Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Angeklagte ist der gefährlichen Körperverletzung, der versuchten gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beleidigung, des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, der Sachbeschädigung in drei Fällen, des Diebstahls, der Urkundenfälschung und der Beleidigung schuldig.
Sie wird zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
Die Unterbringung der Angeklagten bzw. Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, der Angeklagten vor Ablauf von 2 Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Die Einziehung des Kraftfahrzeugs der Marke VW Golf, amtl. Kennzeichen 000-00 000, Fahrzeugidentifizierungsnummer 00000000000000000, sowie der dazugehörigen Fahrzeugpapiere, -kennzeichen und -schlüssel wird angeordnet.
Die Angeklagte bzw. Beschuldigte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- §§ 185, 194, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 230, 242 Abs. 1, 248a, 263 Abs. 1, Abs. 4, 267 Abs. 1, 303, 303c, 20, 21, 22, 23 Abs. 1, 51, 52, 53, 54, 63, 67, 69a, 74 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StVG -
Gründe:
2I.
3Die heute 33 Jahre alte Angeklagte bzw. Beschuldigte (nachfolgend aus Vereinfachungsgründen: Beschuldigte) wurde am 00.00.0000 in I als fünftes von insgesamt acht Kindern ihrer marokkanisch stämmigen Eltern geboren. Ihr Vater reiste zu einem der Kammer nicht näher bekannt gewordenen Zeitpunkt in den 1980er Jahren in die Bundesrepublik Deutschland ein und nahm Wohnsitz in I, um dort als Arbeiter im Bergbau tätig zu werden. Die Mutter der Beschuldigten reiste einige Zeit später mit den beiden älteren, noch in Marokko geborenen Geschwistern der Beschuldigten nach. Die weiteren sechs Kinder der Familie sind allesamt im Bundesgebiet geboren worden.
4Die Beschuldigte besuchte zunächst den Kindergarten und wechselte dann im Alter von sieben Jahren – wegen fortdauernden Einnässens und dadurch bedingter fehlender Schulreife – in einen sogenannten „Schulkindergarten“, der sie im Rahmen einer schulpädagogischen Förderung auf den alsbaldigen Schulbesuch vorbereiten sollte. Eine irgendwie geartete intellektuelle – insbesondere aber auch sprachliche – Einschränkung bestand bei der Beschuldigten nicht.
5Im darauffolgenden Jahr wurde die Beschuldigte dann in die örtliche Grundschule eingeschult, die sie vier Schuljahre durchlief. Als die Familie während dieser Zeit in einen anderen Stadtteil umzog, lehnte die Beschuldigte – durchaus willensstark und letztendlich erfolgreich – den umzugsbedingt anstehenden Wechsel auf eine – bezogen auf den neuen Wohnort der Familie – näher gelegene Grundschule ab und nahm hierfür einen längeren Schulweg in Kauf, den sie in der Folgezeit auch selbstständig und gewissenhaft mit öffentlichen Verkehrsmitteln überwand.
6Wenngleich die Beschuldigte nach eigenen Angaben eine mittelmäßige bis gute Schülerin war, wechselte sie nach der vierten Schulklasse dann auf eine Hauptschule, weil es – mit den Worten der Beschuldigten – die „nächstgelegene weitergehende Schule“ war. Die Hauptschule durchlief sie bis einschließlich zur 10. Klasse, die sie dann auf eigenen Wunsch wiederholte, um die Noten ihres Abschlusszeugnisses zu verbessern. Im darauffolgenden Schuljahr schloss sie dann ihre Schulbildung erfolgreich mit der Fachoberschulreife bzw. einem Hauptschulabschluss der Klasse 10b ab.
7In der Folgezeit strebte die Beschuldigte eine Berufstätigkeit im Gesundheitswesen an und bewarb sich deshalb zunächst bei verschiedenen Arztpraxen um einen Ausbildungsplatz. So bewarb sie sich unter anderem auch in der Zahnarztpraxis N auf der C-Str. 14 in I, die ihre Bewerbung jedoch ablehnte und die – nicht ausschließbar aus eben diesem Grunde – im April 2020 im Rahmen eines sogleich noch näher (unten Ziffer III.18.) zu erörternden Tatgeschehens von der Beschuldigten nochmals aufgesucht wurde.
8Nachdem ihre Bewerbungsbemühungen insgesamt nicht gefruchtet hatten, bewarb sich die Beschuldigte bei einem Berufskolleg in I und begann darüber im Rahmen eines Berufsfachschullehrgangs im Fachbereich Gesundheitswesen ein Praktikum in der Altenpflege. Die Beschuldigte erkannte jedoch bereits sehr früh, dass ihr die Altenpflege als Teilaspekt des Gesundheitswesens nicht zusagte und brach das Praktikum alsbald wieder ab. Ab diesem Zeitpunkt war die Beschuldigte arbeitslos und lebte fortan durchgehend von staatlichen Sozialleistungen nach den Hartz IV-Regelsätzen.
9Zwar absolvierte die Beschuldigte in den nachfolgenden Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen des Jobcenters zum Einstieg in den Arbeitsmarkt und bewarb sie sich weiterhin um einen Ausbildungsplatz in Arztpraxen unterschiedlicher Facharztrichtungen, doch blieben ihre Bemühungen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolglos. Eine Ausbildung oder eine Erwerbstätigkeit hat sie bislang nicht aufgenommen. Gleichwohl legte sie in jede Maßnahme des Jobcenters große Erwartungen auf eine – nunmehr endlich – erfolgreiche Berufstätigkeit.
10Die Beschuldigte ist bereits in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der sie betreffende Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 27.10.2020 weist insgesamt 39 Eintragungen, davon insgesamt zehn Eintragungen zu Verurteilungen, eine Eintragung zu einem nachträglichen Gesamtstrafenbeschluss aus dem Jahr 2009 sowie 28 Eintragungen zu diversen Verfahrenseinstellungen aufgrund (vermeintlicher) Schuldunfähigkeit auf. Im Einzelnen:
11(1)
12Am 28.05.2009 wurde die Beschuldigte durch einen seit dem 25.06.2009 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum (72 Cs 60 Js 498/09 – 336/09) wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.
13(2)
14Durch Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Herne (11 Ds 3 Js 217/09 – 73/09) vom 07.07.2009 erfolgte eine Verurteilung der Beschuldigten wegen Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung, Beleidigung in zwei Fällen sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 5 €. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 15.07.2009.
15(3)
16Unter dem 21.07.2009 wurde die Beschuldigte durch einen seit dem 08.08.2009 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Herne (8 Cs 60 Js 788/09 – 223/09) wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.
17Durch Beschluss des Amtsgerichts Herne vom 09.12.2009 (11 Ds 3 Js 217/09 – 73/09) wurden die durch die vorgenannten Entscheidungen vom 28.05.2009, 07.07.2009 und 21.07.2009 verhängten Strafen – teilweise nach Auflösung einer bereits gebildeten Gesamtstrafe – nachträglich auf eine Gesamtgeldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 6 € zusammengeführt. Die Entscheidung ist rechtskräftig seit dem 28.12.2009.
18(4)
19Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 25.11.2009 (72 Cs 60 Js 1332/09 – 766/09), rechtskräftig seit dem 15.12.2009, wurde die Beschuldigte wegen Erschleichens von Leistungen in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.
20(5)
21Am 20.04.2010 erfolgte eine Verurteilung der Beschuldigten durch Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Duisburg (93 Ls 183 Js 332/09 – 15/10), rechtskräftig seit dem 28.04.2011, wegen räuberischen Diebstahls und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit betrug drei Jahre. Die Strafaussetzung wurde jedoch in der Folgezeit widerrufen. Die Strafvollstreckung ist seit dem 18.08.2014 erledigt.
22(6)
23Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Herne vom 02.07.2010 (8 Cs 60 Js 612/10 – 227/10) wurde die Beschuldigte wegen Erschleichens von Leistungen in elf Fällen – unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 25.11.2009 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe – zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 22.07.2010.
24(7)
25Am 15.03.2012 erfolgte eine Verurteilung der Beschuldigten durch Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Herne (8 Ls 60 Js 549/11 – 7/12), rechtskräftig seit dem 27.02.2013, wegen „falscher Verdächtigung, Beleidigung in drei Fällen, Diebstahls sowie Diebstahls geringwertiger Sachen in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten. Die Vollstreckung dieser Strafe ist seit dem 18.10.2014 erledigt.
26(8)
27Unter dem 06.12.2012 verurteilte sie das Amtsgericht – Strafrichter – Bochum (72 Ds 152 Js 112/12 – 497/12), rechtskräftig seit dem 28.12.2012, wegen „Diebstahls geringwertiger Sachen“ zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 €.
28(9)
29Am 02.12.2014 wurde die Beschuldigte durch Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Gelsenkirchen (312 Ds 12 Js 1698/14 – 476/14), rechtskräftig seit dem 25.11.2015, wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung jedoch zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit betrug drei Jahre. Die Strafe wurde dann mit Wirkung vom 07.12.2018 erlassen.
30(10)
31Am 02.07.2015 erfolgte dann eine – bislang letztmalige – Verurteilung der Beschuldigten durch Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Gelsenkirchen (312 Ds 9 Js 59/15 – 111/15) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 8 €. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 25.07.2015.
32(11)
33Jeweils unter Bezugnahme auf ein – sogleich unter II. noch näher darzulegendes – schriftliches forensisch-psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. M aus E vom 30.03.2017 wurden in der Folgezeit mindestens die nachfolgenden 28 Ermittlungsverfahren gegen die – jedenfalls bis zum 24.11.2018 unter Bewährung aufgrund des oben ((9)) genannten Urteils des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 02.12.2014 stehende – Beschuldigte durch die Staatsanwaltschaften Bochum und Dortmund wegen (vermeintlicher) Schuldunfähigkeit eingestellt:
34aa)
35Unter dem 18.05.2017 wurde das Verfahren 171 Js 15/17 StA Bochum wegen Missbrauchs von Notrufen in Tateinheit mit Beleidigung eingestellt.
36bb)
37Am 16.06.2017 erfolgte eine Einstellung des Verfahrens 151 Js 104/16 StA Bochum wegen Beleidigung.
38cc)
39Unter dem 29.06.2017 wurde das Verfahren 171 Js 109/17 wegen Beleidigung eingestellt.
40dd)
41Mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 17.08.2017 wurde das Verfahren 151 Js 75/16 StA Bochum wegen Missbrauchs von Notrufen in Tateinheit mit Beleidigung eingestellt.
42ee)
43Unter dem 31.08.2017 erfolgte eine Einstellung des Verfahrens 921 Js 1297/17 StA Dortmund wegen Hausfriedensbruchs.
44ff)
45Am 11.09.2017 wurde das Verfahren 172 Js 445/17 StA Bochum wegen Beleidigung eingestellt.
46gg)
47Mit staatsanwaltschaftlichen Verfügungen vom 26.09.2017 und 16.10.2017 erfolgten die Einstellungen der jeweils wegen Erschleichens von Leistungen geführten Ermittlungsverfahren 172 Js 545/17 StA Bochum und 172 Js 637/17 StA Bochum.
48hh)
49Am 25.10.2017 wurde das Verfahren 172 Js 603/17 StA Bochum wegen Beleidigung eingestellt.
50ii)
51Unter dem 09.11.2017 erfolgte die Einstellung des Verfahrens 171 Js 195/17 StA Bochum wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und Hausfriedensbruchs.
52jj)
53Mit staatsanwaltschaftlichen Verfügungen vom 14.11.2017, 27.11.2017 und 27.11.2017 erfolgten die Einstellungen der wegen Erschleichens von Leistungen, Erschleichens von Leistungen bzw. wegen Beleidigung und Hausfriedensbruchs geführten Ermittlungsverfahren 172 Js 716/17 StA Bochum, 172 Js 734/17 StA Bochum und 172 Js 639/17 StA Bochum.
54kk)
55Unter dem 06.12.2017 wurde das Verfahren 172 Js 212/17 StA Bochum wegen Erschleichens von Leistungen eingestellt.
56ll)
57Mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 07.12.2017 erfolgte eine Einstellung des wegen gefährlicher Körperverletzung geführten Verfahrens 171 Js 185/17 StA Bochum. Diesem Verfahren lag ein Strafantrag der Bundesagentur für Arbeit vom 18.08.2017 zugrunde, in welchem u.a. der Vorwurf gegen die Beschuldigte erhoben worden war, am 11.07.2017 im Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit C erschienen zu sein und dort im Verlauf eines Gesprächs mit einer dort zuständigen Ärztin ein Glas mit Urin aus ihrer Tasche geholt, dieses auf die Ärztin geschüttet bzw. einen verbleibenden Rest in der Büroräumlichkeit verteilt und sodann das entleerte Glas in den Rücken der Ärztin geworfen zu haben.
58mm)
59Unter dem 08.01.2018 wurde das Verfahren 921 Js 2254/17 StA Dortmund wegen Betrugs eingestellt.
60nn)
61Jeweils mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 05.03.2018 erfolgte die Einstellung des wegen Missbrauchs von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln geführten Verfahrens 172 Js 16/18 StA Bochum sowie des wegen Missbrauchs von Notrufen geführten Verfahrens 172 Js 78/18 StA Bochum.
62oo)
63Jeweils mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 24.05.2018 wurde das Verfahren 171 Js 68/18 StA Bochum wegen Sachbeschädigung, das Verfahren 172 Js 809/17 StA Bochum wegen Beleidigung und das Verfahren 171 Js 70/18 StA Bochum wegen Erschleichens von Leistungen eingestellt.
64pp)
65Am 15.10.2018 erfolgte eine Einstellung des wegen Erschleichens von Leistungen geführten Verfahrens 172 Js 581/18 StA Bochum.
66qq)
67Unter dem 23.10.2018 wurde das Verfahren 921 Js 1677/18 StA Dortmund wegen Beleidigung eingestellt.
68rr)
69Mit staatsanwaltschaftlichen Verfügungen vom 26.09.2019, 09.10.2019 und 25.10.2019 wurden die jeweils wegen Erschleichens von Leistungen geführten Verfahren 172 Js 258/19 StA Bochum, 172 Js 221/19 StA Bochum und 172 Js 497/19 StA Bochum eingestellt.
70ss)
71Am 09.12.2019 erfolgte eine Einstellung des wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung geführten Verfahrens 822 Js 783/19 StA Bochum.
72tt)
73Zuletzt wurde mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 02.03.2020 das wegen gefährlicher Körperverletzung geführte Verfahren 172 Js 69/20 StA Bochum eingestellt.
74II.
75Die Beschuldigte pflegt ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Familie – dort insbesondere zu ihren Eltern, einer älteren Schwester und einem älteren Bruder, mit denen sie jeweils in einem engen wechselseitigen Kontakt steht.
76Ihr Vater ist – aus der Kammer nicht näher bekannt gewordenen Gründen – pflegebedürftig und ist in seiner Selbstständigkeit i.S.d. § 15 SGB XI schwerst beeinträchtigt, sodass er in den Pflegegrad 4 eingestuft worden ist. Im Rahmen seiner Pflege im häuslichen Umfeld übernahm die Beschuldigte in der Vergangenheit – mit Ausnahme ihrer früheren Haftzeiten – bis zu ihrer Festnahme in vorliegender Sache gelegentlich Aufgaben der Betreuung und körperlichen Pflege.
77Im Alter von 20 Jahren – also kurz nach ihrem Schulabschluss – zog sie zwar aus dem elterlichen Haushalt aus, bezog jedoch dann eine kleine Wohnung im unmittelbaren Nachbarhaus, sodass sie auch weiterhin viel Zeit mit ihrer Familie verbrachte. Freunde oder andere soziale Kontakte hatte und hat die Beschuldigte indes bis zum heutigen Tag nach eigenen Angaben nicht. Soweit sie sich nicht im Haushalt ihrer Eltern aufhielt, lebte die Beschuldigte zurückgezogen in ihrer Wohnung.
78Anlässlich eines vorübergehenden Verschwindens ihrer älteren Schwester etwa im Jahre 2008 entwickelte die Beschuldigte eine psychische Disposition, die in der Folge als Depression diagnostiziert wurde und wegen derer sie kurzzeitig stationär behandelt wurde. Die Depression – so führte sie im Rahmen eines späteren Betreuungsverfahrens gegenüber dem damaligen Gutachter aus – habe sie aus finanziellen Gründen vorgespielt, um in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen zu werden. Tatsächlich depressiv – so ihre weiteren Ausführungen – sei sie nicht gewesen.
79Infolge ihrer neuerlichen Verurteilung durch das Amtsgericht Herne vom 15.03.2012 (8 Ls 60 Js 549/11 – 7/12) befand sich die Beschuldigte ab dem 03.06.2013 zur Vollstreckung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten sowie zur Vollstreckung der einjährigen Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 20.04.2010 (93 Ls 183 Js 332/09 – 15/10) nach zwischenzeitlich erfolgtem Widerruf der zunächst gewährten Strafaussetzung zur Bewährung und zur Vollstreckung einer 80-tägigen Ersatzfreiheitsstrafe im Vollstreckungsverfahren 152 Js 112/12 StA Bochum in der JVA Gelsenkirchen. Während ihres dortigen Haftaufenthaltes wurde durch einen in der JVA Gelsenkirchen tätigen Konsiliarpsychiater bei der Beschuldigten das Vorliegen einer "hysterischen Persönlichkeit" festgestellt. Mit Schreiben vom 19.11.2014 an das Amtsgericht Gelsenkirchen übersandte die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen einen von der Beschuldigten unterschriebenen Antrag auf Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung und führte dazu weiter aus, dass die Beschuldigte psychisch sehr auffällig sei und sehr häufig Stimmungsschwankungen unterliege. Ihr vollzugliches Verhalten sei nicht regelkonform und sie falle durch unangemessene – teilweise rassistisch und sexuell abwertend geprägte – Äußerungen gegenüber den Bediensteten auf. Mit negativen Entscheidungen könne sie nicht umgehen und mache für ihre Inhaftierung den Staat verantwortlich, der sie „aus ihrem Leben gerissen“ habe. Sie bagatellisiere ihre Straftaten sowie den Verstoß gegen Bewährungsauflagen und fühle sich zu Unrecht inhaftiert. Vor diesem Hintergrund lehne sie Vollzugs-Angebote ab und verhalte sich unkooperativ, sodass eine sinnvolle Entlassungsvorbereitung durch den Vollzug nicht möglich sei.
80Auf Grundlage dieses Antrages wurde sodann betreffend die Beschuldigte ein Betreuungsverfahren am Amtsgericht Herne eingeleitet und der vor der Kammer vernommene Zeuge Rechtsanwalt L zum Verfahrenspfleger bestellt. Im Rahmen dieses Betreuungsverfahrens erstattete Dr. H, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Verkehrsmedizin, unter dem 17.11.2015 ein „kurz gehaltenes“ psychiatrisches / neurologisches Gutachten die Beschuldigte betreffend. Darin gelangte der Sachverständige zur Diagnose einer impulsiven Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen Zügen. Inwieweit differentialdiagnostisch eine besondere hebephrene Unterform (eine verschobene Hebephrenie) in Frage komme, könne – so der Gutachter seinerzeit – nur aus dem weiteren Verlauf heraus geklärt werden. Diese Diagnose stützte der Gutachter insbesondere auf die Bemerkungen der Beschuldigten über die angeblichen Verhältnisse in der JVA, die von querulatorischen und auch wahnhaftem Charakter gezeugt hätten. Eindeutige produktive Symptome hätten sich im Rahmen der Exploration nicht gezeigt, wenngleich die biographische Anamnese nur schwer habe erfragt werden können und die Beschuldigte sehr einförmig und sehr schnell widersprechend bis hin zur gereizten Erregung gesprochen habe.
81Am 06.01.2015 wurde die Beschuldigte aus der Haft entlassen und im selben Monat die Diplom-Sozialarbeiterin Q zur Betreuerin der Beschuldigten bestellt. Die Betreuung umfasste die Aufgabenkreise Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern und Wohnungsangelegenheiten. Die Gesundheitsfürsorge war hingegen nicht umfasst.
82Die Betreuung gestaltete sich in der Folgezeit aber als derart schwierig, dass die Betreuerin bereits im Dezember 2016 im Hinblick auf eine andauernde Verweigerungshaltung der Beschuldigten um Aufhebung der Betreuung bat. Dementsprechend wurde die Betreuung im Januar 2017 aufgehoben.
83In der Folgezeit wurde eine Vielzahl weiterer Strafverfahren gegen die Beschuldigte aufgrund verschiedenster Tatvorwürfe eingeleitet. Im Rahmen des Verfahrens 8 Ls 151 Js 250/15 – 43/16 Amtsgericht Herne wurde der – auch im gegenständlichen Verfahren beauftragte – Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M mit der Begutachtung der Beschuldigten beauftragt. Der Sachverständige erstattete sein schriftliches Gutachten im damaligen Verfahren unter dem 30.03.2017 auf der Grundlage der Kenntnis des Akteninhalts. Eine persönliche Untersuchung hatte aufgrund der seinerzeitigen Weigerung der Beschuldigten nicht stattfinden können. Der Sachverständige diagnostizierte das Vorliegen einer teils affektiven, teils endogenen psychotischen Grunderkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Der Sachverständige verwies jedoch darauf, dass es sich lediglich um eine „Arbeitshypothese“ handele, und beschrieb die Erkrankung als schizoaffektive Psychose (ICD-10: F25.2), welche als krankhafte seelische Störung anzusehen ist. Der Gutachter gelangte aufgrund dieser „Arbeitshypothese“ seinerzeit zu der Einschätzung, dass insoweit einerseits eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten im Sinne des § 21 StGB zum in Rede stehenden Tatzeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, andererseits sichere Feststellungen zu einer etwaigen Aufhebung ihrer Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB gerade nicht getroffen werden könnten. Es sei lediglich allgemein eine generelle Eignung der diagnostizierten Erkrankung – namentlich der krankheitsbedingt veränderten affektiven und kognitiv-subjektiven Realität der Beschuldigten – zur Beeinträchtigung der grundsätzlichen Einsichtsfähigkeit, Straftaten zu unterlassen, zu konstatieren.
84Unter Bezugnahme auf eine – vermeintlich – aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M vom 30.03.2017 hervorgehende (allgemeine) krankheitsbedingte Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB wurden zwischen Frühjahr 2017 und Frühjahr 2020 mindestens weitere 28 Ermittlungsverfahren verschiedener Staatsanwaltschaften gegen die Beschuldigte – überwiegend wegen Beleidigung, Missbrauchs von Notrufen, Erschleichens von Leistungen, aber auch wegen (gefährlicher) Körperverletzung, Betruges und Sachbeschädigung – eingestellt, was jedenfalls bei der Beschuldigten im Laufe der Zeit zu der (letztlich unberechtigten) Annahme führte, keinerlei rechtliche Konsequenzen für etwaiges weiteres strafrechtlich relevantes Verhalten befürchten zu müssen.
85Nach ihrer Haftentlassung am 06.01.2015 zog die Beschuldigte – mit Unterstützung ihrer älteren Schwester bei der Wohnungssuche – in eine Mietwohnung in der C1-straße in I, deren Vermieter – Herr Z – in der Folgezeit – aus Sicht der Beschuldigten – Grund für eine Vielzahl von – teils auch körperlichen – Auseinandersetzungen mit der Beschuldigten war. Im Zusammenhang mit einer solchen Auseinandersetzung ordnete schließlich das Amtsgericht –Betreuungsgericht – Herne-Wanne mit Beschluss vom 12.09.2019 (5 XIV (L) 454/19 C) im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Beschuldigten nach PsychKG in einem fachpsychiatrischen Fachkrankenhaus oder einer psychiatrischen Fachabteilung eines Allgemeinkrankenhauses oder einer Hochschulklinik an. Zur Verfahrenspflegerin wurde Rechtsanwältin L1 aus I bestellt, die zusammen mit der vor der Kammer vernommenen Zeugin Rechtsanwältin T eine Kanzlei führt. Nicht ausschließbar aufgrund der nachfolgenden Bemühungen der Verfahrenspflegerin L1 wurde die Beschuldigte in der Folgezeit aus der stationären psychiatrischen Behandlung entlassen bevor die vom Amtsgericht angeordnete Höchstfrist der Unterbringung ausgeschöpft wurde.
86Bis zu ihrer am 18.05.2020 erfolgten Festnahme in dieser Sache befand sich die Beschuldigte in keiner weiteren psychiatrischen Behandlung, sondern lediglich in gelegentlicher hausärztlicher Behandlung bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin K in I. Dieser diagnostizierte zuletzt im Februar 2020 bei der Beschuldigten eine chronische Depression, Angststörung und eine neurotische Persönlichkeitsstörung, aufgrund derer sie nicht in der Lage sei, sich ausreichend um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Ein entsprechendes Attest legte die Beschuldigte im Februar 2020 beim Amtsgericht Herne im Zusammenhang mit einem (erneuten) Antrag auf Betreuung vor. Zu einer Begutachtung der Beschuldigten kam es aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Festnahme der Beschuldigten in der vorliegenden Sache jedoch nicht mehr.
87III.
88In der Sache hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
89Im Zeitraum vom 30.10.2019 bis zum 08.04.2020 ereigneten sich die nachfolgend näher dargestellten Handlungen zum Nachteil der vor der Kammer vernommenen Zeugen C2, T, C3, C4, L, C5, T1 und D sowie weiterer Personen.
90Bei der Begehung der sogleich näher darzustellenden Taten zu Ziffer III. 2 . – 18. war die Beschuldigte jeweils infolge einer wahnhaften Störung (ICD-10:F 22.0) bei vollständig erhaltener Einsichtsfähigkeit krankheitsbedingt in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt.
91Im Verlauf des nachfolgend im Einzelnen geschilderten Tatgeschehens zu Ziffer III. 1. war die Beschuldigte infolge einer wahnhaften Störung (ICD-10:F 22.0) krankheitsbedingt bereits in ihrer Einsichtsfähigkeit erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt. Sie handelte insoweit überdies nicht ausschließbar in einem Zustand krankheitsbedingt aufgehobener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht ihres Handelns und somit der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB.
921. (Ziffern 1. - 2. der Antragsschrift, Fallakte 16)
93Gegen Mittag des 30.10.2019 parkte die Beschuldigte ihren Pkw VW Golf, amtliches Kennzeichen 000-00 000, in der Nähe des Justizzentrums C7 in der K-Straße auf einem am rechten Fahrbahnrand befindlichen Parkstreifen. Der Parkstreifen ist an dieser Stelle durch Bäume und entsprechende Beetumrandungen derart unterteilt, dass jeweils nur zwei bis drei Fahrzeuge hintereinander in den einzelnen Abschnitten des Parkstreifens parken können. Das Fahrzeug der Beschuldigten stand unmittelbar mit dem Heck an einer solchen Beetumrandung. Vor ihr befand sich kein weiteres Fahrzeug auf dem Parkstreifenabschnitt.
94Direkt gegenüber des von ihr benutzten Parkstreifenabschnitts befindet sich die Einfahrt zu einer kostenpflichtigen Parkfläche, die durch ein sogenanntes Kassenhäuschen gesichert ist. In diesem Kassenhäuschen arbeitete zu dieser Zeit die Parkplatzwächterin T2.
95Die Beschuldigte saß auf dem Fahrersitz ihres geparkten Fahrzeugs; das vordere, fahrerseitige Fenster war etwa bis zur Hälfte der Fensteröffnung heruntergekurbelt. Aus Gründen, die die Kammer nicht näher feststellen konnte, zerriss die Beschuldigte ein Anschreiben der Stadt Bochum vom 24.10.2019, mit dem ihr wegen einer Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit Falschparken eine schriftliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld erteilt worden war, und warf die Schnipsel sowie weiteres Papier achtlos aus dem Fenster ihres Fahrzeugs auf die Straße.
