseingang müsse man erst drei bis vier Stufen erklimmen.
279Der Zeuge C11, der die Zeugin am 02.03.2021 zusammen mit dem Zeugen N6 gegen kurz nach 09:15 Uhr erneut aufgesucht und mit diesem zusammen das nähere Tatortumfeld abgesucht und weitere Ermittlungen angestrengt hat, hat seinerseits bekundet, die Zeugin G habe ihnen berichtet, dass sie im Schlaf durch den Taschenlampenschein in ihr Gesicht überrascht worden sei. Die Kommunikation mit dem Täter sei lediglich über Einwortsätze gelaufen. Sie sei dann eingeschlossen worden, zu der Nachbarin gelaufen und habe sehen können, wie der Täter das Haus verlassen habe.
280Darüber hinaus hat die Vernehmung der Ermittlungsführerin und Polizeibeamtin H2, die ihrerseits die Zeugin G am 00.00.0000 ausführlich zu dem Tatgeschehen vernommen hat, keine Widersprüche zu der vor der Kammer gemachten zeugenschaftlichen Aussage der Zeugin G ergeben. Den Tatablauf schilderte die Zeugin G auch dieser gegenüber in gleicher Weise und damit konstant.
281An der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen N7, C11 und H2 oder der Glaubwürdigkeit ihrer Personen bestanden keine Zweifel.
282Bestätigung haben die Angaben der Zeugin G hinsichtlich des von ihr möglich gehaltenen bzw. beschriebenen Fluchtweges des Täters auch durch die weiteren Angaben der dazu vernommen Zeugen Menge und C11 gefunden. Die Zeugen Menge und C11 gaben – hierzu befragt – übereinstimmend und glaubhaft an, die Zeugin G habe auch ihnen gegenüber am 00.00.0000 die Vermutung geäußert, dass der Täter über die L4-Straße hinweg in einen weiteren schräg gegenüber verlaufenden kleinen Weg gelaufen sei. Vor diesem Hintergrund seien sie gegen 10:00 Uhr, nachdem sie die Zeugin befragt hätten, diesen Weg abgelaufen. Auf eben diesem, von der Zeugin beschriebenen Weg, der auf einen Spielplatz zulaufe, hätten sie rund 100 Meter vom Tatort entfernt einen Brustbeutel aus Jeansstoff gefunden, der neben dem Weg zwischen Bäumen gelegen habe. Zur Überprüfung, ob der Fund im Zusammenhang mit der Tat stehe, sei ein Lichtbild gefertigt und dieses sodann der Zeugin gezeigt worden. Nachdem die Zeugin G vor Ort bestätigt habe, dass es sich um ihren, ca. 40 Jahre alten Brustbeutel handele, sei dieser spurenschonend gesichert und an die Rechtsmedizin Essen zum Zwecke der molekulargenetischen Untersuchung übersandt worden. Im Laufe des Verfahrens hat der Zeuge N6 auf Bitten der Kammer Lichtbilder vom genauen Fundort des Brustbeutels angefertigt, die im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden, sowie eine Entfernungsmessung zwischen dem Wohnhaus der Zeugin G und dem Fundort vorgenommen. Die Entfernungsmessung ergab nach Angaben des Zeugen N6 dabei eine Wegstrecke von 108,1 Metern, wobei die Kammer sich – entsprechend der Aussage des dazu vernommenen Zeugen N6 – bewusst ist, dass es sich dabei allein aufgrund der nachfolgend erfolgten Wegstreckenbemessung nur um eine ungefähre Größenordnung handeln kann.
283Dass es sich bei dem sichergestellten Brustbeutel aus Jeansstoff um den ihren handelt, hat die Zeugin G nach Inaugenscheinnahme im Rahmen der Hauptverhandlung bestätigt und angegeben, dass dies der bei dem Überfall entwendete, ca. 40 Jahre alte Brustbeutel sei, der immer in der Schreibtischschublade im Arbeitszimmer gelegen habe. Desgleichen haben die Zeugen N6 und C11 nach Inaugenscheinnahme des asservierten Brustbeutels ihrerseits bestätigt, dass es sich um den von ihnen noch am Tattag sichergestellten Beutel handeln würde. An der Richtigkeit dieser Angaben bestanden keinerlei Zweifel. Die Kammer hat aus den Aussagen der Zeugen G, C11 und Menge den Schluss ziehen können, dass der Angeklagte den Brustbeutel nach der Tatbegehung entweder weggeworfen oder dort verloren hat.
284Die Feststellungen zu den entwendeten Gegenständen, deren Inhalt und Wert beruhen auf den insoweit ebenfalls glaubhaften Angaben der Zeugin G. Zweifel an der Richtigkeit dieser Schilderungen ergaben sich nicht. Zumal die Zeugin insbesondere auch diesbezüglich sehr differenziert ausgesagt hat, indem sie von sich aus angab, sie könne heute nicht mehr sicher sagen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich in dem entwendeten Brustbeutel am Tag des Überfalls noch Fremdwährungen befunden hätten. Ihr Ehemann und sie hätten diesen Beutel, der ursprünglich ihren heute erwachsenen Kindern gehört habe, allerdings all die Jahre zum Zwecke der Aufbewahrung übrig gebliebenen Urlaubsgeldes ausländischer Währungen verwandt. Des Weiteren erklärte sie hinsichtlich des entwendeten Bargeldes, dass der Täter wohl auf dem Schreibtisch im Arbeitszimmer einen 50 Euro-Schein, den sie am Tag zuvor dort abgelegt habe, übersehen habe, dieser sei nicht entwendet worden. An Bargeld seien lediglich die 60,- Euro aus ihrem Portemonnaie, aus der Herrenhandtasche ihres Mannes die 200,- Euro und die DM-Sonderprägungen (Münzwert: 17,00 DM) weggekommen. Aus Sicht der Kammer zeigten die Angaben auch, dass die Zeugin sich erinnerungskritisch zeigt, was für den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage und das Bemühen der Zeugin um zutreffende Schilderungen sprach.
285Dass der Angeklagte zwecks Vermeidung von Spuren noch die Schlüssel der geöffneten Schränke, Kommoden und Schubladen mit einer öligen Substanz übergossen hat, zu deren genauer Beschaffenheit bzw. Herkunft Feststellungen nicht getroffen werden konnten, beruhen auf den übereinstimmend diesen Umstand bestätigenden Angaben der Zeugen G, N7 und L7. Zudem ergab sich dieser Umstand auch aufgrund der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder vom Tatort. Die zurückgebliebenen Lachen der Flüssigkeit befanden sich immer genau dort, wo sich der jeweilige Öffnungsmechanismus der Möbelstücke bzw. Schubladen befand bzw. auf dem Fußboden darunter. Die Zeugin G gab hierzu an, dass sie nachfolgend die Vermutung gehabt habe, dass es sich der Farbe und Konsistenz nach um ihr Hanföl gehandelt haben könnte, da ihr in den folgenden Tagen nach dem Überfall das Fehlen desselben in ihrem Kühlschrank aufgefallen sei.
286Darüber hinaus konnte sich die Kammer durch Inaugenscheinnahme von Lichtbildern ein zusätzliches Bild von den Örtlichkeiten und den Spuren des Einbruchs machen. Widersprüche zu der Aussage der Zeugin G traten auch danach an keiner Stelle auf.
287Die Feststellungen zu den Verletzungen der Zeugin G sowie den psychischen Folgen der Tat hat die Kammer ebenfalls auf die glaubhaften Angaben der Zeugin G gestützt. Auch insoweit ließ ihre Aussage trotz der für sie mit der Tat einhergehenden Folgen keinen Belastungseifer zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die von der Zeugin G gemachten Angaben wurden daneben bestätigt und untermauert durch das sie bestätigende und in die Hauptverhandlung eingeführte Attest ihres Hausarztes C17 vom 00.00.0000. Auch die von den Verletzungen im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder belegten die Angaben der Zeugin G, auf welchen Hämatome im Bereich eines Handgelenks, der Fußsohlen, des Fußknöchels und des rechten Oberschenkels zu erkennen sind. Zudem weist der Knöchel eine deutlich sichtbare Schwellung auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Verletzungsbildes wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder Bl. 85 bis 91 des Sonderordners Nachträge Band 2 (46 Js 81/21) verwiesen. Hinsichtlich des Ausmaßes der auf den Lichtbildern sichtbaren Hämatome erklärte die Zeugin G – was erneut den mangelnden Belastungseifer dieser Zeugin deutlich werden ließ –, dass sie Blutverdünner einnehmen müsse, wodurch sie generell zu einer schnelleren Bildung und größeren Ausprägung von Hämatomen neige. Diesen Umstand hat die Kammer bei der Bewertung des Verletzungsbildes auch einschränkend bedacht.
288Nach der durchgeführten Beweisaufnahme konnte nicht festgestellt werden, wie sich der Angeklagte Zutritt zum Haus verschafft hat. Die Zeugin G führte zu dieser Frage aus, dass im Rahmen einer anschließenden, von ihr erbetenen Sicherheitsberatung durch die Polizei der Verdacht geäußert worden sei, der Täter hätte über den Briefkastenschlitz die Türklinke der nicht abgeschlossenen Hauseingangstür öffnen können. Davon gehe sie mittlerweile auch aus. Da ihre Wohnungseingangstür bis zu dem Vorfall immer mit einem außen steckenden Schlüssel versehen worden sei, hätte der Täter auf diesem Wege, nachdem er über die Hauseingangstür ins Haus gelangt sei, ganz einfach Zutritt zu ihrer Wohnung erlangen können. Die Zeugen L7 und N7 bestätigten im Rahmen ihrer Vernehmung vor der Kammer, dass man sich im Rahmen der Aufnahme des Tatortes nicht habe erschließen können, wie der Täter letztlich in die Wohnung der Eheleute G gelangt sei. Möglicherweise durch einen falschen Schlüssel oder einen sogenannten Flipper, also einen flachen Gegenstand, den der Täter in den Türspalt geschoben und die unverschlossene Tür auf diese Weise geöffnet habe. Dass der Angeklagte sich des im Carportbereich seitens der Eheleute G deponierten Ersatzschlüssels bedient haben könnte, konnte nach der Beweisaufnahme ausgeschlossen werden. Denn insoweit hat die Zeugin G ausgeführt, dass nachdem sie – ohne Schlüssel – aus dem Fenster geklettert sei und selbst zunächst keinen Zutritt mehr zum Haus gehabt habe, sie sich nach dem Eintreffen der Polizei an den seinerzeit dort deponierten Ersatzschlüssel, den sie dort auch habe auffinden können, erinnert habe. Dass der Angeklagte diesen nach der Tat wieder zurückgelegt haben könnte, widerspricht jeder Lebenserfahrung. Im Übrigen hat die Zeugin G dergleichen nicht beobachten können, als sie den Angeklagten bei der Flucht beobachtet hat. Dass der Angeklagte Zugriff auf den geraume Zeit vor dem Vorfall verlorenen Schlüssel des Mieters der Eheleute G gehabt haben soll, erscheint fernliegend. Auch haben sich keinerlei Anhaltspunkte für ein etwaiges Zusammenwirken dieser, nach Angaben der Zeugin G völlig verlässlichen Mieter, mit dem Angeklagten ergeben. Nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugin G gaben diese ihre Haustürschlüssel, die auch nur mit einer Schlüsselkarte hätten nachgemacht werden können, wie zuvor vereinbart am darauffolgenden Wochenende zurück. Deren Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit wäre – so die Zeugin G – auch dadurch erneut zutage getreten, dass sie ihr bei der Schlüsselübergabe extra eine neue Spülmittel-Flasche mitgebracht und erklärt hätten, dass bei ihrem Einzug eine solche im Küchenbereich vorhanden gewesen sei und sie ihre bei ihrem Auszug unbedarft mitgenommen hätten und jetzt für Ersatz sorgen wollten. Im Übrigen hätte es für die beiden Mieter in den vergangenen sechs Monaten ihrer Mietzeit viele und weitaus bessere Möglichkeiten gegeben, gänzlich unbemerkt Zugang zu ihrer Wohnung zu erhalten und Dinge zu entwenden, was zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen sei.
289Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass es sich bei dem Täter um den Angeklagten handelt. Zwar konnte die Zeugin G den Täter, da dieser vermummt und als einzige Lichtquelle im Schlafzimmer die Taschenlampe vorhanden war und sie ihn bei dessen anschließender Flucht aus einiger Entfernung beobachtet hat, nur der ungefähren Größe und Statur nach erkennen und ansonsten nicht näher beschreiben. Insoweit gab sie an, dass der Täter ca. einen Kopf größer als sie, zwischen 1,70 bis 1,80 Meter, gewesen sei und kräftig, sportlich, aber nicht dick gewirkt habe. Diese Einschätzung der Zeugin, die im Schlafzimmer jedenfalls kurzzeitig und in unmittelbarer Nähe zu dem Täter gestanden hat, schließt den muskulös, durchtrainierten Angeklagten mit einer Größe von 1,78 Metern jedenfalls nicht aus.
290Aufgrund der nur rund 110 Meter vom Tatort gesicherten DNA-Spur an der Öffnungslasche des am Tattag entwendeten, 40 Jahre alten Brustbeutels der Eheleute G, die durch die Sachverständige Prof. Q2 ausgewertet und mit dem DNA-Profil des Angeklagten verglichen wurde, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte der Spurenleger ist. Auch besteht zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang, der den Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten rechtfertigt.
291Die Sachverständige Prof. Q2 hat ihre vorab schriftlich angefertigten Gutachten vor der Kammer im Rahmen der Hauptverhandlung mündlich erstattet. Hiernach – so die Sachverständige – habe es sich bei der Abklebung der Öffnungslasche außen um eine Mischspur gehandelt, die von mindestens drei Personen verursacht worden sei. Ein Abgleich mit Vergleichspersonen sei jederzeit eingeschränkt möglich, ein Hauptspurenleger nicht erkennbar gewesen. Die molekulargenetische Untersuchung der 16 DNA-Systeme des Abriebs habe insoweit zunächst folgende Ergebnisse ergeben:
292System |
|
SE 33 |
15/16/18/28.2/29.2 |
D21S11 |
26/28/29/30/31.2 |
VWA |
15/17/18/19 |
TH01 |
6/9/9.3 |
FGA |
21/22/23/25 |
D3S1358 |
14/15/16/17 |
D8S1179 |
10/12/13/14 |
D18S51 |
12/13/14/15/18 |
D1S1656 |
11/12/14/15/15.3/18.3 |
D2S441 |
10/11/12/14/15 |
D10S1248 |
12/13/14/15/16/18 |
D12S391 |
16/17/18/20/24 |
D22S1045 |
11/12/15/16/18 |
D16S539 |
9/12/13/14 |
D2S1338 |
17/18/19/22/25 |
D19S433 |
12/13/14/15 |
Amelogenin |
XY |
Die Sachverständige führte weiter aus, dass der nachfolgend von ihr durchgeführte Spur-Personen-Abgleich mit dem „S.S.1981“ – dem DNA-Profil des Angeklagten – zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sich in der Mischspur alle 16 Allele des Angeklagten fänden, sodass dieser als Spurenleger einer Teilkomponente in Betracht komme. Das in der vorherigen Untersuchung nicht dargestellte Allel 26 im System FGA habe sich in zwei von drei Wiederholungsuntersuchungen gefunden. Die biostatistische Berechnung habe ergeben, dass es 466,1 Millionen mal wahrscheinlicher ist, dass die DNA-Antragungen vom S.S.1981 (dem Angeklagten) und zwei weiteren Personen verursacht wurden als dass sie von drei unbekannten, mit dem S.S.1981 (dem Angeklagten) nicht verwandten Personen aus derselben Population verursacht wurden. Damit sei es höchstwahrscheinlich, dass der Angeklagte Spurenleger einer Teilkomponente der DNA-Antragungen an der außen abgeklebten Öffnungslasche des Brustbeutels ist.
294Die Kammer schließt sich der Beurteilung der Sachverständigen nach eigener Prüfung an. Eine biostatistische Zuordnung der DNA-Spur zu dem DNA-Profil des Angeklagten war im Sinne einer Mitverursachung der Spur möglich. Die nachgewiesenen Merkmale stimmen überein. Soweit das Allel 26 im System FGA zunächst lediglich deshalb nicht reproduzierbar war, da es sich nur in einem von zwei Analysegängen nachweisen lassen konnte, ließ sich dieses in einem dritten Analysegang nachweisen und war damit reproduzierbar. Der berechnete Seltenheitswert liegt weit unter einem im Millionenbereich, der rechtlich bereits für die Überzeugung ausreichen kann, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur von dem Angeklagten herrührt.
295Die Berechnungsgrundlage ist auch in diesem Fall nicht zu beanstanden. Die nachgewiesenen DNA-Merkmale sind unabhängig voneinander vererbbar, auf die kombinierte Phänotypfrequenz darf daher abgestellt werden. Auch trifft die Auswahl der Vergleichspopulation – mitteleuropäische Bevölkerung – zu, da der Angeklagte nicht etwa einer fremden Ethnie angehört. Dass die hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten lediglich auf einer statistischen Aussage beruht, hat die Kammer ebenso berücksichtigt wie den Umstand, dass es sich hier lediglich um eine Mischspur handelt. Gesichtspunkte, die den Beweiswert der Merkmalsübereinstimmungen schmälern könnten, haben sich – über den Gesichtspunkt der Mischspur als solcher hinaus – nicht ergeben.
296Zwischen der DNA-Spur und der Tat besteht ein Zusammenhang, der den Schluss rechtfertigt, dass der Angeklagte Täter des Raubes zum Nachteil der Zeugin G ist. Die Lage der Spur gerade an dem äußeren Bereich der Öffnungslasche weist auf die Verursachung durch eine Person hin, die – wie ein Dieb – lediglich an dem Inhalt des Brustbeutels interessiert war, diesen an sich nahm, an der Lasche öffnete und die Tasche im Übrigen entsorgte oder auch verlor. Dass die Kammer aufgrund der in diesem Punkt vorhandenen Unsicherheit der Zeugin G offen gelassen hat, ob sich vor der Wegnahme des Beutels noch Fremdwährungen darin befanden, die der Angeklagte mitsamt des Brustbeutels entwendete, wofür allerdings die Mitnahme des Beutels an sich sprach, ändert an dieser Bewertung nichts. Auch der relativ kurze Zeitraum zwischen der Wegnahme des Brustbeutels (kurz nach 02:30 Uhr) und dessen Sicherstellung (gegen 10:00 Uhr) spricht dafür, dass es der Angeklagte als Täter war, der die Tat begangen hat. Dafür, dass der Angeklagte die Tasche in einem Zeitraum von nur 7 ½ Stunden in der Nacht oder am frühen Morgen zufällig im Bereich der Öffnungslasche berührt haben sollte, sprach nichts. Eine zufällige Spurenlegung außerhalb des Tatgeschehens schließt die Kammer aus.
297Anhaltspunkte dafür, dass ein (unbekannter) Dritter die Tat begangen haben könnte, haben sich nicht ergeben. Zwar bekundete die Zeugin G im Rahmen ihrer am frühen Morgen des Tattages erfolgten ersten polizeilichen Vernehmung, sie sei – nachdem sie vom Täter in der Nacht geweckt worden sei – zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Person um den kurz zuvor ausgezogenen Mieter Herrn B4 gehandelt haben könnte. Diese Vermutung habe sie aber bereits nach Eintreffen der Kriminalbeamten ad acta gelegt und gewusst, dass es sich bei dem Mann in ihrem Schlafzimmer nicht um ihren Mieter B4 gehandelt habe. Dieser sei nämlich nur ungefähr so groß wie sie, der Täter sei aber einen Kopf größer als sie selbst gewesen. Soweit sie noch in der Nacht gegenüber dem Polizeibeamten N7 im Rahmen der von ihr abgegebenen Täterbeschreibung von einem polnischen Akzent des Täters gesprochen habe, sei sie mittlerweile der Ansicht, dass sie sich das zusammengereimt habe. Als sie nämlich den Täter anfangs im Schlafzimmer bemerkt habe, sei sie – noch schlaftrunken – davon ausgegangen, dass es sich nur um ihren Mieter B4 gehandelt haben könne. Eine andere Erklärung für das nächtliche Erscheinen einer männlichen Person in ihrem Schlafzimmer sei ihr zunächst nicht in den Sinn gekommen, da sie gewusst habe, ihr Mann könne es ob seiner Abwesenheit nicht sein. Da der Täter nur zwei Worte, nämlich zweimal „Ruhe“ und einmal „Geld“ und ansonsten nichts, also nicht in ganzen Sätzen, gesprochen habe, habe sie wohl einen zusätzlichen Zusammenhang zu dem gebrochen deutsch sprechenden Mieter B4 gezogen. Einen Akzent habe sie aus den lediglich zwei gesprochenen Worten tatsächlich nicht heraushören können, was ihr mittlerweile klar sei. Im Zuge der Schlüsselübergabe sei sie mit Herrn B4 und dem weiteren Mieter auch über die Tat ins Gespräch gekommen. Auch danach sei sie davon überzeugt gewesen, dass diese nichts mit der Sache zu tun hätten. Die Rückgabe der versehentlich mitgenommen Spülmittel-Flasche habe sie – wie bereits dargestellt – weiter darin bestärkt. Diese Angaben der Zeugin G wurden im Rahmen der Vernehmung der Zeugen N6 und C11 bestätigt, die übereinstimmend angaben, dass die Zeugin G im Rahmen ihrer Vorsprache bereits nicht mehr von den Mietern als möglichen Tätern ausgegangen sei. Gleichwohl hätten sie, weil dies zu dem damaligen Zeitpunkt die einzige Spur gewesen sei, diesbezüglich weitere Ermittlungen angestrengt, die allerdings ergebnislos verlaufen seien. Anhaltspunkte für eine Täterschaft oder Beteiligung der Mieter an dem Tatgeschehen hätten sich letztlich nicht ergeben.