96Der vor der Kammer vernommene Zeuge C2 befand sich zu diesem Zeitpunkt in seinem Pkw, den er auf dem am gegenüberliegenden Fahrbahnrand befindlichen Parkstreifen geparkt hatte, und wurde auf die Beschuldigte ob ihres Verhaltens aufmerksam. Er öffnete zunächst das Fenster seines Fahrzeugs und rief der Beschuldigten wörtlich oder sinngemäß zu, sie solle „das“ lassen, wobei er hiermit die Verunreinigung der Straße durch die Papierschnipsel meinte. Als die Beschuldigte hierauf nicht reagierte, stieg der Zeuge C2 aus, begab sich zum Fahrzeug der Beschuldigten und bat sie – vor dem Fahrzeug stehend – nochmals höflich, das Papier nicht auf die Straße zu werfen.
97Die Beschuldigte reagierte hierauf barsch und folgte der Bitte nicht; vielmehr warf sie weitere Papierschnipsel aus dem Fenster. Die o.g. T2 hatte das Geschehen ebenfalls beobachtet und kam nun vom Kassenhäuschen über die Straße zum Pkw der Beschuldigten hinzu. Sie wies die Beschuldigte an, das Verunreinigen der Straße mit Papiermüll sofort zu unterlassen.
98Daraufhin entsponn sich ein lautstarkes Wortgefecht zwischen der Beschuldigten und ihr, welches maßgeblich durch gegenseitige Beleidigungen geprägt war. So sagte die Beschuldigte wörtlich oder sinngemäß zur Parkplatzwächterin, sie (T2) sei alt und hässlich, und betitelte die T2 als „Schlampe“ und „Hure“.
99T2 hob währenddessen einzelne Papierschnipsel vom Boden auf und drückte diese durch den geöffneten Fensterspalt zurück in den Fahrzeuginnenraum. Die Beschuldigte griff die T2 daraufhin durch die Fensteröffnung an den Händen – nicht ausschließbar, um sie daran zu hindern, die Papierschnipsel hinein zu werfen. Dabei nahm sie – nicht zuletzt mit Blick auf ihre eigenen künstlichen Fingernägel – in ihr Bewusstsein mit auf, dass sie die T2 kratzen und dadurch verletzen könnte; dies nahm sie jedenfalls auch billigend in Kauf. Durch das hierbei entstehende Handgemenge brachen der T2 einzelne künstliche Fingernägel ab. Ob die T2 tatsächlich Kratzer an ihren Händen erlitt, vermochte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Die T2 schrie, aus Ärger über das Verhalten der Beschuldigten, auf. Für die Beschuldigte war das Aufschreien als schmerzbedingter Ausruf wahrnehmbar.
100T2 zog sich daraufhin zurück und begab sich wieder zum Kassenhäuschen des Parkplatzes, wo die zwischenzeitlich hinzugekommene Zeugin D1 bereits darauf wartete, ihr Parkticket bezahlen zu können.
101Die Beschuldigte beschloss spätestens jetzt, die Örtlichkeit zu verlassen und startete den Motor ihres Fahrzeugs. Dies erkannte auch der Zeuge C2. Um sie an der Wegfahrt zu hindern, hob er eine von der Beschuldigten zuvor ebenfalls aus dem Fahrzeug geworfene Zeitschrift vom Boden auf und klemmte diese unter den Scheibenwischer ihres Pkw, sodass die Beschuldigte nur noch eingeschränkte Sicht durch die Frontscheibe hatte. Er selbst stand dabei unmittelbar vor der Fahrzeugfront. Dann nahm er sein Mobiltelefon zur Hand und machte mit dessen Kamera zwei Photos von der im Fahrzeug befindlichen Beschuldigten.
102Ob der Zeuge C2 die Zeitschrift sodann aus eigenem Antrieb wieder von der Windschutzscheibe entfernte oder ob die Zeitschrift durch die Verwendung der Scheibenwischer von der Windschutzscheibe gewischt wurde, vermochte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Jedenfalls befand sie sich nicht mehr auf der Windschutzscheibe als die Beschuldigte beschloss, das Fahrzeug, dessen Motor immer noch lief, vorwärts zu bewegen. Dabei sah sie durch die – mittlerweile wieder freigelegte – Windschutzscheibe den Zeugen C2 unmittelbar vor ihrem Pkw stehen und erkannte sie auch, dass sie ihn mit dem Pkw treffen würde, wenn sie das Fahrzeug vorwärts in Bewegung setzen würde. Sie wusste auch, dass der Zeuge C2 durch eine solche Kollision verletzt werden könnte, nahm dies jedoch – vor dem Hintergrund ihres unbedingten Willens, sich der Situation zu entziehen – billigend in Kauf.
103Unter Berücksichtigung all dessen fuhr die Beschuldigte mit ihrem Pkw an und kollidierte nach wenigen Zentimetern Fahrstrecke mit der vorderen Stoßstange ihres Fahrzeugs mit dem Zeugen C2 im Bereich seines Knies. Dieser bemerkte den Anstoß, verspürte jedoch weder in diesem Moment noch später einen dadurch bedingten Schmerz. Er verstand den Anstoß jedoch als Warnung der Beschuldigten, sie nunmehr nicht weiter aufzuhalten und passieren zu lassen. Daher sprang er aus Angst, die Beschuldigte werde erneut mit dem Fahrzeug auf sie zu und gegen sie fahren, zur Seite auf den Gehweg und wich dort einige Schritte zurück. Der Gehweg ist an der Tatörtlichkeit durch einen mehrere Zentimeter hohen Bordstein von dem Seitenstreifen, auf welchem sich das Geschehen bis dahin ereignete, abgetrennt.
104In diesem Augenblick bremste die Beschuldigte, die die Kollision mit dem Zeugen C2 bemerkt hatte, ihr Fahrzeug kurzzeitig zum Stillstand ab. Sie erkannte, dass der Zeuge C2 ihr aufgrund des Anfahrens ihrerseits und der Berührung mit dem von ihr geführten Pkw aus dem Weg gegangen war. Ihr war ferner bewusst, dass der Zeuge C2 sich ihr aus Furcht vor einer neuerlichen Berührung mit ihrem Fahrzeug nicht erneut in den Weg stellen würde, um sie an der Weiterfahrt zu hindern. Die Beschuldigte ging davon aus, dass sie eine Verletzung des Zeugen C2 mit ihrem Pkw nicht mehr herbeiführen konnte, nachdem dieser auf den Gehweg ausgewichen und ihr das Befahren des Gehwegs angesichts der hohen Bordsteinkante nicht möglich war. Aus diesem Grund und, weil sie ihr vorrangiges Ziel, die Örtlichkeit mit ihrem Pkw ungestört verlassen zu können, nunmehr verwirklichen konnte, fuhr sie nicht erneut auf den Zeugen C2 zu. Vielmehr lenkte sie ihr Fahrzeug von dem Seitenstreifen auf die Fahrbahn der K-Straße und verließ dann die Örtlichkeit über die K-Straße in östlicher Fahrtrichtung, ohne den anderen Beteiligten – wie sie wusste und wollte – die Möglichkeit einzuräumen, ihre Personalien festzustellen.
105Sowohl die Parkplatzwächterin T2 als auch der Zeuge C2 stellten gegenüber den herbeigerufenen und kurz darauf am Tatort eintreffenden Polizeibeamten form- und fristgerecht Strafantrag gegen die Beschuldigte wegen aller in Betracht kommenden Delikte.
106Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei dem Zeugen C2 für ihr Verhalten entschuldigt.
1072. (Ziffer 3. der Antragsschrift, Fallakte 24)
108Am Vormittag des 20.11.2019 suchte die Beschuldigte die Räumlichkeiten der Rechtsanwaltskanzlei L1 & T in der T3-straße 3 in I auf. Diese hatte – durch Rechtsanwältin L1 – die Beschuldigte im September 2019 in deren Unterbringungssache nach PsychKG vor dem Amtsgericht – Betreuungsgericht – Herne-Wanne als Verfahrenspflegerin vertreten. Seither hatte die Beschuldigte die Kanzlei bereits wiederholt mit der Forderung nach kostenloser juristischer Beratung aufgesucht, wobei ihr diese Forderung auch einmalig durch die vor der Kammer vernommene Zeugin Rechtsanwältin T in der (sich letztlich als unberechtigt herausstellenden) Hoffnung erfüllt worden ist, zukünftig nicht mehr von der Beschuldigten behelligt zu werden. Ein aktuelles Mandat bestand im November 2019 jedenfalls nicht mehr.
109Gegen 11:30 Uhr des oben genannten Tages begehrte die Beschuldigte nunmehr erneut den (kostenlosen) juristischen Beistand der Rechtsanwältinnen wegen eines – der Kammer nicht näher bekannt gewordenen – von ihr zuvor erhalten behördlichen Schreibens. Als zunächst ein am Empfang tätiger Mitarbeiter der Kanzlei und sodann auch die zu dem Gespräch hinzugekommene Zeugin T eine (nochmalige) spontane und kostenlose Beratung der Beschuldigten ablehnten, wollte sich die Beschuldigte damit nicht zufrieden geben. Es kam zu einem, mehrere Minuten andauernden – seitens der Beschuldigten lautstark geführten – Wortgefecht zwischen der Beschuldigten und der Zeugin T, in dessen Rahmen die Beschuldigte wörtlich oder sinngemäß äußerte, dass die Kanzlei für sie tätig werden müsse, die Zeugin T „gar nichts zu sagen“ habe, weil ihre „Mitarbeiter vom Staat angestellt“ seien, und die Zeugin T „rassistisch“ sei.
110Die Zeugin T geleitete die Beschuldigte währenddessen zur Kanzleitür und öffnete diese. Im Hinblick auf den Rassismus-Vorwurf der Beschuldigten entgegnete sie der Beschuldigten wörtlich oder sinngemäß, dass sie (die Beschuldigte) sie (die Zeugin T) „auch nerven würde“, wenn sie „blond und blauäugig“ wäre und sie die Kanzlei nun umgehend verlassen solle, da ihr Verhalten den dortigen Betriebsfrieden störe. Dieser Forderung wollte die Beschuldigte indes auch weiterhin nicht nachkommen und äußerte gegenüber der Zeugin T wörtlich oder sinngemäß, sie sei ein „Hurensohn“, was sie sodann – angesichts des Umstandes, dass es sich bei der Zeugin um eine Frau handelte – dahingehend korrigierte, dass sie (die Zeugin) eine „Hurentochter“ und „Fotze“ sei. Ferner äußerte sie, dass die Mutter der Zeugin eine „Fotze“ sei.
111Die Zeugin T bat daraufhin einen Mitarbeiter der Kanzlei, die Polizei zu rufen, was die Beschuldigte dazu veranlasste, die o.g. Beleidigungen zu wiederholen. Die Zeugin T war aufgrund dessen nicht bereit, ein Eintreffen der Polizei abzuwarten. Während sie mit der rechten Hand – noch immer – die Kanzleitür offen hielt, übte sie mit ihrer linken Hand Druck gegen den Rücken der Beschuldigten aus, um sie dieser Art durch den offenen Türspalt in den Hausflur bzw. das Treppenhaus des Bürogebäudes zu schieben. Die Beschuldigte erkannte das Vorhaben der Zeugin T, war aber nicht willens, die Kanzleiräume zu verlassen. Sie stemmte sich mit ihrem Rücken und mit aller Kraft gegen die Hand der Zeugin. Um ihrem Willen, zu bleiben, Nachdruck zu verschaffen, beschloss sie spätestens in diesem Moment, körperliche Gewalt gegen die Zeugin auszuüben. Sie wusste, dass sie die Zeugin hierdurch verletzten würde und wollte dies auch.
112In Umsetzung dieses Tatentschlusses drehte sie sich unvermittelt zur Zeugin hin um und schlug unvermittelt mit ihrer Faust von unten kommend gegen das Kinn der Zeugin T und traf sie dort etwas rechtsseitig der Kinnspitze. Sodann trat sie mit ihrem – mit einem Turnschuh beschuhten – Fuß gegen das linke Schienbein der Zeugin und traf sie dort im unteren Bereich der Unterschenkelinnenseite.
113Die Zeugin T erlitt durch den Tritt an der Innenseite des Unterschenkels links ein massives Hämatom von 7 mal 4 Zentimetern Größe, welches sich alsbald stark verfärbte und in der Folgezeit etwa 4 Wochen lang erhebliche Schmerzen verursachte. Durch den Faustschlag gegen das Kinn erlitt die Zeugin weiter eine etwa 1 mal 1 Zentimeter große Prellmarke am Unterrand des Kinns rechtsseitig. Insbesondere der Schlag gegen das Kinn führte zu erheblichen Schmerzen bei der Zeugin T, da an eben dieser Stelle aufgrund eines Unfallgeschehens in der Vergangenheit der Kiefer einmal gebrochen gewesen, mit einer Metallplatte versorgt worden und trotz medizinischer Behandlung nur suboptimal verheilt war.
114Die Zeugin verringerte ob der durch Faustschlag und Tritt verursachten Schmerzen zunächst reflexartig den Druck gegen den Rücken der Beschuldigten. Ihr gelang es aber, ihren rechten Fuß gegen das Türblatt zu stellen, sodass die Kanzleitür offen stehen blieb. Nur wenige Momente später drückte die Zeugin T dann mit ihrer rechten Hand gegen den Brustkorb der Beschuldigten, um diese auf Abstand zu halten und sich selbst vor weiteren Schlägen zu schützen. Die Beschuldigte indes schlug weiter – nunmehr ziellos – mit den Händen um sich. Nicht ausschließbar in diesem Moment kratzte sie die Zeugin mit ihren (der Beschuldigten) künstlichen Fingernägeln auch leicht am Unterarm. Die Zeugin drückte dann mit aller Kraft gegen den Brustkorb der Beschuldigten und konnte sie dieser Art schließlich zur Tür hinaus schieben. Sodann schloss die Zeugin die Tür und ließ den sogenannten Türschnapper einrasten, sodass es der Beschuldigten unmöglich wurde, zurück in die Kanzleiräume zu kommen.
115Die Beschuldigte verharrte noch wenige Minuten im Treppenhaus des Bürogebäudes und rief durch die geschlossene Tür, dass sie mit ihrer Familie wiederkommen werde. Dies verstand die Zeugin zwar als – gewollte – Drohung, ließ sich hiervon jedoch nicht einschüchtern. Dann verließ die Beschuldigte das Gebäude. Die Zeugin T begab sich im weiteren Verlauf des Tages in ambulante ärztliche Behandlung und erstattete noch am selben Tag beim Kriminalkommissariat 35 des Polizeipräsidiums Bochum / PI Herne Strafanzeige gegen die Beschuldigte bzw. stellte form- und fristgerecht Strafantrag wegen aller in Betracht kommenden Delikte.
116Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Geschädigten für ihr Verhalten entschuldigt.
1173. (Ziffer 4. der Antragsschrift, Fallakte 12)
118Nur wenige Tage später – am 29.11.2019 gegen 13:45 Uhr – suchte die Beschuldigte das auf dem I1-ring 40 in I gelegene St. N1 Hospital und dort die sogenannte Nuklearstation auf, auf der zu diesem Zeitpunkt die vor der Kammer vernommene Zeugin C3 als medizinisch-technische Assistentin arbeitete.
119Die Beschuldigte verlangte dort einen zeitnahen Behandlungstermin, den die Zeugin C3 ihr jedoch nicht mehr bereit war zu geben, da die Beschuldigte in den Wochen zuvor bereits zwei jeweils vorab vereinbarte Behandlungstermine unentschuldigt hatte verstreichen lassen. Unter Darlegung ihrer Beweggründe, lehnte die Zeugin C3 eine weitere Terminsvergabe gegenüber der Beschuldigten ab, woraufhin diese dann aufbrausend und lauthals schimpfte, dass sie (die Zeugin C3) gar nichts zu sagen habe und es eine Frechheit sei, sie nicht zu behandeln.
120Die Zeugin C3 nahm daraufhin Rücksprache mit einem in unmittelbarer Nähe befindlichen Oberarzt, der der Zeugin C3 in ihrer Aussage zustimmte und sodann seinerseits versuchte, die Beschuldigte zu beruhigen. Die Beschuldigte indes fing an, die Zeugin C3 zu beschimpfen und äußerte ihr gegenüber unter anderem wörtlich, sie seine eine „fette Hure“. Der o.g. Oberarzt verwies die Beschuldigte daraufhin – es waren im Verlauf der Diskussion mit der Beschuldigten bereits etwa 30 Minuten seit deren Eintreffen vergangen – der Station und des Krankenhauses.
121Weil die Beschuldigte nunmehr entgegnete, sie könne und werde nirgendwo anders hingehen, wies man die Beschuldigte darauf hin, dass man die Polizei rufen werde, falls sie das Krankenhaus nicht verlasse. Die Zeugin C3 begab sich daraufhin in ein vom Stationsflur abgehendes, nahegelegenes Zimmer, um von dort den Sicherheitsdienst des Krankenhauses telefonisch herbeizurufen. Dies erkannte auch die Beschuldigte und begab sich während des Telefonats der Zeugin C3 ebenfalls zur Tür des o.g. Zimmers.
122Spätestens als die Zeugin C3 das Telefonat beendet hatte und sich wieder in Richtung Krankenhausflur begab, beschloss die Beschuldigte aus Verärgerung über die (aus ihrer Sicht unberechtigte) Verweigerung einer Behandlung, die Zeugin C3 körperlich anzugreifen und zu verletzen.
123In Umsetzung dieses Tatentschlusses versetzte sie der Zeugin – als diese gerade aus dem Zimmer heraus auf den Krankenhausflur trat – unvermittelt und für die Zeugin vollkommen überraschend einen wuchtigen Schlag mit der flachen Hand auf die Wange und schlug ihr sodann mit den Händen mehrfach ins Gesicht und gegen den Brustkorb, wodurch der Beschuldigten künstliche Fingernägel von den Fingern abfielen. Ferner trat sie – ebenfalls in Umsetzung ihres Tatplans – der Zeugin mehrfach wuchtig gegen das Schienbein und den Knöchel. Dabei trug sie alltagsübliche Stiefeletten. Die Zeugin C3 erlitt durch die Schläge ins Gesicht eine – nur kurze Zeit anhaltende – Rötung der angegangenen Gesichtshälfte und Schmerzen sowie durch die Tritte ein im Durchmesser etwa 3 Zentimeter großes Hämatom am Sprunggelenk, eine Schwellung des Schienbeins und des Knöchels sowie zwei kleinflächige Schürfwunden am Schienbein. Die Geschädigte litt mehrere Wochen an Schmerzen im Bereich des Schienbeins. Die Verletzungen sind heute jedoch folgenlos verheilt.
124Die von dem körperlichen Übergriff zunächst vollkommen überrumpelte Zeugin C3 versuchte im weiteren Verlauf weitgehend vergeblich, sich mit ihren Armen gegen die Schläge und Tritte der Beschuldigten zur Wehr zu setzen, bevor die noch immer auf sie einschlagende und eintretende Beschuldigte schlussendlich durch das Eingreifen eines hinzukommenden, der Kammer nicht näher bekannt gewordenen Dritten von der Zeugin C3 weggezogen und auf diese Weise an weiteren Gewalthandlungen gehindert wurde. Sodann gelang es der Beschuldigten, sich loszureißen und fluchtartig die Station und das Krankenhaus zu verlassen.
125Die Zeugin C3 ließ die o.g. Verletzungen in der hauseigenen Ambulanz behandeln. Eine Arbeitsunfähigkeit bestand nicht, jedoch ist die Zeugin infolge des Übergriffs bis heute nachhaltig in ihrem – wie sie es nennt – „Urvertrauen“ erschüttert und befand sich zuletzt im Sommer 2020 in Gesprächstherapie beim Betriebsarzt. Die Zeugin C3 stellte noch am Tattag im Krankenhaus gegenüber den die Strafanzeige aufnehmenden Polizeibeamten form- und fristgerecht Strafantrag gegen die Beschuldigte wegen aller in Betracht kommenden Delikte.
126Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Geschädigten für ihr Verhalten entschuldigt.
1274. (Ziffer 7. der Antragsschrift, Fallakte 2)
128Am Freitag, den 10.01.2020 suchte die Beschuldigte, die ein handelsübliches Gurkenglas gefüllt mit Urin mit sich führte, die im Hause T4-straße 16 in I gelegene Kanzlei der Rechtsanwälte L, X, S pp. auf, welche – durch den vor der Kammer vernommenen Zeugen Rechtsanwalt L – in der Vergangenheit erstmals im Jahre 2013 die Vertretung der Beschuldigten und nachfolgend in verschiedenen Strafverfahren deren Pflichtverteidigung übernommen hatte. Das letzte von Rechtsanwalt L insoweit übernommene Mandat lag zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits mehr als zwei Jahre zurück.
129Die Räumlichkeiten der Kanzlei befinden sich in einem mehrstöckigen Bürogebäude, in dem sich auch die Praxisräume der Zahnärztin W befinden – dazu sogleich näheres. Die Kanzlei verfügt zum Treppenhaus hin über eine Holztür und – seit einem Vorfall mit der Beschuldigten im Jahre 2017 – einen dort angebrachten, sogenannten „elektrischen Türspion“, der – anstelle eines optischen Türspions – ein digitales Bild von der im Eingangsbereich vorherrschenden Situation in den Empfangsbereich der Kanzlei übermittelt. Die – seit dem genannten Vorfall aus dem Jahre 2017 – stets geschlossen gehaltene Tür ist dann nach entsprechender Sichtkontrolle manuell von den Mitarbeitern der Kanzlei nur von innen durch Betätigung der Türklinke zu öffnen.
130Am Nachmittag des o.g. Tages arbeitete die vor der Kammer vernommene Zeugin C4 am Empfang der o.g. Kanzlei. Dieser war die Beschuldigte bekannt und sie wusste auch, dass der Beschuldigten – aufgrund eines ihr durch den Zeugen L erteilten Hausverbots im Nachgang zu dem erwähnten Vorfall im Jahre 2017 – kein Einlass mehr zu gewähren war.
131Als die Beschuldigte klingelte und vor der Kanzleitür im Treppenhaus wartete, erkannte die Zeugin C4 die Beschuldigte allerdings auf dem digitalen Bild des Türspions nicht, weshalb sie zur Tür ging und diese öffnete.
132Als die Tür lediglich erst einen Spalt weit geöffnet war und sich die Blicke der Zeugin und der vor der Tür stehenden Beschuldigten trafen, erkannte die Zeugin C4 die Beschuldigte und sah sie auch, dass die Beschuldigte ein handelsübliches Gurkenglas mit einer Flüssigkeit in der Hand hielt, dessen Deckel die Beschuldigte kurz zuvor abgeschraubt hatte. Im selben Moment begann die Beschuldigte laut zu schreien und bewegte das geöffnete Gurkenglas mit Schwung derart in Richtung der Zeugin, dass der darin befindliche Urin – wie von ihr beabsichtigt – nach vorne austrat und sich über die Zeugin ergoss.
133Die Zeugin C4 versuchte daraufhin vergeblich, die Tür wieder zu schließen, drückte sich gleichwohl mit aller Kraft von innen gegen die Tür. Der Beschuldigten war es nämlich unterdessen gelungen, den Arm, in dessen Hand sie das o.g. Glas hielt, durch den geöffneten Türspalt zu stecken. In dieser Position schlug die Beschuldigte nun mehrfach durch schwungvolles Auf- und Abbewegen ihres Arms mit dem weiterhin in ihrer Hand befindlichen Glas in Richtung der – wie die Beschuldigte erkannte – im Eingangsbereich stehenden und von innen gegen die Eingangstür drückenden Zeugin C4. Hierbei schlug das Gurkenglas mindestens dreimal gegen den Kopf der Zeugin C4, die trotz der erlittenen leichten Schmerzen durch den Aufprall des Glases gleichwohl die Tür nicht freigab. Das Glas ging dabei nicht zu Bruch.
134Schließlich warf die Beschuldigte das Glas in die Kanzleiräumlichkeiten hinein, zog schnell ihren Arm aus dem Türspalt heraus und verließ das Haus. Die Zeugin C4 schloss daraufhin die Tür. Erst jetzt realisierte sie den von der über sie ergossenen Flüssigkeit ausgehenden Uringeruch, der ihr nun über und über anhaftete. Die Zeugin C4 erlitt vorübergehende Kopfschmerzen durch die Schläge mit dem Glas und ein starkes Ekelgefühl aufgrund des Kontakts mit dem Urin der Beschuldigten. Noch vor Ort stellte die Geschädigte gegenüber den die Strafanzeige aufnehmenden Polizeibeamten form- und fristgerecht Strafantrag gegen die Beschuldigte wegen aller in Betracht kommenden Delikte.
135Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei den Zeugen L und C4 für ihr Verhalten entschuldigt.
1365. (Ziffer 8. der Antragsschrift, Bl 10 ff. Fallakte 10)
137Am darauffolgenden Montag, den 13.01.2020, suchte die Beschuldigte erneut die Räumlichkeiten der Rechtsanwaltskanzlei L, X, S pp. auf der T4-straße 16 in I auf und befand sich im Treppenhaus des Bürogebäudes unmittelbar vor der Kanzleitür. Nachdem die Zeugin C4 sie diesmal auf dem Bild des „elektronischen Türspions“ erkannt hatte und der Beschuldigten – erst Recht nach den Erfahrungen des vorangegangenen Freitags – trotz mehrfachen Klingelns nicht mehr öffnete, warf die Beschuldigte ein neuerlich mitgebrachtes, mit Urin gefülltes Gurkenglas gegen die Tür der Kanzlei, warf den Standfuß einer im Treppenhaus befindlichen Werbefahne der Kanzlei die Treppe herunter und verließ sodann unter Mitnahme der Werbefahne das Treppenhaus des Bürogebäudes.
138Durch den Wurf gegen die Kanzleitür trat der Urin aus dem Glas aus, welches im Übrigen aber nicht zerbrach. Der Urin blieb an der Tür haften, zum Teil zog er in den auf dem Fußboden verlegten Teppich ein. Tür und Teppich konnten in der Folgezeit vollständig gereinigt werden.
139Unmittelbar vor dem Bürogebäude befand sich an diesem Tag auch das Fahrrad des Rechtsanwalts S, welches er dort verschlossen abgestellt hatte. Die Beschuldigte beschloss, ihrem Unmut weiter Luft zu machen, indem sie die Reifen des Fahrrads zersticht. Sie nahm eine in ihrer mitgeführten Tasche befindliche Schere zur Hand und stach damit in Umsetzung ihres Tatentschlusses in beide Fahrradreifen, aus denen in der Folge die Luft entwich. Sodann steckte sie die Schere wieder in die Tasche.
140Währenddessen erreichten die von der Zeugin C4 herbeigerufenen, vor der Kammer vernommenen Zeugen POK’in C6 und PK T1 die Örtlichkeit. Sie trafen die Beschuldigte noch in unmittelbarer Nähe der Tatörtlichkeit an, fanden die o.g. Schere im Rahmen einer Durchsuchung ihrer mitgeführten Tasche auf und stellten diese sicher. Sodann verbrachten sie die Beschuldigte in Absprache mit dem sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt Herne zunächst in ein Krankenhaus.
141Der erforderliche Strafantrag wurde durch Rechtsanwalt S noch am selben Tage form- und fristgerecht gestellt.
142Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei dem Zeugen L für ihr Verhalten entschuldigt.
1436. (Ziffer 9. der Antragsschrift, Bl. 1 ff. Fallakte 10)
144Bereits am darauffolgenden Tag, Dienstag den 14.01.2020, suchte die Beschuldigte gegen Mittag erneut das Bürogebäude an der T4-straße 16 in I auf. Spätestens jetzt beschloss die Beschuldigte, die an dem Bürogebäudeeingang befindliche Klingel- und Gegensprechanlage mit Kot zu verschmieren, wobei sie wusste, dass dies die Funktion der Klingel- und Gegensprechanlage jedenfalls vorübergehend, wenn nicht sogar dauerhaft, ausschalten oder jedenfalls die bestimmungsgemäße Nutzung der Anlage unmöglich machen kann. Dies nahm sie in ihr Bewusstsein mit auf und wollte dies auch. In Umsetzung ihres Tatplanes verteilte sie den Kot derart über die Anlage, dass er auch in Spalten und Ritzen eindrang. Sodann beschmierte sie auch ein um die Ecke am Haus befindliches Werbeschild der Zahnärztin W mit Kot.