298Für eine Täterschaft des Angeklagten spricht auch eine Gesamtbetrachtung der diesem Verfahren zugrundeliegenden Tatgeschehen – worauf im Folgenden noch gesondert und im Zusammenhang ergänzend einzugehen sein wird. Straftaten wie die gegenüber der Zeugin G sind dem Angeklagten angesichts seiner strafrechtlichen Vorbelastungen nicht fremd. Seit Entlassung des Angeklagten haben sich Wohnungseinbruchdiebstähle bzw. Raubtaten innerhalb von Wohnungen, vorzugsweise in Einfamilienhäuser, im Stadtteil S-T bzw. dem direkt angrenzenden Stadtteil L4, also dem Stadtteil, in dem der Angeklagte sich auskennt, aufgewachsen ist und lange Zeit wohnhaft war, nach Mitteilung der Ermittlungsführer des vorliegenden Verfahrens Menge und H2 gehäuft. Der örtliche Zusammenhang zwischen den Tatorten – auch hierauf wird im Folgenden noch näher einzugehen sein – sprach für eine Täterschaft des Angeklagten. Die T7 Straße 22 (Wohnhaus der Zeugin G) liegt allein zur Straße B1 (Tatort vom 00.00.-00.00.0000) unter einem Kilometer Luftlinie entfernt.
299Gesichtspunkte, die allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
300e) Geschehen vom 00.00.0000 (Fall 1 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
301Der Angeklagte hat sich zu dem Tatgeschehen vom 00.00.0000, dem versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl in das Haus der Frau Dr. C12, T8 Weg 62 in S, von dem die Kammer ihn aus rechtlichen Gründen freigesprochen hat – was noch auszuführen sein wird –, zunächst nicht erklärt und den Tatvorwurf nachfolgend bestritten. Bei dem Täter – so der Angeklagte – handele es sich nicht um ihn. Nachdem die Kammer zu Beginn des 11. Hauptverhandlungstages die Plädoyers entgegennehmen wollte, bat der Angeklagte um das Wort, er wolle einiges zu dem erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. M1 richtig stellen. Nachdem ihm das Wort erteilt worden war, erklärte er sich auch – größtenteils wiederholend – erneut zu seinem Lebenslauf und stellte erneut sämtliche Vorwürfe in Abrede. Auf direkte Nachfrage der Kammer, ob es sich bei dem Mann auf den Überwachungsvideos des Grundstückes T8 Weg angesichts des Aussehens des Täters und der bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellten auffälligen Kleidungsstücke (roter Trainingsanzug und Schuhe) nicht um ihn handele, überlegte er zunächst eine vernehmbare Zeit lang und erbat sich zunächst eine Unterbrechung zwecks Beratung mit seiner Verteidigerin, die ihm gewährt wurde. Nachfolgend wurde dem Angeklagten erneut das Wort erteilt, woraufhin dieser erklärte, er möchte sich hinsichtlich der Videoaufnahmen T8 Weg nicht erklären.
302Das dargestellte Einlassungsverhalten des Angeklagten, sein anfängliches deutliches Zögern auf die Frage, ob es sich bei der auf den Videoaufnahmen abgebildeten Person nicht um ihn handele, lässt jedenfalls Zweifel an dem vorherigen deutlich und mit Nachdruck formulierten Bestreiten des Angeklagten in diesem Fall aufkommen.
303Die Kammer ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass es der Angeklagte war, der das Eigenheim der Frau Dr. C12 am 00.00.0000 und 00.00.0000 zu dem Zweck ausbaldowerte, um in das Wohnhaus nachfolgend einzubrechen.
304Die Überzeugung der Kammer beruht im Wesentlichen auf den glaubhaften Angaben der Zeugen X2, Dr. Georg C12, H2 und N6, den in Augenschein genommenen Überwachungsvideos und Lichtbildern sowie dem Ergebnis der Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten. An der Glaubhaftigkeit der Angaben der zu dem Geschehen vom 00.00./00.00.0000 vernommenen Zeugen bestanden keinerlei Zweifel. Die Zeugen waren auch allesamt glaubwürdig.
305Die Zeugin X2, die in der Nacht vom 00.00.0000 auf den 00.00.0000 noch länger wach war, hat das Geschehen im Garten- und Terrassenbereich – wie festgestellt – bekundet. Zwar konnte die Zeugin eine genaue Täterbeschreibung nicht abgeben, eindrücklich war für sie jedoch die Kleidung der Person. Hierzu bekundete sie, dass die Person ganz in Rot gekleidet gewesen sei und über Hals und Nase eine Art Loopschal getragen habe, welcher schwarz gewesen sei. Es könne aber auch ein Tuch gewesen sein. Das sei für sie gut sichtbar gewesen, da die Außenbeleuchtung angegangen sei und sie sich in einem nicht erleuchteten Zimmer ihres Hauses befunden habe. Ferner habe sie von ihrer Position aus beobachten können, wie diese Person im Begriff gewesen sei, die eine Stufe höher liegende Terrasse der Frau Dr. C12 zu betreten, ohne dass sie diese tatsächlich erklommen habe. Nach einer kurzen Weile, da sie zunächst erschrocken gewesen sei, habe sie zweimal laut gegen die Scheibe geklopft. Die Person habe daraufhin herumgeguckt und sie hinter der Scheibe erblickt. Die Entfernung zwischen ihr und dieser Peron habe in etwa zwölf bis 15 Meter betragen. Die Person habe sich dann umgedreht und sei ganz normal – nicht fluchtartig – weggegangen. Ihrer Ansicht nach habe sich die Person, bevor sie durch das Klopfen auf sich aufmerksam gemacht habe, einen Überblick über den Garten und die Terrasse verschaffen wollen. Frau Dr. C12 habe sie in der Nacht – nachdem sie die Polizei verständigt habe – nicht geweckt. Am nächsten Tag habe sie sich mit ihr und ihrem Sohn, dem Zeugen Dr. Georg C12, die Videoüberwachung des vorderen Eingangs angesehen und die Person, die sie in der Nacht im Garten erblickt habe, eindeutig wiedererkannt.
306Die getroffenen Feststellungen zu den Geschehnissen im Eingangsbereich des Hauses beruhen indes zunächst auf der Inaugenscheinnahme des Überwachungsvideos vom 00.00.0000. In dem 01:09-minütigen Video ist zu sehen, wie sich eine vollständig in Rot gekleidete männliche Person mit dunklen Handschuhen, schwarzem Rucksack und schwarzen Turnschuhen, die jeweils seitlich einen roten, längs geschwungenen Farbstreifen aufweisen, von der Straße aus zunächst zu einem im Vorgarten des Grundstücks befindlichen Strauch begibt und dort kurz rumnestelt, sodann steigt diese Person die drei Treppenstufen zur Hauseingangstür empor, leuchtet den dort gelegenen Lichtschacht sowie die Haustür ab. Das Gesicht dieser Person ist mit einem schwarzen Tuch bedeckt, das bis oberhalb der Nasenspitze reicht. Anschließend geht diese Person die wenigen Schritte zurück zu dem Strauch, fasst dort hinein und geht wieder zurück zur Eingangstür. Zum unteren Bereich der Tür vornübergebeugt, hantiert er zehn Sekunden lang an dieser herum, wobei wegen des Winkels der Kamera ein Frontalblick auf die Tür nicht gegeben ist. Anschließend geht die Person einen Schritt nach rechts zum außen liegenden Briefkasten, klappt den Deckel hoch und leuchtet mit seiner mitgeführten Taschenlampe hinein. Zu diesem Zeitpunkt ist die Person – insbesondere auch was den Kopf- und Gesichtsbereich angeht – besonders gut erkennbar, da sie sich in unmittelbarer Nähe, genau unterhalb der das Geschehen aufnehmenden Videokamera befindet. Nachdem er mit seiner Taschenlampe noch den Bereich um den Briefkasten herum ableuchtet, steigt er die Treppenstufen herab und verschwindet aus dem Blickwinkel der Kamera. Diese Handlungen konnten trotz dessen, dass es Nacht war, ohne Einschränkungen durch die Kamera abgebildet werden, da eine im Eingangsbereich befindliche Lampe hellerleuchtet war.
307Die Zeugen X2 und Dr. Georg C12 bekundeten hierzu, dass sich sowohl im Eingangsbereich als auch im rückwärtig gelegenen Terrassenbereich Bewegungsmelder befänden, durch die die montierten Lampen ausgelöst würden.
308Dass die rot gekleidete Person auf dem Video ein Stöckchen zwischen Türblatt und – zarge klemmte, steht aufgrund der weiteren Bekundungen des Zeugen Dr. Georg C12 fest, der angab, er habe am nächsten Tag, dem 00.00.0000, im äußeren Eingangsbereich – neben der Tür – ein kleines, circa drei bis vier cm langes Stöckchen gefunden. Da er damit nichts habe anfangen können, habe er dieses weggeworfen, seinen Fund aber der Polizei gegenüber mitgeteilt. Im Nachhinein sei ihm die Bedeutung dieses Stöckchens gewahr geworden. Er habe sich das so erklärt, dass – wie man dies aus Krimis kenne – ein kleiner Gegenstand in den Türspalt geklemmt werde, um feststellen zu können, ob die Tür geöffnet werde, was bedeute, dass jemand zu Hause sei.
309Zu dieser Annahme des Zeugen hinsichtlich der Bedeutung des von ihm aufgefundenen Stöckchens gelangten auch nachfolgend die Ermittlungsführer des vorliegenden Verfahrens, die Zeugen N6 und H2, welche vor der Kammer bekundet haben, dass sie ebenfalls davon ausgegangen seien, dass so die Frequentierung des Hauses habe überprüft werden sollen.
310Hierfür spricht auch das Ergebnis der Inaugenscheinnahme des zweiten Überwachungsvideos vom Abend des nächsten Tages, dem 00.00.0000. Auf diesem betritt eine männliche, mit einem hellen Hoodie und aufgezogener Kapuze, darüber eine dunkel graue Weste und mit einer schwarzen Hosen und grauen Turnschuhen gekleidete Person erneut das vordere Grundstück der Frau Dr. C12. Vor den Stufen, welche zur Haustür führen stehend bleibend, leuchtet er mit einer Taschenlampe direkt und kurzzeitig den unteren Haustürbereich ab, dreht sich anschließend sofort um und verlässt das Grundstück zügigen Schrittes.
311Die Feststellungen zur Lage und Größe des Einfamilienhauses und den örtlichen Begebenheiten beruhen ebenfalls auf den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeugen X2 und Dr. Georg C12. Diese Angaben fanden Bestätigung in den vom Grundstück und Haus- nebst Terrassenbereich in Augenschein genommenen Lichtbildern.
312Dass der Angeklagte die Person auf den Überwachungsvideos ist, steht zunächst zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Inaugenscheinnahme der Überwachungsvideos fest. Ein Vergleich, insbesondere zwischen der am 00.00.0000 rot gekleideten männlichen Person und dem Angeklagten hat zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass es sich bei dieser um den Angeklagten handelt. Besonders auffällig waren dabei die übereinstimmend prägnant vorhandene hohe Stirn mit deutlich zutage tretenden Geheimratsecken und der dünne Haaransatz. Sowohl der Angeklagte als auch die im Video abgebildete Person haben lange Haare. Bei letzterer war dies gut erkennbar aufgrund der mit einem Zopfgummi hochgebundenen Haare zu einem Pferdeschwanz/Haarknoten. Im Laufe der Hauptverhandlung trug der Angeklagte seine langen dünnen Haare – bis auf den Tag zur Urteilsverkündung – ebenfalls auf verschiedene Arten zusammengebunden. Darüber hinaus entsprechen Körpergröße, die sportlich kräftige Statur und die Stirn-Augen-Nasenansatz-Partie des Angeklagten derjenigen Person, welche auf den Überwachungsvideos zu sehen ist. Gegen einen dahingehenden anzustellenden Vergleich spricht nicht, dass das Gesicht der auf dem Überwachungsvideo zu sehenden Person bis über die Nasenspitze durch ein schwarzes Tuch bedeckt ist. Zum einen lassen sich genügend markante Merkmale im restlichen, freiliegenden Bereich des Gesichts ausmachen. Zum anderen liegt das schwarze Tuch so eng um das Gesicht, dass sich der Mund-Nasen-Kinnbereich in seiner Form deutlich abzeichnet, was einen Abgleich dieser mit dem unteren Gesichtsbereich des Angeklagten zuließ. Danach weist der Angeklagte der Form nach dieselben Proportionen auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Erscheinungsbildes der am 00.00.0000 in Rot gekleideten Person sowie des Angeklagten wird ergänzend gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder Bl. 118 des Sonderordners Nachträge Band 1 (46 Js 81/21) sowie auf die Lichtbilder Bl. 704 bis 707 der Hauptakte 46 Js 81/21, Band 3, die den Angeklagten zeigen, verwiesen. Wobei die Kammer insoweit anmerkt, dass die in Augenschein genommenen bewegten Videobilder einen weitaus besseren Merkmalsabgleich zwischen der in Rot gekleideten Person und dem Angeklagten ermöglichten als die nachfolgend daraus erstellten Einzelbilder.
313Die Zeugin H2 – die Überzeugung der Kammer insoweit stützend – bekundete in ihrer Vernehmung, zu dem Zeitpunkt, als es die Ermittlungskommission „EK H2“ noch nicht gegeben und hinsichtlich der plötzlich gehäuften Wohnungseinbrüche ein Verdächtiger noch nicht bestanden habe, habe sie – bei einem zufälligen Blick auf das Überwachungsvideo vom 00.00.0000 – den Angeklagten auf diesem erkannt. Das sei ihr deshalb möglich gewesen, da sie den Angeklagten und seine Familie gut kenne. Sie habe jahrelang ihren Dienst in S-T versehen. Die Familie des Angeklagten sei bereits im Rahmen der seinerzeitigen Bearbeitung der Jugendsachen und Eigentumsdelikte des Öfteren in den Fokus der Ermittlungen geraten. Der Bruder des Angeklagten, N T3, sei zudem erst zuletzt wegen des Überfalls auf S4-Geldboten Gegenstand von Ermittlungen gewesen, an denen sie beteiligt gewesen sei.
314Dass es sich bei der Person auf dem Video vom 00.00.0000 um den Angeklagten handelt, wird darüber hinaus gestützt durch das Ergebnis der Durchsuchung seiner Wohnung in der B-Straße 27 in S am 00.00.0000, bei der auf einer Wäscheleine befindlich ein roter Trainingsanzug mit an den Schultern abgesetzten schwarzen Streifen sowie schwarze Turnschuhe mit an der Außenseite befindlichen roten Streifen aufgefunden werden konnten, wovon die Zeugin H2 im Rahmen ihrer Vernehmung vor der Kammer berichtet hat. Das Gericht hat die hiervon gefertigten Lichtbilder auch in Augenschein genommen und mit der Videoaufnahme sowie den aus der Videoaufnahme gefertigten Lichtbildern verglichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass der bei dem Angeklagten aufgefundene rote Trainingsanzug sowie die Turnschuhe mit der Kleidung der Person auf der Videoaufnahme vom 25.03.2021 identisch sind. Dass der auf dem Wäscheständer befindliche Trainingsanzug oder die Schuhe einer anderen Person als dem Angeklagten gehören oder von dieser auch nur genutzt würden, schließt die Kammer aus der konkreten Auffindesituation aus. Wegen der weiteren Einzelheiten des Aussehens der beim Angeklagten aufgefundenen Schuhe und des roten Trainingsanzugs wird auf Bl. 27 oben, Bl. 31 unten bis Bl. 36 oben, Bl. 55 oben sowie Bl. 63 unten bis Bl. 66 des Sonderbandes Bildband (46 Js 81/21) gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen.
315Dass der Angeklagte auch derjenige war, der in der darauf folgenden Nacht des 00.00.0000 erneut am Wohnhaus der Frau Dr. C12 erschien und das Grundstück zwecks Prüfung, ob das in der vorherigen Nacht positionierte Stöckchen sich noch in Position befand, aufsuchte, schließt die Kammer ebenfalls aufgrund der Inaugenscheinnahme der aus dieser Nacht stammenden Videoaufnahme. Zwar ist die Person, die auf diesem Video in dunklen Anziehsachen gekleidet zu erkennen ist, aufgrund Kopf- und Gesichtsbedeckung nur der Statur nach zu erkennen. Aufgrund des zügigen und direkten Ableuchtens eben genau dieses Türbereichs, in dem der Angeklagte nur eine Nacht zuvor das Stöckchen positioniert hatte, ergibt sich jedoch, dass das Aufsuchen in dieser Nacht nur zu diesem Zweck erfolgt sein kann. Dass der Angeklagte am Vortag durch die Zeugin X2 auf dem rückwärtigen Grundstück entdeckt wurde, steht dem nicht denknotwendig entgegen. Dass es sich bei dieser Person um eine andere Person als den Angeklagten handeln könnte, schließt die Kammer angesichts der zeitlichen und situativen Nähe beider Geschehen aus. Die erkennbare Statur der dunkel gekleideten Person steht der Annahme, es handele sich bei dieser um den Angeklagten, auch nicht entgegen.
316f) Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 26.05.2021, Az.: 46 Js 118/21)
317Auch die Tatbegehung zum Nachteil der Geschädigten Anna Elisabeth M hat der Angeklagte pauschal bestritten und im Rahmen seines letzten Wortes dazu erklärt, er werde sich „hüten einer alten Dame Pfeffergas oder so ins Gesicht zu kippen“. Das habe er noch nie gemacht.
318Nach der durchgeführten Beweisaufnahme vor der Kammer ist der Angeklagte dieser Tat überführt.
319aa)
320Die Feststellungen zu den äußeren Rahmenumständen der Tat, insbesondere der Aufteilung des Wohnhauses sowie der Tatsache, dass sich die Geschädigte in der Tatnacht alleine in dem Wohnhaus aufhielt und sich – anders als sonst üblich – keine Kraftfahrzeuge vor dem Haus befanden, beruhen zunächst auf den Angaben der Zeugin Anna Elisabeth M. Diese hat darüber hinaus den Ablauf des Tatgeschehens und die für sie aus dem Vorfall resultierenden Verletzungen und nachfolgenden Beeinträchtigungen – wie festgestellt – überzeugend geschildert. Die Kammer ist von der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin sowie der Glaubwürdigkeit ihrer Person insbesondere auch aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks überzeugt.
321So hat die Zeugin Anna Elisabeth M zunächst geschildert, dass sie durch Geräusche wach geworden sei, die sie nicht habe zuordnen können. Ihr Sohn und die Schwiegertochter seien nicht da gewesen. Sie habe im Schlafzimmer das Licht eingeschaltet und habe sich über die Küche in den Dielenflur begeben. Da habe sie durch den Türschlitz sehen können, dass im Keller Licht gebrannt habe. Sie habe angenommen, sie habe vergessen es auszumachen. Daraufhin habe sie die Tür geöffnet und ihr sei sofort etwas ins Gesicht gespritzt worden. Das habe schrecklich gebrannt. Sie habe die Tür sofort wieder geschlossen und einen Stuhl aus der Küche gegriffen und diesen zwischen Tür und Wand geworfen. Der Täter habe dann wegen des Stuhls nicht mehr reingekonnt. Dann sei sie auf den Balkon nach oben gelaufen und habe ganz laut „Hilfe! Hilfe! Auf Hausnummer 8 wird eingebrochen!“ gerufen. Auf Nachfrage erklärte die Zeugin, dass sie zum Abschließen der Tür nicht mehr gekommen sei, sie habe sich gleich den Stuhl gegriffen und diesen geworfen. Dieser habe nicht weit von der Kellertür, vielleicht zwei bis drei Schritte weg, gestanden und verhindert, dass derjenige hätte reinkommen können. Auf weitere Nachfrage erklärte die Zeugin Anna Elisabeth M, dass sie denjenigen, der an der Tür gestanden habe, nicht beschreiben könne. Da ihr etwas ins Gesicht gesprüht worden sei, habe sie dessen Gesicht nicht sehen können. Sie meine, es habe sich um einen jungen Mann gehandelt, der sich auch etwas umgedreht habe. Da meine sie, dass sie einen Samtkragen gesehen habe. Jedenfalls habe sie das noch vor Augen. Ihre Brille habe sie nicht aufgesetzt, als sie aufgestanden sei.
322Die sowohl am Tattag als auch im Zeitpunkt ihrer Vernehmung vor der Kammer 90-jährige Geschädigte hat das Geschehen eigenständig beschreiben können. Dabei gab sie den Geschehensablauf anschaulich, chronologisch geordnet, detailreich und plausibel wieder. Widersprüche traten in ihrer Aussage nicht auf. Trotz des Zeitablaufs von mehreren Monaten hatte sie das Geschehen – was auch angesichts ihres hohen Alters durchaus bemerkenswert war – noch in guter Erinnerung. Hinweise auf eine möglicherweise altersbedingt eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit traten bei der Zeugin zu keinem Zeitpunkt auf. In ihrer Vernehmung wurde überdies deutlich, dass sie stets ein konkretes Bild der Ereignisse vor Augen hatte. Dabei hat sie das Geschehen, obwohl es sie bis zum heutigen Tage stark belastet, was während ihrer Vernehmung auch deutlich wurde, nüchtern, sachlich und ohne besondere Belastungstendenz geschildert. So schilderte sie etwa in glaubhafter Weise, dass sie nach der Tat zunächst im Wohnzimmer geschlafen habe, um nachts nicht mehr an der Kellertür vorbeigehen zu müssen und um schneller an der ins Obergeschoss führenden Treppe zu sein, dass sie seitdem Angst habe, sobald sie ein Geräusch nachts höre, insbesondere wenn sie mal alleine im Haus sei oder dass sie seitdem öfter das Licht anmachen würde. Das Ganze habe etwas mit ihr gemacht. Sie sei auch vorsichtiger geworden, insgesamt achte sie jetzt mehr auf Geräusche. Bei ihren Schilderungen hat die Kammer zu keiner Zeit den Eindruck gewinnen können, als würde die Zeugin das Geschehen bzw. deren Folgen dramatischer als erlebt darstellen. Vielmehr vermittelte sie eher den Eindruck, möglicherweise um angesichts ihres hohen Alters eine gewisse Stärke zu demonstrieren, das Tatgeschehen im Rahmen der Vernehmungssituation vor der Kammer ausgesprochen nüchtern, insbesondere auch die Tatfolgen, darstellen zu wollen.
323Die Zeugin M hat darüber hinaus im Rahmen ihrer Vernehmung auch Unsicherheiten offenbart. So hat sie beispielsweise auf die Frage, ob es sich ihrer Erinnerung nach um einen oder mehrere Täter gehandelt habe, geäußert, dass sie das nicht sagen könne. Sie habe nur einen Mann sehen können, ob auf der Treppe möglicherweise noch eine weitere Person gestanden habe, könne sie nicht sagen. Auch darin wurde ein verantwortungsbewusster, sachlicher Umgang mit ihren Wahrnehmungen und Erinnerungen deutlich, was den Eindruck von Authentizität der Schilderungen vermittelte.
324Auch die Beurteilung der Konstanz der Aussage der Zeugin Anna Elisabeth M spricht für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Zum diesbezüglichen Vergleich standen in erster Linie die Angaben der Zeugin in ihren polizeilichen Vernehmungen vom 00.00.0000 und 00.00.0000 sowie die Angaben in ihrer Vernehmung vor der Kammer am 00.00.0000 zur Verfügung. Danach wiesen die insoweit gemachten Angaben der Zeugin in ihrem zentralen Kerngehalt weitgehende Konstanz auf. So hat sie sowohl gegenüber der Vernehmungsbeamtin I3-C13 am frühen Morgen des Tattages als auch gegenüber der sie am 00.00.0000 vernehmenden Polizeibeamtin H2 – nach den ihrerseits glaubhaften Bekundungen vor der Kammer – den tatsächlichen Geschehensablauf von ihrem Erwachen durch Geräusche bis hin zu ihren anschließenden Hilferufen auf dem Balkon im Obergeschoss entsprechend ihren Angaben vor der Kammer geschildert.
325So hat die Zeugin auch – wenngleich auf direkte Nachfrage – im Rahmen ihrer Vernehmung vor der Kammer bekundet, dass der Täter, nachdem die Tür durch den Stuhl verschlossen und verkeilt worden war, weiterhin versucht habe, in ihre Wohnung zu gelangen. Das sei ihm – so die Zeugin – aber wegen des Stuhls nicht möglich gewesen. Dieses Detail hat sie im Rahmen ihrer ersten polizeilichen Vernehmung nach den Angaben der Zeugin I3-C13 ebenfalls bekundet. So gab die Zeugin I3-C13 an, dass die Zeugin Anna Elisabeth M ihr gegenüber geschildert habe, dass der Täter, nachdem der Stuhl die Tür bereits verschlossen gehabt habe, weiterhin versucht habe, die Tür zu öffnen. Die Zeugin M habe beschrieben, dass sie noch Geräusche vom Hebeln an der Holztür, so knackende Geräusche, gehört habe, so als würde jemand versuchen, etwas zwischen Tür und Türblatt zu stecken. Zudem habe die Zeugin M angegeben, dass derjenige auch noch ständig die Klinke der Tür betätigt habe, um reinzukommen. Dies bestätigend schilderte die Zeugin Claudia M, dass ihre Großmutter auch ihr im Rahmen ihrer Erzählungen am Tattag mehrfach davon berichtet habe, dass der Täter nach dem Verriegeln der Tür noch versucht habe, ins Haus zu kommen. Ihre Großmutter habe nicht nur einmal davon gesprochen, dass sie das Betätigen der Türklinke mehrfach gehört habe. Ihre Großmutter habe ebenfalls von knackenden Geräuschen gesprochen. Dieses Detail stützend hat auch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder der Verbindungstür ergeben, dass an der Schließseite deutlich sichtbare Hebelmarken zu erkennen sind, wobei die Kammer bei Würdigung dieses Umstands nicht verkannt hat, dass das reine Vorhandensein von Hebelmarken an eben dieser Verbindungstür keinen unmittelbaren Rückschluss auf den genauen Zeitpunkt der Verursachung ermöglicht. Da die Zeugin Anna Elisabeth M gerade dieses Detail mehrfach verschiedenen Personen gegenüber berichtet und auch vor der Kammer bestätigt hat, konnte die Kammer ihren Feststellungen zugrunde legen, dass der Angeklagte auch nach Einsatz des Reizgases weiterhin versucht hat, in die Wohnung zu gelangen, um mitnehmenswerte Gegenstände an sich zu bringen. Dass der Angeklagte das Reizgas gerade auch gezielt zu diesem Zweck und nicht etwa nur aufgrund der Überraschungssituation einsetzte, steht für die Kammer danach fest. Die Einlassung des Angeklagten, er würde sich hüten, Pfefferspray gegen eine ältere Dame einzusetzen, steht dem nicht denknotwendig entgegen. Die Kammer geht nämlich angesichts des unmittelbaren Versprühens des CS-Gases nach dem Öffnen der Tür davon aus, dass der Angeklagte das Alter seines Opfers nicht realisiert haben muss. Jedenfalls hat er aber durch den unmittelbaren Einsatz des CS-Gases billigend in Kauf genommen, jedwede Person, die sich seinem Vorhaben in den Weg stellte, derart zu attackieren.
326Die Kammer hat auch die Enkeltochter der Zeugin, Claudia M, die ihre Großmutter bis zu dem Eintreffen ihrer Eltern den Tag über begleitet hat, zu den ihr gegenüber abgegebenen Schilderungen vom Ablauf der Tat befragt. Auch hiernach ergaben sich keine nennenswerten Abweichungen zu den Schilderungen der Anna Elisabeth M vor der Kammer zum Kerngeschehen.
327Soweit sich Abweichungen oder Widersprüche innerhalb der Vernehmungen ergeben haben, sind diese aus Sicht der Kammer nachvollziehbar und nicht geeignet, die Bewertung der im Übrigen hohen Aussagekonstanz zu verändern.
328Während die Zeugin in ihren polizeilichen Vernehmungen vom 00.00.0000 und 00.00.0000 angab, sie habe nach dem Zuschlagen der Tür diese mit dem Schlüssel verschlossen und erst dann den Stuhl vor die Tür geworfen, sagte sie in ihrer Vernehmung vor der Kammer aus, zum Abschließen der Tür sei sie nicht gekommen, sie habe sofort den Stuhl ergriffen und vor die Tür geworfen. Auch auf Vorhalt ihrer polizeilichen Angaben hierzu blieb sie dabei.
329Ferner gab sie – nachdem sie vor Ort am 00.00.0000 eine Täterbeschreibung nicht abzugeben vermochte – am 00.00.0000 an, dass der Täter ein junger Mann von ca. 30 oder 32 alt gewesen sei und eine helle Maske und eine dunkelblaue oder schwarze Jacke mit Samtkragen getragen habe. Vor der Kammer erklärte sie sodann – wie bereits angegeben –, dass sie das Gesicht des Täters wegen der Flüssigkeit in den Augen nicht habe sehen können, sie meine, es habe sich um einen jungen Mann gehandelt und dass sie einen Samtkragen noch erinnere.
330Soweit die Zeugin Anna Elisabeth M im Rahmen ihrer Vernehmung vor der Kammer das Verschließen der Tür nicht mehr erinnert hat, geht die Kammer davon aus, dass sie dieses Detail lediglich im Laufe der Zeit vergessen hat. Dafür spricht neben den insoweit übereinstimmenden Angaben am 00.00. und 00.00.0000, dass auch ihre hierzu vernommene Enkeltochter, die Zeugin Claudia M, angab, aus den Erzählungen ihrer Großmutter am Tattag zu erinnern, dass diese die Tür nicht nur zugeworfen, sondern auch abgeschlossen haben will. Dafür spricht im Übrigen auch, dass es dem Täter, während die Zeugin M den Küchenstuhl herbeischaffte und bis dieser verkeilt war, ansonsten ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Tür zu öffnen, was jedoch nicht geschehen ist. Die 90-jährige Geschädigte dürfte für die Wegstrecke bis zum Erreichen des Stuhls, auch wenn dieser lediglich zwei bis drei Schritte entfernt gestanden hat, samt Hochwuchten und Verkeilen desselben jedenfalls so viel Zeit gebraucht haben, dass eine nur zugeschlagene Tür ein Eindringen des direkt an der Tür befindlichen Täters in den Dielenbereich nicht verhindert hätte. Diese Erinnerungsunsicherheit ist aus Sicht der Kammer jedoch erklärlich. Für die Zeugin Anna Elisabeth M war letztendlich nur entscheidend, dass der Täter nicht in den Wohnbereich gelangt ist, was ihr jedenfalls durch das Verkeilen des Stuhls – als für sie wesentlich aufwendigerer und damit auch besser erinnerbarer Vorgang als das Umschließen eines Schlüssels – gelungen ist. Um ein das Tatgeschehen prägnantes Detail handelt es sich bei der Frage, ob sie zusätzlich noch die Tür verschlossen hat, nicht. Aus Sicht der Kammer war dieser Erinnerungsausfall – insbesondere angesichts des fortgeschrittenen Alters der Zeugin – eine erklärliche Diskontinuität, die insbesondere bei emotional behafteten Sachverhalten erwartbar ist. Dass die Zeugin an dieser Stelle auch nach Vorhalt ihrer vorherigen Angaben bei ihrer Aussage blieb, verdeutlichte im Übrigen, dass sie bemüht war, auch nur solche Dinge zu bekunden, die sie im Zeitpunkt ihrer Vernehmung vor der Kammer noch konkret erinnerte.
331Dass die Zeugin Anna Elisabeth M sich kurz nach dem Tatgeschehen vor Ort gegenüber der Kriminalbeamtin I3-C13 nicht in der Lage gesehen hat, eine Täterbeschreibung abzugeben, hernach aber einen jungen Mann unter ungefährer Altersangabe nebst Täterbekleidung beschrieb, was sie teilweise bei ihrer Vernehmung vor der Kammer wiederholte, führt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ebenfalls nicht dazu, dass die Aussagekonstanz in Zweifel zu ziehen ist. Dass die Zeugin sich bei ihrer unmittelbar nach dem Vorfall erfolgten ersten polizeilichen Befragung, in der sie noch unter dem unmittelbaren Eindruck des sie belastenden Geschehens gestanden haben dürfte, dahingehend erklärt hat, eine Täterbeschreibung nicht abgeben zu können, erscheint allein schon aufgrund des kurz zuvor erlebten, für sie belastenden Überfalls verständlich. Im Übrigen steht die Angabe, eine Person nicht erkannt zu haben, auch nicht in unmittelbarem Widerspruch dazu, diese nachfolgend in Bezug auf allgemeine Personenmerkmale, wie etwa das ungefähre Alter, beschreiben zu können. Zumal insoweit bemerkenswert war, dass die Zeugin den Umstand, es habe sich um einen jungen Mann gehandelt, der einen Samtkragen an der Jacke gehabt habe, übereinstimmend im Rahmen ihrer ausführlichen polizeilichen Vernehmung am 00.00.0000 und im Rahmen der Vernehmung vor der Kammer bekundete.
332Die Kammer geht im Rahmen der Würdigung dieses Details im Ergebnis davon aus, dass die Zeugin M aufgrund des Einwirkens mit CS-Gas in ihre Augen, des Umstands, dass die betagte Zeugin beim Treffen auf den Täter vor der Tür keine Brille trug – sowohl nach ihrem eigenen Bekunden und den bestätigenden Angaben ihrer Enkeltochter, die insoweit angab, ihrer Erinnerung nach habe ihre Oma weder bei ihrem Eintreffen noch den ganzen Tag über ihre Brille getragen – und angesichts der anzunehmenden kurzen Zeitdauer des Öffnens und Schließens der Tür, den Täter vor der Tür jedenfalls nicht näher hat erkennen können. Diesbezüglich hat nämlich auch die Zeugin Claudia M erklärt, dass ihre Großmutter ihr am Tattag gesagt habe, sie habe niemanden erkennen können. Sofern Anna Elisabeth M in ihrer ausführlichen polizeilichen Vernehmung am 00.00.0000 und auch vor der Kammer eine ungefähre Täterbeschreibung abgegeben hat, wäre dies jedenfalls auch mit dem nachvollziehbaren Bemühen der Zeugin erklärlich, die aus ihrer Sicht wichtige Frage, wer es denn gewesen ist, der in ihr Haus eingedrungen ist, beantworten zu können und letztlich tatsächlich zu beantworten. Diese Abweichung bezieht sich nicht unmittelbar auf die Tathandlung als solche und ist – als anzunehmende Unklarheit – in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht derart erheblich, dass sie geeignet wäre, die ansonsten vorhandene hohe Aussagekonstanz in Zweifel zu ziehen.
333Darüber hinaus sind die Angaben der Zeugin Anna Elisabeth M mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme im Übrigen ohne weiteres in Einklang zu bringen und werden – was den Tatablauf angeht – insbesondere auch durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Tatort sowie durch die Angaben der weiter vernommenen Zeugen gestützt. So konnte die Kammer sich insbesondere über die Lage des vor die Verbindungstür eingebrachten Stuhls, der von seinem breiten, runden Standfuß bis zu der breiten und gepolsterten Rückenlehne genau zwischen die Tür zum Keller und die gegenüberliegende Wand passt und eingebracht wurde, überzeugen. Nach den Angaben der Zeugin I3-C13 hat der Stuhl bei ihrem Eintreffen vor Ort auch genau dort gelegen. Ein anschließender Versuch ihrerseits, so die Zeugin I3-C13, vom Kellerbereich in den Dielenbereich zu gelangen, sei infolge des verkeilten Stuhls, der ein Hineingelangen nicht ermöglicht hätte, gescheitert. Darüber hinaus fanden sich deutlich sichtbare Flüssigkeitsanhaftungen bzw. schlierenartige Rückstände auf der Innenseite der Kellertür und auch auf der gegenüberliegenden Wand im Dielenflur. Diese Rückstände – worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird – bestätigen die Schilderungen der Zeugin M hinsichtlich des Einsatzes eines (reizenden) Stoffes und untermauern die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage.
334Die Kammer schließt auch aus, dass die Zeugin Anna Elisabeth M den Angeklagten bewusst zu Unrecht belastet hat. Der Angeklagte ist der Zeugin und deren Familie völlig unbekannt. Ein nachvollziehbares Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, ist auch nicht ansatzweise zu erkennen.
335Die Kammer erachtet die Zeugin auch als glaubwürdig. Wie bereits dargestellt, ließ die Aussage keinen Belastungseifer zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Ihre Angaben enthielten an keiner Stelle Übertreibungen zu seinen Lasten. Vielmehr war die Aussage dieser Zeugin durchweg von einer hohen Objektivität geprägt.
336Die Feststellungen zum Einstiegsweg bis zur der zum Wohnbereich führenden letzten Kellertür stehen fest aufgrund der glaubhaften Angaben des Zeugen N8, der im Rahmen des Einsatzes der Kriminalwache am frühen Morgen für den objektiven Tatortbefundbericht zuständig gewesen ist. Dieser hat bekundet, dass die außen liegende Kellertür massiv aufgebrochen und das Schließblech herausgebrochen worden sei. Ebenfalls aufgebrochen sei eine weitere Kellertür gewesen, durch die der Täter dann zu der in den Wohnbereich führenden Kellertreppe gelangt sei. Die Angaben des Zeugen N8 fanden Bestätigung durch die vom Tatort gefertigten Lichtbilder, die die Kammer in Augenschein genommen hat.
337Die Feststellungen zum Fehlen von Diebesgut beruhen auf den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeuginnen Anna Elisabeth M, Claudia M sowie Gabi M. Letztere bekundete auch, dass für den Austausch der zerstörten äußeren Kellertür Kosten von 2.800,- Euro entstanden seien, wovon 2.100,- Euro durch die Versicherung ersetzt worden seien.
338bb)
339Die Feststellungen zu den durch das Tatgeschehen entstandenen Verletzungen der Anna Elisabeth M beruhen auf den insoweit ebenfalls glaubhaften Angaben der Zeugin selbst. Diese wurden auch – soweit sie ihren Wahrnehmungen unterlagen – von den hierzu ebenfalls vernommenen Zeuginnen Claudia M, Gabi M und I3-C13 bestätigt. Daneben hat die Kammer das Attest des Notfallarztes für Augenheilkunde Dr. med. B5, der Anna Elisabeth M am Tattag in der Augenklinik behandelt hat, in die Hauptverhandlung eingeführt. Zudem hat die Kammer zu dem Verletzungsbild und zu der Frage, welcher Wirkstoff gegen die Geschädigte eingesetzt worden ist, den Sachverständigen Dr. G1 vernommen.
340Die Geschädigte hat ihrerseits bekundet, dass ihr durch einen hinzugerufenen Rettungswagen sofort die Augen ausgewaschen worden seien, trotz dessen haben ihre Augen gebrannt und sie habe starke Schmerzen gehabt. Die starken Schmerzen hätten zwei Tage angehalten. Außerdem habe sie eine schwere Brust gehabt, das Atmen sei ihr schwer gefallen. Das sei ihr erst später aufgefallen, sie habe vorher wohl unter Adrenalin gestanden. Atemwegserkrankungen habe sie vorher keine gehabt. Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit auch dieser Angaben oder – wie bereits ausgeführt – an der Glaubwürdigkeit der Zeugin.