145Durch den Kot in der Klingel- und Gegensprechanlage war deren bestimmungsgemäße Nutzung zunächst ausgeschlossen. Diese konnte jedoch in der Folgezeit durch aufwändige, über mehrere Stunden andauernde Reinigungsarbeiten wieder hergestellt werden.
146Der erforderliche Strafantrag wurde seitens des Zeugen Rechtsanwalt L noch am selben Tage form- und fristgerecht gestellt.
147Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei dem Zeugen L für ihr Verhalten entschuldigt.
1487. (Ziffer 12. der Antragsschrift, Fallakte 9)
149Am 29.01.2020 befuhr die Beschuldigte mit dem in ihrem Eigentum stehenden und seit dem 13.06.2019 auf ihren Namen amtlich zugelassenen – annähernd 20 Jahre alten und erstmals am 12.04.2000 auf einen Vorbesitzer amtlich zugelassenen – PKW der Marke VW Golf, Fahrzeugidentifizierungsnummer 00000000000000000, mit dem amtlichen Kennzeichen 000-00 000 unter anderem die I2 Straße in C7. Zum Führen des Fahrzeugs war sie, wie ihr bewusst war, nicht berechtigt, da ihr die Fahrerlaubnis zuvor mit Ordnungsverfügung vom 22.01.2020, vorläufig vollstreckbar seit dem 23.01.2020, durch die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Herne entzogen worden war. Die vorgenannte Ordnungsverfügung ist seit dem 24.02.2020 unanfechtbar.
1508. (Ziffer 13. der Antragsschrift, Fallakte 17)
151Am 04.02.2020 befuhr die Beschuldigte mit ihrem o.g. PKW VW Golf, amtl. Kennzeichen 000-00 000, zunächst den öffentlich zugänglichen LIDL-Parkplatz an der T5 Straße in I, an dessen Ausfahrt sich das Verkehrszeichen 209 befindet, wonach lediglich nach rechts abgebogen werden darf. Die Beschuldigte bog mit o.g. Pkw entgegen dieses Verkehrszeichens nach links auf die T5 Straße ein, was der gegenüber der Einfahrt befindliche Polizeibeamte, der vor der Kammer vernommene Zeuge POK X1 beobachtete. Er folgte der Beschuldigten daraufhin mit Anhaltezeichen, dem die Beschuldigte schließlich erst mit Verzögerung auf Höhe der Kreuzung T5 Straße, I3-Straße, X2-straße im Bereich einer Bushaltestelle nachkam.
152Zum Führen des Kraftfahrzeugs war sie, wie ihr weiterhin bewusst war, nicht berechtigt, da ihr die Fahrerlaubnis zuvor – wie bereits erwähnt – mit Ordnungsverfügung vom 22.01.2020, vollstreckbar seit dem 23.01.2020, durch die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Bochum entzogen worden war.
153Weil sie sich trotz mehrfacher Aufforderung durch den Zeugen POK X1 strikt weigerte, eine Weiterfahrt zu unterlassen, stellte der Polizeibeamte den Fahrzeugschlüssel der Beschuldigten sicher. Das Fahrzeug wurde am Straßenrand verschlossen abgestellt.
1549. (Ziffer 14. der Antragsschrift, Fallakte 1)
155Unter Zuhilfenahme eines in ihrem Besitz verbliebenen Zweit-Fahrzeugschlüssels unternahm die Beschuldigte – wiederum in Kenntnis ihrer tatsächlich nicht mehr bestehenden Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs – spätestens am 14.02.2020 eine neuerliche Fahrt mit ihrem o.g Pkw. Sie fuhr jedenfalls zu der an der Anschrift F 143 in I gelegenen Selbstbedienungstankstelle des Pächters und späteren Geschädigten G. Dort betankte sie ihr o.g. Fahrzeug mit Benzin im Wert von 42,56 €, wobei sie von Anfang an beabsichtigte, das Benzin nicht zu bezahlen.
156Der Pächter nahm wahr, dass die Beschuldigte ihr Fahrzeug betankte, billigte dies aber in der Annahme, dass jemand, der bei ihm tankt, auch bezahlen werde. Die Beschuldigte ging während des Tankvorgangs ihrerseits auch von eben dieser Annahme des Tankstellenpächters aus. Nach Abschluss des Tankvorgangs setzte sie sich wieder in ihr Fahrzeug, startete den Wagen, verließ das Tankstellengelände, ohne die abgenommene Benzinmenge zu bezahlen und setzte ihre Fahrt fort.
157Der Geschädigte G erstattete unmittelbar danach Strafanzeige bei der Polizei.
15810. (Ziffer 15. der Antragsschrift, Fallakte 20)
159Am 17.03.2020 gegen 11:22 Uhr befuhr die Beschuldigte bei I mit ihrem o.g. Pkw VW Golf unter anderem die Bundesautobahn 42 in Fahrtrichtung E1. Hierbei überschritt sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit (nach Toleranzabzug) um 22 km/h, weshalb ihr Fahrzeug von einer Radarkontrolle des Verkehrsdienstes der Autobahnpolizei N2 erfasst und fotografiert wurde. Im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war die Beschuldigte, wie ihr bekannt war, weiterhin nicht. Die die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis betreffende, seit dem 23.01.2020 vorläufig vollstreckbare Ordnungsverfügung der Stadt Herne vom 22.01.2020 war bereits seit dem 24.02.2020 unanfechtbar geworden.
16011. (Ziffer 16. der Antragsschrift, Fallakte 8)
161Am 28.03.2020 befuhr die Beschuldigte gegen 22:35 Uhr mit ihrem Pkw VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen 000-00 000 unter anderem die W1-straße in I. Im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war die Beschuldigte, wie ihr bekannt war, weiterhin nicht.
162Sie wurde daher von der vor der Kammer vernommenen Zeugin POK’in C6 angehalten. Um die Beschuldigte angesichts der zwischenzeitlich aktenkundig gewordenen Mehrzahl der Taten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nunmehr wirkungsvoll und nachhaltig an weiteren Straftaten zu hindern, beschlagnahmte die Zeugin POK’in C6 die Kennzeichen des o.g. Pkw sowie die Fahrzeugpapiere (namentlich die von der Beschuldigten mitgeführten Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II) sowie den Zweit-Fahrzeugschlüssel.
16312. (Ziffer 17. der Antragsschrift, Fallakte 5)
164In der Nacht vom 28.03.2020 auf den 29.03.2020 schraubte die Beschuldigte gemäß eines zuvor von ihr gefassten Tatplans die amtlichen Kennzeichen 00-0 0000 von einem in der T3-straße 77 in I abgestellten Pkw Seat des Zeugen U ab, um diese sodann an ihrem eigenen Pkw – gleichsam als „Ersatz“ für die sichergestellten Kennzeichen – anzubringen und die entwendeten Kennzeichen fortan im Rahmen der geplanten weiteren Verwendung des Fahrzeugs für eigene Zwecke zu nutzen, wobei sie zugleich den damit einhergehenden dauerhaften Ausschluss des eigentlich Berechtigten erkannte und innerlich billigte.
16513. (Ziffer 18. der Antragsschrift, Fallakte 3)
166Anschließend brachte sie die Kennzeichen an ihrem Pkw VW Golf, für den die amtlichen Kennzeichen nicht ausgegeben waren, an, um eine amtliche Zulassung dieses Pkw vorzutäuschen, und parkte diesen – unter Verwendung eines weiteren in ihrem Besitz befindlichen Ersatz-Fahrzeugschlüssels – unmittelbar gegenüber ihrer Wohnanschrift im öffentlichen Verkehrsraum ab. Dabei hielt sie es für möglich, dass dadurch den anderen Verkehrsteilnehmern sowie mit der Verkehrsüberwachung befassten Polizeibeamten die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglicht wird, und nahm dies zumindest billigend in Kauf.
167Tatsächlich entdeckte der vor der Kammer vernommene Zeuge PHK L2 das Fahrzeug am 29.03.2020 gegen 23:30 Uhr an der o.g. Stelle. Erst bei Überprüfung der am Fahrzeug befindlichen Kennzeichen und der ebenfalls am Fahrzeug befindlichen grünen Plakette – welche auf das tatsächliche amtliche Kennzeichen des o.g. Pkw lautete – stellte er fest, dass die Kennzeichen 00-0 0000 zuvor gestohlen worden waren.
16814. (Ziffer 19. der Antragsschrift, Hauptakte)
169Nur wenige Tage später, am 31.03.2020, stellte die Beschuldigte ihren Pkw VW Golf, an dem sich – um (erneut) eine amtliche Zulassung dieses Pkw vorzutäuschen – die zuvor von ihr entwendeten, nicht für den in ihrem Eigentum stehenden Pkw VW Golf ausgegeben amtlichen Kennzeichen 000-0 0000 befanden, unter neuerlicher Verwendung eines ihr zur Verfügung stehenden Ersatz-Fahrzeugschlüssels an der C1-straße 133 in I – und damit im öffentlichen Verkehrsraum – ab. Dabei hielt sie es – nicht zuletzt aufgrund der Tat zu Ziffer III.13. – für möglich, dass dadurch den anderen Verkehrsteilnehmern sowie mit der Verkehrsüberwachung befassten Polizeibeamten die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen ermöglicht wird, und nahm dies zumindest billigend in Kauf. Auch war ihr weiterhin bewusst, dass sie nicht mehr über eine Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügte.
170Nachdem der Zeuge PHK L2 das Fahrzeug der Beschuldigten gezielt zur Kontrolle aufgesucht und erkannt hatte, dass das o.g. Fahrzeug erneut mit falschen Kennzeichen versehen worden war und mildere Maßnahmen nicht gefruchtet hatten, stellte er das Fahrzeug insgesamt sicher und ließ es abschleppen.
171Die Beschlagnahme des o.g. Fahrzeugs sowie der dazugehörigen Fahrzeugschlüssel, der Zulassungsbescheinigungen und der amtlichen Kennzeichen 000-00 000 wurde – nachdem die Beschuldigte im weiteren Verlauf deren Herausgabe schriftlich bei der Staatsanwaltschaft Bochum beantragt hatte – mit Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 11.05.2020 (64 Gs 171 Js 75/20 – 1577/20) bestätigt.
17215. (Ziffer 20. der Antragsschrift, Fallakte 23)
173Am selben Tag (31.03.2020) gegen 10:00 Uhr suchte die Beschuldigte die im Hause C1-straße 7a in 00000 I gelegene Rechtsanwaltskanzlei Dr. T6 und Partner auf, an dessen Empfang an diesem Tag die vor der Kammer vernommene Zeugin C5 arbeitete. Nicht ausschließbar wollte die Beschuldigte der Kanzlei ein Mandat im Hinblick auf die zuvor erfolgte Sicherstellung ihres Fahrzeugs erteilen. Sie verlangte, umgehend einen der dort tätigen Rechtsanwälte wegen ihres – nicht näher bezeichneten – Anliegens zu sprechen. Der im Eingangsbereich zufällig hinzutretende Rechtsanwalt X3 sprach sie an und versuchte ihr zu erklären, dass es hierfür einer Terminsabstimmung bedürfe. Als die Beschuldigte aufbrausend und uneinsichtig reagierte, forderte Rechtsanwalt X3 die Beschuldigte auf, die Kanzlei zu verlassen. Er ließ die Beschuldigte im Eingangsbereich der Kanzlei stehen und zog sich in sein Büro zurück.
174Die Beschuldigte war hierüber wütend und wurde lauter. Als die Zeugin C5 – zur Umsetzung der von Rechtsanwalt X3 geäußerten Aufforderung – die Beschuldigte nun mehrfach – höflich, aber nachdrücklich – bat, zu gehen, kam diese dieser Bitte nicht nach, sondern schrie nur noch lauter, stieß einen im Eingangsbereich befindlichen Blumenkübel um und warf Akten vom Empfang ziellos herum. Durch den entstehenden Tumult im Eingangsbereich aufmerksam geworden, trat ein weiterer Rechtsanwalt der Kanzlei, Rechtsanwalt C8, aus seinem Büro und eilte der Zeugin C5 zur Hilfe. Gemeinsam mit ihm gelang es der Zeugin C5 jetzt, die Beschuldigte durch die Kanzleieingangstür hinaus ins Treppenhaus zu schieben. Die Eingangstür wurde geschlossen und man begann mit den Aufräumarbeiten im Eingangsbereich.
175Die Beschuldigte hingegen war immer noch sehr aufgebracht und beschloss, ihrem Ärger weiter Luft zu machen. Sie nahm eine mitgebrachte Limonadenglasflasche zur Hand und schmiss diese im Treppenhaus gegen die holzfurnierte Eingangstür der Kanzlei. Dabei erkannte sie auch, dass die Flasche an der Tür zerbrechen und die Tür hierdurch wie auch durch entstehende Scherben beschädigt werden könnte, und nahm dies billigend in Kauf. Die Flasche stieß mit einem lauten Knall gegen das Türblatt und zerbrach. Die darin befindliche Limonade lief am Türblatt entlang zu Boden. Das Türblatt selbst wurde durch den Aufprall der Glasflasche leicht zerkratzt.
176Die Beschuldigte nahm eine im Eingangsbereich zur Kanzlei auf dem Boden befindliche Textilmatte hoch und warf diese zur Seite. Dann verließ sie das Treppenhaus und verschwand.
177Noch vor Ort stellte die Geschädigte gegenüber den die Strafanzeige aufnehmenden Polizeibeamten form- und fristgerecht Strafantrag gegen die Beschuldigte wegen aller in Betracht kommenden Delikte.
178Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Zeugin C5 für ihr Verhalten entschuldigt.
17916. (Ziffer 21. der Antragsschrift, Fallakte 11)
180Am 31.03.2020 gegen 12:50 Uhr hielt sich die Beschuldigte am Bahnhof in I auf, zu dem sie sich mit einem Taxi hatte fahren lassen. Das für die Taxifahrt angefallene Entgelt wollte sie hingegen – wie von vornherein beabsichtigt – nicht entrichten, weswegen der Zeuge PK T1 hinzugerufen wurde. Im Rahmen der Feststellung ihrer Personalien und der statusrechtlichen Belehrung als Beschuldigte betitelte die Beschuldigte den Beamten PK T1 lautstark und für jedermann am Bahnhof gut hörbar als „scheiß Rassist“ und „scheiß rassistischer Polacke“. Hierdurch fühlte sich der Zeuge PK T1 – insbesondere angesichts aktueller Rassismusvorwürfe gegenüber der Polizei – derart in seiner Ehre gekränkt, dass er – anders als für ihn ansonsten eher üblich – nicht bereit war, derartige beleidigende Äußerungen langmütig zu überhören bzw. hinzunehmen.
181Ferner äußerte die Beschuldigte ihm gegenüber im Rahmen der Sachverhaltsaufnahme, dass er „ruhig“ seine „Anzeigen schreiben“ solle, das würde „eh nichts bringen“. Damit intendierte sie, dass andere Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund ihrer psychischen Disposition in der Vergangenheit eingestellt worden waren.
182Der erforderliche Strafantrag wurde durch den Zeugen PK T1 und durch dessen Dienstvorgesetzten jeweils form- und fristgerecht gestellt.
18317. (Ziffer 22. der Antragsschrift, Fallakte 14)
184Am 03.04.2020 gegen 12:15 Uhr suchte die Beschuldigte die im Hause C Straße 14 in I befindliche Zahnarztpraxis N auf, bei der sie sich einige Jahre zuvor schriftlich um einen Ausbildungsplatz beworben, aber eine Absage erhalten hatte. Patientin dieser Praxis war sie – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – nicht. Die Beschuldigte führte hierbei in ihrer Handtasche erneut ein mit Urin gefülltes (handelsübliches) Gurkenglas mit sich.
185Am Empfang der Praxis arbeitete zu diesem Zeitpunkt die vor der Kammer vernommene Zeugin D zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin. Die Beschuldigte öffnete die Tür und fragte – zunächst eher verschüchtert wirkend – die ihr persönlich nicht bekannten Arzthelferinnen wörtlich oder sinngemäß, ob sie (die Praxis) auch Patienten ohne Termin aufnehmen würden. Die o.g. Mitarbeiterin bat die Beschuldigte daraufhin freundlich herein und richtete ihren Blick sodann auf den auf dem Empfangstisch befindlichen Terminkalender.
186Die Beschuldigte hingegen hatte nicht vor, sich einen Termin in der Praxis geben zu lassen. Sie beschloss spätestens jetzt, die Mitarbeiterin und die Zeugin D körperlich zu verletzen, in dem sie das mitgeführte und mit Urin gefüllte Gurkenglas gegen sie wirft. Dabei erkannte sie und nahm sie mindestens billigend in Kauf, dass es durch das Glas zu erheblichen Verletzungen kommen könnte.
187In Umsetzung ihres Tatentschlusses – und ohne weiteres Zögern – nahm sie das mit Urin gefüllte Gurkenglas aus ihrer mitgeführten Handtasche, schraubte den Deckel des Glases ab und warf diesen – unter lautem Schreien – der o.g. Kollegin der Zeugin D ins Gesicht. Das Glas selbst warf sie dann gegen die Zeugin D, die sie jedoch knapp verfehlte. Das Glas flog an der linken Halsseite der Zeugin vorbei und schlug hinter ihr auf dem Boden auf. Der im Glas befindliche Urin ergoss sich während des Wurfs über der Zeugin D sowie dem Empfangstisch und der darauf befindlichen technischen Geräte, insbesondere der Tastatur des Computers und der Telefonanlage.
188Die Beschuldigte erkannte, dass sie die Zeugin D mit dem Glas nicht getroffen und dieser durch den Wurf weder Schmerzen noch körperliche Verletzungen zugefügt hatte. Sie erkannte auch, dass es ihr nicht möglich war, das Glas erneut gegen die Zeugin D zu werfen, da sich das Gurkenglas nunmehr unmittelbar – für die Beschuldigte nicht mehr erreichbar – hinter der Zeugin D befand.
189Ohne ein weiteres Wort drehte sich die Beschuldigte um, verließ die Praxis und verschwand. Die Zeugin D und ihre Kollegin waren zunächst starr vor Schreck und empfanden ein starkes Ekelgefühl, konnten aber nach der ohnehin bevorstehenden Mittagspause, die die Zeugin D nutzte, um sich zu duschen und frische Kleidung anzuziehen, den Dienst in der Praxis am Nachmittag fortsetzen.
190Die Zeugin D litt in den Tagen danach unter Albträumen und dem ständigen Gefühl, die Beschuldigte stehe hinter ihr. Heute hat sie nur noch gelegentlich ein „mulmiges“ Gefühl, wenn sie im Empfangsbereich der Praxis steht.
191Die Tastatur des Computers und die Telefonanlage wurden nach der Tat ausgetauscht.
192Die Zeugin D stellte noch am selben Tage vor Ort gegenüber den die Strafanzeige aufnehmenden Polizeibeamten form- und fristgerecht Strafantrag gegen die Beschuldigte wegen aller in Betracht kommenden Delikte.
19318. (Ziffer 23. der Antragsschrift, Fallakte 15)
194Unmittelbar nach dem Vorfall in der Zahnarztpraxis N begab sich die Beschuldigte abermals zu den auf der C1-straße 7a in I befindlichen Räumlichkeiten der Rechtsanwaltskanzlei Dr. T6 und Partner, wo an diesem Tag die Zeuginnen C5 und K1 im Empfangsbereich arbeiteten. Die Zeugin K1 befand sich unmittelbar am Empfang und die Zeugin C5 in einem dahinter gelegenen Raum mit Sichtkontakt zur Eingangstür.
195Die Beschuldigte klingelte, woraufhin die Zeugin C5 ihr Einlass gewährte. Die Beschuldigte öffnete daraufhin die Eingangstür einen Spalt weit, steckte ihren Kopf durch den Spalt in die Kanzlei hinein und beschloss spätestens in diesem Moment, ein von ihr mitgebrachtes, mit einer nach Fisch riechenden Flüssigkeit gefülltes (handelsübliches) Gurkenglas in Richtung der Zeugin K1 zu werfen. Dabei erkannte sie und nahm sie in ihr Bewusstsein mit auf, dass sie der Zeugin K1 durch das Glas erhebliche Verletzung zufügen könnte. In Umsetzung ihres Tatplanes warf sie unvermittelt das von ihr bereits geöffnete, mit o.g. Flüssigkeit gefüllte Gurkenglas durch den Türspalt gegen die Zeugin K1. Das Glas verfehlte den Kopf der Zeugin nur um wenige Zentimeter, schlug gegen die hinter der Zeugin K1 befindliche Wand und zerbrach. Die Flüssigkeit ergoss sich während des Fluges über die Zeugin K1, den Empfangstisch mit Akten und das hinter der Zeugin befindliche Faxgerät.
196Die Beschuldigte erkannte, dass sie die Zeugin K1 mit dem Glas nicht getroffen und dieser durch den Wurf weder Schmerzen noch körperliche Verletzungen zugefügt hatte. Sie erkannte auch, dass es ihr nicht möglich war, das Glas erneut gegen die Zeugin K1 zu werfen, da das Gurkenglas bereits zerborsten war und die Scherben nunmehr unmittelbar – für die Beschuldigte nicht mehr erreichbar – neben der Zeugin K1 im Empfangsraum verteilt herumlagen.
197Dann zog die Beschuldigte die Tür wieder zu und verließ das Gebäude über das Treppenhaus.
198Das Faxgerät konnte in der Folgezeit nicht vollständig gereinigt werden und wurde daher ausgetauscht. Die verunreinigten Originalakten mussten – nach erfolgter Erstellung von Zweitakten – entsorgt werden. Die Zeugin K1 blieb zwar körperlich unverletzt, hat seither aber Angst, die Tür zur Kanzlei zu öffnen. Sie setzte ihre Arbeitstätigkeit nach Säuberung ihrer Person gleichwohl noch am selben Nachmittag fort.
199Noch vor Ort stellte die Zeugin K1 gegenüber den die Strafanzeige aufnehmenden Polizeibeamten form- und fristgerecht Strafantrag gegen die Beschuldigte wegen aller in Betracht kommenden Delikte.
200Die Beschuldigte hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung bei den Zeuginnen K1 und C5 für ihr Verhalten entschuldigt.
201IV.
2021.
203Die Beschuldigte ist am 18.05.2020 in vorliegender Sache aufgrund des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Bochum vom 11.05.2020 (64 Gs 171 Js 75/20-1576/20) festgenommen worden. Sie befindet sich seither – zunächst aufgrund des vorgenannten Unterbringungsbefehls und seit dem 07.10.2020 aufgrund des diesen ersetzenden Unterbringungsbefehls der Kammer vom 05.10.2020 (1 KLs 171 Js 75/20 – 22/20) – in einstweiliger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 126a StPO im LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt. Dort wird sie unter Federführung des vor der Kammer vernommenen Sachverständigen Zeugen Diplom-Psychologen I4 therapeutisch betreut und behandelt.
204Der gesundheitliche Zustand der Beschuldigten hat sich während ihres Aufenthalts in o.g. LWL-Zentrum nicht verbessert. Sie zeigte im Verlauf der einstweiligen Unterbringung fortlaufend Verhaltensauffälligkeiten. Sie lehnte jedwedes Therapieangebot ab, missachtete wiederholt die Regeln der Station, äußerte sich gegenüber Mitpatienten und Personal beleidigend und imponierte insbesondere durch die Präsentation ihrer Körperausscheidungen – beispielsweise auf dem Teller zusammen mit Essensresten – während sie zugleich fortlaufend – auch im Rahmen ihrer Einlassung in der Hauptverhandlung – über die angeblich unzumutbaren hygienischen Zustände auf der Station und die fehlende Sauberkeit und Hygiene ihrer Mitpatienten Klage führte.
205Die Beschuldigte zeigt nach wie vor keine Krankheitseinsicht oder Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Behandlung. Insbesondere neigt sie dazu, die ihr vorgeworfenen, hier gegenständlichen Taten sowie weiterhin auftretende Krankheitssysmptome zu bagatellisieren, indem sie die – von ihr insgesamt eingeräumten – Taten als „Kleinigkeiten“ oder „harmlose“ Delikte bezeichnet und sich selbst als „nicht so krank wie andere“ bezeichnet.
206Die Beschuldigte hat die Hauptverhandlung vor der Kammer ruhig verfolgt und sich kooperativ verhalten. Nach dem Verlesen einer selbst geschriebenen (geständigen) Einlassung zu Beginn der Hauptverhandlung hat die Beschuldigte weitergehende Fragen der Kammer – wenngleich zumeist knapp – überwiegend in ruhigem Tonfall beantwortet.
2072.
208Nach fortgeschrittener Beweisaufnahme – insbesondere nach Erstattung des Gutachtens durch den Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. M – wurden die Beschuldigte und ihr Verteidiger am 6. Hauptverhandlungstag (27.11.2020) seitens der Kammer gemäß § 416 Abs. 2 S. 1 StPO darauf hingewiesen, dass sich hinsichtlich der Ziffern 3. – 24. der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 die Schuldfähigkeit der Beschuldigten ergeben habe, das Gericht auch für das Strafverfahren zuständig sei und mit sofortiger Wirkung hinsichtlich der oben genannten Ziffern 3. – 24. der Antragsschrift vom 23.09.2020 nunmehr vom Sicherungsverfahren in das Strafverfahren übergegangen werde, weshalb insoweit nunmehr auch eine Verurteilung zu einer (Geld- oder Freiheits-) Strafe in Betracht komme. Der Beschuldigten bzw. nunmehr überwiegend Angeklagten und ihrem Verteidiger wurde auch insoweit Gelegenheit gegeben, ihre Verteidigung hierauf einzurichten.
209Die Kammer hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass sich die Überleitung in das Strafverfahren ausschließlich auf die genannten Fälle der Antragsschrift beziehe, es somit hinsichtlich der verbleibenden Tatvorwürfe zu den Ziffern 1. und 2. der in Rede stehenden Antragsschrift bei der Durchführung des Sicherungsverfahrens verbleibe, weshalb fortan das Strafverfahren und das Sicherungsverfahren gegen die Angeklagte bzw. Beschuldigte parallel geführt werde, es jedoch im Hinblick auf eine gebotene Vereinheitlichung bei der einheitlichen Bezeichnung der Angeklagten bzw. Beschuldigten als Beschuldigte verbleiben solle.
2103.
211Mit der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden, von der Kammer zur Hauptverhandlung zugelassenen Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 sind der Beschuldigten – über die oben unter III. getroffenen Feststellungen hinaus – weitere Taten zur Last gelegt worden.
212Insoweit soll sich die Beschuldigte zweimal unerlaubt vom Unfallort entfernt haben. So soll sie sich am 24.10.2019 – nachdem sie während des Einparkens gegen einen ihr fremden Pkw gestoßen sein und an diesem einen Schaden in Höhe von etwa 200 € verursacht haben soll – sowie am 07.01.2020 – nachdem sie mit ihrem Pkw rückwärts gegen einen Begrenzungsstein gefahren und diesen aus der Verankerung gerissen haben soll – jeweils entfernt haben, ohne die Feststellung ihrer Identität zu ermöglichen.
213Ferner soll sie am 21.01.2020 zunächst ihren Pkw mit 18,31 Liter Super-Benzin zum Gesamtpreis von 24,88 € betankt und ohne zu bezahlen die Tankstelle verlassen haben, was sie auch von Anfang an so beabsichtigt haben soll. Am Abend desselben Tages soll sie dann im Rahmen eines Wendemanövers mit ihrem Pkw gegen ein am Straßenrand stehendes, ihr fremdes Fahrzeug gestoßen und an diesem einen Schaden in Höhe von etwa 800 € verursacht und sich sodann – unter Vorgabe, nur kurz umparken zu wollen –vom Unfallort entfernt haben, ohne die Feststellung ihrer Identität zu ermöglichen.