341Die diesbezüglichen Angaben der Geschädigten fanden Bestätigung durch die Bekundungen ihrer Enkeltochter Claudia M. Die Zeugin Claudia M hat im Rahmen ihrer Vernehmung ausgeführt, dass sie nach ihrem Eintreffen um etwa 07:00 Uhr ihre Großmutter zittrig und deutlich geschwächt vorgefunden habe. Diese habe nach ihrem Erscheinen und nachdem sie diese begrüßt habe, erst einmal angefangen zu weinen. Der Rettungswagen sei bei ihrem Eintreffen bereits nicht mehr vor Ort gewesen, ihre Oma habe zuvor nicht mitfahren wollen. Da diese aber auch, nachdem die Polizeibeamten weg gewesen seien, weiterhin über schlimme Schmerzen geklagt habe, sei sie mit dieser in die Augenklinik gefahren. Während der Autofahrt habe ihre Großmutter ihr gesagt, dass sie schlecht Luft bekäme. Sie selbst habe eine massive Kurzatmigkeit bei ihr festgestellt, diese sei deutlich hörbar gewesen. Da ihre Großmutter so schwach gewesen sei und kaum habe laufen können, was sie bei ihr so noch nie erlebt habe, habe sie sich eines Rollstuhles bedienen müssen, um sie vom Parkplatz des Krankenhauses in die Klinik bringen zu können. Sie habe sehen können, dass die Augen ihrer Großmutter innen als auch um die Augen herum erheblich gerötet gewesen seien. Ferner seien die Augen auch ganz geschwollen gewesen. Ihre Oma habe ihr gesagt, dass sie so eine Art Nebel oder Schleier auf den Augen habe. Nach dem Krankenhausbesuch, bei dem sie eine Augensalbe verschrieben bekommen habe, die ihrer Großmutter jedoch nicht merklich geholfen hätte, habe sich ihre Großmutter schlafen gelegt, sei aber auch danach noch weiter ganz zittrig gewesen. Sie habe ihr – der Zeugin Claudia M – gesagt, ihre Beine könnten sie nicht tragen. An diesem Tage habe ihre Großmutter auf keinen Fall alleine bleiben wollen, weswegen sie bis zur Rückkehr ihrer Eltern bei ihrer Großmutter geblieben sei. In der Folgezeit habe ihre Großmutter erst einmal im Wohnzimmer genächtigt. Sie schließe seit dem Vorfall alle Türen im Innern des Hauses ab und sei nicht gerne allein. Stets beobachte sie am Garten vorbeilaufende Menschen und äußere auch, dass da Männer stünden und das Haus beobachten würden. Ihre Oma, die sie zuvor immer als starke Frau erlebt habe, sei seit dem Vorfall weinerlich und fühle sich unsicher. Normalerweise habe ihre Großmutter stets die Haustür geöffnet, sobald es geklingelt habe. Nunmehr öffne sie nicht mehr oder vergewissere sich zuvor, etwa durch Ansprache aus dem Badezimmerfenster heraus, wer an der Tür stehe.
342Diese Angaben wurden wiederum bestätigt durch die Schwiegertochter der Geschädigten, der Zeugin Gabi M, welche bekundete, dass sie ihre Schwiegermutter nach ihrer Rückkehr „wie ein Häufchen Elend“ in einem Sessel sitzend vorgefunden habe. Ihre Augen hätten getränt, seien ganz rot und außerdem geschwollen gewesen. Sie habe Schwierigkeiten gehabt, diese überhaupt zu öffnen. Am nächsten Tag sei sie mit ihrer Schwiegermutter zu deren Augenarzt Dr. P gefahren. Dieser habe ihr eine Salbe sowie Augentropfen verschrieben. Ihre Schwiegermutter habe ungefähr noch zwei Wochen davon berichtet, dass sie das Gefühl habe, als befände sich ein Fremdkörper in ihrem Auge. Sie habe unter Schmerzen gelitten. Nach ungefähr einer Woche habe das eine Auge Besserung gezeigt und das zweite, stärker betroffene Auge, nach zwei Wochen. Auch die mit der Tat einhergehenden Folgen, insbesondere deren Ängstlichkeit und Schreckhaftigkeit, die es zuvor nicht gegeben habe, vermochte die Zeugin Gabi M entsprechend zu schildern. Dass ihre Schwiegermutter mittlerweile ihr Badezimmer von außen verschließe, nachts und auch tagsüber alle Türen, selbst die des Wintergartens von innen, verschließe und es nötig gewesen sei, einen Keil anfertigen zu lassen, der jede Nacht vor die Verbindungstür zwischen Wohnbereich und Keller gelegt werden müsse, damit ihre Schwiegermutter sich sicherer fühle, bestätigte die Zeugin ebenfalls glaubhaft.
343Auch die nach dem Tatgeschehen vor Ort anwesende Kriminalbeamtin I3-C13 hat bekundet, dass die Geschädigte ihr gegenüber angegeben habe, ihre Augen hätten, nachdem der Täter ihr etwas ins Gesicht gesprüht habe, „höllisch gebrannt“. Während ihrer Vernehmung habe sie geäußert, dass ihre Augen jetzt auch noch brennen würden, allerdings nicht mehr so stark. Sie, die Zeugin I3-C13, habe bei der Geschädigten gerötete Augen wahrnehmen können. Auch die Lider seien geschwollen gewesen, was sie zunächst auf das Alter der Zeugin geschoben habe. Ihres Eindrucks nach habe die Geschädigte eine Art Schleier auf den Augen liegen gehabt. Ob die Geschädigte über Luftnot geklagt habe, wisse sie nicht, sie habe sich aber zwischendurch geräuspert.
344Dass durch die vorgenannten Zeuginnen bekundeten Verletzungsbild wird durch das ärztliche Attest des Dr. med. B5 bestätigt. Danach hätten bei seiner Untersuchung am 11.04.2021 massiv gereizte Lidkanten und der Bindehaut vorgelegen. Die Hornhaut sei mit Gewebeschädigungen angegriffen gewesen und habe Descementfalten aufgewiesen, was – je nach Vorbefund – auch altersbedingt vorbestehend oder als reversible Begleitreaktion auf die Reizung von außen gewesen sein könne. Diese Befunde seien – so das Attest weiter – zuverlässig auf eine Exposition mit einem reizenden Stoff zurückzuführen, zum Beispiel Pfefferspray und gingen in der Regel mit starken Schmerzen über Tage einher. Wegen der vorbestehenden Makula-Degeneration sei außerdem mit einer zusätzlichen deutlichen Sehverschlechterung über Tage zu rechnen.
345Zu dem Verletzungsbild und der Frage, welcher Stoff der Zeugin Anna Elisabeth M in das Gesicht gesprüht worden ist, hat die Kammer den Rechtsmediziner Dr. G1 hinzugezogen, der anhand der in seiner Anwesenheit vernommen Zeuginnen Anna Elisabeth M, Claudia M und Gabi M sowie dem ärztlichen Attest des Dr. med. B5 ein Gutachten vor der Kammer mündlich erstattet hat. Die Angaben der in Abwesenheit des Sachverständigen vernommenen Zeugin I3-C13 wurden dem Sachverständigen aufgrund eines verlesenen Vermerks der Berichterstatterin der Kammer zur Kenntnis gebracht. Der überzeugenden Beurteilung des der Kammer langjährig bekannten und im Bereich der Rechtsmedizin besonders erfahrenen Sachverständigen schließt die Kammer sich nach eigener kritischer Prüfung vollumfänglich an.
346Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass es sich vorliegend um ein Reizgas in Form von CS-Gas gehandelt haben dürfte, dass gegen die Zeugin Anna Elisabeth M gerichtet worden sei. Dieses sei – entgegen seiner Bezeichnung – kein Gas, sondern ein Aerosol, nämlich eine Mischung aus Flüssigkeit und Gas. Die Sprühweite sei von der genauen Zusammensetzung abhängig und reiche, je nach Flüssigkeitsmenge, von drei bis sieben Metern. CS-Gas wirke über das Schmerzzentrum des Körpers. Brennen und starke Schmerzen seien dabei typisch, ebenso wie Rötungen und ein verstärkter Tränenfluss der Augen. Die Handlungsfähigkeit werde innerhalb von Sekunden nach dem Einsatz eingeschränkt. Diese Wirkung hielte an der frischen Luft zehn bis zu sechzig Minuten an. Augenspülungen verschafften erste Linderung und Augensalben hülfen gegen Entzündungen. Um Pfefferspray, welches auf der Grundlage von Chiliextrakten hergestellt werde, habe es sich vorliegend seiner Ansicht nach nicht gehandelt. In diesem Falle wären die Auswirkungen weitaus gravierender sowie die Dauer der Wirkung länger gewesen. Der ärztliche Befund des Dr. B5 sowie die Beschreibungen der Zeuginnen M passten zu CS-Gas als reizenden Stoff. Für die 90-jährige Geschädigte sei das Geschehen körperlich/organisch letztlich glimpflich ausgegangen. Gerade bei älteren Personen könne es bei der Beeinträchtigung mit CS-Gas zu einer kardialen Dekompensation (Beeinträchtigung des Herz-Kreislauf-Systems) kommen und ein Zusammenbruch mit kurzzeitigem Bewusstseinsverlust könne dann die Folge sein. Fiele man dann zu Boden, seien schwerwiegende Hirnverletzungen möglich. Bei Vorerkrankten – wie es die Geschädigte M jedoch am Tattag nicht gewesen sei – hätte dies auch zum Tode führen können, was in der Regel aber nicht passiere.
347Er gehe auch davon aus, dass die Geschädigte durch das von ihr berichtete schnelle Schließen der Verbindungstür nur eine recht kurzzeitige direkte Einwirkung durch das CS-Gas habe hinnehmen müssen. Das im Körper bei derartigen Stresssituationen produzierte Adrenalin habe ihr dann geholfen, die Handlungen noch so ausführen zu können, wie sie es geschildert habe. Auch wenn von einer deutlichen Beeinträchtigung ihrer Augen – wie von der Zeugin selbst nachvollziehbar berichtet – ausgegangen werden könne, die ihre Sehfähigkeit beeinträchtigt hätten, wäre es aus medizinischer Sicht durchaus möglich, die weiteren von ihr beschriebenen Handlungen noch durchführen zu können. Hätte die Geschädigte allerdings eine volle Ladung des CS-Gases abbekommen, wäre sie dazu nicht mehr in der Lage gewesen. Die von dieser bekundeten Schmerzen seien – auch hinsichtlich ihrer Dauer – plausibel und auf den Kontakt mit CS-Gas zurückzuführen. Auch die ärztlicherseits beschriebene Reizung der Lidkanten und die Hornhauterosion, eine Verletzung der Hornhaut in Form einer Aufrauhung, seien auf die Einwirkung des Reizgases zurückzuführen. Typisch für den Einsatz eines Reizgases wie CS-Gas sei auch das von der Geschädigten und der Zeugin Claudia M beschriebene Gefühl von Luftnot. CS-Gas wirke nämlich auch auf die oberen Atemwege, Betroffene hätten das Gefühl der Brustbeklemmung bzw. einen quälenden Schmerz hinter dem Brustbein, die Ein- und Ausatmung werde kurzzeitig unterdrückt, wobei ein tatsächlicher Luftmangel daraus nicht resultiere. Allerdings verfielen Betroffene häufig in massive Aufregung aufgrund des Gefühls des Luftmangels. Dies sei insbesondere bei Herzvorgeschädigten sehr gefährlich, da die Folge unter Umständen ein kardialer Zusammenbruch sein könne. Da die Zeugin Anna Elisabeth M allerdings nicht herzvorgeschädigt sei, habe diese Gefahr bei ihr nicht bestanden. Auch die geschwollenen Augen, die mehrere Zeugen beobachtet hätten, wären als Wassereinlagerungen eine typische Folgeerscheinung nach dem Kontakt mit CS-Gas. Von einer dauerhaften Sehverschlechterung durch den Vorfall könne man bei der Geschädigten Anna Elisabeth M allerdings nicht ausgehen, da die Enkelin der Geschädigten angegeben habe, dass die Geschädigte mit ihrer neuen Lesebrille gut zurechtkäme. Die von der Geschädigten wahrgenommene Sehverschlechterung rühre von der auch ärztlicherseits aufgeführten Makula-Degeneration her.
348Die Kammer folgt aufgrund eigener Prüfung im Ergebnis der fachlichen Einschätzung und Beurteilung des ihr langjährig als erfahren und besonders sorgfältig bekannten Sachverständigen, der seine Ausführungen für den medizinischen Laien anschaulich und verständlich dargestellt hat. Insbesondere die auf der Kellertür vorhandenen großflächigen Rückstände des Aerosols, wohingegen sich auf der der Verbindungstür gegenüberliegenden Wand nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugin Gabi M2 weniger Sprühstreifen befunden hätten, die sie anschließend entfernt habe, spricht dafür, dass es der Zeugin Anna Elisabeth M zeitnah nach dem Versprühen des Reizgases in ihr Gesicht möglich gewesen ist, die Verbindungstür wieder zu schließen.
349cc)
350Zur Überzeugung der Kammer steht ferner fest, dass es sich bei dem Täter um den Angeklagten handelt. Zwar konnte die Zeugin Anna Elisabeth M den Täter weder erkennen noch nach individuellen Merkmalen beschreiben. Aufgrund einer am Tatort gesicherten DNA-Spur an der Klinke der direkt zum Wohnbereich führenden Kellertür, die durch die Sachverständige Prof. Q2 ausgewertet und mit dem DNA-Profil des Angeklagten verglichen wurde, ist die Kammer aber davon überzeugt, dass der Angeklagte der Spurenleger ist. Auch besteht zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang, der den Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten rechtfertigt.
351Die Sachverständige Prof. Q2 hat die von ihr im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erstellten molekulargenetischen Gutachten vom 30.04.2021 mündlich vor der Kammer erstattet. Nach den Ausführungen der Sachverständigen habe sich im Rahmen ihrer zunächst erfolgten Untersuchungen ergeben, dass es sich bei den zwei Abrieben von der Türklinke am Ende des Kellerganges um eine Mischspur gehandelt habe, die von mindestens drei Personen verursacht worden sei. Die Geschädigte M sei als Spurenleger nicht nachweisbar gewesen. Die Spur, die für einen Abgleich mit weiteren Vergleichspersonen geeignet gewesen sei, habe nach forensisch-genetischer Untersuchung der 16 DNA-Systeme folgende Ergebnisse ergeben:
352System |
|
SE 33 |
15/22.2/29.2 |
D21S11 |
29/30/31.2 |
VWA |
14/16/17/18/19 |
TH01 |
6/9.3 |
FGA |
22/26 |
D3S1358 |
14/15/16/17 |
D8S1179 |
10/11/12 |
D18S51 |
12/13 |
D1S1656 |
11/15/18.3 |
D2S441 |
11/12/14 |
D10S1248 |
13/14/16/17/18 |
D12S391 |
20/23 |
D22S1045 |
11/15/16 |
D16S539 |
11/12/14 |
D2S1338 |
19/22 |
D19S433 |
12/14/15 |
Amelogenin |
XY |
Ihre nachfolgende Untersuchung zwischen dieser Spur und dem DNA-Profil des „S.S.1981“ – dem DNA-Profil des Angeklagten – habe – so die Sachverständige Prof. Q2 weiter – ergeben, dass sich alle Allele, die der Angeklagte in den 16 untersuchten Systemen ausweise, darin gefunden hätten, sodass dieser als Spurenleger einer Teilkomponente in Betracht gekommen sei. Die biostatistische Berechnung habe ergeben, dass es 4,5 Billiarden Mal wahrscheinlicher ist, dass die DNA-Antragungen vom Angeklagten und zwei weiteren Personen verursacht wurden, als dass sie von drei unbekannten, mit dem Angeklagten nicht verwandten Personen aus derselben Population verursacht wurden. Damit sei es, so die Sachverständige, praktisch erwiesen, dass der Angeklagte Spurenleger einer Teilkomponente der DNA-Antragungen an den Abrieben der Türklinke vom Ende des Kellerganges ist.
354Die Kammer schließt sich dieser Beurteilung der Sachverständigen an. Eine biostatistische Zuordnung der DNA-Spur zu dem DNA-Profil des Angeklagten war im Sinne einer Mitverursachung der Spur möglich. Die nachgewiesenen Merkmale stimmen überein. Der berechnete Seltenheitswert liegt weit unter einem im Millionenbereich, der rechtlich bereits für die Überzeugung ausreichen kann, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur von dem Angeklagten herrührt. Die Berechnungsgrundlage ist auch in diesem Fall nicht zu beanstanden. Die nachgewiesenen DNA-Merkmale sind unabhängig voneinander vererbbar, auf die kombinierte Phänotypfrequenz darf daher abgestellt werden. Auch trifft die Auswahl der Vergleichspopulation – mitteleuropäische Bevölkerung – zu, da der Angeklagte nicht etwa einer fremden Ethnie angehört. Dass die hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten lediglich auf einer statistischen Aussage beruht, hat die Kammer ebenso berücksichtigt wie den Umstand, dass es sich hier lediglich um eine Mischspur handelt. Gesichtspunkte, die den Beweiswert der Merkmalsübereinstimmungen schmälern könnten, haben sich – über den Gesichtspunkt der Mischspur als solcher hinaus – nicht ergeben.
355Eine Spurenverunreinigung kann die Kammer ausschließen. Nach den glaubhaften Bekundungen des Polizeibeamten N8 ist dieser beim Nehmen sämtlicher Abriebe am Tatort im Hause M – und damit auch derjenigen an der Türklinke am Ende vom Kellergang – spurenschonend vorgegangen. Der Zeuge bekundete, dass er die spurenschonende Sicherung bereits in seiner Ausbildung und später nochmals intensiver bei seinem Wechsel in den Kriminalbereich erlernt habe. Er trage bei der Spurensicherung Handschuhe sowie einen Mundschutz. Um Kontamination zu vermeiden, spreche er während der Spurennahme auch nicht. Die von ihm verwendeten Bakterietten seien steril verpackt gewesen. Zuvor sei er mit dem ihm persönlich unbekannten Angeklagten oder dessen Kleidung auch noch nie in Berührung gekommen. Durch den seitens der Kammer in die Hauptverhandlung eingeführten Spur- und Sacherfassungsbericht des Zeugen N8 vom 00.00.0000 war der Kammer auch eine sichere Zuordnung von den jeweiligen verwandten DNA-Watteträgern mit vergebener Spurennummer und Bezeichnung (hier konkret: Abriebe der Türklinke am Ende des Kelleraufgangs) zu den von der Sachverständigen Prof. Q2 untersuchten Abrieben möglich. Auch hierzu ist der Zeuge N8 im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge befragt worden.
356Zwischen der DNA-Spur und der Tat besteht ein Zusammenhang, der den Schluss rechtfertigt, dass der Angeklagte Täter der Tat zum Nachteil der Geschädigten Anna Elisabeth M ist. Die Lage der Spur in dem Haus der Zeugin M, nämlich an der Türklinke der letzten Verbindungstür, hinsichtlich derer – wie ausgeführt – festgestellt werden konnte, dass der Täter diese jedenfalls nach dem Zuschlagen der Tür mehrfach betätigt und daran gerüttelt hat, weist auf die Verursachung durch den Angeklagten hin. Für die Möglichkeit, die DNA des Angeklagten könne auf andere Weise als durch seine Tatbeteiligung dorthin gekommen sein, spricht nichts. Auf Nachfrage hat die Sachverständige Prof. Q2 ausgeführt, dass das Rütteln an der Türklinke ein denkbares Szenario für eine Antragung von DNA gewesen sein kann. Jede Berührung von Haut an einem Gegenstand führe zu einer Übertragung unterschiedlicher Mengen von DNA. Wenn eine weitere Person nachfolgend diesen Gegenstand berühre, könne diese DNA auch (teilweise) wieder weggenommen werden. Dies erkläre möglicherweise auch, warum keine DNA der Geschädigten an der Türklinke habe gefunden werden können. Es wäre möglich, dass durch das Rütteln an der Türklinke und dadurch bedingtes Übertragen von DNA die gegebenenfalls vorher dort befindliche DNA der Geschädigten so wenig geworden sei, dass sie nicht mehr habe reproduziert werden können. Anhand der übertragenen Menge der dem „S.S.1981“ zuzuordnenden DNA an der Türklinke könne man nicht sicher darauf schließen, dass diese durch direkten Hautkontakt des „S.S.1981“ entstanden sein müsse. Dafür sei es zu wenig DNA gewesen. Eine Übertragung durch direkten Hautkontakt als auch indirekt, etwa über einen Handschuh, an der sich die DNA des „S.S.1981“ befunden habe, sei aus ihrer Sicht gleich wahrscheinlich.
357Es haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die dem Angeklagten zuzuordnende Spur über einen sekundären Transfer bzw. durch einen unbekannten Dritten, der etwa Handschuhe getragen hat, an denen sich DNA des Angeklagten befunden hat, entstanden sein könnte. Soweit der Angeklagte eingewandt hat, es hätten sich immer wieder mal Leute bei ihm Klamotten geborgt, an denen sich DNA von ihm hätte befinden können und diese Leute könnten dann für seine DNA an den Tatorten verantwortlich sein, überzeugt dieser Einwand nicht. Denn diese – natürlich abstrakt denkbare Möglichkeit – hat der Angeklagte an keiner Stelle durch die Benennung dafür möglicherweise in Frage kommender Personen konkretisiert. Dies hätte angesichts der an mehreren Stellen in diesem Verfahren für seine Täterschaft streitenden Spurenlage nahe gelegen. Dass der Angeklagte etwa ein Verleihen von Handschuhen, dem im vorliegenden Fall aus Sicht der Kammer abstrakt denkbaren Übertragungsweg seiner DNA, noch erinnert und vorbringt, hätte insofern nahe gelegen. Wobei auch – die diesbezüglichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Q2 zugrunde legend – zu bedenken ist, dass diese Person darauf hätte achten müssen, die DNA des Angeklagten nicht etwa durch eigene DNA-Antragungen infolge des Gebrauchs zu überlagern. Bei Zugrundelegung der Einlassung des Angeklagten, dass er seine Wohnung in der B-Straße bewusst nicht groß publik gemacht hat und seinen Aufenthalt dort auch verschwiegen hat, erschließt sich noch weniger, welche Personen dann eventuell Anziehsachen oder Kleidungsstücke vom Angeklagten bei der Tat verwandt haben sollten. Sofern die Verteidigung im Rahmen des neunten Verhandlungstages nach Entgegennahme der Gutachten der Sachverständigen Prof. Q2 erklärt hat, deren Wahrscheinlichkeitsangaben seien vor dem Hintergrund, dass aus Sicht der Verteidigung der Bruder N1 T3 als potentieller Täter in Betracht komme, nicht aussagkräftig, hat die Kammer eine ergänzende Begutachtung durch die Sachverständige Prof. Q2 in Auftrag ergeben. Diese in die Hauptverhandlung durch Verlesung eingeführte Begutachtung kommt bezüglich sämtlicher Taten – und damit auch im vorliegenden Fall, worauf im Folgenden noch gesondert einzugehen sein wird – zu dem Ergebnis, dass N1 T3 für keine der in diesem Verfahren relevanten und untersuchten DNA-Spuren als Verursacher in Betracht kommt. Da der Angeklagte – wobei die Kammer insoweit seine Angaben zugrunde gelegt hat – in keinem guten Verhältnis zu seinem Bruder N1 stand und es mit Ausnahme des Kontaktes am 01.01.2021, eines Treffens in der Wohnung seines Bruders N und einer gemeinsamen Fahrt zu der erkrankten Mutter zu keinerlei sonstigen persönlichen Kontakten gekommen sein soll, war auch nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie es – dies zugrunde legend – zu einer Übertragung seiner DNA über N1 T3 gekommen sein soll.
358Anhaltspunkte für die Beteiligung einer weiteren Person an dem Überfall haben sich nicht ergeben. Dass sich neben dem Angeklagten noch eine weitere, an der Tat beteiligte Person im Kelleraufgang befunden haben soll, die ihrerseits für den Einsatz des CS-Gases gegen die Geschädigte verantwortlich gewesen sein könnte, schließt die Kammer aus. Nach den Angaben der einzigen unmittelbaren Tatzeugin Anna Elisabeth M konnte darauf jedenfalls nicht geschlossen werden, wobei die Kammer nicht verkennt, dass diese im Rahmen ihrer Vernehmung mangels Einsehbarkeit dies auch nicht hat ausschließen können. Allerdings sprach aus Sicht der Kammer nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder von dem Treppenaufgang und den darauf befindlichen Gegenständen, deren unverrückter Standort von den Zeuginnen Anna Elisabeth M, Gabi M und I3-C13 bestätigt wurde, gegen eine solche Annahme. Denn insbesondere durch das am Treppenaufgang befindliche Bügelbrett und die zwei Schrubber wurde der Durchgang vom Keller in den Dielenbereich derart verengt, dass die Anwesenheit einer zweiten Person am Kelleraufgang – noch dazu in Aktion beim Versuch, die Tür durch Hebeln und Betätigen der Türklinke zu öffnen – kaum möglich erscheint. Eine zweite Person, noch dazu neben dem muskulös gebauten Angeklagten, hätte dort nur schwerlich Platz finden können. Dass auch weder die zwei Putzeimer noch der Wasserkasten im unteren Treppenbereich bei der anzunehmenden Flucht verrückt worden sind, sprach ebenfalls gegen einen zweiten Täter. Wobei die Kammer nicht verkennt, dass es nicht denknotwendig zu einem von Hektik getragenen Verlassen des Treppenbereichs nach dem fehlgeschlagenen Versuch, in den Wohnbereich zu gelangen, gekommen sein muss. Dass dies jedoch in bedächtiger Ruhe von statten gegangen sein soll, zumal die Wegstrecke bis zum eigentlichen Kellerausgang vom Täter noch zurückgelegt werden musste, lag nicht nahe. Aus der glaubhaften Bekundung der Geschädigten, die berichtet hat, dass der Täter nach dem Verriegeln der Tür noch unmittelbar weiter an der Türklinke gerüttelt und versucht habe, ins Wohnungsinnere einzudringen, folgert die Kammer, dass es der Angeklagte in Person war, der zunächst das Reizgas einsetzte und sodann die Türklinke mehrfach betätigt hat. Dafür dass eine andere Person für den Einsatz des Reizgases verantwortlich war, sodann ein Positionswechsel an dem beengten Treppenaufgang stattgefunden und sodann erst der Angeklagte an der Klinke gerüttelt haben soll, sprach nichts.
359Soweit die Zeugin Anna Elisabeth M im Rahmen ihrer Zeugenbefragung von der Verteidigerin des Angeklagten gebeten wurde, sich den im Sitzungssaal anwesenden Angeklagten mal näher anzusehen, und diese daraufhin erklärt hat, sie könne zu der Haarfarbe nichts sagen, die Haare des Täters seien aber kürzer gewesen, spricht auch dies nicht gegen die Täterschaft des Angeklagten. Zwar hat der Angeklagte sehr lange dünne Haare. Wie auf den in Augenschein genommenen Überwachungsvideos betreffend das Grundstück der Frau Dr. C12 allerdings zu sehen war, trägt er seine Haare – wie auch überwiegend im Rahmen der mehrtägigen Hauptverhandlung – mit einem Haarband streng nach hinten zusammengebunden. Die eigentliche Haarlänge ist dann jedenfalls, insbesondere in der frontalen Sicht, nicht mehr auszumachen. Da zudem unklar blieb, ob der Angeklagte bei dem Geschehen vom 00.00.0000 ebenfalls ein Tuch oder gar eine andere Kopfbedeckung getragen hat, war dieser Angabe der Zeugin Anna Elisabeth M, der Täter habe kürzere Haare getragen, keine den Angeklagten als Täter ausschließende Bedeutung beizumessen. Auch insoweit war zu berücksichtigen, dass die Geschädigte infolge des Einwirkens mit CS-Gas in ihrer visuellen Wahrnehmungsfähigkeit der Erscheinung der vor ihr stehenden Person eingeschränkt war und sie diese infolge des nur vorübergehenden Öffnens und unmittelbaren Schließens der Tür lediglich kurzzeitig hat wahrnehmen können.
360Für eine Täterschaft des Angeklagten spricht – wie bereits ausgeführt und noch im Zusammenhang ausgeführt werden wird – eine Gesamtbetrachtung der diesem Verfahren zugrundeliegenden Tatgeschehen. Im Hinblick auf die Vorstrafen des Angeklagten sind dem Angeklagten Tatgeschehen, in denen es vorrangig darum geht, in Wohnungen einzubrechen, um Wertgegenstände zu entwenden, nicht wesensfremd. Der vorliegende Tatort zum Nachteil der Geschädigten M liegt zu dem vorherigen Geschehen vom 00.00.0000 (T8 Weg 62 in S) unter 500 Meter Luftlinie entfernt. Gesichtspunkte, die allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten im vorliegenden Fall sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
361g) Sämtliche Taten betreffende Erwägungen
362Hinsichtlich sämtlicher festgestellter Tatgeschehen hat die Kammer noch die folgenden einzelfallübergreifenden Aspekte in die vorzunehmende Gesamtbetrachtung einbezogen und gewürdigt:
363aa)
364Wie bereits ausgeführt sind dem Angeklagten Straftaten wie die der Wohnungseinbruchdiebstähle nicht fremd, was seine bisherigen Vorstrafen, insbesondere die dargestellten Gründe des Urteils des Landgerichts Bochum vom 10.04.2014 (Az.: II-8 KLs-46 Js 33/13-6/14), belegen. Dass der Angeklagte die vorherigen Tatorte auskundschaftet hat, nimmt die Kammer bezüglich der hier zur Verurteilung kommenden Fälle jedenfalls teilweise an. Sowohl bei dem Tatgeschehen vom 00.00.0000 zum Nachteil der Geschädigten G als auch bei dem Tatgeschehen vom 00.00.0000 zum Nachteil der Geschädigten M befanden sich nach Angaben der vernommenen Geschädigten – anders als sonst üblich – keine Kraftfahrzeuge in den Einfahrten, die auf eine Anwesenheit der Hausbewohner hingedeutet hätten. Bei dem Geschehen vom 00.00.0000 wird die Vorgehensweise des Angeklagten, geeignete Tatobjekte zuvor auszubaldowern, eindrücklich deutlich. Auffallend ist zudem die übereinstimmende Betagtheit der Opfer bei den Taten zum Nachteil der Geschädigten M, G und L5. Auch bei dem Objekt T8 Weg 62 wäre, sofern der Angeklagte sein Einbruchsvorhaben umgesetzt hätte, neben der Zeugin X2 die 90-jährige Dr. C12 als Geschädigte betroffen gewesen. Dass der Angeklagte sich bewusst Tatobjekte ausgesucht hat, bei denen er einerseits aufgrund des Alters der Geschädigten eine erhebliche Tatbeute, insbesondere Schmuck, vermutete und er andererseits – für den Fall des Antreffens der Hausbewohner – damit gerechnet hat, auf Personen zu treffen, von denen aufgrund des Alters keine erhebliche Gegenwehr zu erwarten gewesen wäre, liegt nahe.
365Ebenso spricht in der Gesamtschau aller Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten, dass sich nach der Entlassung des Angeklagten aus der Haft die Wohnungseinbrüche und Raubtaten innerhalb von Wohnungen im Bereich S-T/ L4 derart gehäuft haben, dass das Polizeipräsidium S deswegen eine Ermittlungskommission (EK H2) eingerichtet hat, um mit mehr Personal die diesbezüglichen Ermittlungen führen zu können. Dies bekundeten die Ermittlungsführer dieser Kommission, die Zeugen N6 und H2, auch so. Ferner gaben sie übereinstimmend an, dass auffallend gewesen sei, dass diese Taten vorzugsweise Einfamilienhäuser betroffen hätten und es teilweise dabei auch zu Kontakten mit den Bewohnern, vornehmlich älteren Personen, gekommen sei.
366Die Zeugen bekundeten darüber hinaus, dass, nachdem der Angeklagte aufgrund des Überwachungsvideos des Grundstücks T8 Weg tatverdächtig geworden sei, er ab dem 00.00.0000 – nach gerichtlicher Anordnung durch Beschluss – über einige Tage observiert worden sei. Auffallend im Rahmen der Observierungen sei gewesen, dass der Angeklagte vorzugsweise nachts auf einem Fahrrad unterwegs gewesen sei. Sie seien danach davon ausgegangen, dass der Angeklagte nachts Einfamilienhäuser ausbaldowere. Dabei habe man ihn immer im gleichen Stadtteilbereich, und zwar in S-T, herumfahren gesehen. In einer Nacht sei er um den T8 Park herumgefahren und immer wieder an unterschiedlichen Stellen des Parks herausgekommen. Im Übrigen habe erst durch diese Observation die Wohnung B-Straße ermittelt werden können. Dass der Angeklagte des nachts auf einem Fahrrad ziellos in diesem Bereich herumgefahren sein könnte, schließt die Kammer aus.
367Die konkrete Nähe der verfahrensgegenständlichen Tatorte spricht ebenso für eine Täterschaft des Angeklagten. Die Kammer hat im Rahmen der Vernehmung der Zeugin H2 mit dieser einen Stadtplan von S in Augenschein genommen und die Wegstrecken zwischen den einzelnen Tatorten mittels des auf dem Stadtplan angegebenen Maßstabs im Einzelnen ausgemessen und berechnet. Danach hat sich ergeben, dass zwischen den Tatorten
368O 8 und T8 Weg 62 440 Meter
O 8 und Tpark 49 800 Meter
O 8 und T7 Str. 22 950 Meter
T8 Weg 62 und Tpark 49 650 Meter
T8 Weg 62 und T7 Str. 22 5 20m und
T7 Straße 22 und Tpark 49 920 Meter
Luftlinie lagen, was die Zeugin H2, die selbst ortskundig ist, so bestätigt und bekundet hat, dass die Tatorte allesamt sehr nah beieinander im Süden von S liegen würden. Die Kammer hat bei der Würdigung der Meter-Angaben berücksichtigt, dass es sich aufgrund des zugrunde gelegten Maßstabs nur um ungefähre Angaben handeln kann. Gleichwohl besteht danach aber ein enger örtlicher Zusammenhang der Tatorte, deren Zufälligkeit die Kammer in einer Gesamtschau der vorliegenden Indizes ausschließt. Der Angeklagte ist in S-T aufgewachsen und hat dort mit Ausnahme seiner Aufenthalte in Justizvollzugsanstalten sein gesamtes Leben verbracht. Außerdem hat sich der Angeklagte nach den Observationen nachts draußen in dem Gebiet sämtlicher in S liegender Tatorte aufgehalten; da die Einbrüche allesamt nachts geschahen, ist auch dies in Einklang zu bringen. Lediglich bei dem Einbruch in das Juweliergeschäft B3 wählte er als Tatort die Stadt I, die jedoch direkt an der Stadtgrenze von S-T liegt. In dieser Nacht verfügte er auch – anders als an den übrigen Tattagen – über ein Kraftfahrzeug.
376Dass sich der Angeklagte nach seiner bis Ende Juli 2020 andauernden Haftstrafe einem Leben ohne Straftaten nicht zugewandt haben dürfte, lässt auch die im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung bei ihm aufgefundene, aus einem Stück Stoff gearbeitete weiße Sturmmaske mit Sehschlitzen, die deutliche Gebrauchsspuren aufweist, vermuten. Die Inaugenscheinnahme dieser Maske – sowohl im Original als auch auf Lichtbildern – hat ergeben, dass sie ausschließlich zur Verschleierung der Identität geeignet ist, da an den Stellen, wo sich Augen, Nase und Mund befinden, Löcher händisch eingearbeitet wurden. Dass der Angeklagte diese anderweitig, etwa zum Schutz vor Wind als Motorradfahrer, genutzt haben sollte, liegt angesichts einer nicht vorhandenen Fahrerlaubnis fern. Im Übrigen hat der Angeklagte, der im Rahmen seiner Einlassung abgestritten hat, dass diese Maske von ihm stamme, und einwandte, die müsste jemand anderer bei ihm vergessen haben, entsprechendes auch nicht behauptet. Dass diese Maske bei dem Juweliereinbruch am 00.00.0000 vom Angeklagten getragen bzw. verwendet wurde, wovon die polizeilichen Ermittlungen nach Bekundungen der Zeugin H2 ausgegangen seien, hat die Kammer nicht sicher feststellen können. Allerdings konnte an dieser augenscheinlich deutliche Gebrauchsspuren aufweisenden Maske, die innerhalb einer beim Angeklagten aufgefundenen Edeka-Einkaufstasche aufgefunden wurde, das DNA-Profil des Angeklagten aufgefunden werden. Hiernach und aufgrund des Fundortes geht die Kammer davon aus, dass diese Maske dem Angeklagten gehört und er diese auch getragen hat.
377Die Kammer hat auch insoweit sowohl das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Prof. Q2 in die Hauptverhandlung eingeführt als auch ihr diesbezügliches Gutachten mündlich entgegen genommen. Das Gutachten ergab, dass an den Ausschnitten und Abklebungen von der Maske (S101.7-S101.10, soweit auswertbar) entweder ein männliches DNA-Profil bestimmt wurde, das in allen 16 Systemen mit dem Angeklagten übereinstimmt oder es sich um eine Mischspur handelt, die von mindestens zwei Personen verursacht wurde und in der sich alle Allele des Angeklagten nachweisen lassen. Die Genotyphäufigkeit für dieses DNA-Profil beträgt 3,75x10-19, damit liegt die theoretisch berechenbare Auftretenshäufigkeit oberhalb des der von der Spurenkommission empfohlenen Schwellenwertes von einer Person unter 30 Milliarden Personen (ausgenommen eineiige Mehrlinge). Also – so die Sachverständige – sei es praktisch erwiesen, dass die DNA-Antragungen an der Maske vom Angeklagten stammten.
378Für einen Abgleich der analysierten Spuren lag der Sachverständigen wie in allen in diesem Verfahren durchgeführten Spur-Personen-Abgleichen der DAD-Bogen des Angeklagten vor.
379Die forensisch-genetische Untersuchung der 16 DNA-Systeme der Spuren ergab nach dem Gutachten folgende Ergebnisse:
380System |
Spur S101.7 Menschliche Blutspur im Nasenbereich |
Spur S101.9 Maske unten von innen und außen abgeklebt |
Spur S101.10 Mund/ Nasenbereich innen und außen abgeklebt |
DNA-Profil des Angeklagten |
SE 33 |
15/29.2 |
15/17/24.2/29.2 |
15/29.2 |
15/29.2 |
D21S11 |
30/31.2 |
29/30/31.2/32.2 |
30/31.2 |
30/31.2 |
VWA |
18/19 |
14/16/18/19 |
18/19 |
18/19 |
TH01 |
6/9.3 |
6/9.3 |
6/9.3 |
6/9.3 |
FGA |
22/26 |
20/22/26 |
22/26 |
22/26 |
D3S1358 |
14/17 |
14/15/17 |
14/17 |
14/17 |
D8S1179 |
10/12 |
10/12/14 |
10/12 |
10/12 |
D18S51 |
12/13 |
12/13/14/15 |
12/13 |
12/13 |
D1S1656 |
11/15 |
11/15/16/17.3 |
11/15 |
11/15 |
D2S441 |
14 |
11/13/14 |
14 |
14 |
D10S1248 |
13/18 |
13/16/18 |
13/18 |
13/18 |
D12S391 |
20 |
18/20/21 |
20 |
20 |
D22S1045 |
15/16 |
11/15/16 |
15/16 |
15/16 |
D16S539 |
12/14 |
12/13/14 |
12/14 |
12/14 |
D2S1338 |
19/22 |
16/19/20/22 |
19/22 |
19/22 |
D19S433 |
12/14 |
12/13/14 |
12/14 |
12/14 |
Amelogenin |
XY |
XY |
XY |
XY |
Die Kammer schließt sich den überzeugenden Ausführungen und Bewertungen der Sachverständigen auch an dieser Stelle nach eigner Prüfung an. Eine biostatistische Zuordnung der DNA-Spuren zu dem DNA-Profil des Angeklagten war im Sinne einer Verursachung und Mitverursachung möglich. Die nachgewiesenen Merkmale in den 16 Systemen stimmen hinsichtlich der Spuren S101.7 und S101.10 vollständig überein. Der berechnete Seltenheitswert – auch der Mischspur – liegt weit unter einem im Millionenbereich, der rechtlich bereits für die Überzeugung ausreichen kann, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur von dem Angeklagten herrührt. Die Berechnungsgrundlage ist auch in diesem Fall nicht zu beanstanden. Die nachgewiesenen DNA-Merkmale sind unabhängig voneinander vererbbar, auf die kombinierte Phänotypfrequenz darf daher abgestellt werden. Auch trifft die Auswahl der Vergleichspopulation – mitteleuropäische Bevölkerung – zu, da der Angeklagte nicht etwa einer fremden Ethnie angehört. Dass die hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten lediglich auf einer statistischen Aussage beruht, hat die Kammer ebenso berücksichtigt wie den Umstand, dass es sich hier bezüglich der Spur S101.9 um eine Mischspur handelt. Gesichtspunkte, die den Beweiswert der Merkmalsübereinstimmungen schmälern könnten, haben sich – über den Gesichtspunkt der Mischspur als solcher hinaus – nicht ergeben. Die seitens des Angeklagten im Rahmen der mündlichen Gutachtenerstattung angebotene Erklärung, dass sich seine DNA an der Maske aufgrund eines in die Einkaufstasche zufällig gefallenen langen Kopfhaares, was von ihm herrühre, befunden haben könnte, schloss die Sachverständige nachvollziehbar aus. So ließen sich nämlich – so die Sachverständige – die im von ihr vermuteten Nasenbereich aufgefundenen Blutantragungen, die eindeutig das Blut des Angeklagten darstellten, nicht erklären. Die Sachverständige hat auch dieses Gutachten betreffend jederzeit verständliche und nachvollziehbare Ausführungen und Bewertungen vorgenommen. Die Erfahrung und Sachkunde von Prof. Q2 steht – wie bereits ausgeführt – außer Frage.