214Zuletzt soll die Beschuldigte am 08.04.2020 zusammen mit einer ihrer Schwestern ihren Vermieter – nach einem neuerlichen Streit mit diesem – im Hausflur ihres Wohnhauses angegriffen und ihn die Treppe heruntergestoßen haben. Darüber hinaus soll sie einen hinzugekommenen Zeugen gegen den Halsbereich und den Oberkörper geschlagen sowie den Ärmel seines Hemdes zerrissen haben.
215Das Verfahren wurde insoweit (nämlich hinsichtlich der Fälle 5, 6, 10, 11 und 24 der Antragsschrift vom 23.09.2020 (171 Js 75/20 StA Bochum) und nach erfolgtem Übergang in das Strafverfahren) auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung der Beschuldigten und ihres Verteidigers mit Beschluss der Kammer vom 27.11.2020 (6. Hauptverhandlungstag) gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StPO im Hinblick auf die verbleibenden Tatvorwürfe und die insoweit voraussichtlich zu erwartende Strafe vorläufig eingestellt.
216V.
217Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor der Kammer. Die Kammer ist von der Richtigkeit der Feststellungen überzeugt. Diese Überzeugung hat sie gewonnen aufgrund der vollumfänglich geständigen Einlassung der Beschuldigten und der übrigen aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlichen Beweismittel, namentlich den Vernehmungen der Zeugen, dem Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. M sowie den verlesenen Urkunden und den in Augenschein genommenen Lichtbildern.
218Die geständige Einlassung der Beschuldigten ist glaubhaft und liegt den getroffenen Feststellungen weitestgehend – von einzelnen Detailfragen, auf die noch näher einzugehen sein wird, abgesehen – zugrunde. Sie steht im Übrigen im Einklang mit den Erkenntnissen aus der weitergehenden Beweisaufnahme. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beschuldigte zu Unrecht falsch belastet haben könnte, sind nicht ersichtlich.
2191.
220Die Feststellungen zur Person und zum Werdegang der Beschuldigten beruhen auf der diesen Feststellungen entsprechenden Einlassung der Beschuldigten selbst. Diese hat zu Beginn der Hauptverhandlung umfassende Angaben hierzu gemacht und sodann auch einen im Vorfeld der Hauptverhandlung selbst verfassten Brief verlesen, der sich u.a. zu ihren festgestellten Ausbildungsbemühungen verhält.
221Ihre Einlassung ist auch glaubhaft. Sie steht zum einen im Einklang mit den Angaben des Sachverständigen Dr. M, welche dieser im Rahmen seiner Gutachtenerstattung auch zur Person und zum Werdegang der Beschuldigten gemacht hat und die auf den Angaben der Beschuldigten im Rahmen der Exploration beruhen.
222Soweit sich die Beschuldigte dahin eingelassen hat, sich bei verschiedenen Arztpraxen um einen Ausbildungsplatz bemüht zu haben, ihre Bewerbungen jedoch nicht erfolgreich waren, wird dies zum anderen auch gestützt durch die Angaben der Zeugin D, die bekundet hat, dass sich die Beschuldigte einige Jahre vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum auf einen Ausbildungsplatz in der Zahnarztpraxis N beworben gehabt habe, jedoch eine Absage erteilt bekommen habe. Ihr Arbeitgeber sei noch im Besitz der damaligen Bewerbungsunterlagen der Beschuldigten.
223Die Aussage der Zeugin D ist ebenfalls glaubhaft. Sie steht in keinem Widerspruch zur Einlassung der Beschuldigten. Darüber hinaus hat die Zeugin D in ihrer Aussage deutlich zwischen eigenen und fremden Wahrnehmungen, von denen ihr lediglich berichtet worden sei, unterschieden. So führte sie aus, dass sie die Bewerbungsunterlagen gesehen habe, als ihr Chef diese der Polizei gezeigt habe und bei dieser Gelegenheit lediglich von ihm erzählt bekommen habe, dass die Beschuldigte sich in der Praxis beworben gehabt habe.
2242.
225Die Feststellungen zu den Vorstrafen der Beschuldigten beruhen auf der sie betreffenden und in der Hauptverhandlung verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 27.10.2020, deren Richtigkeit die Beschuldigte nicht in Abrede gestellt hat.
2263.
227Die Feststellungen zum Verhältnis der Beschuldigten zu ihrer Familie, insbesondere zu der gelegentlichen Pflegetätigkeit der Beschuldigten für ihren Vater, sowie zu ihren weitgehend fehlenden sozialen Kontakten im Übrigen beruhen ebenfalls auf der den Feststellungen entsprechenden Einlassung der Beschuldigten. Diese hat insbesondere die Fürsorge für ihren Vater mehrfach in der Hauptverhandlung hervorgehoben und dies auch – soweit ihr vorliegend das Anbringen falscher Kennzeichen an ihrem Pkw und das wiederholte Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen worden ist – zur Begründung der Tatbegehung herangezogen. So gab sie – ohne insoweit jedoch konkret zu werden – an, sie habe sich doch um ihren Vater kümmern müssen und dafür ein Fahrzeug benötigt, zumal die etwaige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund ihrer von ihr so bezeichneten „Ekelkrankheit“ keine Alternative dargestellt habe.
228Die Feststellungen hierzu werden ferner gestützt durch die – insoweit in keinem Widerspruch zur Einlassung stehenden – Angaben des Sachverständigen Dr. M, die dieser im Rahmen seiner Gutachtenerstattung auch zu den sozialen Kontakten der Beschuldigten machte und die wiederum auf den Angaben der Beschuldigten im Rahmen der Exploration beruhen.
2294.
230Die Feststellungen zu der Diagnose einer Depression etwa im Jahre 2008 beruhen zunächst auf der Einlassung der Beschuldigten, die angegeben hat, eine solche Diagnose etwa im Alter von 20 Jahren erhalten zu haben und deswegen „in F1“ behandelt worden zu sein.
231Soweit die Kammer festgestellt hat, dass es diese Diagnose gab und die Beschuldigte deswegen stationär behandelt worden ist, wird die Einlassung zum einen gestützt durch die insoweit in Einklang stehenden Angaben des Sachverständigen Dr. M, der im Rahmen seiner Gutachtenerstattung ausgeführt hat, die Beschuldigte habe ihm im Rahmen der Exploration berichtet, dass sich einmal ein „christlicher Neger“ um ihre Schwester bemüht habe und diese dann zu einer alten Frau weggelaufen sei. Das habe sie (die Beschuldigte) derart betrübt, dass sie medikamentös habe behandelt werden müssen. Der Sachverständige hat hierzu ergänzend ausgeführt, dass weitere Details zu der von ihr berichteten „Betrübung“ nicht zu klären gewesen seien.
232Die o.g. Feststellungen werden zudem ergänzt durch das in der Hauptverhandlung verlesene psychiatrisch-neurologische Gutachten des Dr. med. H aus I vom 17.11.2015, in dem der Sachverständige auch ausgeführt hat, dass die Beschuldigte ihm gegenüber angegeben habe, die o.g. Depressionserkrankung nur aus finanziellen Gründen „vorgespielt“ zu haben. Vor diesem Hintergrund vermochte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass die Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich an einer Depression i.S.d. ICD-10 erkrankt war. Insbesondere hat der Sachverständige Dr. M hierzu im Rahmen seiner Gutachtenerstattung für die Kammer nachvollziehbar angegeben, dass die Beschuldigte im Laufe ihrer Entwicklung eine „Fülle von Vordiagnosen“ gestellt bekommen habe, wobei stets nur eine „vordergründige Symptomatik“ diagnostiziert worden und die nach seiner Einschätzung tatsächlich gegebene wahnhafte Störung (dazu sogleich Näheres) – wie häufig – übersehen worden sei. Die Kammer ist dem Sachverständigen nach eigener Sachprüfung gefolgt. Der Sachverständige hat – wie noch näher auszuführen sein wird – die Schwierigkeiten bei der Erstellung der vorgenannten Diagnose unter Heranziehung sämtlicher Differentialdiagnosen und Arbeitshypothesen für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend dargestellt.
233Die Feststellungen zur Disposition der Beschuldigten während ihres Haftaufenthaltes in der JVA Gelsenkirchen, zu dem daran angeschlossenen Betreuungsverfahren sowie zu den dem Betreuungsverfahren zugrunde gelegten ärztlichen Diagnosen beruhen zunächst auf den Angaben des Zeugen Rechtsanwalt L. Dieser hat bekundet, dass er die Beschuldigte bereits etwa im Jahre 2013 im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt kennengelernt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beschuldigte in Strafhaft gesessen und ihre Familie habe ihn beauftragt, die Verteidigung der Beschuldigten zu übernehmen. Die Familie sei nämlich der Meinung gewesen, dass die Beschuldigte aus psychischen Gründen in der Justizvollzugsanstalt nicht richtig aufgehoben gewesen zu sein. Er habe die Beschuldigte in der Folgezeit dann auch über eine längere Zeit, in verschiedenen Verfahren vertreten. So sei er auch als Verfahrenspfleger eingesetzt geworden, als nach der Entlassung aus der Strafhaft eine gesetzliche Betreuung betreffend die Beschuldigte eingerichtet worden sei. Betreuerin sei die Diplom-Sozialarbeiterin Q geworden. Diese habe jedoch – seiner Kenntnis nach – bereits „nach ein paar Monaten hingeschmissen“. Er habe die Beschuldigte dann noch in weiteren Strafverfahren als Pflichtverteidiger vertreten. Das Mandat sei dann aber etwa Ende 2017 seitens der Beschuldigten beendet worden, weil sie den Wunsch nach einem anderen Verteidiger gehabt habe. Seither sei er nicht mehr anwaltlich für die Beschuldigte tätig gewesen.
234Diese Angaben werden gestützt und ergänzt durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden, namentlich durch das Schreiben der JVA Gelsenkirchen vom 19.11.2014 (4 XVII 88/15 C Amtsgericht Herne), das Vollstreckungsblatt der JVA Gelsenkirchen vom 16.04.2014 und das o.g. Gutachten des Dr. H vom 17.11.2015 sowie die Beschlüsse des Amtsgerichts Herne vom 25.01.2016 und 09.01.2017 (4 XVII 88/15 C), den Vermerk vom 02.12.2016 (4 XVII 88/15 C Amtsgericht Herne) und das an das Amtsgericht Herne gerichtete Schreiben der Diplom-Sozialarbeiterin Q vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V. vom 06.12.2016 im Betreuungsverfahren 4 XVII 88/15 C Amtsgericht Herne.
235Die Feststellungen zu weiteren Ermittlungs- und Strafverfahren gegen die Beschuldigte und deren Einstellung sowie die Feststellungen zu dem den Einstellungen zugrundeliegenden Gutachten beruhen zum einen auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 27.10.2020 und zum anderen auf den – damit in Einklang stehenden – Angaben des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. M aus E. Dieser hat sich im Rahmen seiner Gutachtenerstattung vor der Kammer – wie an anderer Stelle (unter VII. 1.) noch näher darzustellen sein wird – auch eingehend mit seinen damaligen gutachterlichen Ausführungen vom 30.03.2017 und der seinerzeit – ausschließlich nach Aktenlage – gebildeten „Arbeitshypothese“ kritisch auseinander gesetzt. Dabei ist er in der Lage gewesen, diese damalige Arbeitshypothese unter Hervorhebung seiner damaligen Erkenntnisquellen für die Kammer nachvollziehbar zu begründen.
236Hinsichtlich des eingestellten Verfahrens 171 Js 185/17 StA Bochum folgen die zum seinerzeitigen Tatvorwurf getroffenen weitergehenden Feststellungen aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen, an die Staatsanwaltschaft Bochum gerichteten Strafantrag der Bundesagentur für Arbeit vom 18.08.2017.
237Die Feststellungen dazu, dass die Beschuldigte im Hinblick auf die sich allmählich ergebende Vielzahl der Verfahrenseinstellungen wegen (vermeintlicher) Schuldunfähigkeit im Laufe der Zeit letztlich keinerlei (straf-)rechtliche Konsequenzen für ihr Tun mehr befürchtete, beruht insbesondere auf den Angaben des Zeugen PK T1. Dieser hat unter anderem ausgeführt, dass er die Beschuldigte im Rahmen einer Sachverhaltsaufnahme am 31.03.2020 angetroffen und diese im Anschluss an ihre seinerzeit erfolgte Belehrung als Beschuldigte eines Betruges gleich mehrfach geäußert habe, dass er „ruhig eine Anzeige schreiben“ solle, das würde „eh nichts bringen“. Der Zeuge hat angegeben, die insoweit vorhandene „scheiß egal“-Haltung der Beschuldigten sei mehr als offenkundig gewesen.
238Die Angaben des Zeugen sind glaubhaft. Er hat die Äußerung der Beschuldigten im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit wahrgenommen, in der von ihm gefertigten Strafanzeige ausdrücklich verschriftlicht und hat sich im Rahmen seiner Vernehmung noch gut an den Vorfall zu erinnern vermocht, zumal ihn die Beschuldigte nach seinen weiteren Bekundungen bei dieser Gelegenheit unter anderem als „rassistischer Polacke“ beschimpft hatte (dazu sogleich Näheres). Obgleich dies möglicherweise eine solche nahelegen könnte, war gleichwohl eine überschießende Belastungstendenz bei der Aussage des Zeugen nicht zu erkennen. Er war vielmehr erkennbar um wahrheitsgemäße und vollständige Angaben bemüht. So hat er in diesem Zusammenhang beispielsweise nicht sämtliche, der Beschuldigten als Beleidigungen vorgeworfene Äußerungen der Beschuldigten sicher zu bestätigen vermocht, sondern freimütig insoweit bestehende Erinnerungslücken ohne Umschweife eingeräumt.
239Die Feststellungen zum Umzug der Beschuldigten in eine Mietwohnung in der C1-straße in I sowie zu ihrem Verhältnis zu ihrem dortigen Vermieter beruhen zunächst auf der Einlassung der Beschuldigten selbst. Diese hat von der gemeinsamen Wohnungssuche mit ihrer Schwester und ihren Bemühungen um eine „schöne, aufgeräumte und saubere Wohnung“ berichtet. Darüber hinaus hat sie selbst von Auseinandersetzungen mit ihrem Vermieter und dessen Tochter, die gefährlich seien und sie angegriffen hätten, erzählt. Die Polizei habe ihr dann gesagt, dass man sie in eine Klinik bringen würde. Wegen ihres Vermieters habe sie dann auch eine Betreuung gebraucht.
240Diese Einlassung wird gestützt und ergänzt durch die Angaben des Sachverständigen Dr. M, der im Rahmen seiner Gutachtenerstattung angegeben hat, dass die Beschuldigte ihm auch von den Konflikten mit ihrem Vermieter berichtet habe. Diese Angaben stehen in keinem Widerspruch zur Einlassung der Beschuldigten.
241Soweit die Kammer Feststellungen zu einer einstweiligen Anordnung der vorläufigen Unterbringung der Beschuldigten nach PsychKG getroffen hat, beruhen diese zum einen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Beschluss des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 12.09.2019 (4 VXII 41/19 C) sowie zum anderen auf den damit in Einklang stehenden Angaben der Zeugin Rechtsanwältin T. Diese hat bekundet, ihre Kanzleipartnerin Rechtsanwältin L1 habe die Beschuldigte etwa im August 2019 in einer Unterbringungssache vertreten. Es sei damals im Ausgangspunkt um eine Streitigkeit zwischen der Beschuldigten und ihrem Vermieter gegangen, in deren Zusammenhang der Vermieter wohl die Stromversorgung ihrer Wohnung unterbrochen und die Beschuldigte dann den allgemeinen Sicherungskasten geöffnet habe. Es sei auch um eine Rangelei zwischen der Beschuldigten und dem Vermieter gegangen, bei der die Beschuldigte ein Messer bei sich geführt habe. Zu ihrer (der Zeugin T) eigenen Verwunderung sei die vom Amtsgericht festgelegte Höchstfrist der Unterbringung dann aber nicht ausgereizt worden, was ihrer Erinnerung nach auch daran gelegen habe, dass ihre Kollegin die Schilderungen der Beschuldigten vom Streit für nachvollziehbar gehalten und sich dementsprechend mit Nachdruck für eine Entlassung ihrer Mandantin eingesetzt habe. Sie (die Zeugin T) habe dies anders gesehen und darüber damals auch mit Rechtsanwältin L1 kontrovers diskutiert.
242Die Kammer glaubt diese Angaben. Die Zeugin vermochte sich noch detailliert an den Vorgang zu erinnern, weil sie selbst die tatsächliche und rechtliche Situation anders eingeschätzt hatte als ihre Kollegin. Soweit sie weitere Einzelheiten nicht mehr angeben konnte, hat die Zeugin dies im Rahmen ihrer Aussage deutlich herausgestellt. Die Angaben der Zeugin T stehen dabei auch in keinem Widerspruch zu dem in der Hauptverhandlung verlesenen ärztlichen Zeugnis des St. N1 Hospitals F1 vom 11.09.2019 und der ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesenen ärztlichen Stellungnahme vom 17.09.2019, die sich jeweils über den psychischen Zustand der Beschuldigten verhalten und auf denen die Feststellungen im Übrigen ebenfalls beruhen.
243Die Feststellungen zur hausärztlichen Behandlung der Beschuldigten sowie zu den seitens ihres Hausarztes gestellten Diagnosen beruhen zum einen auf der Einlassung der Beschuldigten, ihren Hausarzt lediglich zur Einholung eines Attests für ein Betreuungsverfahren aufgesucht zu haben. Zum anderen folgen sie aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Attesten des Allgemeinmediziners K vom 06.02.2020 und 17.04.2020.
2445.
245Die Feststellungen zum objektiven Geschehen unter Ziff. III. 1. beruhen zunächst auf der (geständigen) Einlassung der Beschuldigten selbst. Diese hat sich dahin eingelassen, dass die Taten im Wesentlichen so, wie sie ihr in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen werden, stattgefunden hätten. Allerdings könne sie sich nicht mehr an den genauen Wortlaut der Beleidigungen gegenüber der T2 erinnern und auch von deren Fingernägeln wisse sie nichts.
246Die Einlassung der Beschuldigten wird gestützt und im Übrigen ergänzt durch die Angaben des Zeugen C2. Dieser hat angegeben, am Mittag des 30.10.2019 in der Nähe des Parkplatzes K-Straße in seinem Pkw gesessen zu haben, den er am Fahrbandrand geparkt gehabt habe. Er habe einen Termin als Dolmetscher bei Gericht gehabt. Während er noch eine Zigarette geraucht habe, habe er auf der gegenüber liegenden Straßenseite einen schwarzen VW Golf gesehen, in dem eine auffällig geschminkte junge Frau gesessen habe. Diese Frau habe irgendwelche Papiere zerrissen und aus dem – allerhöchstens halb - geöffneten Fahrerfenster auf die Straße geworfen. Wie er später gesehen habe, sei das ein Brief von einem Gericht oder einer Behörde gewesen. Er habe daraufhin sein Fenster geöffnet und der Frau gesagt, sie solle das doch bitte lassen. Die Frau habe ihn aber ignoriert. Er sei deshalb ausgestiegen, zu dem Golf herübergegangen und habe sie nochmals höflich gebeten, es zu lassen. Er habe sie in seiner – für ihn typischen – eher ironischen Art darauf hingewiesen, dass sie da „etwas verloren“ habe. Natürlich habe er gewusst, dass sie nichts unabsichtlich verloren habe, schließlich habe sie es ja gezielt aus dem Fenster geworfen. Die Frau habe aber unhöflich reagiert. Er wisse noch, dass sie ihn beschimpft habe, aber erinnere die Worte heute nicht mehr. Er sei „ganz perplex“ über dieses aggressive und beleidigende Verhalten einer jungen Frau gewesen.
247Dann sei die Parkplatzwächterin vom Parkplatz herüber gekommen und die beiden Frauen hätten sich nun gegenseitig beschimpft. Die Frau im Fahrzeug habe der Frau vom Parkplatz an den Kopf geworfen: „Sie sind alt und hässlich!“. Das sei ihm noch im Ohr geblieben, weil er so etwas von einer Frau nicht erwartet hätte. Die Parkplatzwächterin habe daraufhin ebenfalls Beschimpfungen geäußert. Sie habe einmal aufgeschrien, dann habe sie sich von dem Fahrzeug der Beschuldigten entfernt und sei zu dem Kassenhäuschen zurückgegangen. Hinterher habe sie (die Frau vom Parkplatz) ihm auch erzählt, dass die Frau im Fahrzeug ihr die künstlichen Fingernägel kaputt gemacht habe. Er könne sich das nur so erklären, dass sie die Hände durch den Fensterspalt gesteckt habe.
248Die Frau sei die ganze Zeit über im Fahrzeug sitzen geblieben. Sie habe dann den Motor ihres Fahrzeugs gestartet, um loszufahren. Er habe sich deshalb vor das Fahrzeug gestellt und eine Zeitung, die sie zuvor ebenfalls aus dem Fenster geworfen habe, auf die Windschutzscheibe unter den Scheibenwischer geklemmt. Er habe gedacht, dass ihr so die Sicht zur Fahrt fehlen würde und er sie auf diese Weise aufhalten könnte, da die Angelegenheit aus seiner Sicht ja noch keineswegs geklärt gewesen sei.
249Wenn er gefragt werde, ob er auch Photos gemacht habe, so wisse er das heute nicht mehr. Auf Vorhalt der in richterlichen Augenschein genommenen Lichtbilder von der Fahrerin und dem Pkw Golf gab der Zeuge dann jedoch an, dass diese Bilder von ihm seien. Er erkenne die Beschuldigte heute auch als die Fahrerin wieder. Sie sei im Oktober 2019 allerdings sehr auffällig gekleidet und stark geschminkt gewesen.
250Die auf den Bildern zu sehende Zeitung auf der Windschutzscheibe habe er dann aber wieder herunter genommen, weil er gedacht habe, dass er das „juristisch bestimmt nicht darf“. Wenn ihm vorgehalten werde, dass die Zeitung durch die von der Beschuldigten betätigten Scheibenwischer des Fahrzeugs „weggewischt“ worden sein soll, so bleibe er dabei, dass er sie heruntergenommen habe, denn die Frage einer etwaigen eigenen Strafbarkeit deswegen sei noch in seinem Kopf gewesen.
251Die Frau habe ihn dann – also ohne Zeitung auf der Windschutzscheibe – angefahren. Es habe nicht wehgetan, aber er sei zur Seite auf den Gehweg gesprungen und einige Schritte zurückgewichen. Er habe das als eine Art Warnung verstanden. Die Frau sei danach „rasanter“ weggefahren. Schließlich sei die Polizei gekommen und habe die Personalien aufgenommen. Er wisse nicht, wer die Polizei gerufen habe. Vielleicht sei es eine andere blonde Frau gewesen, die hinterher sehr aufgebracht zu ihm gekommen sei, deren Namen er jedoch nicht wisse.
252Die Kammer glaubt diese Angaben des Zeugen C2. Der Zeuge selbst vermochte seine Angaben mit inneren Gedankengängen und Überlegungen zu verbinden und seine Erinnerung an bestimmte Details für die Kammer nachvollziehbar emotional zu verknüpfen. Er war erkennbar um eine sachliche, differenzierte und wahrheitsgemäße Darstellung bemüht; Anhaltspunkte für eine überschießende Belastungstendenz zum Nachteil der dem Zeugen persönlich unbekannten Beschuldigten haben sich nicht einmal ansatzweise ergeben. Darüber hinaus werden seine Angaben gestützt durch die in richterlichen Augenschein genommenen Lichtbilder, die das Fahrzeug der Beschuldigten sowie die Beschuldigte als Fahrerin des Fahrzeugs zeigen und die der Zeuge auf Vorhalt als die Lichtbilder erkannt hat, die er in der Situation mit seinem Mobiltelefon gemacht habe.
253Die geständige Einlassung der Beschuldigten wie auch die Angaben des Zeugen C2 werden zudem gestützt und ergänzt durch die Angaben der Zeugin D1. Diese hat bekundet, sie habe am 30.10.2019 ihr Fahrzeug auf dem großen Parkplatz an der K-Straße in C7 abgestellt und ihr Parkticket bei der Dame im Kassenhäuschen bezahlen wollen. Das Kassenhäuschen sei zunächst nicht besetzt gewesen. Die Parkplatzwächterin sei dann aber von der gegenüber liegenden Straßenseite „ganz aufgelöst“ zurückgekommen. Sie (die Frau) habe erzählt, dass es wegen Papiermülls zu einem verbalen Schlagabtausch mit einer im dort abgestellten VW Golf sitzenden anderen Frau gekommen sei, die sie (die Frau vom Kassenhäuschen) gerade wiederholt als „Schlampe“ und „Hure“ bezeichnet habe. Als sie (die Frau vom Kassenhäuschen) versucht habe, die von der Straße aufgehobenen Papierfetzen wieder in das Fahrzeug zurückzuschieben, sei sie verletzt worden. So sei es ihr (der Zeugin D1) zumindest erzählt worden. Sie könne allerdings heute nicht mehr sagen, wie die Hand der Frau ausgesehen habe oder ob ihre Fingernägel abgebrochen gewesen seien.
254Von ihrem Standort am Kassenhäuschen habe sie zuvor das Geschehen beobachten können, aber wegen der Entfernung nicht alles hören können. Ein „Mann mit einer Aktentasche“ habe zuvor einer Frau in einem Pkw gesagt, sie solle ihr Papier aufheben. Der Mann habe vor dem Pkw in der Parkbucht gestanden; der Pkw habe „ganz hinten“ in der Parkbucht gestanden. Sie (die Zeugin D1) habe dann gesehen, dass die Fahrerin einfach losgefahren sei und den Mann am Knie getroffen habe. Der Mann sei nicht umgefallen, sondern zur Seite auf den Gehweg gesprungen. Sie (die Zeugin D1) habe den Eindruck gehabt, dass die Fahrerin um den Mann habe herumfahren wollen. Dafür habe sie aber eigentlich nicht den richtigen Radius gehabt. Ihre Geschwindigkeit sei jedenfalls „normal zum Ausparken“ gewesen.
255Der Mann habe auch zu irgendeinem Zeitpunkt des Geschehens zuvor – sie könne die nähere Reihenfolge aus der Erinnerung heraus nicht mehr angeben – eine Zeitung auf die Windschutzscheibe gelegt. Die Zeitung sei dann aber wieder – wohl durch die in Gang gesetzten Scheibenwischer weggewischt – heruntergefallen. Der Mann habe jedenfalls noch Photos gemacht. Als sie (die Zeugin D1) dann herüber gerufen habe, es sei jetzt „wohl Zeit, die Polizei zu rufen“, habe die Fahrerin erneut Gas gegeben, der Motor habe „richtig aufgeheult“.
256Die Frau sei, nachdem der Mann jetzt nicht mehr in ihrer Fahrtrichtung gestanden habe, „noch forscher losgefahren“. Zu dem Kennzeichen des Fahrzeugs oder zu der Fahrerin könne sie keine weiteren Angaben machen. Dafür habe sie zu weit entfernt gestanden und habe das Fahrzeug nur von der Seite sehen können.
257Sie selbst habe die Polizei nicht gerufen, aber ihre Kontaktdaten an den „Mann mit der Aktentasche“ weitergegeben. Sie sei dann gegangen, bevor die Polizei vor Ort eingetroffen sei.
258Die Kammer glaubt dieser Zeugin. Auch sie war erkennbar um eine sachliche, differenzierte und wahrheitsgemäße Darstellung bemüht. So hat sie bestehende Erinnerungslücken von sich aus unumwunden eingeräumt und beispielsweise auf Nachfrage angegeben, nicht sagen zu können, ob die Parkplatzwächterin tatsächlich Verletzungen an der Hand bzw. ihren Fingernägeln gehabt habe. Anhaltspunkte für eine überschießende Belastungstendenz zum Nachteil der der Zeugin persönlich unbekannten Beschuldigten haben sich wiederum nicht einmal ansatzweise ergeben.