382Dass der Zeuge W bei Rückgabe des B2 am 00.00.0000 neben einem Silvesterknaller eine Taschenlampe und einen Schraubendreher zurückgelassen in dem Fahrzeug vorgefunden hat, ließ aus Sicht der Kammer ferner vermuten, dass der Angeklagte als Nutzer des Fahrzeugs damit Einbruchdiebstähle begangen haben könnte oder dies jedenfalls beabsichtigt hat. Dafür, dass der Angeklagte jedenfalls den Schraubendreher für eine Reparatur des vollfunktionstüchtigen Fahrzeugs verwandt oder einfach darin transportiert haben sollte, sprach wenig. Auch wenn es sich bei dem Angeklagten ansonsten um einen mögliche Beweismittel vermeidenden und diesbezüglich umsichtigen Täter handeln dürfte, ist der Transport eines Schraubendrehers in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ein Umstand, der jedenfalls nicht für ein straffreies Leben des Angeklagten streitet.
383bb) Ausschluss des Bruders N1 T3 als Täter
384Da seitens der Verteidigung nach erfolgter Gutachtenerstattung von Frau Prof. Q2 am neunten Hauptverhandlungstag der Verdacht geäußert wurde, dass der Bruder N1 T3 möglicherweise als Täter der Taten, in denen DNA-Spuren gefunden und molekulargenetisch untersucht wurden, in Betracht komme, hat die Kammer – obwohl auf N1 T3 als Täter nach der bis dahin durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme nichts hingedeutet hat – einen Spur-Personen-Abgleich mit dem DNA-Identifizierungsmuster des N1 T3 eingeholt und diesen nachfolgend durch Verlesung des schriftlich erstellen Gutachtens in die Hauptverhandlung eingeführt. Der Kammer ging es bei Einholung dieses ergänzenden Gutachtens vornehmlich um die Frage, ob sich durch Einbeziehung des Bruders N1 T3 eine Änderung der biostatistischen Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich der den Angeklagten betreffenden Berechnungen ergibt, was im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen gewesen wäre. Die beauftragte Sachverständige Prof. Q2 hat bei ihrem Abgleich das in der DAD gespeicherte DNA-Profil des N1 T3 („M.S. 1987“) zugrunde gelegt, welches im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung seiner Person im Rahmen von Ermittlungen bezüglich eines besonders schweren Fall des Diebstahls im Jahre 2012 in S (Az.: 701000-031437-12/4) gewonnen wurde. Das in der Hauptverhandlung verlesene DNA-Profil des N1 T3 lautet wie folgt:
385System |
Allel 1 |
Allel 2 |
SE 33 |
15 |
29.2 |
D21S11 |
29 |
31.2 |
VWA |
18 |
18 |
TH01 |
6 |
9.3 |
FGA/FIBR |
22 |
24 |
D3S1358 |
15 |
16 |
D8S1179 |
10 |
13 |
D18S51 |
12 |
13 |
D1S1656 |
11 |
15 |
D2S441 |
14 |
14 |
D10S1248 |
14 |
17 |
D12S391 |
20 |
20 |
D22S1045 |
15 |
15 |
D16S539 |
13 |
14 |
D2S1338 |
19 |
22 |
D19S433 |
13 |
14 |
Amelogenin |
X |
Y |
Die gutachterliche Beurteilung der Sachverständigen Prof. Q2, Institut der Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen, vom 00.00.0000 (Az.: DNA-P077/21) hat ergeben, dass N1 T3 für keine in diesem Verfahren relevanten DNA-Spuren als Verursacher in Frage kommt. Ebenso wenig hat sich hierdurch eine Änderung der biostatistischen Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich der den Angeklagten betreffenden Berechnungen – wie bereits dargestellt – ergeben.
387Im Einzelnen:
388(1) Abgleich mit den Wischspuren Wintergartenfenster (Tat vom 00.00.0000– 00.00.0000, B1; Fall 2 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
389Im DNA-Profil der Mischspur Abriebe äußere Verglasung Wintergartenfenster fehlen die folgenden Allele, die für einen Einschluss des N1 T3 als Spurenleger erforderlich wären: D21S11 Allel 29, FGA Allel 24, D3S1358 Allel 15, D8S1179 Allel 13, D10S1248 Allel 14, D16S539 Allel 13, D19S433 Allel 13. Damit ist der N1 T3 als Spurenleger für die DNA-Antragungen an den Abrieben äußere Verglasung Wintergartenfenster nicht nachweisbar. Eine Änderung in der biostatistischen Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des Angeklagten ergibt sich dadurch nicht.
390(2) Abgleich mit der Spur Öffnungslasche Brustbeutel (Tat vom 00.00.0000, T7 Straße 22; Anklageschrift vom 09.06.2021, Az.: 46 Js 127/21)
391Im DNA-Profil der Mischspur Abklebung Öffnungslasche der Umhängetasche fehlen die folgenden Allele, die für einen Einschluss des N1 T3 als Spurenleger erforderlich wären: D10S1248, FGA Allel 24. Damit kann der N1 T3 als Spurenleger nicht eingeschlossen werden. Eine Änderung in der biostatistischen Berechnung hinsichtlich des Angeklagten ergibt sich dadurch nicht.
392(3) Abgleich mit der Spur Türklinke Ende vom Kellergang (Tat vom 00.00.0000, O 8, Anklageschrift vom 26.05.2021, Az.: 46 Js 118/21)
393Im DNA-Profil der Mischspur Abriebe Türklinke Ende vom Kellergang fehlen die folgenden Allele, die für einen Einschluss des N1 T3 als Spurenleger erforderlich wären: D16S539 Allel 13, D8S1179 Allel 13, FGA Allel 24, D19S433 Allel 13. Damit ist der N1 T3 als Spurenleger für die DNA-Antragungen an dem Abrieb Türklinke Ende vom Kellergang nicht nachweisbar. Eine Änderung der biostatistischen Berechnung hinsichtlich des Angeklagten ergibt sich dadurch nicht.
394Die Kammer folgt der auch insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden gutachterlichen Beurteilung der Sachverständigen Prof. Q2. Eine biostatistische Zuordnung der an den jeweiligen Tatorten aufgefundenen DNA-Spuren zu dem DNA-Profil des N1 T3 war nicht möglich. Insbesondere hat sich aber auch eine Änderung der biostatistischen Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich der den Angeklagten betreffenden Berechnungen nicht ergeben. Die Berechnungsgrundlage ist – wie bereits ausgeführt – nicht zu beanstanden. Die nachgewiesenen DNA-Merkmale sind unabhängig voneinander vererbbar, auf die kombinierte Phänotypfrequenz darf daher abgestellt werden. Auch trifft die Auswahl der Vergleichspopulation – mitteleuropäische Bevölkerung – zu, da auch der Bruder des Angeklagten nicht etwa einer fremden Ethnie angehört.
395Im Übrigen haben sich im Verlaufe der Hauptverhandlung auch (sonst) keinerlei Anhaltspunkte ergeben, die für eine Täterschaft des N1 T3 gesprochen hätten. Nach den glaubhaften Bekundungen der dazu vernommenen Zeugen H2 und N6 sei auch im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen weder der Bruder des Angeklagten N1 T3 noch ein sonstiges Familienmitglied als Täter der Taten, bei denen DNA-Spuren gefunden worden seien, in Frage gekommen. Diesbezügliche Ermittlungshinweise oder -ansätze habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben.
396h)
397Soweit seitens der Verteidigung im Rahmen des 10. Hauptverhandlungstages beantragt worden ist, für den Fall, dass die Angaben von N1 T3 verwertet werden sollen, zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge N1 T3 an einer psychischen Krankheit leidet und infolgedessen nicht aussagefähig bzw. nicht aussagetüchtig ist, diesen von einem forensisch-psychiatrischen Sachverständigen sowie aussagepsychologisch begutachten zu lassen, musste die Kammer diesem Antrag nicht nachkommen. Denn die Kammer hat die von ihr getroffenen Feststellungen an keiner Stelle auf die Angaben des vor der Kammer vernommenen Zeugen N1 T3 gestützt oder diese ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.
3983. Feststellungen zur psychischen Befindlichkeit des Angeklagten in den jeweiligen Tatzeitpunkten
399Die Überzeugung von der vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten stützt die Kammer auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. Michael M1. Der langjährig erfahrene Sachverständige, welcher der Kammer aus einer Vielzahl von Strafverfahren als zuverlässig und forensisch besonders erfahrener Sachverständiger bekannt ist, hat den Angeklagten in einem am 00.00.0000 in der JVA Bochum stattgefundenen Gesprächstermin exploriert und überdies an sämtlichen Hauptverhandlungstagen mit Ausnahme des 00.00.0000 teilgenommen. Soweit er an diesem Tag der Beweisaufnahme, in der es inhaltlich um den Juweliereinbruch vom 00.00.0000 gegangen ist, nicht beizuwohnen vermochte, wurde dem Sachverständen ein eigens für ihn angelegter Berichterstattervermerk zu den Angaben der Zeugin K3 zur Verfügung gestellt, der nachfolgend im Rahmen der Hauptverhandlung im Beisein des Sachverständigen verlesen wurde. Die den Juweliereinbruch am 00.00.0000 zeigenden Videoaufnahmen wurden darüber hinaus erneut in Anwesenheit des Sachverständigen in Augenschein genommen. Des Weiteren standen dem Sachverständigen auch die Hauptakten samt Beiakten zur Vorbereitung seines Gutachtens zur Verfügung.
400Der Sachverständige Dr. M1 hat im Rahmen seiner Gutachtenerstattung vor der Kammer ausgeführt, dass die erhobene Krankheitsanamnese bei dem Angeklagten in körperlicher Hinsicht keinen pathologischen Befund aufgezeigt habe. Der sportlich gut trainierte Angeklagte sei körperlich topfit. Auch ließen sich keine relevanten psychopathologischen Auffälligkeiten bei ihm feststellen. Bei distanziert-kühler Stimmung und guter kognitiver Leistungsfähigkeit habe der Angeklagte am Untersuchungsgang in der JVA teilgenommen, um gezielt und intendiert wirkend auf Fragen des Sachverständigen zu antworten oder dies auch nicht zu tun. Der Angeklagte habe sich ähnlich wie im Rahmen der mehrtägigen Hauptverhandlung präsentiert, wenngleich er sich im Rahmen des Explorationsgesprächs zu den ihm vorgeworfenen Straftaten nicht habe näher erklären wollen und lediglich angegeben habe, ihm werde „etwas in die Schuhe geschoben“. In dem Lebenslauf des Angeklagten sei bemerkenswert, dass der Angeklagten seit seiner Kindheit, später auch in der Pubertät, schulische und psychosoziale Probleme mit altersgebundenen Klassenkonferenzen und unter Einschaltung des Jugendamtes erlitten habe. Rückblickend könne eine Entwicklungsstörung schulischer Fähigkeiten und Fertigkeiten festgestellt werden. Der Angeklagte habe die Schule früh und lediglich mit einem Abgangszeugnis verlassen sowie in der Folgezeit bis heute beruflich nicht fußfassen können. Auch im Rahmen seiner letzten langjährigen Inhaftierung habe nach den Berichten der Justizvollzugsanstalten und den Bekundungen seiner Bewährungshelferin keine relevante Zukunftsperspektive entwickelt werden können. Des Weiteren könne eine Entwicklungsstörung der Emotionalität, der Bezugsfähigkeit und des Sozialverhaltens bei dem Angeklagten festgestellt werden. Daraus habe sich – angedeutet bereits in der Pubertät und fortlaufend im jungen Erwachsenenalter darstellend – eine nennenswerte dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2) entwickelt, die jedoch keinen Krankheitswert besäße. Die Kriterien dieser Persönlichkeitsstörung, nämlich ein lebensgeschichtlich früher Beginn mit Selbstbezogenheit, Missachtung soziokulturell üblicher Normen und Regeln, eine Bindungsschwäche, ein Versagen in Ausbildung und Beruf seien bei dem Angeklagten deutlich zu erkennen. Die Persönlichkeitsstörung sei bei dem Angeklagten zudem mit einer deutlichen kriminellen Energie verbunden. Der Angeklagte führe seit früher Lebenszeit Straftaten im Rahmen eines breiten juristischen Spektrums durch und sei im kriminellen Milieu verhaftet, wobei deutlich werde, dass er keinerlei Empathie für seine jeweiligen Opfer empfände. Auffallend sei zudem, dass der Angeklagte unter einer deutlichen Selbstüberschätzung leide, was auch im Rahmen der Hauptverhandlung an mehreren Stellen offen und deutlich zutage getreten sei, wobei letztlich unklar bliebe, worauf diese basiere. Der Angeklagte passe sich nur in geringem Maße an kulturelle Normen und Werte an. Diese beim Angeklagten anzunehmende ernsthafte Persönlichkeitsstörung führe jedoch nicht zu der Bejahung eines der Eingangskriterien des § 20 StGB. Sie sei weder als krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder schwere andere seelische Störung zu qualifizieren. Auch ein Intelligenzmangel sei bei dem Angeklagten nicht anzunehmen. Es könne nicht angenommen werden, dass sich die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit bei den ihm zur Last gelegten Taten ausgewirkt habe.
401Der Sachverständige hat des Weiteren ausgeführt, dass – unabhängig davon, ob die Kammer den seitens des Angeklagten mitgeteilten Umfang von Alkohol und Amphetaminen für erwiesen erachte – auf der Grundlage des ihm im Rahmen des Explorationsgesprächs von dem Angeklagten dargestellten Konsums, der von diesem auch teilweise gleichlautend in der Hauptverhandlung wiederholt worden sei, von einem an einen missbräuchlichen Umgang beider Substanzen im Sinne der ICD-10: F 10.1 und ICD-10: F 15.1 heranreichenden Konsum des Angeklagten in den Tatzeitpunkten ausgegangen werden könne. Er selbst halte die Angaben des Angeklagten zu dem Umfang seines Konsums von Alkohol und Amphetaminen für nicht plausibel. Die vom Angeklagten selbst beschriebenen Fertigkeiten, etwa die Anmietungen der Fahrzeuge und seiner Wohnung nebst Einrichtung derselben oder auch seine beschriebenen zeitweiligen Sportaktivitäten seien mit einem derartigen, von ihm angegebenen Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum nicht vereinbar. Da auch die übrigen hierzu vernommenen Zeugen, insbesondere die aus seinem familiären oder partnerschaftlichen Umfeld, ein ansonsten zu erwartendes, insbesondere durch Alkohol beeinträchtigtes Verhalten an keiner Stelle beschrieben hätten, seien diese Angaben aus seiner Sicht nicht schlüssig. Der Angeklagte wird Alkohol und auch Amphetamine zeitweilig konsumiert haben, wie es zu seiner subkulturellen Welt, in der er sich bewegt habe, wo regelmäßig gechillt und gezockt werde, passe. Das Zeitfenster, in dem der Angeklagte sich nach seiner Entlassung Ende Juli 2020 in Freiheit befunden habe und in der ein Konsum habe stattfinden können, sei auch zu kurz, um einen darüber hinausgehenden Konsum annehmen zu können. Allerdings habe dieser an einen schädlichen Gebrauch heranreichenden Konsum im Rahmen der dem Angeklagten vorgeworfenen Tatgeschehen sich nicht auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt. Zu den Tatzeitpunkten habe jedenfalls keines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorgelegen. Aufgrund des jeweils planvollen und strukturierten Vorgehens des Angeklagten bei erhaltenen motorischen Fähigkeiten lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einsichts- und/oder die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten eingeschränkt oder gar aufgehoben gewesen sei. Der Angeklagte sei zu jeder Zeit in der Lage gewesen, auf etwaige Widerstände zu reagieren und seine Tatvorhaben uneingeschränkt und zielgerichtet durchzuführen.
402Die Kammer folgt den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des langjährig forensisch erfahrenen Sachverständigen nach eigener kritischer Sachprüfung. Der Sachverständige ist im Rahmen seiner Gutachtenerstattung von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Zweifel an seiner Sachkunde ergaben sich zu keinem Zeitpunkt.
403Die Kammer hat im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung der Schuldfähigkeit dabei – zugunsten des Angeklagten – den von ihm angegebenen missbräuchlichen Umgang von Amphetaminen und Alkohol ihrer Beurteilung zugrunde gelegt. Dabei ist sie jedoch – den Ausführungen des Sachverständigen folgend – zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auch der zu Gunsten des Angeklagten anzunehmende missbräuchliche Umgang auf seine psychische Funktionsfähigkeit und seine Handlungsmöglichkeiten bei den Taten nicht in beeinträchtigender Weise ausgewirkt hat. Der Angeklagte hat – insoweit denknotwendig, da er diese allesamt in Abrede gestellt hat – keine Angaben zu einem etwaigen Konsum von Alkohol und Drogen vor den jeweiligen Taten gemacht. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Angeklagte während der Taten in einem akuten Rausch aufgrund vorherigen Amphetamin- und/oder Alkoholkonsums befunden haben könnte. Ebenso gab es keine Anzeichen, dass er aufgrund von Suchtdruck, unter starken Entzugserscheinungen leidend, die Taten begangen haben könnte. Von einer Entzügigkeit im maßgeblichen Tatzeitraum hat der Angeklagte selbst auch zu keiner Zeit berichtet. Bei allen hier zur Verurteilung gelangten Taten ist der Angeklagte – wie der Sachverständige seinerseits ausgeführt hat – planvoll, strukturiert und zielgerichtet vorgegangen. Soweit bei den Taten eine Kommunikation mit Geschädigten stattgefunden hat, etwa bei den Taten vom 00.00.0000 (Geschehen T6) und 00.00.0000 (Geschehen G), haben diese jeweils Ausfallerscheinungen nicht wahrgenommen. Im Übrigen waren die Reaktionen des Angeklagten auf Unvorhergesehenes bei den Taten vom 00.00.0000 und 00.00.0000 ebenso wie bei dem Geschehen am 00.00.0000 – etwa auf die Fragen der Zeugin G oder deren Widerstand in Form des Anfassens bzw. in den Weg Stellens, das plötzliche Öffnen der Verbindungstür durch die Zeugin M oder seine Entdeckung durch die Zeugin X2, aber auch hinsichtlich seiner diesbezüglichen planwidrigen Flucht – nicht etwa beeinträchtigt. Auch der Zeuge T6 hat bei der Kommunikation vom 00.00.0000 keine diesbezügliche Beeinträchtigung des Angeklagten wahrnehmen können. Auch Alkoholgeruch als mögliches Anzeichen vorherigen Konsums hat T6, obwohl der Angeklagte ihm bei der Tat körperlich besonders nah gewesen ist, nicht bemerken können. Anhaltspunkte dafür, dass seine motorischen Fähigkeiten beeinträchtigt gewesen sein könnten, ergaben sich ebenfalls an keiner Stelle. Die den Juweliereinbruch am 00.00.0000 aufnehmenden Überwachungsvideos dokumentieren eindrücklich – sowohl innerhalb des Geschäftes als auch beim Hinein- und Hinausgelangen – seine gut erhaltenen motorischen Fähigkeiten. Hinweise auf eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeiten während aller Tathandlungen lagen nicht vor. Angesichts der geplanten, strukturierten, und finalisierten Tatabläufe hatte die Kammer im Ergebnis keinen Grund zu der Annahme, dass seine Einsichtsfähigkeit in die Unrechtmäßigkeit seines Handelns zu den Tatzeitpunkten auch nur eingeschränkt war. Ebenfalls war der Angeklagte bei allen zur Verurteilung gelangenden Taten in der Lage, gemäß dieser Einsicht auch zu handeln.