259Darüber hinaus stehen ihre Angaben im Einklang mit der Einlassung der Beschuldigten und den Bekundungen des Zeugen C2 und werden zudem auch gestützt durch das in richterlichen Augenschein genommene Lichtbild Blatt 21 der Fallakte 16, welches die Zeugin als Notiz ihrer Kontaktdaten wiedererkannt hat, die sie dem von ihr so bezeichneten „Mann mit der Aktentasche“ vor Verlassen der Örtlichkeit übergeben habe.
260Die Angaben der Zeugen C2 und D1 stehen überdies auch im Einklang mit den Bekundungen der Zeugin PK’in N3. Diese hat ausgeführt, zum Parkplatz am Justizzentrum C7 gerufen worden zu sein. Dort habe – wie ihr vor Ort von dem angetroffenen Zeugen C2 und der Parkplatzwächterin T2 mitgeteilt worden sei – eine Frau auf dem Seitenstreifen geparkt gehabt und zerrissene Papiere auf die Straße geworfen. Es sei dann – wie ihr von diesen zwei Personen weiter berichtet worden sei – zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen und der Parkplatzwächterin einerseits und der Fahrerin andererseits gekommen, in deren Zusammenhang die Fahrerin die Parkplatzwächterin auch wiederholt beleidigt habe. Die Fahrerin sei dann losgefahren und habe den Mann mit ihrem Fahrzeug noch am Bein berührt. Der Mann habe zuvor Photos der Fahrerin gemacht und habe berichtet, dass er sich dem Fahrzeug in den Weg gestellt gehabt habe und die Fahrerin gleichwohl absichtlich auf ihn zu gefahren sei. Er habe aber keine ärztliche Behandlung seines Knies gewollt. Anhand seiner Photos habe sie (die Zeugin PK’in N3) dann die Beschuldigte als Halterin des Pkw identifiziert. Das Fahrzeug und die Beschuldigte selbst seien bei Eintreffen der Polizei nicht mehr vor Ort gewesen. Die Papierschnipsel, die Ursprung der Auseinandersetzung gewesen seien, habe sie (die Zeugin PK’in N3) später noch am Tatort gefunden, sichergestellt und wieder zusammengesetzt. Der Zeuge C2 und die Parkplatzwächterin seien „sehr aufgeregt“ gewesen.
261Die Kammer glaubt der Zeugin PK’in N3. Ihre Angaben stimmen überein mit den in Augenschein genommenen Lichtbildern, die die Beschuldigte als Fahrerin und das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs zeigen, sowie mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen, nach dem äußeren Anschein zerrissenen und nachfolgend wieder zusammengesetzten Schreiben der Stadt Bochum vom 24.10.2019, welches an die Beschuldigte adressiert ist.
262Die Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der Lage des Seitenstreifens und des Gehwegs, auf welchen sich das Tatgeschehen ereignete, folgen aus den Aussagen des Zeugen C2, der Zeugin D1 und der Zeugin PK’in N3. Diese haben die Örtlichkeiten wie festgestellt beschrieben. Ergänzend beruhen die diesbezüglichen Feststellungen auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern, auf welchen Teile der K-Straße sowie des – im Übrigen gerichtsbekannten – dortigen Seitenstreifens und Gehwegs zu sehen sind; die Darstellungen entsprechen den Aussagen der vorgenannten Zeugen.
263Die Feststellung, dass die Beschuldigte jeweils mit (natürlichem) Vorsatz hinsichtlich der versuchten Körperverletzung und der Beleidigung zum Nachteil T2 sowie hinsichtlich der versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen C2 und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen. Die Beschuldigte hatte insbesondere aufgrund eigener Wahrnehmung Kenntnis davon, dass der Zeuge C2 unmittelbar vor ihrem Fahrzeug stand und sie an einem vorzeitigen Wegfahren gerade hindern wollte. Die vorübergehend ihr Sichtfeld einschränkende Zeitung befand sich zum Zeitpunkt ihres Losfahrens nicht mehr auf der Windschutzscheibe.
264Dass die Beschuldigte allein deshalb von einem weiteren Zufahren auf den Zeugen C2 absah, weil sie dies nicht mehr für möglich hielt, folgt ebenfalls aus einem Rückschluss aus dem objektiven Tatgeschehen sowie aus der Aussage des Zeugen C2. Mit dem Zufahren auf den Zeugen C2 wollte die Beschuldigte nicht in erster Linie den Zeugen verletzen oder ihm Schmerzen zufügen, sondern ihn dazu veranlassen, sie an dem Wegfahren zu hindern. Nachdem der Zeuge C2 – dies ergibt sich aus seiner glaubhaften Aussage – auf den Gehweg gesprungen war, hatte die Beschuldigte zwar auch keinen Anlass mehr, auf den Zeugen zuzufahren und ihn so möglicherweise zu verletzen. Jedoch hat der Zeuge C2 auch bekundet, dass er auf dem Gehweg einige Schritte zurückgewichen war. Er befand sich damit nicht mehr unmittelbar vor dem Fahrzeug der Beschuldigten, sondern auf dem – zumal mittels einer Bordsteinkante von dem Seitenstreifen separierten – Gehweg. Für die Beschuldigte war er damit zur sicheren Überzeugung der Kammer „außer Reichweite“. Sie konnte aus ihrer Sicht nicht mehr ohne umständliche Fahrmanöver auf den Zeugen C2 zufahren, da sie hierzu zumindest zunächst einige Meter hätte rückwärts und sodann einen Bogen fahren müssen, um den Zeugen mit ihrem Fahrzeug erfassen zu können. Dies wäre ihr allerdings schon objektiv nicht möglich gewesen, da ihr Fahrzeug sich mit dem Heck bereits kurz vor dem Ende der von einem Bepflanzungsstreifen eingerahmten Parkbucht befand.
265Auf eine zeugenschaftliche Vernehmung der Parkplatzwächterin T2, die zunächst für den 3. Hauptverhandlungstag vorgesehen war, jedoch an diesem Tage wegen versehentlich nicht ordnungsgemäßer, insbesondere nicht rechtzeitiger Ladung ihrer Person nicht hatte durchgeführt werden können, haben sämtliche Verfahrensbeteiligte im weiteren Verlauf der Beweisaufnahme (am 5. Hauptverhandlungstag (25.11.2020)) schließlich übereinstimmend verzichtet, nachdem die für diesen Tag ordnungsgemäß geladene Zeugin T2 nunmehr krankheitsbedingt nicht hatte erscheinen können und die Kammer einen solchen Verzicht mit dem Bemerken angeregt hatte, dass sie eine Vernehmung der Zeugin T2 zu diesem Zeitpunkt der Beweisaufnahme nicht mehr zur Überprüfung der geständigen Einlassung der Beschuldigten von Amts wegen gemäß § 244 Abs. 2 StPO für geboten erachtete.
2666.
267Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III.2. beruhen zunächst auf der (geständigen) Einlassung der Beschuldigten, die angegeben hat, dass die Tat im Wesentlichen so stattgefunden habe, wie sie ihr in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird. Sie habe sich „von oben herab“ behandelt gefühlt. Rechtsanwältin L1 habe zum damaligen Zeitpunkt noch ein Mandat von ihr bearbeitet und habe ihr Post geschickt, weshalb sie (die Beschuldigte) am Tattag in die Kanzlei gekommen sei. Sie habe einen Termin bei der Rechtsanwältin L1 gehabt.
268Die Kammer folgt dieser Einlassung im Umfang der getroffenen Feststellungen. Im Übrigen glaubt die Kammer die Einlassung der Beschuldigten jedoch nicht, denn insoweit steht die Einlassung in unauflösbarem Widerspruch zu den glaubhaften Angaben der Zeugin Rechtsanwältin T dahingehend, dass ein seinerzeit laufendes Mandat nicht mehr bestanden habe. Auch vermochte die Beschuldigte auf Nachfrage seitens der Kammer keine näheren Angaben zu dem behaupteten Termin in der Kanzlei bzw. der ihr vermeintlich im Vorfeld von Rechtsanwältin L1 übersandten Post zu machen.
269Die Zeugin T hat bekundet, dass ihr die Beschuldigte aus einem vorangegangenen, aber bereits zahlreiche Wochen vor dem Tatzeitpunkt abgeschlossenen Mandat ihrer Kanzleipartnerin Rechtsanwältin L1 bekannt gewesen sei. Nach diesem Mandat – einer Unterbringungssache nach PsychKG – sei die Beschuldigte dann „immer wieder mal unangekündigt“ in der Kanzlei aufgetaucht und habe eine sofortige und überdies kostenlose juristische Beratung wegen unterschiedlichster Sachen eingefordert. Ihre jeweiligen „Auftritte“ in der Kanzlei seien immer „dominant“ gewesen. So sei sie einmal, an einem ihr nicht mehr näher erinnerlichen Tag im Vorfeld des in Rede stehenden Tattages in die Kanzlei gekommen und habe Rechtsanwältin L1 sprechen wollen. Als man ihr gesagt habe, dass diese gerade in einem Gespräch sei, habe die Beschuldigte sich nicht abwimmeln lassen, sei „einfach durch die Kanzleiräumlichkeiten spaziert“ und habe – auf der Suche nach Rechtsanwältin L1 – nach Belieben sämtliche Türen geöffnet und Büroräume betreten. Sie habe gemeint, es sei ja schließlich ein „Notfall“. So sei sie dann auch in ein Mandantengespräch von Rechtsanwältin L1 geplatzt und anschließend der Kanzlei verwiesen worden. Bei anderer Gelegenheit sei sie dieser Art auf der Suche nach Rechtsanwältin L1 auch in ihr (der Zeugin T) Büro geplatzt. Sie (die Zeugin T) habe daraufhin der Beschuldigen zu erklären versucht, dass sie durch ihr Verhalten den Betriebsfrieden der Kanzlei störe und sie sodann „rausgeschmissen“. Nur ein einziges Mal – ebenfalls im Vorfeld des Tattages – habe sie (die Zeugin T) der neuerlichen Forderung der Beschuldigten nach einer kostenlosen Beratung nachgegeben, um der Beschuldigten – die sie (die Zeugin T) aufgrund der bis dahin gemachten Erfahrungen aus ihrer laienhaften Sicht schon seinerzeit für manifest psychiatrisch erkrankt gehalten habe – „ein wenig Druck zu nehmen“ und „endlich Ruhe“ vor der Beschuldigten zu haben. Einen neuerlichen Beratungstermin hätten ihre Mitarbeiter der Beschuldigten in der Folgezeit auf ausdrückliche Anweisung der beiden Rechtsanwältinnen dann nicht mehr gegeben. Bis zum Tattag habe die Beschuldigte auch immer die Kanzlei verlassen, wenn man sie „rausgeworfen“ habe.
270Am 20.11.2019 sei dies jedoch anders gewesen. Die Beschuldigte sei in die Kanzlei gekommen, als sie (die Zeugin T) gerade mit einem Auszubildenden und einer weiteren Mitarbeiterin im Gespräch gewesen sei. Rechtsanwältin L1 sei an diesem Tag nicht in der Kanzlei gewesen. Ihre Mitarbeiterin habe sich dann um die Beschuldigte gekümmert, die eine „Klärung“ wegen eines ihr angeblich zugegangenen Schreibens der Staatsanwaltschaft haben wollte. Sie (die Zeugin T) sei der Mitarbeiterin dann in der Diskussion, die sich einmal mehr entsponnen habe, zur Hilfe gekommen. Sie habe eine Beratung abgelehnt, aber die Beschuldigte sei nur „noch energischer“ geworden und habe lautstark behauptet, man müsse sie beraten. Auf ihr (der Zeugin T) rigoroses „Schluss!“ habe die Beschuldigte nur entgegnet, dass sie (die Zeugin T) „gar nichts zu sagen“ habe und ihre „Mitarbeiter ja vom Staat angestellt“ seien. Das Gespräch habe bereits sechs oder sieben Minuten gedauert, als die Beschuldigte dann auch geäußert habe, dass sie (die Zeugin T) eine „Rassistin“ sei. Sie (die Zeugin T) habe ihr daraufhin gesagt, dass sie sie „auch nerven“ würde, wenn sie „blond und blauäugig“ wäre. Sie habe es immerhin geschafft, die Beschuldigte dabei allmählich in Richtung Kanzlei-Eingangstür zu begleiten. Die Tür sei schwer zu öffnen, aber sie (die Zeugin T) habe die Tür mit der rechten Hand offengehalten. An der Tür habe die Beschuldigte dann wieder angefangen, dass sie (die Zeugin T) eine „Rassistin“ sei, und habe sie „Hurensohn“, dann „Hurentochter“ sowie „Fotze“ genannt und habe auch geäußert, dass ihre (der Zeugin T) Mutter eine „Fotze“ sei. Sie habe der Beschuldigten dann sehr bestimmt gesagt, sie solle jetzt gehen, da es „jetzt reicht“. Die Beschuldigte habe jedoch gleichwohl die Kanzlei nicht verlassen wollen. Daraufhin habe sie (die Zeugin) den Auszubildenden gebeten, die Polizei zu verständigen, woraufhin die Beschuldigte ihre Beleidigungen wiederholt habe. Ihr sei daraufhin klar geworden, dass die Beschuldigte dieses Mal nicht freiwillig gehen würde. Die Beschuldigte habe in diesem Moment links von ihr gestanden. Mit der rechten Hand habe sie (die Zeugin T) die Tür offen gehalten und mit der linken Hand sanft gegen den Rücken der Beschuldigten in Richtung Tür gedrückt. Die Beschuldigte habe dagegen gehalten, woraufhin sie den Druck erhöht habe. Plötzlich habe sich die Beschuldigte zu ihr umgedreht und ihr mit Wucht mit der Faust gegen das Kinn geschlagen. Sodann habe sie ihr mit dem Fuß heftig gegen das Schienbein getreten. Die Beschuldigte habe – so glaube die Zeugin – dabei „normale“ Turnschuhe getragen. Sie habe sodann wild um sich geschlagen und sie (die Zeugin T) dabei wohl auch mit ihren künstlichen Fingernägeln am Arm gekratzt. Jedenfalls habe sie leichte Kratzer gehabt und sie hätten später am Boden der Kanzlei einen offenbar abgefallenen künstlichen Fingernagel der Beschuldigten aufgefunden.
271Die Zeugin T habe es trotz der durch die Schläge und Tritte erlittenen Verletzungen und massiven Schmerzen jedenfalls gerade noch geschafft, die Tür mit dem rechten Fuß weiter offen zu halten und mit der rechten Hand gegen den Brustkorb der Beschuldigten zu drücken. Auf diese Weise habe sie die Beschuldigte dann letztlich „vor die Kanzleitür buxiert“ und die Tür geschlossen.
272Draußen habe die Beschuldigte noch lautstark gedroht, mit ihrer Familie wiederzukommen. Sie habe jedoch die ins Schloss gefallene Tür vom Treppenhaus aus nicht mehr erneut öffnen können und sei schließlich gegangen.
273Sie (die Zeugin T) habe durch den Tritt ein recht großes Hämatom von 7 mal 4 Zentimetern Größe erlitten, was „wirklich sehr wehgetan“ habe. Die Beschuldigte müsse da „irgendwie die Knochenhaut getroffen“ haben, denn sie habe rund „vier Wochen lang erhebliche Schmerzen“ gehabt. Die Größe wisse sie deshalb so genau, weil sie – als erfahrene Juristin – tatsächlich mit dem Lineal nachgemessen und die Abmessungen dokumentiert habe.
274Der heftige Schlag gegen das Kinn sei etwas rechts der Kinnspitze aufgekommen und habe ihr nicht nur sehr große Schmerzen bereitet, sondern auch „große Angst“ gemacht. Genau an dieser Stelle habe sie nämlich bei einem früheren Unfallgeschehen mal einen Kieferbruch erlitten, der seinerzeit zwar operativ mit einer Platte wieder geschlossen worden, aber in der Folgezeit sehr schlecht verheilt sei. Glücklicherweise sei es jedoch nicht zu einem neuerlichen Bruch gekommen.
275Am Tag nach dem Vorfall habe sie einen Arzt aufgesucht, sich untersuchen und sich ein ärztliches Attest ausstellen lassen. Es habe keine Arbeitsunfähigkeit bestanden. Die Verletzungen seien mittlerweile vollständig und folgenlos wieder verheilt.
276Sie habe der Beschuldigten im unmittelbaren Nachgang zum Tatgeschehen schriftlich ein Hausverbot für die Kanzleiräumlichkeiten erteilt, welches der Auszubildende der Beschuldigten persönlich in den Briefkasten eingeworfen habe.
277Die überaus differenzierten und sachlichen Bekundungen der Zeugin Rechtsanwältin T sind insgesamt glaubhaft; die Zeugin selbst ist nach dem persönlichen Eindruck der Kammer in hohem Maße glaubwürdig. Die Zeugin hat zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbar und detailliert geschildert, wie sich die verschiedenen Zusammentreffen mit der Beschuldigten im Herbst 2019 entwickelten und dabei – emotional verknüpft – auch zu berichten vermocht, warum es zwischenzeitlich zu einer einmaligen kostenlosen juristischen Beratung durch sie gekommen war. So hat sie ausgeführt, dass sie im Hinblick darauf, wie sich die Beschuldigte in der Kanzlei bereits mehrfach „aufgeführt“ hatte, durch die kostenlose Beratung „endlich Ruhe vor ihr“ bekommen wollte. Weitere nachfolgende Besuche der Beschuldigten habe man dadurch gerade – aus heutiger Sicht wenig erfolgreich – verhindern wollen.
278Soweit sich die Beschuldigte – im Widerspruch dazu – dahin eingelassen hat, am 20.11.2019 einen Termin mit Rechtsanwältin L1 gehabt zu haben, so ist dies – wie oben bereits ausgeführt – durch die glaubhaften Ausführungen der Zeugin T zur sicheren Überzeugung der Kammer widerlegt. Diese hat von sich aus im Rahmen ihrer Vernehmung davon berichtet, dass Rechtsanwältin L1 am Tattag überhaupt nicht in der Kanzlei gewesen sei und sogar konkret zu benennen vermocht, welche Mitarbeiter – neben ihrer eigenen Person – zu diesem Zeitpunkt in der Kanzlei zugegen waren, als die Beschuldigte die Räumlichkeiten betrat. Die Vergabe eines von der Beschuldigten für den Tattag pauschal behaupteten Beratungstermins erscheint – abgesehen von der Ortsabwesenheit der Rechtsanwältin L1 – erst Recht vor dem Hintergrund der weiteren, von sich aus gemachten Bekundung der Zeugin T hinsichtlich einer bereits zuvor in der Kanzlei einvernehmlich mit ihrer Kollegin erfolgten Anweisung gegenüber ihren Mitarbeitern dahingehend, der Beschuldigten angesichts ihres zuvor gezeigten Verhaltens gerade keinen neuerlichen Beratungstermin mehr zu gewähren, als bloße Schutzbehauptung der Beschuldigten.
279Die Zeugin T war im Verlauf ihrer Vernehmung erkennbar um eine sachliche, differenzierte und wahrheitsgemäße Darstellung bemüht; Anhaltspunkte für eine überschießende Belastungstendenz zum Nachteil der Beschuldigten haben sich nicht einmal ansatzweise ergeben, zumal die Zeugin die im Nachgang zu ihrer Vernehmung erfolgte Entschuldigung seitens der Beschuldigten ausdrücklich angenommen und der Beschuldigten im Hinblick auf deren psychiatrische Erkrankung aufrichtig ihre besten Genesungswünsche entgegengebracht hat.
280Auch soweit die Zeugin T nähere Angaben zu ihren erlittenen Verletzungen gemacht hat, waren diese insgesamt glaubhaft. So hat sie nachvollziehbar und äußerst lebensnah ausgeführt, warum insbesondere der Schlag gegen das Kinn besonders schmerzhaft gewesen sei. Soweit sie detaillierte Angaben zu der Größe des Hämatoms an ihrem Unterschenkel gemacht hat, ist es mit Blik auf den juristischen Sachverstand der Zeugin und deren Berufserfahrung als Rechtsanwältin nicht nur nachvollziehbar, sondern äußerst naheliegend, das entstandene Hämatom genauestens zu begutachten und das Ausmaß der Verletzung zu dokumentieren.
281Die Bekundungen der Zeugin T werden weiter auch gestützt und ergänzt durch den in der Hauptverhandlung verlesenen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie I vom 21.11.2019, welcher die Verletzungen der Zeugin T wiedergibt, sowie durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder, welche einen Kratzer am Unterarm, ein großflächiges Hämatom am Unterschenkel sowie eine Prellmarke am Kinn zeigen und welche die Zeugin T als Lichtbilder ihrer Verletzungen bestätigt hat.
282Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der Körperverletzung und der Beleidigung zum Nachteil der Zeugin T gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
283Die Feststellungen zu dem rechtzeitig gestellten Strafantrag folgen schließlich ebenfalls aus den Angaben der Zeugin T, die diese auf diesbezüglichen Vorhalt gemacht hat.
2847.
285Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III.3. beruhen ebenfalls zunächst auf der (geständigen) Einlassung der Beschuldigten, die sich dahin eingelassen hat, dass sie einen Termin zur Behandlung im Krankenhaus verpasst gehabt habe und die Kollegin der Zeugin C3 ihr deshalb einen neuen Termin habe geben wollen. Die Zeugin C3 sei aber dagegen gewesen, worüber sie (die Beschuldigte) sehr wütend gewesen sei. Die Zeugin C3 habe ihr gesagt, sie solle sich ein anderes Krankenhaus suchen. Die Tat selbst habe sich dann so zugetragen wie sie ihr in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird.
286Diese Einlassung ist auch glaubhaft. Sie steht im Einklang mit den Angaben der Zeugin C3, die die Feststellungen im Übrigen stützen und ergänzen. Die Zeugin C3 hat bekundet, dass sie am Freitag, den 29.11.2019 gegen 13:45 Uhr, auf der Nuklearstation des Krankenhauses gearbeitet habe. Die Beschuldigte sei als Patientin zu ihnen gekommen und habe einen neuen Termin gewollt. Allerdings habe die Beschuldigte zuvor bereits zwei Termine unentschuldigt verstreichen lassen, weswegen sie (die Zeugin C3) ihr keinen neuen Termin habe geben wollen. Es gebe schließlich auch andere Patienten, die die Termine dringend bräuchten und sie seien angewiesen, im Rahmen der Terminplanung für eine zuverlässige Auslastung der hochpreisigen Untersuchungsgeräte zu sorgen und absehbaren „Leerlauf“ nach Möglichkeit zu verhindern. Die Beschuldigte sei dann direkt „sehr aufbrausend“ gewesen und habe „geschimpft“, dass es eine „Frechheit“ sei und was sie (die Zeugin C3) denn „überhaupt zu sagen“ hätte usw. Sie (die Zeugen C3) habe sich dann bei einem Oberarzt, der in der Nähe gewesen sei, rückversichert, der habe sie jedoch in ihrer Weigerungshaltung bestärkt. Die Beschuldigte sei dann auch „ausfallend“ geworden; sie habe „so Sachen gesagt wie fette Hure“. Der Oberarzt habe die Beschuldigte dann des Hauses verwiesen. Die Beschuldigte habe gemeint, sie könne nirgendwo anders hin. Sie hätten ihr wiederholt angekündigt, dass sie die Polizei rufen würden, wenn sie nicht gehe, aber sie sei „einfach geblieben“. Sie (die Zeugin C3) habe dann von einem Nebenraum aus den Sicherheitsdienst rufen wollen. Tatsächlich verfüge das Krankenhaus gar nicht über einen solchen Sicherheitsdienst. Das habe sie dann aber erst im Rahmen eines Telefonats mit der Verwaltung des Krankenhauses erfahren. Als sie aus dem Raum heraus zurück auf den Flur getreten sei, habe die Beschuldigte ihr „sofort eine Ohrfeige“ mit der flachen Hand gegeben. Die Beschuldigte habe sie dann „richtig verprügelt“, habe sie mehrfach ins Gesicht und gegen den Oberkörper geschlagen sowie mehrfach gegen das Schienbein und den Knöchel getreten. Sie (die Zeugin C3) habe sich natürlich gewehrt, dabei sei dann auch die Tasche der Beschuldigten heruntergefallen. Jemand habe die Beschuldigte dann von ihr weggezogen und sie (die Beschuldigte) sei dann endlich gegangen. Durch die Schläge seien der Beschuldigten auch die künstlichen Fingernägel abgefallen.
287Auf Nachfrage des Gerichts hat die Zeugin C3 keine näheren Angaben dazu machen welches Schuhwerk die Beschuldigte getragen habe. Es habe sich nach ihrer Erinnerung um „normale Stiefeletten“ gehandelt. Durch die Schläge sei ihre Gesichtshälfte gerötet gewesen und habe geschmerzt. Von den Schuhen der Beschuldigten habe sie zwei „Ratscher“ am Schienbein erlitten sowie ein im Durchmesser etwa 3 Zentimeter großes schmerzhaftes Hämatom am Sprunggelenk und eine Schwellung am Schienbein. Sie habe die Wunden sofort im Anschluss in der Ambulanz im Haus versorgen lassen. Das Schienbein habe noch ein paar Wochen lang wehgetan. Heute spüre sie nichts mehr von den Verletzungen. Aber für sie sei eigentlich viel schlimmer, dass die Beschuldigte ihr das „Urvertrauen genommen“ habe. Es beschäftige sie bis heute, wenngleich immer seltener. Im Sommer 2020 habe sie noch mit dem Betriebsarzt darüber gesprochen, weil es sie nicht losgelassen habe, im Rahmen ihres Dienstes „aus dem Nichts“ körperlich attackiert worden zu sein. Arbeitsunfähig sei sie aber die ganze Zeit über nicht gewesen.
288Die „ganze Sache mit der Beschuldigten“ habe – inklusive der vorangegangenen Diskussion um eine Terminsvergabe und die Aufforderung, das Haus zu verlassen – etwa eine halbe Stunde gedauert.
289Die Kammer glaubt der Zeugin C3. Diese war auch noch während ihrer Vernehmung sichtlich berührt von den Ereignissen. So brach sie bei der Schilderung des Tathergangs unvermittelt in Tränen aus und musste auch im Rahmen der Erörterung der Folgen des Tatgeschehens sichtbar um Fassung ringen.
290Sie vermochte darüber hinaus für die Kammer nachvollziehbar zu beschreiben wie die Diskussion mit der Beschuldigten eskalierte. Dabei zeigte sie keine überschießende Belastungstendenz, sondern war vielmehr erkennbar um wahrheitsgemäße Aufklärung bemüht. So erklärte sie auf wiederholte Nachfrage, nicht mit der Faust von der Beschuldigten ins Gesicht geschlagen worden zu sein, sondern – gleich einer Ohrfeige – mit deren flacher Hand. Auf die Frage des Sachverständigen, was die Beschuldigte für einen Eindruck auf sie gemacht habe, erklärte die Zeugin, dass sie sich gefragt habe, was ihr (der Beschuldigten) „wohl passiert“ sei, „dass sie so reagiert“. Dies bewertet die Kammer vielmehr als maß- und verständnisvolle Haltung der im Gesundheitswesen tätigen Zeugin C3 gegenüber der Beschuldigten. In Übereinstimmung zu diesem persönlichen Eindruck der Kammer hat die Zeugin C3 die Entschuldigung der Beschuldigten auch ausdrücklich angenommen und ihr für ihre bevorstehende Behandlung „alles Gute“ gewünscht.
291Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der Körperverletzung und der Beleidigung zum Nachteil der Zeugin C3 gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
292Die Feststellungen zu dem rechtzeitig gestellten Strafantrag folgen schließlich ebenfalls aus den Angaben der Zeugin C3, die diese auf diesbezüglichen Vorhalt gemacht hat.
2938.
294Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III.4. beruhen zunächst wiederum auf der (geständigen) Einlassung der Beschuldigten. Diese hat angegeben, dass die Tat so geschehen sei, wie sie ihr in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird. Sie habe unmittelbar zuvor einen behördlichen Brief erhalten und in der Kanzlei fragen wollen, ob man sich dort „darum kümmern“ könne.
295Die Kammer glaubt diese Einlassung. Sie wird gestützt und ergänzt durch die Angaben der Zeugin C4. Diese hat bekundet, dass sie am Freitag, den 10.01.2020, am Empfang der Rechtsanwaltskanzlei L in I gearbeitet und es an der Tür geklingelt habe. Sie habe über den „elektrischen Türspion“ nicht erkennen können, wer vor der Tür gestanden habe und sei deshalb zur Eingangstür gegangen, um – wie üblich – den Besucher einzulassen. Dabei sei ihr die Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt durchaus bekannt gewesen. Die Beschuldigte sei nämlich in früheren Jahren Mandantin der Kanzlei gewesen und sei bereits wiederholt durch „lautes und unsachgemäßes“ aggressives Verhalten aufgefallen. Die Situation mit ihr sei dann nach ihrer Erinnerung im Herbst Oktober 2019, vielleicht aber auch schon Ende 2017 derart eskaliert, dass man die Polizei habe rufen müssen. Seither sei der Beschuldigte auch ein Hausverbot für die Kanzleiräumlichkeiten erteilt worden. Nach dem Polizeieinsatz sei jedenfalls ein „elektrischer Türspion“ installiert worden, der ein digitales Kamerabild von der Situation vor der Eingangstür an ihren Arbeitsplatz übermittele, um ein erneutes Eintreten der Beschuldigten zu verhindern. Tatsächlich sei die Beschuldigte in der Folgezeit nicht mehr in der Kanzlei erschienen und sei dann erstmals seit mehreren Monaten, vielleicht sogar Jahren, an diesem Freitag im Januar 2020 wieder vor Ort erschienen.
296Weil sie (die Zeugin C4) die Beschuldigte an diesem Tag aber über den Spion nicht erkannt habe, sei sie zur Tür gegangen, um zu öffnen. Sie habe die Tür erst lediglich wenige Zentimeter geöffnet gehabt, als sie die Beschuldigte schließlich erkannt habe. Die Beschuldigte habe sofort angefangen zu schreien und ein mit Flüssigkeit gefülltes, geöffnetes Gurkenglas, dass sie in der Hand hielt, derart in ihre (der Zeugin C4) Richtung bewegt, dass die Flüssigkeit in ihre (der Zeugin C4) Richtung austrat und sie durch den Türspalt komplett überschüttete.
297Sie (die Zeugin C4) habe sofort versucht, die Tür wieder zu schließen; der Beschuldigten sei es aber gelungen, die Hand, in der sie das Glas gehalten habe, durch den Türspalt zu stecken. Während sie (die Zeugin C4) mit aller Kraft von innen gegen die Eingangstür gedrückt habe, habe die Beschuldigte dann mit dem Glas mehrfach – bestimmt drei- oder viermal, vielleicht auch öfter – von oben auf ihren Kopf geschlagen. Dabei habe die Beschuldigte sicherlich nicht mit voller Wucht, aber durchaus schwungvoll geschlagen. Das Glas sei nicht zu Bruch gegangen und die Schläge seien auch nur „geringfügig schmerzhaft“ gewesen. Die Beschuldigte habe aber ganz sicher wahrgenommen, dass sie sie immer wieder auf den Kopf geschlagen und dort auch getroffen habe.
298Dann habe die Beschuldigte das Glas in die Kanzleiräume hinein geworfen und den Arm aus dem Türspalt herausgezogen. So habe sie (die Zeugin C4) dann schließlich die Tür gänzlich schließen können. Erst jetzt habe sie an dem Geruch der Flüssigkeit, die ihr über und über angehaftet habe, erkannt, dass es sich dabei um Urin gehandelt habe. Das Glas sei auch durch den Aufprall auf dem Boden nicht zerbrochen. Nachdem die Tür geschlossen gewesen sei, sei die Beschuldigte dann einfach gegangen.
299Zu den Folgen des Tatgeschehens befragt, hat die Zeugin C4 ausgeführt, sie habe unmittelbar nach dem Vorfall noch gedacht, dass alles in Ordnung sei. Sie habe sich vor allem wegen des Urins geekelt und lediglich kurzzeitig leichten Kopfschmerz verspürt. Zum Glück sei das Ganze an einem Freitag passiert, sodass sie ein wenig Abstand über das Wochenende habe bekommen können. Einige Tage später habe sie aber dann doch gemerkt, dass sie das Ganze stärker berührt habe; so habe sie die Beschuldigte in der Folgezeit noch ein oder zwei Mal zufällig in der Stadt gesehen und sei dann „jedes Mal richtig zusammengezuckt“. Bei einer anderen Gelegenheit habe sie eine fremde Frau auf einem Konzert mit dem Arm am Kopf berührt und auch in diesem Zusammenhang sei sie „aus Angst zusammengezuckt“.
300Die Aussage der Zeugin C4 ist auch glaubhaft. Sie steht in keinerlei Widerspruch zur Einlassung der Beschuldigten. Die Zeugin hat während ihrer Vernehmung einen ruhigen und sachlichen Eindruck; eine überschießende Belastungstendenz war nicht zu erkennen. So schilderte sie insbesondere die Verletzungsfolgen sehr zurückhaltend und auch erst auf weitere Nachfragen seitens der Kammer. Auch hat sie die seitens der Beschuldigten im Anschluss an ihrer Vernehmung erfolgte Entschuldigung akzeptiert.
301Die Angaben der Zeugin C4 werden ferner gestützt durch die Angaben des Zeugen Rechtsanwalt L. Dieser hat ausgeführt, dass er etwa im Jahre 2013 erstmalig ein Mandat der Beschuldigten übernommen habe, als diese sich Strafhaft befunden habe. In der Folgezeit habe er die Verfahrenspflegschaft in einem die Beschuldigte betreffenden Betreuungsverfahren übernommen und in den Folgejahren mehrfach in unterschiedlichen Verfahren ihre Verteidigung übernommen.
302Ende 2017 habe die Beschuldigte dann einen anderen Rechtsanwalt für ihre Angelegenheiten beauftragt und sie sei fortan nicht weiter seine Mandantin gewesen. Zu dieser Zeit habe es dann bereits einen ersten, ähnlichen Vorfall gegeben wie den vorliegend verfahrensgegenständlichen im Januar 2020, bei dem sie Flaschen gegen die Kanzleitür geworfen und diese dadurch beschädigt habe. Mitarbeiter seiner Kanzlei seien damals nicht verletzt worden. Gleichwohl habe er anlässlich dieser Geschehnisse einen „elektrischen Türspion“ einbauen und die – mehr als 30 Jahre lang während der Geschäftszeiten der Kanzlei stets geöffnet gehaltene – Eingangstür zur Kanzlei fortan geschlossen, sodass man seither – nach einem Kontrollblick auf das Bild der Kameraanlage – Mandanten bzw. Besucher immer nur noch persönlich die Tür öffne und diese hereinlasse. Der Beschuldigten selbst habe er seinerzeit ein Hausverbot erteilt. Seither habe es keine weitere Mandatierung durch die Beschuldigte mehr gegeben. Er (der Zeuge) habe es seit Ende 2017 auch nach Möglichkeit bewusst vermieden, auf die Beschuldigte zu treffen. Die Beschuldigte leider aus seiner laienhaften Sicht an einer manifesten psychiatrischen Erkrankung und ihr Verhalten sei aus seiner Sicht schwer zu prognostizieren. Soweit er ihr in der Folgezeit gelegentlich im Stadtbild von I begegnet sei, habe er möglichst einen anderen Weg gewählt, um eine direkte Konfrontation und eine für möglich gehaltene Auseinandersetzung zu vermeiden. Deshalb habe er auch seit Anfang 2018 seine Einkäufe in einem anderen Supermarkt getätigt, da er gewusst habe, dass sein bisheriger „Stammsupermarkt“ auch regelmäßig von der Beschuldigten aufgesucht worden sei.
303Aus für ihn unerklärlichen Gründen sei die Beschuldigte dann an mehreren Tagen im Januar 2020 – beginnend mit dem 10.01.2020 – gleichsam „wie aus dem Nichts“ wieder in der Kanzlei erschienen.
304Am Freitag, den 10.01.2020, habe er sich im oberen Stockwerk der Kanzlei befunden. Seine Mitarbeiterin C4 habe am Empfang der Kanzlei im darunter liegenden Stockwerk gearbeitet. Er sei also nicht dabei gewesen, als die Beschuldigte seine Mitarbeiterin angegriffen habe. Er habe anschließend jedoch gesehen, dass die Zeugin C4 „ganz nass und aufgelöst“ gewesen sei. Ihm sei erzählt worden, dass sie mit Urin überschüttet worden sei und ihr mehrfach ein Gurkenglas gegen den Kopf geschlagen worden sei. Er meine, dass es der Zeugin C4 dann gelungen sei, die Beschuldigte „irgendwie aus der Kanzlei zu kriegen“. Ihm sei es dann erst einmal darum gegangen, die Zeugin C4 zu beruhigen und zu klären, wie sie nach Hause kommt. Erst danach habe er die Polizei hinzugerufen. Als die Polizeibeamten eintrafen, sei seine Mitarbeiterin aber noch vor Ort gewesen.
305Auch die Angaben des Zeugen Rechtsanwalt L sind glaubhaft; der Zeuge ist darüber hinaus als Person auch äußerst glaubwürdig. Seine Aussage war von einer sachlich-nüchternen und differenzierten Schilderung des Sachverhalts geprägt. Anhaltspunkte für eine bestehende überschießende Belastungstendenz zum Nachteil der Beschuldigten ergaben sich nicht. Vielmehr hat der Zeuge überzeugend hervorgehoben, dass aus seiner laienhaften Sicht bei der Beschuldigten eine massive psychiatrische Grunderkrankung vorliege und er ihr das Verhalten in der Rückschau daher persönlich nicht besonders übel nehme. Auch hat er die seitens der Beschuldigten im Anschluss an seine Vernehmung erfolgte Entschuldigung ausdrücklich angenommen und der Beschuldigten für ihre Genesung „alles Gute“ gewünscht.
306Die Angaben des Zeugen L stehen im Einklang mit den Bekundungen der Zeugin C4. Beide Aussagen – des Zeugen L und der Zeugin C4 – werden gestützt durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder, die den Eingangsbereich der Kanzlei nach dem Vorfall zeigen. In weiterer Übereinstimmung zu diesen Lichtbildern hat der Zeuge POK T7 glaubhaft angegeben, am 10.01.2020 als Polizeibeamter der Wache I zur Anwaltskanzlei L gerufen worden zu sein. Er habe vor Ort Lichtbilder gefertigt. Er meine, dass das Gurkenglas noch auf dem Boden gelegen habe. Die Kanzleitür sei durch einen „digitalen Spion“ besonders gesichert gewesen.
307Die o.g. Zeugenaussagen der Zeugen C4 und L werden weiter gestützt durch die Angaben des Zeugen POK I5, auf dessen Angaben auch die weiteren Feststellungen zu der Örtlichkeit beruhen. Der Zeuge POK I5 hat bekundet, in seiner Funktion als Polizeibeamter am 10.01.2020 zur Kanzlei L gerufen worden zu sein. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm die Beschuldigte bereits dienstlich bekannt gewesen, sei aber bei seinem Eintreffen nicht mehr vor Ort gewesen. Die Mitarbeiterin der Kanzlei sei „vollkommen bestürzt“, „von Urin überschüttet nass“ und „dementsprechend bedient“ gewesen. Er erinnere, dass die Mitarbeiterin vor Ort berichtet habe, die Beschuldigte über den Türspion nicht erkannt gehabt zu haben, weshalb sie die Tür geöffnet habe. Die Beschuldigte habe dann unvermittelt mit einem Glas geworfen. Auf Vorhalt seitens des Gerichts, ob die Geschädigte davon berichtet habe, dass sie zuvor durch die Beschuldigte mit dem Glasinhalt übergossen worden sei, hat er dies bestätigt und weiter angegeben, es habe ja im Laufe der Zeit zahlreiche Fälle mit „Uringläsern“ der Beschuldigten gegeben, deswegen sei ihm das jetzt erst wieder ins Gedächtnis gekommen. Er erinnere auch noch, dass die Rechtsanwaltskanzlei wegen vorangegangener Vorkommnisse ein Mandat der Beschuldigten für die weitere Zukunft ablehne. Der Rechtsanwalt L habe ihm bei anderer Gelegenheit einmal davon berichtet, dass sie schon früher Probleme mit der Beschuldigten gehabt hätten. So habe diese auch schon einmal die Kanzleitür beschädigt, weshalb man diesen „elektrischen Türspion“ nachgerüstet habe.
308Die Kammer glaubt auch diesem Zeugen. Er hat nachvollziehbar darzulegen vermocht, warum er einzelne Details erst auf Vorhalt erinnerte und insoweit auch Erinnerungslücken offen und unumwunden zugegeben. Gerade vor diesem Hintergrund war eine überschießende Belastungstendenz nicht zu erkennen.
309Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin C4 gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
3109.
311Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 5. beruhen ebenfalls zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, welche das Tatgeschehen wie festgestellt eingeräumt hat.
312Die Einlassung ist auch glaubhaft. Sie wird abermals gestützt und ergänzt durch die Angaben der Zeugin C4. Diese hat hierzu angegeben, dass die Beschuldigte – nach dem Vorfall zu Ziffer III. 4. – am darauffolgenden Montag, den 13.01.2020, erneut an der Kanzleitür geklingelt habe. Dieses Mal habe sie die Beschuldigte aber über das Kamerabild des „elektrischen Türspions“ erkannt und die Tür daher nicht geöffnet, sondern umgehend telefonisch die Polizei verständigt. Die Beschuldigte habe dann – ob des Nichtöffnens der Tür – ein mitgebrachtes und mit Urin gefülltes Glas gegen die Kanzleitür geworfen. Infolge des Aufpralls gegen die Tür sei der Urin aus dem Glas ausgetreten und habe sich über die Tür bzw. auf dem Boden verteilt. Das Glas selbst sei weder durch den Aufprall gegen die Tür noch anschließend auf den Boden gebrochen. Weiterhin habe die Beschuldigte den Standfuß einer im Treppenhaus befindlichen Werbefahne der Kanzlei die Treppe herunter geworfen, die Werbefahne mitgenommen und dann das Treppenhaus des Bürogebäudes wieder verlassen. Die Werbefahne habe sie dann wohl draußen in einem nahegelegenen Müllcontainer entsorgt. Jedenfalls habe man die Fahne dort später wiedergefunden.
313Die Aussage der Zeugin C4 ist auch glaubhaft. Sie wir zum einen gestützt durch die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder, die u.a. den Vorraum der Kanzlei nach dem Vorfall – dort insbesondere auch das Glas und die Kanzleitür – zeigen.
314Zum anderen wird die Aussage gestützt und ergänzt durch die Angaben des Zeugen Rechtsanwalt L, auf dessen Aussage die Feststellungen ebenfalls beruhen. Dieser hat angegeben, die Beschuldigte sei am 13.01.2020 erneut an den Kanzleiräumen erschienen, aber von seiner Mitarbeiterin nicht eingelassen worden sei. Man habe dann – aufgrund des Geschehens am vorherigen Freitag – sofort telefonisch die Polizei verständigt. Die Beschuldigte habe dann begonnen, Urin im Treppenhaus vor der Eingangstür zur Kanzlei zu verschütten bzw. ein Gurkenglas gegen die Tür zu werfen. Vor dem Haus habe sie dann beide Reifen des dort abgeschlossen an einem Fahrradständer abgestellten Fahrrads seines Kanzleikollegen Rechtsanwalt S zerschnitten, wodurch ein Schaden von 130 € entstanden sei.
315Die Aussage des Zeugen L steht wiederum im Einklang mit den in Augenschein genommenen Lichtbildern, auf denen auch das beschädigte Fahrrad mit den zerstochenen Reifen vor dem Bürogebäude zu sehen ist. Im Übrigen werden die Angaben des Zeugen gestützt durch die jeweils übereinstimmenden Angaben der Zeugen POK’in C6 und PK T1.
316Die Zeugin POK’in C6 hat angegeben, die Beschuldigte aus diversen dienstlichen Anlässen zu kennen. So seien insgesamt 95 Vorgänge nach altem Bearbeitungssystem und weitere 15 Vorgänge nach neuem Bearbeitungssystem – mit welchem die Polizei seit etwa zwei Jahren arbeite – bekannt. Am Montag, den 13.01.2020, seien der Zeuge PK T1 und sie in ihrer Funktion als Polizeibeamte gemeinsam mit einer Praktikantin zur Anwaltskanzlei L in I gerufen worden. Aufgrund der Einsatzmeldung hätten sie – nicht zuletzt wegen ihrer bisherigen Erfahrungen mit der Beschuldigten – bereits geahnt, dass es sich wieder um einen Einsatz im Zusammenhang mit der Beschuldigten handele. Am Einsatzort eingetroffen, hätten sie die Beschuldigte vor dem Gebäude angetroffen. Im Rahmen einer Durchsuchung ihrer Person habe sie (die Zeugin POK’in C6) bei der Beschuldigten eine Schere gefunden. Sie (die Zeugin POK’in C6) sei dann mit der Beschuldigten vor der Tür geblieben; der Zeuge PK T1 sei zusammen mit der Praktikantin durch das Treppenhaus zur Kanzlei gegangen.
317Zur Verfassung der Beschuldigten und deren Reaktion auf die polizeilichen Maßnahmen vor Ort könne sie (die Zeugin POK’in C6) heute keine weitergehenden verlässlichen Angaben mehr machen, da sie ansonsten möglicherweise Gefahr laufe, verschiedene Einsätze unter Beteiligung der Beschuldigten durcheinander zu bringen. Sie habe die Beschuldigte wiederholt sehr stimmungsschwankend erlebt – mal sei sie „sehr aggressiv“, mal „sehr weinerlich“ gewesen. Es könne daher gut sein, dass sie (die Zeugin POK’in C6) im Rahmen des in Rede stehenden Einsatzes Kontakt zum sozialpsychiatrischen Dienst aufgenommen habe. Sie meine nach weiterem Überlegen auch, dass sie das noch vor Ort über ihr dienstliches Mobiltelefon gemacht habe. Schlussendlich hat sie angegeben, sich nun zu erinnern, dass die Beschuldigte anschließend in ein Krankenhaus verbracht worden sei.
318Die Zeugin war im Rahmen ihrer Vernehmung stets um korrekte Differenzierung zwischen den – wie sie detailliert und deshalb glaubhaft erörterte – zahlreichen Einsätzen mit der Beschuldigten bemüht. Dass sie vor dem Hintergrund dieser erheblichen Fallzahlen nicht mehr alle Details erinnerte, ist aus Sicht der Kammer nachvollziehbar und lebensnah.
319Soweit die Zeugin POK’in C6 konkrete Angaben hat machen können, stimmt ihre Aussage darüber hinaus auch mit den Angaben des Zeugen PK T1 überein. Dieser hat bekundet, auch er kenne die Beschuldigte aus vielen Einsätzen. Am 13.01.2020 habe sich die Beschuldigte noch vor dem Gebäude befunden, als er mit der Zeugin POK’in C6 am Einsatzort eingetroffen sei. Sie habe ihren Pkw dort geparkt gehabt. Die Zeugin POK’in C6 sei unten vor dem Haus mit der Beschuldigten verblieben und habe hinterher auch wegen der Beschuldigten Kontakt zum sozialpsychiatrischen Dienst aufgenommen. Die Beschuldigte habe in ihrer Handtasche eine Schere gehabt. Angaben zu etwaigen Äußerungen der Beschuldigten hat der Zeuge auf Befragen nicht machen können, sondern ausgeführt, er habe sich nur kurze Zeit vor dem Gebäude aufgehalten und sodann zwecks weiterer Aufnahme der Strafanzeige die Räumlichkeiten der Rechtsanwaltskanzlei aufgesucht. Im Treppenhaus habe er dann ein Gurkenglas mit einem kleinen Rest an Flüssigkeit darin gefunden. Er könne es zwar heute nicht sicher sagen, aber er meine, dass es sich bei der Flüssigkeit um Urin gehandelt habe. Jedenfalls habe sich auch ein Stück Klopapier in dem Glas befunden.
320Soweit der Zeuge Angaben zum Zustand der Tatörtlichkeit – insbesondere im Treppenhaus – gemacht hat, werden diese gestützt durch die o.g. in Augenschein genommenen Lichtbilder.
321Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der Sachbeschädigung zum Nachteil des Rechtsanwalts S gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
322Die Feststellungen zum Strafantrag beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Strafantrag vom 13.01.2020.
32310.
324Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 6. beruhen auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die die Tat wie festgestellt eingeräumt hat.
325Diese Einlassung ist auch glaubhaft. Zwar beschränkte sich die Beschuldigte insoweit allein darauf, den Vorwurf zu bestätigen, ohne weitere Details zu benennen. Jedoch war es ihr – nach dem Eindruck der Kammer – unangenehm, in der Hauptverhandlung über Kot zu sprechen, was jedenfalls die Spärlichkeit ihrer Einlassung zu diesem Tatvorwurf als nachvollziehbar erscheinen lässt.
326Die Einlassung wird aber auch erneut gestützt und ergänzt durch die Angaben des Zeugen Rechtsanwalt L. Dieser hat hierzu angegeben, am Dienstag, den 14.01.2020, durch eine Mitarbeiterin der – im selben Gebäude befindlichen – Zahnarztpraxis W darüber informiert worden zu sein, dass das gemeinsame Klingelbrett, die Kanzleischilder sowie ein seitlich am Gebäude angebrachtes Schild der Zahnarztpraxis großflächig mit Kot verschmiert worden seien. Ihm, seinen Mitarbeitern und auch den Mitarbeitern der Zahnarztpraxis sei es sodann vor allem um die Reinigung gegangen, insbesondere um die infolge der Verschmutzung aufgehobene Funktionsfähigkeit der Gegensprechanlage wiederherzustellen. Es habe sehr lange gedauert, bis die Anlage wieder sauber – und damit überhaupt nutzbar – gewesen sei. Man habe sich die Reinigungskosten mit dem Vermieter geteilt. Der Hausmeister habe die mehrere Stunden dauernden Reinigungsarbeiten vorgenommen, sodass die Kosten letztendlich „im Rahmen“ geblieben seien. Ihm sei nicht bekannt, dass zwischen der Zahnartpraxis und der Beschuldigten eine Bekanntschaft bestanden habe, sodass man den Vorfall auf die Kanzlei bezogen habe.
327Auch diese Angaben des Zeugen L sind glaubhaft. Sie stehen im Einklang mit den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern, die die infolge der massiven Verunreinigungen zunächst funktionsuntüchtig gewordene Gegensprechanlage sowie den verunreinigten Hauseingangsbereich und die verunreinigten Schilder zeigen. Darüber hinaus stehen die Angaben im Einklang mit den Angaben der Zeugin C4, die insoweit übereinstimmend glaubhaft bekundet hat, dass eine Mitarbeiterin der Zahnarztpraxis darauf aufmerksam gemacht habe, dass das Kanzleischild und die Klingelanlage mit Kot beschmiert worden seien. Sie meine, zwischen der Zahnarztpraxis und der Beschuldigten habe es zuvor weder Kontakt noch irgendwelche Konflikte gegeben.
328Zuletzt stehen die Angaben auch im Einklang mit der glaubhaften Aussage des Zeugen PK C9. Dieser hat im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt, im Januar 2020 zur Kanzleianschrift gerufen worden zu sein, weil das Klingelschild, die Gegensprechanlage und eine Werbetafel mit Kot verunreinigt worden sei. In der Rechtsanwaltskanzlei habe man sodann den Verdacht geäußert, dass die Beschuldigte als Täterin infrage komme. Das verunreinigte Praxisschild habe sich linksseitig an der Gebäudeseite befunden. Er (der Zeuge PK C9) sei nach dem äußeren Anschein der verschmutzten Gegensprechanlage seinerzeit davon ausgegangen, dass eine vollständige Reinigung von dem Kot bzw. eine Wiederherstellung der erkennbar aufgehobenen Funktionsfähigkeit voraussichtlich nicht mehr möglich sei.
329Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der Sachbeschädigung an der o.g. Anlage gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen. Insbesondere war es der Beschuldigten bewusst, dass – jedenfalls – die Gegensprechfunktion ausgeschlossen ist, wenn die Anlage vollflächig mit Kot verschmiert ist, und dass eine Reinigung der Anlage – insbesondere ihrer zahlreichen Ritzen und Spalten – zur Wiederherstellung einer Funktionsfähigkeit aufwendig, wenn nicht sogar ausgeschlossen ist.
330Die Feststellungen zum Strafantrag der Berechtigten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Strafantrag vom 14.01.2020.
33111.
332Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 7. beruhen ebenfalls auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die zunächst eingeräumt hat, dass es sich bei dem Pkw der Marke VW Golf, amtl. Kennzeichen 000-00 000, Fahrzeugidentifizierungsnummer 00000000000000000, um ein in ihrem Eigentum stehendes und auf ihren Namen amtlich zugelassenes Fahrzeug handele, welches etwa 20 Jahre alt sei und im hier verfahrensgegenständlichen Tatzeitraum von ihr gefahren worden sei. Diese Einlassung wird – das vorgenannte Fahrzeug und eine diesbezügliche Eigentümerstellung der Beschuldigten betreffend – auch gestützt durch die Angaben in der in der Hauptverhandlung verlesenen Fahrzeugbescheinigung Teil II.
333Im Übrigen hat die Beschuldigte die Tat auch wie festgestellt eingeräumt. Dies ist ebenfalls glaubhaft. So wird die Einlassung gestützt und bestätigt durch die Angaben in der im Rahmen der Hauptverhandlung verlesenen Strafanzeige vom 30.01.2020.
334Die Feststellung, dass der Beschuldigten die Fahrerlaubnis bereits mit Ordnungsverfügung vom 22.01.2020 – vollstreckbar seit dem 23.01.2020 und unanfechtbar seit dem 24.02.2020 – durch die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Herne entzogen worden war, beruht auf den ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesenen Schreiben der Stadt Herne vom 30.01.2020, 28.02.2020 und 14.04.2020, aus denen sich die Daten hierzu wie festgestellt ergeben.
335Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen. Dass ihr zum Tatzeitpunkt auch bekannt war, dass ihr die Fahrerlaubnis entzogen worden war, hat die Beschuldigte – wie ausgeführt auch glaubhaft – im Rahmen ihrer Einlassung ebenfalls ausdrücklich eingeräumt.
33612.
337Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 8. beruhen auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die auch hinsichtlich dieser Tat eingeräumt hat, dass es sich bei dem o.g. Pkw VW Golf um ihr Fahrzeug handele und dieses im Tatzeitpunkt von ihr geführt worden sei. Ferner hat sie das Tatgeschehen auch im Übrigen wie festgestellt eingeräumt.