404IV.Rechtliche Würdigung
4051. Tat vom 00.00.0000 (Fall 1 der Anklageschrift vom 03.02.2021, Az.: 46 Js 148/20)
406Durch die Tat vom 00.00.0000 hat sich der Angeklagte wegen des Versuchs der Anstiftung zur Falschaussage gemäß § 159 StGB strafbar gemacht.
407Ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 StGB liegt nicht vor. Für einen solchen ist nämlich kein Raum, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Versuch fehlgeschlagen ist.
408Ein solcher Fehlschlag des Anstiftungsversuches ist vorliegend gegeben, da der Angeklagte, bevor er von dem Zeugen abließ und zurück in den Sitzungssaal ging, erkannt hat, dass er diesen nicht mehr zum Weglassen der seinen Bruder belastenden Aussage würde bewegen können. Ihm war zudem bewusst, dass er mit einer etwaigen Fortsetzung seines Bestimmungsversuches wegen der für ihn erkennbaren endgültigen Ablehnung des Zeugen und angesichts der unmittelbar bevorstehenden Aussage, keinen Erfolg mehr haben würde.
409Die Kammer hat die Tathandlung des Angeklagten – entgegen der in der Anklageschrift vom 03.02.2021 (Az.: 46 Js 148/21) noch angenommenen rechtlichen Würdigung – nicht als tateinheitlich mitverwirklichte versuchte Nötigung nach §§ 240 Abs. 1, Abs. 2 und 3, 22, 23 Abs. 1 StGB gewertet, da es an einer Drohung mit einem empfindlichen, hinreichend konkretisierten Übel fehlt. Die nachfolgende an den Zeugen T6 gerichtete Äußerung des Angeklagten, „dass man dann da mal anders drüber reden“ wird, ist auch unter Berücksichtigung seines vorherigen aggressiven und auf den Zeugen T6 bedrohlich wirkenden Auftretens letztlich pauschal und unspezifisch geblieben. Dass das in Aussicht gestellte Treffen über ein reines Gespräch hinausgehen sollte, hat der Angeklagte weder formuliert noch konkret in Aussicht gestellt und auch nicht nachweislich in sein Vorstellungsbild aufgenommen.
4102. Tat zwischen dem 00.00.0000 und 00.00.0000 (Fall 2 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
411Durch die Tat zum Nachteil der Johanna L5 hat sich der Angeklagte eines versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß §§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 242 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
412Ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten (§ 24 Abs. 1 StGB) liegt nicht vor, weil der Versuch fehlgeschlagen ist. Nach Aufhebeln des Wintergartenfensters und anschließendem Einsteigen durch dieses in die Wohnung der Johanna L5 sollte – aus Sicht des Angeklagten – unmittelbar die Entwendung von aufzufindenden Wertgegenständen folgen. Eine Vollendung des Wohnungseinbruchdiebstahls blieb vorliegend lediglich aufgrund der Tatsache aus, dass sich keine stehlenswerten Gegenstände mehr in der Wohnung befanden, da die Zeugin L3 diese bereits im Rahmen der sukzessiven Wohnungsauflösung weggeschafft hatte, soweit sie überhaupt noch vorhanden waren. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Möblierung bzw. kompletten Einrichtung der Wohnung war dies für den Angeklagten jedoch im Zeitpunkt des Aufhebelns des Fensters nicht erkennbar. Erst nachdem er die Wohnung durchsucht hatte, erkannte er, dass sein Vorhaben nicht mehr erreicht werden kann und brach daraufhin die Tatausführung ab.
413Infolge der bereits erfolgten Wohnungsaufgabe schied eine Qualifikation nach § 244 Abs. 4 StGB aus.
4143. Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 28.06.2021, Az.: 46 Js 82/21)
415Durch die Tat vom 00.00.0000 hat sich der Angeklagte eines Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Insbesondere hatte der Angeklagte bei dem Einbruch in das Juweliergeschäft B3 auch die Absicht, sich selbst aus wiederholten Diebstählen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen, so dass er gewerbsmäßig in ein Gebäude einbrach.
4164. Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 09.06.2021, Az.: 46 Js 127/21)
417Durch die Tat vom 00.00.0000 zum Nachteil der Geschädigten G hat sich der Angeklagte wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
418Die tateinheitlich durch das Einschließen bewirkte Freiheitsberaubung gem. § 239 Abs. 1 StGB tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück, da diese lediglich tatbestandsmäßiges Mittel zur Begehung des vollendeten Raubes war. Ebenso wird der schwere Wohnungseinbruchdiebstahl gem. §§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4, 242 Abs. 1 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt.
4195. Geschehen vom 00.00.0000 (Fall 1 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
420Soweit dem Angeklagten mit der zugelassenen Anklage vom 27.04.2021 darüber hinaus ein versuchter besonders schwerer Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß §§ 244 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 3, 242 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB zur Last gelegt wurde, war er aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
421Nach den getroffenen Feststellungen liegt in den Handlungen des Angeklagten lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung. Denn er hatte am 00.00.0000 nach Maßgabe seines Tatplans noch nicht unmittelbar zu der Verwirklichung der Tat angesetzt. Dem unmittelbaren Ansetzen stand noch ein erforderlicher Zwischenakt entgegen.
422Nach den getroffenen Feststellungen verfolgte der Angeklagte am 00.00.0000 lediglich den Plan, das Grundstück bzw. das Wohnhaus zunächst auszukundschaften. Obgleich dieser Zwischenakt nach dem Tatplan des Angeklagten notwendig und mit der Tatverwirklichung zusammenhing, stand das Auskundschaften bereits nicht in einem zeitlich und räumlich unmittelbar an die Tatverwirklichung angrenzenden Zusammenhang. Das hat die Kammer daraus geschlossen, dass der Angeklagte in dieser Nacht zunächst das Stöckchen zwecks Prüfung der Frequentierung des Hauses in die Tür steckte und er nachfolgend zunächst wegging, um am nächsten Tag erneut das Grundstück aufzusuchen und den Verbleib des Stöckchens zu überprüfen. Darüber hinaus bedurfte der Übergang dieser vorbereitenden Handlung zur Tatvollendung – nämlich einem Einbruch in das Haus und dem anschließenden Entwenden von aufgefundenen Wertgegenständen – noch eines besonderen Willensentschlusses. Der fehlte, denn das Ausbaldowern mittels des zu Hilfe genommenen Stöckchens zeigt, dass es dem Angeklagten für seine Entscheidung, ob er in dieses Haus einbrechen will, darauf ankam, dass es zum Zeitpunkt des beabsichtigten Einbruchs unbewohnt ist, um möglichst unentdeckt zu bleiben.
423Aus Sicht des Angeklagten bestand auch nicht die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut. Seiner Vorstellung nach musste er sich hierfür noch zunächst Zutritt zu dem Haupthaus des Grundstückes T8 Weg 62 verschaffen. Ein unmittelbares Ansetzen kann auch nicht in dem erfolgten Übersteigen des Jägertörchens zum Garten hin gesehen werden. Nach der Vorstellung des Angeklagten sollte – wie üblich und auch zukünftig – im Haus bzw. in der Wohnung nach Wertgegenständen zum Entwenden gesucht werden, nicht hingegen in dem das Haus oder die Wohnung umgebenen Garten- oder Terrassenbereich. Das übersprungene Jägertörchen kann nicht als wesentlicher Schutz des Hauses angesehen werden, denn es war – nach Angabe des Zeugen Dr. Georg C12 – lediglich 120 cm bzw. hüfthoch. An dieser Bewertung ändert sich auch unter Berücksichtigung der erfolgten Entdeckung des Angeklagten im rückwärtigen Bereich durch die Zeugin X2 nichts. Auch zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte noch dabei, die Tatörtlichkeit lediglich auszukundschaften.
424Mangels Strafantrages kam eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB nicht in Betracht.
4256. Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 26.05.2021, Az.: 46 Js 118/21)
426Durch die Tat vom 00.00.0000 zum Nachteil der Geschädigten Anna Elisabeth M hat sich der Angeklagte wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt., 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
427Indem er sich nachfolgend dazu entschlossen hat, der Geschädigten deren Wertgegenstände nunmehr unter Einsatz von CS-Gas aus kurzer Entfernung durch einen Sprühstoß in deren Augen wegzunehmen, hat er Gewalt im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB gegen diese angewandt. Zu der von ihm beabsichtigten gewaltsamen Wegnahme kam es nicht, weil die Geschädigte den Zugang zum Wohnbereich versperrt hat und der Angeklagte erkannt hat, dass er sein beabsichtigtes Vorhaben nicht mehr werde umsetzen können.
428Durch das Sprühen des Reizgases hat der Angeklagte die Zeugin Anna Elisabeth M zudem – wie festgestellt – körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 StGB), was der Angeklagte jedenfalls billigend in Kauf genommen hatte.
429Indem der Angeklagte CS-Gas in der beschriebenen Form gegen die Geschädigte eingesetzt hat, hat er bei dem versuchten Raub auch ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt StGB und zugleich auch im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2, 2.Alt StGB verwandt. Denn das CS-Gas war nach der Art seiner Verwendung geeignet, erhebliche Verletzungen bei der Geschädigten M zu verursachen, was dem Angeklagten auch bewusst war.
430Ein Rücktritt des Angeklagten von dem Versuch des besonders schweren Raubes nach § 24 StGB schied vorliegend aus, da der Versuch fehlgeschlagen ist. Denn der Angeklagte hat erkannt, dass sein ursprünglicher Plan, über die Verbindungstür in den Wohnbereich zu gelangen aufgrund der Verriegelung der Tür nicht mehr möglich war. Eine andere Möglichkeit, in den Wohnbereich zu gelangen, gab es aus seiner Sicht insbesondere auch aufgrund des Kontaktes mit Anna Elisabeth M nicht mehr. Insbesondere war ein weiterer Einbruchsversuch durch die Hauseingangstür nach seiner Entdeckung nicht erfolgsversprechend. Erst daraufhin brach er die weitere Tatausführung ab.
431Zwischen den durch diese Handlung begangenen Straftaten des versuchten besonders schweren Raubes und der gefährlichen Körperverletzung besteht Tateinheit im Sinne des § 52 StGB.
4327. Konkurrenzen
433Die unter Ziff. IV. 1. bis 4. und 6. dargestellten Taten stehen zueinander in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB.
4348. Teileinstellung
435Soweit dem Angeklagten mit den Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Bochum vom 03.02.2021 (Az.: 46 Js 148/20) sowie vom 27.04.2021 (Az.: 46 Js 81/21) darüber hinaus unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, Widerstand gegen bzw. tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (Fälle 2 und 3 der Anklageschrift vom 03.02.2021) sowie ein Wohnungseinbruchdiebstahl in das dauerhaft genutzte Privatwohnhaus G2 12 in S zwischen dem 00.00.0000 und dem 00.00.0000 vorgeworfen worden ist (Fall 3 der Anklageschrift vom 27.04.2021), hat die Kammer diese Tatvorwürfe im Rahmen des zehnten Hauptverhandlungstages auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StPO mit der Maßgabe vorläufig eingestellt, dass die insoweit jeweils getroffenen Feststellungen gleichwohl bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung finden können.
436V.Strafzumessung
437Im Hinblick auf die Strafzumessung hat sich die Kammer im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
4381. Tat vom 00.00.0000 (Fall 1 der Anklageschrift vom 03.02.2021, Az.: 46 Js 148/20)
439a) Strafrahmen
440Der Strafrahmen für die versuchte Anstiftung zu einer uneidlichen Falschaussage (§ 159 StGB) bestimmt sich nach §§ 30 Abs. 1, 153 StGB, wobei der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist. Hiernach war von einem Strafrahmen, der von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten reicht, auszugehen.
441b) Strafzumessung im engeren Sinne
442Bei der Strafzumessung im engeren Sinne, der Festlegung der konkreten Einzelstrafe, hat die Kammer unter Zugrundelegung des vorgenannten Strafrahmens ausgehend von der Schuld des Angeklagten die Gesamtheit der inneren und äußeren Tatumstände gewürdigt und neben den in § 46 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkten sämtliche für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gegeneinander abgewogen.
443Dabei hat sie insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt:
444Strafmildernd hat die Kammer berücksichtigt, dass er die Tat zugunsten seines ihm nahestehenden Bruders beging, den er dadurch schützen wollte. Dass er mittelbar auch seine kranke und auf den Rollstuhl angewiesene Mutter schützen wollte, hat die Kammer ebenso für ihn berücksichtigt wie dass er bereits seit seiner Kindheit nicht an ein regelkonformes Verhalten herangeführt worden ist. Dass der Angeklagte das äußere Tatbild – das Gespräch an sich und seine eingenommene Körperposition – eingeräumt hat, hat die Kammer ebenfalls zu seinen Gunsten in den Blick genommen.
445Strafschärfend hat die Kammer die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten berücksichtigt und dass er diese Tat beging, nachdem er lediglich gut zwei Monate zuvor nach dem Verbüßen einer siebenjährigen Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen worden war. Der Zeuge T6 war durch die Art, wie der Angeklagte auf ihn einwirkte, auch nachhaltig beeindruckt und verspürte Angst, wenngleich es ihm am Folgetag schon wieder besser ging.
446Nach Abwägung dieser und aller sonstigen für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer für diese Tat auf eine Freiheitsstrafe von
447acht Monaten
448erkannt, die unrechts-, schuld- und sühneangemessen sowie zur Einwirkung auf den Angeklagten unbedingt erforderlich, aber auch ausreichend ist.
4492. Tat zwischen dem 00.00. und 00.00.0000 (Fall 2 der Anklageschrift vom 27.04.2021, Az.: 46 Js 81/21)
450a) Strafrahmen
451Hinsichtlich des versuchten Einbruchdiebstahls in die Wohnung der Johanna L5 ist der Strafrahmen § 244 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
452Sodann hat die Kammer geprüft, ob vorliegend ein minder schweren Fall im Sinne des § 244 Abs. 3 StGB, wonach die Tat mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu ahnden gewesen wäre, anzunehmen ist. Dabei hat sie zunächst alle allgemeinen Strafzumessungsumstände ohne den vertypten Milderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB in den Blick genommen. Hiernach schied die Annahme eines minder schweren Falles zunächst aus.
453Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller wesentlichen be- und entlastenden Umstände das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, welches die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheinen lässt.
454Folgende Gesichtspunkte hat die Kammer bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung als bestimmend angesehen:
455Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass der an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leidende Angeklagte soziokulturell übliche Normen und Werte nicht oder jedenfalls nicht in ausreichendem Maße erlernt hat. Er ist im kriminellen Milieu trotz langjährig verbüßter Haftstrafen verhaftet geblieben, auch dadurch ist davon auszugehen, dass die Hemmschwelle zur Begehung der Tat bei ihm geringer ausgeprägt war. Strafmildernd hat die Kammer darüber hinaus in den Blick genommen, dass die von dieser Tat eigentlich Betroffene Johanna L5 von dem Geschehen aufgrund der Fürsorge ihrer Nichte keine Kenntnis erlangt hat. Die mit einer solchen Tat in der Regel einhergehenden psychischen Belastungen haben sie damit nicht begleitet. Der Angeklagte hat jedenfalls seine Anwesenheit am Tatort nebst Spurenverursachung eingeräumt bzw. letzteres für möglich gehalten, was die Kammer für ihn berücksichtigt hat.
456Zu seinen Lasten waren dagegen erneut die erheblichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und die enorme Rückfallgeschwindigkeit seit seiner letzten Haftentlassung zu bewerten.
457Hiernach war eine Abweichung vom Regelbild des § 244 Abs. 1 StGB nach der vorzunehmenden Gesamtwürdigung von Täter und Tat nicht festzustellen.
458Allerdings hat die Kammer unter Heranziehung des gesetzlich vertypten Milderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB das Vorliegen eines minder schweren Falls im Sinne des § 244 Abs. 3 StGB im Ergebnis bejaht. Danach war von einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
459Die Folge, dass eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. StGB hiernach gemäß § 50 StGB nicht mehr erfolgen konnte, hat die Kammer bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. Die alternative Milderungsmöglichkeit über §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB hätte jedoch keinen günstigeren Strafrahmen für den Angeklagten bedeutet. Insoweit wäre ein Strafrahmen von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe zur Anwendung gekommen. Unter Berücksichtigung der individuellen Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere der einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, wäre vorliegend aber eine Strafe im oberen Bereich anzusiedeln und nicht dem unteren Rahmenbereich zu entnehmen, sodass das in § 244 Abs. 3 StGB vorgesehene Höchstmaß für den Angeklagten günstiger ausfällt.
460b) Strafzumessung im engeren Sinne
461Ausgehend von dem Regelstrafrahmen des § 244 Abs. 3 StGB hat die Kammer bei der konkreten Strafzumessung neben den in § 46 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkten insbesondere die bereits zuvor bei der Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles dargelegten für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte berücksichtigt. Dabei hat sie erneut zugunsten des Angeklagten in den Blick genommen, dass die Tat im Versuchsstadium stecken geblieben ist, Johanna L5 also nicht durch den Verlust etwaiger ihr bedeutsamer Gegenstände belastet wurde.
462Nach Abwägung dieser und aller sonstigen für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer für diese Tat auf eine Freiheitsstrafe von
463zwei Jahren
464erkannt, die unrechts-, schuld- und sühneangemessen sowie zur Einwirkung auf den Angeklagten unbedingt erforderlich, aber auch ausreichend ist.
4653. Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 28.06.2021, Az.: 46 Js 82/21)
466a) Strafrahmen
467Hinsichtlich des Diebstahls vom 00.00.0000 in das Juweliergeschäft B3 war der für die Einzelstrafe maßgebliche Strafrahmen § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB zu entnehmen, der einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Die Kammer hat geprüft, ob die indizielle Wirkung der Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 StGB durch andere Strafzumessungsfaktoren vorliegend dergestalt kompensiert wird, dass auf den normalen Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB zurückzugreifen ist, die Regelwirkung also entkräftet ist. Nach der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist dies nicht der Fall. Es liegen keine erheblichen Milderungsgründe vor, die die Anwendung des erhöhten Strafrahmens als unangemessen erscheinen lassen.
468Zugunsten des Angeklagten würdigte die Kammer erneut dessen seit Kindheit nicht erlerntes regelkonformes Verhalten. Die bei mehreren gleichartigen Taten sinkende Hemmschwelle hat die Kammer ebenso strafmildernd in den Blick genommen.
469Demgegenüber war erneut das strafrechtliche Vorleben des Angeklagten zu seinen Lasten zu werten. Der Angeklagte ist insbesondere wegen Diebstahlstaten erheblich in Erscheinung getreten und beging die vorliegende Tat gerade mal gut fünf Monate nach seiner letzten Haftentlassung. Zu seinen Lasten musste die Höhe des dem Zeugen C10 entstandenen Schadens gewertet werden. Die in der Tat zutage getretene kriminelle Energie bzw. die Professionalität seines Vorgehens sprachen des Weiteren gegen ihn. Der Angeklagte hat mit der vorliegenden Tat zudem zwei Regelbespiele des § 243 Abs. 1 StGB verwirklicht.
470Nach alledem war von dem erhöhten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB auszugehen.
471b) Strafzumessung im engeren Sinne
472Ausgehend von dem vorgenannten Strafrahmen hat die Kammer bei der konkreten Strafzumessung neben den in § 46 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkten insbesondere die bereits zuvor bei der Prüfung des Entfallens der Regelwirkung dargelegten für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte berücksichtigt.
473Nach Abwägung dieser und aller sonstigen für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer für diese Tat auf eine Freiheitsstrafe von
474drei Jahren
475erkannt, die sie für unrechts-, schuld- und sühneangemessen und zur Einwirkung auf den Angeklagten für unbedingt erforderlich, aber auch ausreichend erachtet hat.
4764. Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 09.06.2021, Az.: 46 Js 127/21)
477a) Strafrahmen
478Die Kammer hat hinsichtlich der Tat 00.00.0000 zum Nachteil der Geschädigten G den Strafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vorsieht.
479Es war insbesondere nicht von dem für minder schwere Fälle des § 249 Abs. 1 StGB vorgesehenen Strafrahmen des § 249 Abs. 2 StGB, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, auszugehen.
480Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller wesentlichen be- und entlastenden Umstände das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, welches die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheinen lässt.
481Eine solche Abweichung vom Regelbild des § 249 Abs. 1 StGB war nach der vorzunehmenden Gesamtwürdigung von Täter und Tat nicht festzustellen.
482Die Kammer hat bei der Abwägung insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt:
483Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte in dem direkten Kontakt mit der Zeugin G keine übermäßige Gewalt ausgeübt hat, indem er dieser nur einen leichten Stoß gegen den Brustbereich versetzt hat. Zu seinen Gunsten war daneben der geringe Wert der Tatbeute zu berücksichtigen. Auch das Vorhandensein seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung hat die Kammer strafmildernd in den Blick genommen.
484Zulasten des Angeklagten wirkten sich jedoch erneut dessen erhebliche Vorstrafen aus. Die vorliegende Tat beging der Angeklagte nur gut sieben Monate nach seiner letzten langjährigen Haftstrafe und lediglich 15 Tage, nachdem ein gegen ihn erlassener und gut zwei Wochen vollstreckter Untersuchungshaftbefehl außer Vollzug gesetzt worden war, wobei die Kammer erneut die bei mehreren gleichartigen Taten sinkende Hemmschwelle einschränkend in den Blick genommen hat. Zu seinen Lasten wirkten sich auch die bei der Zeugin G durch die Tat entstandenen psychischen Belastungen aus. Diese hat zunächst während des Einsperrens in ihr Schlafzimmer erhebliche Ängste aushalten müssen und auch nach dem Geschehen noch weiter unter dem Geschehen gelitten. Darüber hinaus waren ihre auch körperlich mit der Tat einhergehenden Verletzungen zulasten des Angeklagten zu werten.
485Nach alldem überwiegen die zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände nicht derart stark, dass hier von einem minder schweren Fall auszugehen wäre.
486b) Strafzumessung im engeren Sinne
487Ausgehend von dem Regelstrafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB hat die Kammer bei der konkreten Strafzumessung neben den in § 46 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkten insbesondere die bereits zuvor bei der Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles dargelegten für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte berücksichtigt.
488Nach Abwägung dieser und aller sonstigen für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer für diese Tat auf eine Freiheitsstrafe von
489vier Jahren
490erkannt, die unrechts-, schuld- und sühneangemessen sowie zur Einwirkung auf den Angeklagten unbedingt erforderlich, aber auch ausreichend ist.
4915. Tat vom 00.00.0000 (Anklageschrift vom 26.05.2021, Az.: 46 Js 118/21)
492a) Strafrahmen
493Die Kammer hat bezüglich der Tat zum Nachteil der Geschädigten Anna Elisabeth M den Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB zugrunde gelegt, der Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vorsieht. Denn die tateinheitlich mitverwirklichte gefährliche Körperverletzung schreibt demgegenüber mit sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe einen geringeren Strafrahmen vor (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB).
494Einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB, wonach die Tat mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu ahnden gewesen wäre, hat die Kammer im Ergebnis nicht anzunehmen vermocht. Die vorzunehmende Gesamtschau der Umstände bzw. die Gesamtwürdigung von Tat und Täter lässt vorliegend bei der zu beurteilenden Tat das Gesamtgeschehen nach Art und Schwere vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle nicht so weit nach unten abweichend erscheinen, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens unangemessen und im Ergebnis unerträglich erschiene.
495Die Kammer hat bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zunächst geprüft, ob bei Würdigung der allgemeinen Strafzumessungsumstände ohne den vertypten Milderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB ein minder schwerer Fall anzunehmen ist. Dies hat sie im Ergebnis verneint. Auch die nachfolgende Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes hat einen minder schweren Fall vorliegend nicht zu begründen vermocht.
496Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung hat die Kammer zunächst zugunsten des Angeklagten dessen entwickelte dissoziale Persönlichkeitsstörung berücksichtigt. Bereits im Laufe seiner Kindheit und Jugend hat er offenbar nicht die allgemein in der Gesellschaft verankerten Wertevorstellungen hinsichtlich einer Achtung und Akzeptanz fremden Eigentums vermittelt bekommen hat. Vielmehr bekam er von seinem Vater durch Aufforderung, ein Fahrrad zu entwenden, suggeriert, fremdes Eigentum missachten zu können und wurde dafür von diesem noch belohnt. Diese Strukturen vermochte der Angeklagte bis heute nicht zu verlassen, so dass die Kammer zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass die Hemmschwelle zur Begehung auch dieser Tat bei ihm geringer ausgeprägt war. Tatbezogen wurde zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass Tatbeute nicht erlangt wurde.
497Bei der Gesamtwürdigung war jedoch zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er ganz erheblich vorbestraft ist. Der Angeklagte hat bereits über 13 Jahre in Strafhaft verbracht, ohne dass dies zu einer nennenswerten Verhaltensänderung hat führen können. Auch bezüglich dieser Tat war die enorme Rückfallgeschwindigkeit des erst Ende Juli 2020 nach sieben Jahren Haftverbüßung entlassenen Angeklagten zu berücksichtigen. Auch die im Zeitraum Januar bis Februar 2021 verbüßte Untersuchungshaft vermochte ihn von der Tatbegehung nicht abhalten, wobei die Kammer abermals die bei mehreren gleichartigen Taten sinkende Hemmschwelle in den Blick genommen hat. Die tateinheitlich mitverwirklichte gefährliche Körperverletzung war des Weiteren zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Die Tatfolgen waren – sowohl körperlich als auch seelisch – für die 90-jährige Anna Elisabeth M erheblich. Noch heute leidet die bis dato selbstbewusste Geschädigte unter Ängsten und fühlt sich in dem von ihr seit 60 Jahren bewohnten Haus nicht mehr sicher.
498Nach alledem überwiegen die zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände – auch unter Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB – nicht derart stark, dass hier von einem minder schweren Fall auszugehen wäre.
499Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB kam vorliegend nicht in Betracht. Bei der insoweit vorzunehmenden Gesamtschau aller schuldrelevanten Umstände hat die Kammer neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich insbesondere die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie offen gewürdigt.
500Vorliegend war die die Tat schon weit fortgeschritten. Die Wegnahme von Diebesgut stand unmittelbar bevor, nachdem der Angeklagte sich schon über zwei aufgebrochene Kellertüren Zutritt zu dem Haus der Geschädigten M verschafft hatte. Hätte der von der Geschädigten M spontan ergriffene Stuhl der Länge nach nicht zu einer erfolgreichen Verriegelung der letzten Verbindungstür geführt, wäre der Angeklagte an seiner Tatausführung nicht gescheitert. Dass die mittels CS-Gas beeinträchtigte Geschädigte dazu überhaupt noch in der Lage war, war ebenfalls nicht ohne Weiteres anzunehmen, sondern dem Umstand geschuldet, dass diese durch ein zügiges Schließen der Tür nur einen Teil des gegen sie verwandten Reizgases abbekommen hat. Die Gefährlichkeit des Versuchs und die in der Tat zum Ausdruck kommende erhebliche kriminelle Energie des Angeklagten sprachen gegen eine Verschiebung des Strafrahmens, zumal die tateinheitlich mitverwirklichte gefährliche Körperverletzung das Tatunrecht ebenfalls prägt. Das Unrecht dieser Tat bleibt aus Sicht der Kammer nach dem Grad und Fortschritt ihrer Ausführung nicht wesentlich hinter dem Unrecht eines vollendeten besonders schweren Raubes zurück.
501b) Strafzumessung im engeren Sinne
502Ausgehend von dem Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB hat die Kammer bei der konkreten Strafzumessung neben den in § 46 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkten insbesondere die bereits zuvor bei der Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles dargelegten für und gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte berücksichtigt, zu seinen Gunsten jedoch noch bedacht, dass es bei einem Versuch geblieben ist und die Geschädigte nicht noch weitergehend durch einen etwaigen Verlust ihr bedeutsamer Wertgegenstände beeinträchtigt worden ist.
503Nach Abwägung dieser und aller sonstigen für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer für diese Tat auf eine Freiheitsstrafe von
504sieben Jahren
505erkannt, die unrechts-, schuld- und sühneangemessen sowie zur Einwirkung auf den Angeklagten unbedingt erforderlich, aber auch ausreichend ist.
5066. Gesamtstrafenbildung
507Bei der nunmehr zu bildenden Gesamtstrafe aus den zuvor genannten Einzelstrafen hat die Kammer ausgehend von § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt. Dabei haben erneut sämtliche Aspekte Berücksichtigung gefunden, die bereits im Zusammenhang mit der Festlegung der konkreten Strafrahmen bzw. der Strafzumessung im Einzelnen genannt worden sind.
508Insoweit hat sie zugunsten des Angeklagten insbesondere erneut seine dissoziale Persönlichkeitsstörung und den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Taten in den Blick genommen.
509Zulasten des Angeklagten fielen demgegenüber erneut nachhaltig dessen Vorstrafen und der bis kurz vor den Taten erfolgte Strafvollzug sowie die insbesondere bei den Zeuginnen G und M erlittenen Tatfolgen ins Gewicht.
510Unter nochmaliger Berücksichtigung der genannten Aspekte hat die Kammer unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von sieben Jahren auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
511neun Jahren und sechs Monaten
512als unrechts-, schuld- und sühneangemessen erkannt. Diese Strafe ist nach Auffassung der Kammer zwingend erforderlich, aber auch ausreichend, um dem Angeklagten das Unrecht der von ihm begangenen Taten nachhaltig zu verdeutlichen, ihn eindringlich zu warnen und künftig von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
513VI.Maßregelanordnung
514Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB war nicht anzuordnen.
515Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt soll nach § 64 StGB angeordnet werden, wenn ein Angeklagter den Hang hat, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, die zur Verurteilung stehenden Taten auf diesen Hang zurückzuführen sind und die Gefahr besteht, dass er in Folge seines Hanges auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, wobei eine hinreichend konkrete Aussicht bestehen muss, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen.
516Die Voraussetzungen der Maßregelanordnung liegen bei dem Angeklagten nicht vor. Denn es fehlt bereits an dem erforderlichen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen.
517Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 Satz 1 StGB genügt eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Wenngleich erhebliche Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs haben und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hangs aus (BGH, Beschluss vom 17.09.2019 – 3 StR 355/19 –, juris Rn. 4). Nicht vorhandene ausgeprägte Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz stehen der Annahme eines Hangs ebenso wenig entgegen (BGH, Beschluss vom 19.02.2020 – 3 StR 415/19 –, juris Rn. 4 mwN). Erforderlich ist nicht, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 27.08.2019 – 4 StR 330/19 –, juris Rn. 4).
518Wie bereits dargelegt hat die Kammer im vorliegenden Verfahren – insoweit wird auf obige Ausführungen verwiesen – keine (sicheren) Feststellungen zu dem Umfang der vom Angeklagten seit Ende Juli 2020 konsumierten Betäubungsmittel (Amphetamine) treffen können. Auch ein nennenswerter bzw. gesteigerter Alkoholkonsum nach der Haftentlassung des Angeklagten steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht sicher fest. Die Kammer hat insoweit bereits erhebliche Zweifel, ob der Angeklagte Rauschmittel und Alkohol in dem von ihm geschilderten Umfang konsumiert hat. Da für die Anordnung der – den Angeklagten beschwerenden – Maßregel gemäß § 64 StGB der Hang sicher feststehen muss, war von der Maßregel abzusehen.
519Auch bei – insoweit im Rahmen des § 64 StGB im Ausgangspunkt zulasten des Angeklagten wirkender und daher ausschließlich hypothetischer – Unterstellung der im Rahmen der Hauptverhandlung gemachten Angaben des Angeklagten zu seinem Rauschmittelkonsum als zutreffend (vgl. zur Anwendung des Zweifelssatzes insoweit BGH, Beschluss vom 06.11.2002, 1 StR 382/02, NStZ-RR 2003, 106) bestünde bei diesem kein Hang in dem vorstehend dargestellten Sinne des § 64 StGB, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen.
520Nach dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M1, dem die Kammer nach eigener kritischer Prüfung vollumfänglich folgen kann, bestünde bei dem Angeklagten – seine Angaben als wahr unterstellt – ein an einen missbräuchlichen Umgang mit Alkohol und Amphetaminen heranreichender Konsum. Der seitens des Angeklagten seit seiner Haftentlassung zunächst bis Ende Januar 2021 und von Mitte Februar 2021 bis April 2021 geschilderte tägliche Konsum von einem halben bis einem Liter Alkohol und Amphetaminen, deren genaue Menge der Angeklagte nicht benennen konnte, gegenüber dem Sachverständigen in dem Explorationsgespräch ab Oktober 2020 bis zu seiner erneuten Inhaftierung mit zwei bis drei Gramm am Tag schätzte, reiche – so der Sachverständige – jedenfalls noch nicht aus, um eine eingewurzelte Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, annehmen zu können. Ein Hang läge bei dem Angeklagten nicht vor.
521Die unter Darlegung seiner Erkenntnisquellen gemachten Schlussfolgerungen des Sachverständigen sind für die Kammer nachvollziehbar, sie macht sie nach eigener Überzeugungsbildung zur Grundlage ihrer Entscheidung. Der Sachverständige ist der Kammer aus langjähriger Tätigkeit als besonders erfahren und sachkundig bekannt. Er hat den Angeklagten eingehend exploriert und mit Ausnahme eines Tages an der gesamten Beweisaufnahme teilgenommen. Auch aus der vorherigen an sieben Tagen durchgeführten ersten Hauptverhandlung war der Angeklagte dem Sachverständigen bereits bekannt. Er konnte sich dadurch ein umfassendes Bild von dessen Person machen. Seine Ausführungen waren – ausgehend von den Angaben des Angeklagten – in sich widerspruchsfrei und durchgehend nachvollziehbar.
522Anhaltspunkte für eine indiziell wirkende Beeinträchtigung der Gesundheit des Angeklagten oder seiner Arbeits- und Leistungsfähigkeit haben sich aus der Beweisaufnahme nicht ergeben. Vielmehr waren die Aktivitäten des Angeklagten seit seiner Entlassung aus der Haft nach Auffassung der Kammer, die auch der Sachverständige in seinem Gutachten berücksichtigt hat, mit der behaupteten konsumierten Menge von Alkohol und Drogen nicht zu bewältigen. So hat die Beweisaufnahme unter anderem ergeben, dass der Angeklagte aus eigenem Antrieb eine Wohnung suchen, die vertraglichen Details klären und diese hat einrichten können. Zuvor hatte er sich, während er bei S2 L1 mietfrei wohnen konnte, an den Lebenshaltungskosten durch Einkäufe von Lebensmitteln und dem Zubereiten von Essen beteiligen können. Des Weiteren nahm er die Autoanmietung und die folgenden Verlängerungen federführend vor. In diesem Zusammenhang überlegte er sich nach einem geringfügigen Schaden am B2, selbstständig mit S2 L1 nach E zu fahren, dort eine neue Schürze zu kaufen und diese nach Bielefeld zur Montage bei der Sportwagenvermietung W zu bringen, um Kosten sparen zu können. Die Umsetzung dessen haben die Zeugen L1 und W auch im Rahmen ihrer Vernehmungen vor der Kammer bestätigt. In privater Hinsicht war es ihm möglich, durch intensiven Kontakt zu seiner Jugendbekanntschaft S3 T5, zunächst über soziale Netzwerke und nachfolgend durch persönlich stattfindende Treffen, eine ernsthafte Beziehung aufzubauen. Daneben war er in der Lage, eine jedenfalls sexuelle Beziehung zu seiner Jugendfreundin K2 C4 aufzubauen und mit dieser Kontakt zu pflegen. Daneben vermochte er es, seiner kranken Mutter zur Seite zu stehen und Hilfestellungen zu leisten. Bis zur coronabedingten Schließung hat er sich auch um seine körperliche Fitness innerhalb eines Fitnessstudios bemüht.
523Nach seinen hier hypothetisch als wahr unterstellten Angaben hätte es lediglich eine im Zeitraum August 2020 bis Ende Januar 2021 und ab Mitte Februar 2021 bis Ende April 2021 andauernde, kurzzeitige Phase intensiven Konsums von Amphetaminen und Alkohol geben können.
524Es haben sich, wie sich aus den vorstehend bereits dargestellten Beweismitteln ergibt, keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte aufgrund übermäßigen Rauschmittelkonsums „sozial gefährdet oder gefährlich“ (BGH, Urteil vom 10.11.2004 – 2 StR 329/04 – NStZ 2005, 210; Beschluss vom 06.12.2017 – 1 StR 415/17 – NStZ-RR 2018, 105) erschienen wäre. Die von ihm geschilderte, seit maximal August 2020 andauernde Phase intensiven Rauschmittel- und Alkoholkonsums, die jedenfalls durch die Inhaftierung des Angeklagten beendet wurde, reichte angesichts seiner Angaben zum Rauschmittelkonsum – diese als zutreffend unterstellt – für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB nicht aus.
525Soweit der Angeklagte nach Erstattung des Sachverständigengutachtens des Dr. M1 empört einwandte, er konsumiere seit 25 Jahren Cannabis, hat er diesen Konsum, ohne dass er diesbezüglich Schwierigkeiten geschildert hätte, selbstständig und aus eigenem Antrieb von heute auf Morgen eingestellt und seitdem auch nie wieder konsumiert. Wörtlich sagte der Angeklagte: „Ich hatte eine große Problematik mit THC.“ Da er hiernach aber auch selbst einen in der Vergangenheit (bis Februar 2020) betriebenen Konsum beschrieb, war auch insoweit ein Hang nicht festzustellen.
526Darüber hinaus wäre nach den Angaben des Angeklagten aber auch der für eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen einem etwaigen Rauschmittelkonsum des Angeklagten und der Begehung von Straftaten nicht festzustellen. Nach den Angaben des Angeklagten verfügte dieser in den Monaten nach seiner Entlassung über ausreichende finanzielle Mittel aus vergangenen Straftaten, um einen etwaigen Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum unproblematisch finanzieren zu können. Seinen Betäubungsmittelkonsum bestritt er zudem überwiegend dadurch, dass er dieses auf Feiern frei zur Verfügung gestellt bekommen hat. Dass seine Taten auf den Konsum von Rauschmitteln zurückzuführen wären, war danach nicht anzunehmen. Wobei die Kammer an dieser Stelle nicht verkannt hat, dass es ausreichend gewesen wäre, wenn ein Hang im Sinne des § 64 StGB neben anderen Umständen zur Begehung erheblicher rechtswidriger Taten beigetragen hat und bei unverändertem Konsumverhalten solche Taten auch in Zukunft zu besorgen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11.04.2019 – 4 StR 69/19 – NStZ-RR 2019, 245).
527Schließlich wäre aber auch die gemäß § 64 S. 2 StGB notwendige, hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Behandlung in einer Entziehungsanstalt bei dem Angeklagten nicht gegeben. Wie der Sachverständige Dr. M1 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, sei der Angeklagte therapeutisch kaum zu erreichen. Der Angeklagte neige dazu, sich selbst zu überhöhen und fehl einzuschätzen. Eigene Schwächen und Fehler nehme er nicht wahr, da er nicht in der Lage sei, sich als Person zu reflektieren.
528VII.Einziehung des Wertes von Taterträgen
529Die Kammer hat gemäß §§ 73, 73c StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.268,80 Euro angeordnet. Dieser Betrag setzte sich dabei wie folgt zusammen:
530Bezüglich des am 00.00.0000 vom Angeklagten entwendeten Schmuckes zum Nachteil des Geschädigten C10 hat die Kammer in Anwendung des § 73d Abs. 2 StGB den Umfang und Wert des Erlangten geschätzt. Die vom Geschädigten mitgeteilten Verkaufserlöse (100 % bei Silberschmuck und 20 % bis 50 % bei Goldschmuck) hat die Kammer ihrer Berechnung nicht zugrunde gelegt, sondern zunächst lediglich auf den von dem Zeugen angegebenen Einkaufspreis abgestellt. Der Wert des durch den Angeklagten Erlangten dürfte jedenfalls nicht unter dem Einkaufspreis anzusiedeln sein. Dem Umstand, dass der Geschädigte den mitgeteilten Einkaufspreis geschätzt hat, hat die Kammer dadurch zusätzlich Rechnung getragen, dass sie zugunsten des Angeklagten einen weiteren Sicherheitsabschlag in Höhe von 300,- (ca. 7 %) vorgenommen hat. Danach hat die Kammer bezüglich dieses Tatgeschehens einen Einziehungswert von 4.000,- Euro angenommen
531Bezüglich der Raubtat vom 02.03.2021 zum Nachteil der Zeugin G hat die Kammer einen Betrag von 268,70 Euro (260,- Euro Bargeld plus 17,- DM Münzgeld (=8,70 Euro)) zugrunde gelegt.
532VIII.Kosten
533Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 465 Abs. 1 StPO, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Hiervon waren die im Zeitraum 27.07. bis 07.09.2021 im Rahmen der Hauptverhandlungstage entstandenen Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten auszunehmen.
534Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, beruht die Kostenentscheidung auf § 467 Abs. 1 StPO.