338Diese Einlassung ist auch glaubhaft. Sie wird gestützt und ergänzt durch die Angaben des Zeugen POK X1, der glaubhaft bekundet hat, dass er im fraglichen Zeitpunkt zusammen mit einer Kollegin gegenüber des LIDL-Parkplatzes an der T5-Straße in I eine Verkehrskontrolle durchgeführt habe. Von dem Parkplatz dürfe man nur in Fahrtrichtung nach rechts in den fließenden Verkehr einbiegen. Diese Örtlichkeit sei daher besonders prädestiniert für Verkehrskontrollen, weil sich nicht alle an diese Verkehrsvorschrift halten würden. So habe er dann auch beobachten können, dass die Beschuldigte in ihrem Fahrzeug – einem dunklen VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen 000-00 000 – vorschriftswidrig nach links vom Parkplatz heruntergefahren sei. Wegen dieses seitens des Zeugen so bezeichneten „10 € - Verstoßes“ seien sie dann hinter der Beschuldigten mit Anhaltezeichen hergefahren. Es habe aber etwas länger gedauert, bis die Beschuldigte der Aufforderung gefolgt sei und ihr Fahrzeug am Straßenrand angehalten habe. Dies sei etwa auf Höhe der Kreuzung T5-Straße, I3-Straße, X2-straße gewesen. An der Stelle befinde sich auch eine Bushaltestelle. Erst beim Herantreten an das Fahrzeug habe seine Kollegin die Beschuldigte, die auf der Wache bereits aus anderen Einsätzen allseits bekannt sei, erkannt. Es sei dann „sehr schwierig“ gewesen, mit der Beschuldigten zu reden, weil sie wegen des Anhaltens „sehr aufgebracht“ gewesen sei. Seine Kollegin und er seien bei dem Versuch, ihr den Grund für die polizeiliche Kontrolle zu erklären, trotz mehrfacher Versuche nicht zu ihr vorgedrungen. Die Beschuldigte habe in einem unaufhörlichen Redeschwall „einfach 1000 Wörter pro Minute“ gesprochen und immer wieder lautstark eingewandt, wie unverhältnismäßig es sei, sie anzuhalten, sie habe doch „niemanden umgebracht“.
339Die Beschuldigte habe keinerlei Ausweis- oder Fahrzeugpapiere mit sich geführt und habe angegeben, dass ihr Führerschein zuhause sei. Sie habe auch nicht eingesehen, nicht mehr Auto fahren zu dürfen und wiederholt betont, sie habe „ja schließlich einen Führerschein gemacht“ und könne unter gar keinen Umständen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Das sei „unzumutbar“. Deshalb sei sie auch weiterhin „absolut uneinsichtig“ gewesen und habe keinen Zweifel daran gelassen, ihre Fahrt in ihrem Fahrzeug sogleich fortsetzen zu wollen. Aus diesem Grunde hätten seine Kollegin und er beschlossen, den Fahrzeugschlüssel zur Verhinderung einer neuerlichen Straftat sicherzustellen. Nach seiner Erinnerung habe er sogar noch selbst den Schlüssel aus dem Zündschloss gezogen, weil die Beschuldigte nicht kooperationswillig gewesen sei.
340Die Beschuldigte habe nicht geschrien; sie habe vielmehr eine „hektische Grundlautstärke“ gehabt. Auch sei sie sei „latent verbal aggressiv“ gewesen. Sie habe auf ihn aber nicht so gewirkt, als ob sie jeden Augenblick körperlich aggressiv werden würde. Vorsorglich seien seine Kollegin und er aber dennoch auf Abstand geblieben. Die Situation sei dann so geendet, dass die Kollegin und er die Örtlichkeit – nach dem Verschließen des Pkw – einfach verlassen hätten. Die Beschuldigte habe nämlich immer wieder das Gespräch gesucht und in ihrem Redeschwall „kein Ende“ gefunden. Für die vielfach seitens der Polizeibeamten unternommenen Erklärungsversuche sei sie überhaupt nicht zugänglich gewesen.
341Die Aussage des Zeugen POK X1 ist glaubhaft. Der Zeuge hat seine Wahrnehmungen lebhaft, aber zugleich sachlich und differenziert geschildert, sodass die Kammer in jeglicher Hinsicht von einem persönlichen Erleben und einer noch intensiv vorhandenen Erinnerung des Zeugen an das Geschehen ausgeht. So hat er aus der Erinnerung heraus zum Teil auch noch einzelne konkrete Äußerungen der Beschuldigten in der Situation der Verkehrskontrolle wiederzugeben vermocht.
342Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen. Dass ihr zum Tatzeitpunkt auch (weiterhin) bekannt war, dass ihr die Fahrerlaubnis entzogen worden war, hat die Beschuldigte – wie ausgeführt auch glaubhaft – im Rahmen ihrer Einlassung ausdrücklich eingeräumt.
34313.
344Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 9. beruhen zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, welche die diesbezügliche Erklärung ihres Verteidigers, die Beschuldigte habe die ihr insoweit vorgeworfene Tat begangen, auch wenn in der Akte immer von einer korpulenteren Person die Rede sei, auf Befragen durch das Gericht ausdrücklich bestätigt und die Tatbegehung eingeräumt hat.
345Diese geständige Einlassung wird gestützt durch die in der Hauptverhandlung hierzu verlesenen, mit der Einlassung übereinstimmenden Urkunden, namentlich durch die Strafanzeige des Tankstellenpächters G vom 14.02.2020 und den Kassenbeleg der TOTAL Tankstelle vom 14.02.2020 über 28,78 Liter Benzin zu einem Preis von 42,56 €. Darüber hinaus wird die Einlassung gestützt durch das in Augenschein genommene Lichtbild, das die gut und unzweifelhaft erkennbare Beschuldigte beim Tankvorgang zeigt.
346Die weiteren Feststellungen – insbesondere zu der entnommenen Benzinmenge – beruhen auch auf diesen o.g. Urkunden. Aus der o.g. Strafanzeige folgt zur Überzeugung der Kammer auch, dass der Tankstellenpächter G den Tankvorgang beobachtet und angenommen hatte, dass die Beschuldigte die von ihr getankte Benzinmenge auch bezahlen würde.
347Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie hinsichtlich des Betruges zum Nachteil des Tankstellenpächters G gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen. So hat die Beschuldigte – insbesondere im Hinblick auf die Tat zu Ziffer III. 8. und der sich diesbezüglich anschließenden polizeilichen Kontrolle – (weiterhin) gewusst, dass sie keine Fahrerlaubnis (mehr) besaß und deshalb kein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum (mehr) führen durfte. Ihr war auch bekannt, dass sie durch den Beginn des Selbsttankvorgangs den Eindruck erweckte, das entnommene Benzin – wie es für Selbstbedienungstankstellen üblich ist – anschließend zu bezahlen. Insoweit handelte sie auch mit der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Ihr war nämlich bewusst, dass sie keinen fälligen einredefreien Anspruch auf (kostenloses) Benzin hatte und daher zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet war.
34814.
349Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 10. beruhen wiederum zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die die Tat so eingeräumt hat, wie sie ihr mit Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird.
350Ihre Einlassung wird gestützt und ergänzt durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden, auf denen die Feststellungen im Übrigen beruhen, namentlich die Ordnungswidrigkeitenanzeige vom 03.04.2020 mitsamt den darin befindlichem, im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern, welche die Beschuldigte am Steuer ihres Fahrzeugs zeigen.
351Die Feststellung, dass der Beschuldigten die Fahrerlaubnis mit Ordnungsverfügung vom 22.01.2020, vollstreckbar seit dem 23.01.2020 und unanfechtbar seit dem 24.02.2020, durch die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Herne entzogen worden war, beruht auf den ebenfalls – wie bereits ausgeführt – in der Hauptverhandlung verlesenen Schreiben der Stadt Herne vom 30.01.2020, 28.02.2020 und 14.04.2020, aus denen sich die Daten hierzu wie festgestellt ergeben.
352Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen unter besonderer Berücksichtigung der am 04.02.2020 im Rahmen des zu Ziffer III. 8. festgestellten Tatgeschehens erfolgten polizeilichen Kontrolle im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Fahrt der Beschuldigten.
35315.
354Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 11. beruhen ebenfalls zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, welche die Tat so eingeräumt hat, wie sie ihr mit Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird.
355Ihre geständige Einlassung wird gestützt und ergänzt durch die Angaben der Zeugin POK’in C6, die glaubhaft bekundet hat, sie habe die Beschuldigte an diesem Tag angehalten. Die Beschuldigte sei „sehr aufgebracht und aggressiv“ gewesen, weil sie (die Zeugin POK’in C6) zwecks Verhinderung einer aus ihrer Sicht angesichts der bisherigen Erkenntnisse und der Antreffsituation andernfalls zu befürchtenden – erneuten – Weiterfahrt eine Beschlagnahme des von der Beschuldigten mitgeführten Zweit-Fahrzeugschlüssels, der Fahrzeugpapiere und der Fahrzeugkennzeichen vorgenommen habe. Die Beschuldigte habe derart laut geschrien, dass ein Unbeteiligter herbeigeeilt sei und sich erkundigt habe, ob er behilflich sein könne. Die Beschuldigte sei den Mann jedoch unvermittelt massiv verbal angegangen und habe ihn lautstark aufgefordert zu „verschwinden“. Schließlich dürfe niemand mitbekommen, dass man ihr das Fahrzeug wegnehme.
356Die Kammer glaubt der Zeugin POK’in C6. Ihre Angaben stehen im Einklang mit der geständigen Einlassung der Beschuldigten und dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Berichts der POKin M1 vom 20.04.2020.
357Die Feststellungen, dass die Beschuldigte nicht (mehr) zum Führen eines Fahrzeugs berechtigt war, beruhen auf den bereits oben erwähnten, in der Hauptverhandlung verlesenen Schreiben der Stadt Herne vom 30.01.2020, 28.02.2020 und 14.04.2020, aus denen sich die Daten hierzu wie festgestellt ergeben.
358Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen und den diesem zeitlich vorangegangenen Ereignissen.
35916.
360Die Feststellungen zu den Taten zu Ziffer III. 12. und III. 13. beruhen zunächst wiederum auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten. Diese hat sich dahin eingelassen, dass die beiden in Rede stehenden Tatvorwürfe der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft vom 23.09.2020 zutreffend seien. Allerdings sei sie auf ihr Fahrzeug angewiesen, weil sie eine „Ekelphobie“ habe und keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen könne. Die Polizei habe im Vorfeld des Tatgeschehens ihre Fahrzeugpapiere und die Kfz-Schilder beschlagnahmt gehabt, aber sie habe sich ja um ihren Vater kümmern müssen und habe dafür ihr Fahrzeug gebraucht.
361Diese Einlassung wird – soweit sie die eigentlichen Tatbegehungen betrifft – gestützt und ergänzt durch die Angaben des Zeugen PHK L2. Dieser hat glaubhaft ausgeführt, ihm sei im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bekannt gewesen, dass der – ob ihres außergewöhnlichen Verhaltens und ihres schillernden Erscheinungsbilds auf der Wache allgemein bekannten – Beschuldigten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis die Fahrzeugschlüssel, -papiere und Kfz-Kennzeichen „weggenommen“ worden seien. Der schwarze VW Golf der Beschuldigten habe – er meine noch am Vortag, jedenfalls aber kurz zuvor – auf einem Parkplatz des toom-Baumarktes in der Nähe der Wohnanschrift der Beschuldigten gestanden und sei dann – wie ihm im Rahmen einer Streifenfahrt zufällig aufgefallen sei – am 29.03.2020 plötzlich gegenüber ihrer Wohnanschrift am Straßenrand abgeparkt gewesen. Daraufhin habe er den Wagen einer näheren Kontrolle unterzogen. Am Fahrzeug seien die Kennzeichen 00-0 0000 angebracht gewesen, die – wie sich nach einer Überprüfung im polizeilichen System ergeben habe – kurz zuvor in der T3-straße 77 in I vom Fahrzeug des Geschädigten U entwendet worden wären. Die am schwarzen VW Golf im Bereich der Windschutzscheibe befindliche grüne Plakette habe jedoch das Kennzeichen 000-00 000, also dasjenige des auf die Beschuldigte zugelassenen Fahrzeugs ausgewiesen. Er habe dann zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung noch an der Haustür der Beschuldigten geklingelt, es habe aber niemand aufgemacht.
362Die Angaben des Zeugen PHK L2 sind auch glaubhaft. Sie stehen in keinerlei Widerspruch zu der Einlassung der Beschuldigten und sind überdies problemlos in Einklang zu bringen mit dem – durch die Zeugin POK’in C6 wie ausgeführt glaubhaft geschilderten – Verfahrensgang, namentlich der vorherigen Beschlagnahme der Kfz-Kennzeichen das Fahrzeug der Beschuldigten betreffend. Vor diesem Hintergrund erscheint es der Kammer als durchaus nachvollziehbar, warum der Zeuge PHK L2 im Ausgangspunkt seiner Wahrnehmungen besonderes Augenmerk auf das Fahrzeug der – ihm bekannten – Beschuldigten richtete.
363Seine Angaben stehen darüber hinaus im Einklang mit den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern, die das Fahrzeug der Beschuldigten am Straßenrand mit dem amtlichen Kennzeichen 00-0 0000 und der an der Windschutzscheibe angebrachten grünen Plakette für das Kennzeichen 000-00 000 zeigen.
364Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich des Diebstahls zum Nachteil des Herrn U und der Urkundenfälschung gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
36517.
366Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 14. beruhen ebenfalls zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die die Tat so eingeräumt hat, wie sie ihr mit Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird.
367Diese geständige Einlassung steht im Einklang mit dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Briefes der Beschuldigten vom 14.04.2020 an die Staatsanwaltschaft Bochum, in dem sie zwar noch den Vorwurf der Urkundenfälschung in Abrede gestellt, aber im rein Tatsächlichen sinngemäß ausgeführt hat, man habe ihr die zu ihrem Fahrzeug gehörenden Kennzeichen weggenommen, weshalb sie sich anderswo „welche ausgeliehen“ und diese an ihrem Wagen angebracht habe, damit ihr Fahrzeug Kennzeichen habe, bis sie ihre Kennzeichen zurückbekommen habe. Die Kammer bewertet das Inabredestellen des Tatvorwurfs der Urkundenfälschung als eine lediglich falsche rechtliche Beurteilung eines juristischen Laien.
368Die Einlassung wird im Übrigen gestützt und ergänzt durch die Angaben des Zeugen PHK L2, der hierzu ausgeführt hat, dass er das Fahrzeug der Beschuldigten am 31.03.2020 im Rahmen einer Streifenfahrt wieder in der Nähe von deren Wohnanschrift abgestellt – diesmal mit den Kennzeichen 000-0 0000 und an anderer Stelle stehend – bemerkt habe. Bei erneuter Überprüfung des ihm an sich bereits bekannten VW Golf, welcher über zahlreiche Kratzer und Macken verfügt habe, habe die daran im Bereich der Windschutzscheibe angebrachte grüne Plakette auf das Kennzeichen 000-00 000 der Beschuldigten gelautet. Die Überprüfung des Kennzeichens 000-0 0000 habe ergeben, dass dem Eigentümer des dazugehörigen Fahrzeugs der Diebstahl der Kennzeichen bis zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch gar nicht aufgefallen war. Er habe die Beschuldigte dann (abermals) nicht Zuhause angetroffen, es sei aber auch sehr früh – gegen 7 Uhr – morgens gewesen.
369Nachdem die vorherigen polizeilichen Maßnahmen – Sicherstellung des Fahrzeugschlüssels im ersten Schritt, Beschlagnahme des Zweit- Fahrzeugschlüssels, der Fahrzeugpapiere und -kennzeichen im zweiten Schritt – erkennbar nicht gefruchtet hätten und das Fahrzeug offensichtlich immer wieder – nunmehr mit falschen, anderswo entwendeten Kennzeichen – bewegt worden sei, habe er (der Zeuge) dann nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft den Pkw selbst sichergestellt bzw. beschlagnahmt und nach C einschleppen lassen. Deswegen müsse die Beschuldigte anschließend „ziemlich am Rad gedreht“ haben, denn im Verlauf desselben Tages seien fünf weitere Strafanzeigen gegen sie gefertigt worden, an denen er aber jeweils nicht beteiligt gewesen sei. Er habe nur noch einmal Kontakt mit ihr gehabt, als sie zur Polizeiwache gekommen sei, weil – wie sie gesagt habe – „wichtige Unterlagen“ im Kofferraum ihres Fahrzeugs gewesen seien, die sie dringend benötige. Er habe sich daraufhin zum Abstellort des Fahrzeugs begeben und eine Handtasche daraus entnommen. Die Beschuldigte sei dann aber entgegen ihrer Absprache nicht mehr zur Abholung erschienen. Der Kofferraum sei „unordentlich chaotisch“ gewesen und das Fahrzeug sei „rundherum zerkratzt“ gewesen. Das habe er sich gemerkt und auch bereits auf dem Beschlagnahmeprotokoll vermerkt gehabt, da derartige Informationen schließlich auch für das Abschleppunternehmen von Bedeutung seien.
370Die Kammer glaubt dem Zeugen PHK L2. Seine Angaben zu den Kennzeichen am o.g. Fahrzeug stimmen mit den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern, die den in Rede stehenden VW Golf mit den angebrachten Kennzeichen 000-0 0000 und der an der Windschutzscheibe befindlichen, auf das Fahrzeug mit dem Kennzeichen 000-00 000 ausgegebenen grünen Plakette zeigen, überein. Seine Angaben zu der Beschlagnahme des Fahrzeugs stehen zudem im Einklang mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bericht über die Beschlagnahme eines Fahrzeugs vom 31.03.2020 sowie dem ebenfalls verlesenen Schlussvermerk der POK’in M1 vom 02.04.2020 die Beschlagnahme betreffend. Ferner stimmen sie überein mit und beruhen die Feststellungen zur Bestätigung der Beschlagnahme auf dem in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 11.05.2020 (64 Gs 171 Js 75/20 – 1577/20).
371Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis bzw. der Urkundenfälschung gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
37218.
373Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 15. beruhen ebenfalls zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die die Tat so eingeräumt hat, wie sie ihr mit Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird. Sie hat sich weiter dahin eingelassen, dass es in der Sache um ihren Führerschein gegangen sei. Sie habe in der Kanzlei schon einen Beratungsschein abgegeben gehabt, dieser sei ihr aber wiedergegeben worden, weil man das Mandat dort nicht habe übernehmen wollen.
374Diese Einlassung wird gestützt und ergänzt durch die Angaben der Zeugin C5. Diese hat ausgeführt, die Beschuldigte habe am 31.03.2020 einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt X3 gehabt. Dieser Termin sei aber „eskaliert“ und Rechtsanwalt X3 habe die Beschuldigte aufgefordert, die Kanzleiräumlichkeiten zu verlassen. Dann sei er „in sein Büro verschwunden“ und sie (die Zeugin C5) habe sich im Empfangsbereich „allein um die Beschuldigte kümmern“ müssen. Diese sei aufgebracht gewesen und laut geworden. Obwohl sie die Beschuldigte mehrfach gebeten habe zu gehen, sei diese geblieben und habe herumgeschrien und wütend angefangen, im Empfangsbereich zu randalieren. Sie habe beispielsweise einen dort befindlichen großen Blumenkübel umgestoßen und mit Akten um sich geworfen. Rechtsanwalt C8 sei daraufhin wegen des entstandenen Lärms aus seinem Büro gekommen und ihr zu Hilfe geeilt. Gemeinsam sei es ihnen dann gelungen, die Beschuldigte aus der Kanzlei „hinauszuschieben“ und die Eingangstür zu schließen. Sie (die Zeugin C5) habe in dieser Situation „schon Angst gehabt, dass es noch weiter eskaliert“. Wenige Sekunden später habe es dann an der Eingangstür einen lauten Knall gegeben, so als ob vom Treppenhaus etwas gegen die Tür geschleudert worden wäre. Sie habe nicht sofort geöffnet, habe später dann aber eine Glasflasche auf dem Boden liegend gesehen, in der sich zuvor wohl „gelber Sprudel“ befunden gehabt habe. Sie habe dann alles sauber gemacht. Das Furnier des Türblatts der Eingangstür sei zerkratzt gewesen. Man habe die Tür später gereinigt und poliert. Das habe die Kratzer zwar nicht verschwinden lassen, aber es handele sich um eine „teure Sicherheitstür“ gehandelt, weshalb die Reparatur- bzw. Austauschkosten in keinem Verhältnis zu den Kratzern gestanden hätten.
375Die Angaben der Zeugin C5 sind glaubhaft. Sie werden gestützt durch die – insoweit problemlos in Einklang zu bringenden – Bekundungen der Zeugin K1, die an diesem Tag ebenfalls in der Kanzlei gearbeitet hat. Diese Zeugin hat ausgeführt, sie habe der Beschuldigten im Ausgangspunkt der Auseinandersetzung einen Telefontermin geben wollen, womit diese jedoch nicht einverstanden gewesen sei, da sie unbedingt sofort einen Rechtsanwalt habe sprechen wollen. Rechtsanwalt X3 habe daraufhin – im Empfangsbereich – versucht, „deeskalierend“ mit ihr zu sprechen, die Beschuldigte aber schließlich auch gebeten zu gehen. Sie (die Zeugin K1) habe dies in dem Moment nicht sehen, sondern nur hören können, weil sie den Empfangsbereich kurz verlassen gehabt habe. Es seien dann Schreie der Beschuldigten und ein Krachen bzw. Poltern aus dem Empfangsbereich zu hören gewesen. Als sie (die Zeugin K1) zurückgekommen sei, habe sie dann gesehen, dass der Blumenkübel umgeworfen und Akten herumgeworfen gewesen seien. Es habe so ausgesehen, „als ob jemand gewütet“ habe. Einige Sekunden später sei dann vom Treppenhaus aus eine Glasflasche mit Limonade gegen die Tür der Kanzlei geknallt. Überall sei die klebrige Limonade hingespritzt und heruntergelaufen. Die Wand habe später neu gestrichen werden müssen und die Bürotür habe Kratzer gehabt.
376Beide Zeugenaussagen werden ferner gestützt durch die Angaben des Zeugen PK T1, der ausgeführt hat, die Beschuldigte sei am Morgen des 31.03.2020 aufgebracht zur Wache gekommen, um sich über die Beschlagnahme ihres Fahrzeugs zu beschweren. Zu diesem Zeitpunkt habe sie eine Glasflasche dabei gehabt, die er später im Treppenhaus der Rechtsanwaltskanzlei Dr. T6 in I wiedergesehen habe. Die Angaben des Zeugen PK T1 sowie die Angaben der Zeuginnen C5 und K1 werden überdies gestützt durch die von der Zeugin C5 zur Vernehmung mitgebrachten, in Augenschein und sodann zu den Akten genommenen Lichtbilder, die den Zustand der Kanzleiräume nach der Tat zeigen.
377Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der Sachbeschädigung gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
378Die Feststellungen zum Strafantrag beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Strafantrag vom 31.03.2020.
37919.
380Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 16. beruhen ebenfalls zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die die Tat so eingeräumt hat, wie sie ihr mit Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird, wobei sie sich einschränkend dahingehend eingelassen hat, den genauen Wortlaut ihrer Äußerungen gegenüber dem Zeugen PK T1 nicht mehr zu erinnern.
381Die Einlassung wird insoweit gestützt und ergänzt durch die Angaben des Zeugen PK T1, der ausgeführt hat, dass er die Beschuldigte – nachdem sie an dem Morgen bereits auf der Wache gewesen sei, um sich über die Beschlagnahme ihres Fahrzeugs zu beschweren – am 31.03.2020 noch einmal in I am Bahnhof getroffen habe. Er sei in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit dort hingerufen worden, weil die Beschuldigte wohl mit einem Taxi gefahren sei, aber anschließend das Entgelt für die Taxifahrt nicht habe entrichten wollen, woraufhin der Taxifahrer die Polizei verständigt gehabt habe. Er habe dann vor Ort den Sachverhalt aufgenommen und der Beschuldigten einen Platzverweis erteilt. Während der Sachverhaltsaufnahme habe sie – nach erfolgter Belehrung ihrer Person als Beschuldigte – bereits wiederholt gesagt, dass er „ruhig seine Anzeige schreiben“ solle, das würde „eh nichts bringen“. Sie habe nach seinem Eindruck eindeutig eine „scheiß egal-Haltung“ gehabt.
382Nach dem Platzverweis habe sie ihn lautstark beschimpft, indem sie ihm mehrfach „scheiß Rassist“ und „scheiß rassistischer Polacke“ zugerufen habe. Normalerweise mache ihm „sowas nichts aus“, aber sie habe das im Bereich des Bahnhofvorplatzes über weite Distanzen laut über die Straße gerufen und damit „total öffentlich“. In Zeiten, in denen sich die Polizei „ständig Rassismusvorwürfen stellen“ müsse, habe ihn das persönlich getroffen und er habe dies daher „nicht einfach hinnehmen“ wollen. Deshalb habe er auch einen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt.
383Die Angaben des Zeugen PK T1 sind auch insoweit glaubhaft. Der Zeuge hat in für die Kammer nachvollziehbarer Weise überzeugend darzulegen vermocht, warum gerade diese Äußerungen der ihm aus verschiedenen Einsätzen bekannten Beschuldigten ihn zu einem Strafantrag bewegt haben. Dabei war der Zeuge im gesamten Verlauf seiner Vernehmung erkennbar um eine sachlich-differenzierte, wahrheitsgemäße Aussage bemüht. Anhaltspunkte für eine überschießende Belastungstendenz zum Nachteil der Beschuldigten haben sich nicht ergeben; der Zeuge hat vielmehr gelegentlich auch bestehende Erinnerungslücken von sich aus freimütig zugegeben. So hat er beispielsweise nach Vorhalt weiterer, der Beschuldigten vorgeworfenen vermeintlichen beleidigenden Äußerungen in seine Richtung bekundet, er könne diese gegenwärtig nicht mehr im Detail bestätigen, da er solche Ausdrücke in der Regel überhöre bzw. sie ihn nicht treffen würden.
384Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der Beleidigung gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
385Die Feststellungen zum Strafantrag beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Strafantrag vom 08.04.2020.
38620.
387Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 17. beruhen ebenfalls zunächst auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, soweit ihr gefolgt werden konnte. Sie hat die Tat so eingeräumt, wie sie ihr mit Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird. Soweit sie sich im Übrigen jedoch dahin eingelassen hat, sie sei in dieser Zahnarztpraxis bei einer Ärztin in Behandlung gewesen und habe die Praxis am Tattag aufgesucht, um dort einen neuen Termin zu vereinbaren, welcher ihr allerdings wegen eines angeblich vollen Terminplans verwehrt worden sei, bewertet die Kammer dies als unzutreffende Schutzbehauptung, welche durch das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer im Sinne der getroffenen Feststellungen widerlegt ist.
388Die Zeugin D hat nämlich bekundet, dass sie am Freitag, den 03.04.2020, im Empfangsbereich der Zahnarztpraxis N zusammen mit einer Kollegin gearbeitet habe. Es sei kurz vor der Mittagspause gewesen, als die Beschudigte, die ihr persönlich nicht bekannt gewesen sei, zunächst zaghaft ihren Kopf zur Praxistür hereingesteckt und gefragt habe, ob sie (die Praxis) auch Patienten ohne Termin behandeln würden. Ihre Kollegin habe das freundlich bejaht und die Beschuldigte hereingebeten, um gemeinsam mit ihr zu schauen, wann und wie man ihr weiterhelfen könne. Die Beschuldigte sei dann bis zum Empfangstresen vorgetreten. Die Kollegin habe in das Terminsbuch geguckt und sie (die Zeugin D) habe direkt daneben gestanden. Die Beschuldigte habe „viele Tüten“ dabei gehabt und habe dann vollkommen unvermittelt ein mit einer gelblichen Flüssigkeit gefülltes Gurkenglas aus einer der Tüten genommen, den Glasdeckel abgeschraubt und diesen der Kollegin ins Gesicht geworfen. Dabei habe sie laut irgendetwas Unverständliches geschrien. Das Gurkenglas habe die Beschuldigten nahezu im selben Augenblick in Richtung ihres (der Zeugin D) Kopfbereichs geworfen. Es sei alles „ganz schnell“ gegangen, sodass sie sich – „fast schon starr vor Schreck“ – gar nicht habe bewegen können. Das Glas habe sie (die Zeugin D) aber knapp verfehlt und sei wenige Zentimeter an ihrer linken Halsseite vorbeigeflogen und dann hinter ihr aufgekommen. Während des Fluges habe sich die gelbliche Flüssigkeit über und über auf ihrem Körper bzw. ihren Haaren und ihrer Kleidung, aber auch über den Empfangstresen, namentlich über den dortigen elektrischen Geräten (insbesondere PC-Tastatur und Telefonanlage) verteilt habe. Erst anschließend habe sie an dem Geruch zweifellos erkannt, dass es sich um Urin gehandelt habe.
389Die Beschuldigte habe sich dann sofort umgedreht und sei einfach weggelaufen. Sie (die Zeugin D) habe sich „furchtbar geekelt“. Sie habe – nachdem die Strafanzeige durch die herbeigerufenen Polizeibeamten erfolgt war – vorzeitig nach Hause gehen und erstmal ausgiebig duschen müssen. Als die Beschuldigte bereits die Praxis verlassen gehabt habe, habe ihr Chef – der Zahnarzt N – ihnen berichtet, dass er die Beschuldigte vom Sehen her kenne, da diese sich vor einigen Jahren mal bei ihm erfolglos um einen Ausbildungsplatz beworben habe. Die Bewerbungsunterlagen mit einem Foto der Beschuldigten habe er dann herausgesucht und ihnen – wie auch den eintreffenden Polizeibeamten – sodann noch gezeigt.
390Die Zeugin wirkte im Rahmen der Schilderung des Tathergangs auch gegenwärtig noch emotional belastet. Sie hat unter anderem davon berichtet, in den ersten Tagen nach dem Tatgeschehen häufig in Alltagssituationen plötzlich das (irrige) Gefühl gehabt zu haben, dass die Beschuldigte hinter ihr stehe. Auch habe sie anfänglich schlecht geträumt. Während sich dies nach einigen Tagen wieder gelegt habe, verspüre sie noch heute manchmal ein „mulmiges Gefühl“, wenn sie am Empfangstresen der Praxis stehe und eine ihr unbekannte Person die Räumlichkeiten betrete.
391Die Kammer hält die Aussage der Zeugin D für glaubhaft und damit die Einlassung der Beschuldigten, soweit diese im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin D steht, für widerlegt. Die Zeugin war während ihrer Vernehmung sichtlich aufgeregt, aber auf Rückfragen der Kammer bemüht, diese detailliert zu beantworten. Dabei war sie auch bei Rückfragen, die bewusst die Chronologie der Ereignisse außer Acht ließen, stets in der Lage, ihre Angaben zeitlich zu verorten und ihre Wahrnehmungen näher auszuführen. Etwaige Erinnerungslücken hat sie freimütig eingeräumt; Anhaltspunkte für eine überschießende Belastungstendenz zum Nachteil der Beschuldigten fanden sich nicht auf.
392Die Angaben der Zeugin werden zudem gestützt und ergänzt durch die Bekundungen des Zeugen POK I5. Dieser hat angegeben, in o.g. Zahnarztpraxis gerufen worden zu sein, nachdem die Beschuldigte dort ein Gurkenglas auf eine Mitarbeiterin geworfen gehabt habe. Die Beschuldigte sei dem Zahnarzt wegen einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz vor etlichen Jahren persönlich bekannt gewesen; der Zahnarzt habe ihm die Bewerbungsunterlagen mit einem Foto der Beschuldigten vor Ort sogar noch gezeigt. Das von der Beschuldigten geworfene, offensichtlich mit Urin gefüllte Gurkenglas habe die Mitarbeiterin wohl nur knapp verfehlt gehabt. Die Mitarbeiterin sei wegen der Ereignisse völlig aufgelöst und am ganzen Körper und der Kleidung mit Urin verunreinigt gewesen. Sie habe geweint und sich erkennbar stark geekelt. Auch verschiedene Arbeitsmaterialien im Bereich des Empfangs seien von Urin verunreinigt gewesen.
393Diese Angaben stimmen schließlich auch überein mit den Bekundungen des Zeugen POK T7, der hierzu ausgeführt hat, dass der ihnen vor Ort berichtete Vorfall einem bereits „bekannten Prozedere“ gefolgt sei. Es sei im Empfangsbereich der Praxis „alles voller Urin“ gewesen. Zwar könne er heute nicht mehr sicher sagen, ob und gegebenenfalls woher die Beschuldigte dem Zahnarzt bekannt gewesen sei, aber die Beschuldigte sei aufgrund ihres auffälligen äußeren Erscheinungsbilds, insbesondere ihres prägnanten Make-Ups auch leicht wiederzuerkennen.
394Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin D gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
395Die Feststellungen dahingehend, dass die Beschuldigte erkannte, dass sie mit ihrem Wurf die Zeugin D verfehlt hatte, einen weiteren Wurf gegen die Zeugin für unmöglich hielt und deshalb (weil sie eine weitere Tatausführung nicht für möglich hielt) die Praxis verließ, folgen zum einen aus der Aussage der Zeugin D und zum anderen aus einem Rückschluss aus dem objektiven Tatgeschehen. Die Zeugin D hat insoweit bekundet, die Beschuldigte habe sich „sofort“ umgedreht und die Praxis wortlos verlassen, wobei die Zeugin im Rahmen ihrer Aussage klargestellt hat, dass die Beschuldigte ihren Wurf beobachtet und sich so zunächst vergewissert habe, ob der Wurf sie (die Zeugin D) getroffen habe, bevor sie sich umgedreht und die Praxis verlassen habe. Zur Überzeugung der Kammer hat die Beschuldigte deswegen auch gesehen, dass das Gurkenglas die Zeugin D verfehlt hatte.
396Dass die Beschuldigte einen weiteren Wurf gegen die Zeugin – und damit die weitere Tatausführung – danach für unmöglich hielt, folgt zur sicheren Überzeugung der Kammer daraus, dass das Gurkenglas nunmehr unmittelbar hinter der Zeugin D und zudem hinter dem Empfangstresen der Praxis auf dem Boden lag. Die Beschuldigte konnte auf das Glas, wie sie angesichts der Gegebenheiten vor Ort auch erkannt haben musste, nun nicht mehr zugreifen, ohne um den Empfangstresen herumzugehen und sich in unmittelbare Nähe der Zeugin D zu begeben. Zudem entsprach solches Vorgehen nicht ihrem ursprünglichen Tatplan, welcher vorsah, das Gurkenglas aus sicherer Entfernung und in der Möglichkeit einer sofortigen Flucht durch die Praxistür gegen die Zeugin zu werfen.
39721.
398Die Feststellungen zur Tat zu Ziffer III. 18. beruhen schließlich ebenfalls auf der geständigen Einlassung der Beschuldigten, die die Tat so eingeräumt hat, wie sie ihr mit Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 23.09.2020 vorgeworfen wird. Ergänzend dazu hat sie sich dahin eingelassen, sie sei am Tattag noch einmal in der Kanzlei vorstellig geworden sei, um nachzufragen, warum man sie nicht vertreten wolle.
399Die geständige Einlassung der Beschuldigten wird auch insoweit gestützt und ergänzt durch die Angaben der Zeuginnen C5 und K1, die an diesem Tag wiederum beide im Empfangsbereich der Rechtsanwaltskanzlei Dr. T6 pp. gearbeitet haben.
400Die Zeugin C5 hat hierzu bekundet, die Beschuldigte sei am 03.04.2020 erneut in den Kanzleiräumen erschienen, obgleich ihr Rechtsanwalt X3 anlässlich ihres vorangegangenen Aufenthalts in der Kanzlei unmissverständlich gesagt gehabt habe, sie nicht (mehr) vertreten zu wollen. Sie (die Zeugin C5) habe sich am Tattag in einem Büroraum hinter dem Empfang befunden. Am Empfang selbst habe ihre Kollegin, die Zeugin K1, gesessen. Die Beschuldigte habe die Eingangstür einen Spalt weit geöffnet und sie (die Zeugin C5) habe sie noch etwa eine Sekunde angeguckt. Dann habe die Beschuldigte ein offenes Gurkenglas mit einer „fischigen, übel riechenden Flüssigkeit“ darin in die Kanzlei, und zwar in Richtung der dort sitzenden Kollegin geworfen. Die Flüssigkeit habe sich auf Tisch, Stuhl und Akten verteilt. Die Kollegin sei „total zugesifft“ gewesen mit der Flüssigkeit. Das Glas habe sie glücklicherweise nicht abbekommen, es sei aber „um Haaresbreite an ihr vorbeigeflogen“. Schließlich sei es gegen die Wand geschlagen und zerbrochen. Nach dem Wurf habe die Beschuldigte die Tür zugezogen und sei dann – vermutlich – durch das Treppenhaus nach draußen gegangen. Jedenfalls sei sie hinterher nicht mehr zu sehen gewesen. Überall auf dem Teppichboden seien Scherben gewesen. Die Flüssigkeit sei „bis hinten in den Scanner gelaufen“, der in der Folgezeit derart gestunken habe, dass man ihn habe auch nicht mehr reinigen können und austauschen müssen. Von sämtlichen verunreinigten Akten hätten sie Zweitakten anlegen müssen, um die Originalakten danach entsorgen zu können. Sie (die Zeugin C5) selbst habe danach „richtig gezittert“.
401In Übereinstimmung hierzu hat die Zeugin K1 ausgeführt, die Beschuldigte sei am 03.04.2020 erneut ohne Vorankündigung oder Termin in der Kanzlei erschienen. Sie habe geklingelt und sie (die Zeugin K1) habe den Türöffner betätigt. Die Tür sei dann einen Spalt weit auf gegangen und die Beschuldigte habe ihren Kopf durch den Spalt gesteckt, sodass sie (die Zeugin K1) ihr Gesicht habe sehen können. Dann habe sie keine Reaktionsmöglichkeit mehr gehabt. Die Beschuldigte habe ein geöffnetes Gurkenglas durch den Spalt auf sie geworfen, welches nur „haarscharf“ an ihrem „Gesicht vorbeigeflogen“ sei. Das Gurkenglas sei dann gegen die Wand hinter ihr geschlagen und zu Bruch gegangen. Der Deckel des Glases sei vorher abgeschraubt gewesen und die im Glas befindliche Flüssigkeit habe sich während des Wurfs überallhin verteilt. Sie (die Zeugin K1) habe noch gesehen, dass die Beschuldigte die Treppe herunter gelaufen sei. Sie (die Zeugin K1) sei nur durch einen glücklichen Zufall unverletzt geblieben, allerdings „total nass“ geworden. Bei der Flüssigkeit habe es sich um „eine Art Bratheringssud“ gehandelt. Es sei eine übel riechende ölige Flüssigkeit mit Essig und Zwiebeln gewesen. Sie habe das in den Haaren, im Gesicht und überall auf ihrer Kleidung gehabt und sich ziemlich geekelt. Ihr Bürostuhl habe auch etwas abbekommen und gereinigt werden müssen. Der Scanner habe hinterher „fürchterlich gestunken“ und sei schließlich ausgetauscht worden. Die betroffenen Akten hätten – nach Anlage von Zweitakten – entsorgt werden müssen.
402Sie (die Zeugin K1) selbst habe das Ganze als „sehr bedrohlich“ empfunden, weil sie „mit so etwas nicht gerechnet“ habe. Ihr sei es auch „peinlich und unangenehm“ gewesen. Seither sei sie ängstlich, wenn sie die Tür öffne. Zum Glück habe die Kanzlei im Nachgang zu diesem Ereignis eine Videoüberwachung an der Tür installiert, so dass man jetzt sehen könne, wer vor der Tür stehe, bevor man den Türöffner betätige. Sie habe nach dem Vorfall nur noch das Eintreffen der Polizei abgewartet und sich anschließend vorzeitig nach Hause begeben, um sich zu reinigen. Im Verlauf des späteren Nachmittags habe sie dann aber ihren Dienst wieder aufgenommen.
403Die die geständige Einlassung der Beschuldigten bestätigenden und ergänzenden Ausführungen der Zeuginnen C5 und K1 sind auch insoweit jeweils glaubhaft. Sie stehen überdies im Einklang mit den Angaben der Zeugen POK I5 und POK T7, die an jenem Tag nach erfolgter Aufnahme der Strafanzeige in der Zahnarztpraxis N unmittelbar von dort zu der nahegelegenen Rechtsanwaltskanzlei gerufen worden waren und im Rahmen ihrer Vernehmung vor der Kammer jeweils von den ihnen gegenüber durch die Zeuginnen C5 und K1 Angaben berichtet haben. Diese stimmten inhaltlich mit den Angaben der o.g. Zeuginnen C5 und K1 vor der Kammer überein.
404Die Feststellung, dass die Beschuldigte mit Vorsatz hinsichtlich der versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin K1 gehandelt hat, ergibt sich für die Kammer aus einem Rückschluss vom objektiven Tatgeschehen.
405Die Feststellungen dahingehend, dass die Beschuldigte erkannte, dass sie mit ihrem Wurf die Zeugin K1 verfehlt hatte, einen weiteren Wurf gegen die Zeugin für unmöglich hielt und deshalb (weil sie eine weitere Tatausführung nicht für möglich hielt) die Kanzlei verließ, folgen zum einen aus den Aussagen der Zeuginnen C5 und K1 sowie zum anderen aus einem Rückschluss aus dem objektiven Tatgeschehen. Die Zeuginnen C5 und K1 haben insoweit übereinstimmend bekundet, die Beschuldigte habe sich unmittelbar umgedreht und die Kanzlei ohne ein weiteres Wort verlassen, wobei die Zeuginnen von sich aus klargestellt haben, dass die Beschuldigte ihren Wurf zuvor beobachtet und sich so vergewissert habe, ob der Wurf die Zeugin K1 auch getroffen habe. Zur Überzeugung der Kammer hat die Beschuldigte deswegen auch gesehen bzw. zusätzlich gehört, dass das Gurkenglas die Zeugin K1 verfehlt hatte, gegen die Wand geschlagen und zerbrochen war.
406Dass die Beschuldigte einen weiteren Wurf gegen die Zeugin K1 – und damit die weitere Tatausführung – danach für unmöglich hielt, folgt zur sicheren Überzeugung der Kammer aus dem Umstand, dass das Gurkenglas – von der Beschuldigten wahrgenommen – gegen die Wand geschlagen und dort zerbrochen war und die Scherben nunmehr unmittelbar neben bzw. hinter den Zeuginnen C5 und K1 im Bereich hinter dem Empfangstresen der Kanzlei lagen. Die Beschuldigte konnte also, wie sie erkannte, auf das Glas bzw. die Glasscherben nun nicht mehr zugreifen, ohne um den Empfangstresen herumzugehen und sich in unmittelbare Nähe der Zeuginnen C5 und K1 zu begeben. Zudem entsprach ein derartiges Vorgehen nicht ihrem ursprünglichen Tatplan, welcher vorgesehen hatte, das gefüllte Gurkenglas aus sicherer Entfernung und in der Möglichkeit einer sofortigen Flucht durch die Kanzleitür gegen die Zeugin K1 zu werfen.
40722.
408Die Feststellungen zur krankheitsbedingt sicher erheblich verminderten, zudem nicht ausschließbar aufgehobenen Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten im Tatgeschehen zu Ziffer III. 1. sowie zur jeweils krankheitsbedingt sicher erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit in den Tatgeschehen zu Ziffern III. 2. – III. 18. folgen insbesondere aus den überzeugenden gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M. Insoweit wird vollumfänglich auf die nachfolgend (unter Ziffer VII.) gemachten weitergehenden Ausführungen verwiesen.
40923.
410Die Feststellungen zur Festnahme der Beschuldigten beruhen auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Festnahmeanzeige vom 18.05.2020.
41124.
412Die Feststellungen zum bisherigen Verlauf der vorläufigen Unterbringung der Beschuldigten gemäß § 126 a StPO im LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt und deren gesundheitlicher Verfassung während dieses Zeitraums beruhen zunächst auf der Einlassung der Beschuldigten selbst, die im Laufe der Hauptverhandlung mehrfach betont hat, ihr gehe es in der Klinik nicht gut. Dort herrschten „unzumutbare hygienische Zustände“. Ihr Zimmer befinde sich direkt gegenüber den „stinkenden“ Toiletten und Waschräumen. Sie ekele sich davor und insbesondere vor den „unsauberen“ Mitpatienten.
413Im Übrigen beruhen die Feststellungen – hier insbesondere zum Verhalten der Beschuldigten auf der Station – auf den glaubhaften Angaben des Sachverständigen Zeugen Diplom-Psychologen I4. Dieser begleitet in seiner Funktion als therapeutische Hausleitung der Frauenaufnahmestation des LWL-Zentrums für Forensische Psychiatrie in Lippstadt unter anderem auch die – in erster Linie – psychotherapeutische Behandlung der Beschuldigten. Der Sachverständige Zeuge I4 hat im Rahmen seiner Zeugenvernehmung bzw. Gutachtenerstattung ausgeführt, dass die Beschuldigte von Beginn an durch auffälliges Verhalten imponiert habe. So habe sie sich von Anbeginn an verbal aggressiv gezeigt, massiv das Klinikpersonal beleidigt und darüber hinaus Zeichnungen mit beleidigenden und sexualisierten Inhalten an Wänden ihres Krankenzimmers und auf Papieren angefertigt, die man dann bei ihr gefunden habe. Unter fortlaufendem Hinweis auf die angeblich nachlässige oder vollständig fehlende Hygiene ihrer Mitpatienten habe sie eine große Distanz zu diesen aufgebaut. So könne oder wolle die Beschuldigte sich nicht einmal auf einen Stuhl setzen, auf dem zuvor möglicherweise auch andere Patienten gesessen haben könnten. Gegenüber dem Pflegepersonal habe sie großes Misstrauen. Wiederholt habe sie in der Vergangenheit behauptet, das Personal würde sie „dreckig angucken“.
414Wegen der Probleme mit den Mitpatienten sei es seit Beginn ihres Aufenthaltes zu mehreren Absonderungen gekommen, bei denen die Beschuldigte sich dann nur noch auf ihrem Zimmer habe aufhalten und im Übrigen das Zimmer nur in Begleitung habe verlassen dürfen. Diese Absonderungen hätten jeweils eine Woche angedauert.
415So sei sie am 04.06.2020 abgesondert worden, nachdem sie an einem Fenster manipuliert habe, um dieses öffnen und herausspucken zu können und anschließend auch tatsächlich Mitpatienten angespuckt habe. Die Beschuldigte habe sich dann Mitarbeitern in den Weg bzw. dabei auch in die Tür gestellt, damit die Tür nicht habe geschlossen werden können, habe einen Alarm ausgelöst und schließlich eine herabwürdigende Zeichnung mit Beschriftungen angefertigt, die einen Pfleger als „unbeschnittenen Schweinefresser“ dargestellt habe.
416Am 03.09.2020 sei sie erneut abgesondert worden, weil sie anlässlich eines Telefonats an diesem Tag bedrohliches Verhalten gegenüber Mitpatienten und Pflegepersonal gezeigt habe. So habe sie sich nicht – wie alle anderen – an die Telefonzeiten halten wollen und für den Fall der Zurückweisung ihres Anliegens mit körperlicher Gewalt gedroht.
417Am 09.10.2020 sei es zu einer dritten Absonderung gekommen, nachdem die Beschuldigte eine Mitpatientin mehrfach beleidigt habe und sich dann weder habe beruhigen wollen noch habe Verantwortung dafür übernehmen wollen.
418Am 20.10.2020 sei es zu einer weiteren Absonderung gekommen, weil es erneut zu verbal aggressivem Verhalten der Beschuldigten gegenüber Mitpatienten und Personal in einem Ausmaß gekommen sei, dass man eine Fremdgefährdung nicht habe ausschließen können. Der Zustand ihres Krankenzimmers sei zudem „geradezu messiehaft“ gewesen. Sie habe benutztes Besteck und Geschirr gesammelt gehabt und es zusammen mit Essensresten in Mülltüten gewickelt und in ihrem Zimmer herumliegen lassen. Die dadurch bedingten hygienischen Zustände hätten bereits den Bereich der Eigengefährdung erreicht gehabt.
419Am 19.11.2020 sei es dann zu einer weiteren, bislang letzten Absonderung der Beschuldigten gekommen, weil sie abermals verbal aggressiv, beleidigend und provokant gegenüber Mitpatienten und Personal geworden sei. Darüber hinaus habe sie im Gemeinschaftsraum Essensreste mit Kot auf einem Teller drapiert. Sie habe ganz offenkundig auch die Toilette nicht mehr benutzt, sondern es „vorgezogen, ihr großes Geschäft in einen Müllbeutel zu verrichten“ bzw. Urin in unterschiedlichen Behältnissen zu sammeln. Insoweit hätten erneut unhaltbare hygienische Zustände in ihrem Krankenzimmer geherrscht, gegen die man seitens der Klinik habe einschreiten müssen. Die Patientin habe sich insoweit allerdings zu keinem Zeitpunkt absprachefähig gezeigt.
420Die Beschuldigte sei insgesamt nicht krankheitseinsichtig und sei vielmehr stets damit beschäftigt, ihre eigene Person – ganz im Sinne einer paranoid-querulatorischen Persönlichkeit – hervorzuheben und andere – Mitpatienten wie Klinikpersonal - geringzuschätzen. Allerdings gehe ihr Verhalten darüber hinaus deutlich und massiv „ins Wahnhafte“, wenn sie zum Beispiel – wie wiederholt im Laufe der einstweiligen Unterbringung in der Klinik geschehe – ihre Zimmerwände mit Müllbeuteln abklebe. Die Behandlung der Patientin sei zunächst auf der Grundlage der Arbeitsdiagnose einer schizoaffektiven Störung erfolgt. Auf die Tatvorwürfe angesprochen, habe sie ihm gegenüber wiederholt ausgeführt, es handele sich doch „nur um kleinere Delikte“ und sie „bei weitem nicht so krank wie die anderen“. Eine nähere Qualifikation ihrer Taten nehme sie ganz offensichtlich nicht vor, wie auch eine mehr oder weniger nachhaltige Auseinandersetzung mit diesen insgesamt fehle.
421Derzeit sei der Patientin die morgendliche und abendliche Einnahme von Amisulprid – eines Wirkstoffs mit antipsychotischer Wirkung – verordnet. In der Zeit zwischen dem 17.06.2020 bis zum 24.06.2020 habe sie jeweils 200 mg, zwischen dem 25.06.2020 bis zum 30.07.2020 jeweils 300 mg und seit dem 30.07.2020 jeweils 400 mg in Tropfenform verabreicht erhalten. Durch die Medikation habe sich die Beschuldigte – wie sie ihm gegenüber erklärt habe – zwar „geordneter und weniger getrieben gefühlt“. Gleichwohl habe sie am 30.09.2020 gegenüber dem Pflegepersonal angegeben, das Medikament nicht mehr nehmen zu wollen und es auch „tatsächlich nie genommen“ zu haben. Letzteres halte er eigentlich für ausgeschlossen, da die Verabreichung der Tropfen stets in Gegenwart des Pflegepersonals erfolge und insoweit die Möglichkeiten der Patientin, das Medikament nicht einzunehmen oder wieder auszuspucken, weitgehend reduziert sei. Seit dem 30.09.2020 nehme die Beschuldigte aufgrund ihrer erklärten Weigerungshaltung daher keine Medikamente mehr zu sich. Entsprechend sei der erforderliche Wirkspiegel bei der Spiegelkontrolle inzwischen sicherlich deutlich unterschritten. Näheres könne er hierzu jedoch nicht sagen, da die Beschuldigte auch die für eine regelmäßige Spiegelkontrollen erforderlichen Blutentnahmen derzeit ablehne.
422Insgesamt sei eine nennenswerte Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes der Beschuldigten seit Beginn der vorläufigen Unterbringung nicht eingetreten. Die Beschuldigte nutze zwar mitunter das Angebot zu Einzelgesprächen, das im Rahmen der Therapie bestehe. Soweit sie diese Einzelgespräche dann tatsächlich durchführe, nutze sie diese aber eher, um andere Angelegenheiten des Klinikalltags zu klären und ihre Beschwerden bzw. Anliegen anzubringen. Häufig beginne sie in diesem Zusammenhang Diskussionen über aus ihrer Sicht rückblickend nicht vorhandene Absonderungsgründe oder Fragen des Verschließens ihres Zimmerfensters. Letztere seien vor wenigen Wochen akut geworden, nachdem die Beschuldigte – was sie nach wie vor in Abrede stelle – aus dem (teilweise) geöffneten, zum Innenhof der Klinik gerichteten Fenster ihres Krankenzimmers heraus sexualisierte Äußerungen in Richtung der gegenüberliegenden Männerstation gerufen und sich in sexuell aufreizender Pose vor dem Fenster entblößt habe.
423Von einer Therapie könne man derzeit bei der Beschuldigten nach alldem leider insgesamt bislang (noch) nicht sprechen. Dabei wolle man über Therapiegespräche gerne die Krankheitseinsicht bei der Beschuldigten fördern.
424Eine wirkungsvolle Behandlung bei der Beschuldigten sei ohne eine nachhaltige dauerhafte Medikation nicht möglich. Dies gelte bereits aufgrund des festzustellenden „affektiven Überbaus“. Eine selbstständige Medikamenteneinnahme sei angesichts ihres bisherigen ablehnenden Verhaltens und der bislang fehlenden Medikamentencompliance mehr als unwahrscheinlich. Selbst eine – zudem nicht in allen Fällen ausreichend wirksame bzw. hinreichend verträgliche – Depotmedikation bedürfe einer gewissen Krankheitseinsicht, die bislang aus therapeutischer Sicht nicht vorhanden sei.
425Soweit man die Beschuldigte auf die unhygienischen Zustände in ihrem Zimmer oder auch den von ihr mit Essensresten vermengten Kot im Gemeinschaftsraum anspreche, so verneine sie diese Zustände einfach oder bestreite, Urheberin zu sein. Soweit sie sich selbst erkennbar ekele oder entsprechende Ekelzustände verbalisiere, richte sich dieses Ekelempfinden erkennbar im Grunde eigentlich nur dagegen, Teil einer Gemeinschaft mit anderen Menschen zu sein. Ihr Zimmer, also ihren eigenen Rückzugsbereich, nehme sie hingegen vollkommen heraus. Eine nennenswerte Verbesserung ihres Zustandes sei nach seiner Einschätzung allein mit Hilfe einer dauerhaften Medikation zu erwarten.
426Die Angaben des auch als Person glaubwürdig und authentisch wirkenden Sachverständigen Zeugen I4 sind insgesamt glaubhaft. Als Diplom-Psychologe und langjährig erfahrener Mitarbeiter im LWL-Zentrum verfügt er über eine ausreichend breite Kenntnislage zur Beurteilung des Krankheitsbildes und des krankheitsbedingten Verhaltens der Beschuldigten. Im Übrigen hat er – auch auf konkrete Nachfragen seitens des Gerichts und der übrigen Verfahrensbeteiligten – detaillierte, sachliche, differenzierte und kenntnisreiche Ausführungen vorzunehmen vermocht, die – soweit er als Sachverständiger sein Gutachten erstattet hat – aus Sicht der Kammer nachvollziehbar und überzeugend und daher – nach eigener Sachprüfung durch die Kammer – den weitergehenden Feststellungen zum bisherigen Verlauf der vorläufigen Unterbringung insgesamt zugrunde gelegt werden konnten.
427Die Beschuldigte hat es überdies auch im Rahmen der Vorführung zur Hauptverhandlung stets auffallend und für die Kammer offensichtlich vermieden, auf dem ihr in der Anklagebank zugewiesenen Stuhl Platz zu nehmen, ohne zuvor wenigstens ein mitgebrachtes Blatt Papier auf die Sitzfläche gelegt zu haben.
428VI.
4291.
430Das Sicherungsverfahren betreffend hat die Beschuldigte nach den getroffenen Feststellungen zu Ziffer III. 1. in objektiver Hinsicht und mit Vorsatz im natürlichen Sinne handelnd eine versuchte vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung (§§ 185, 194, 223, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB) zum Nachteil T2 sowie – tatmehrheitlich im Sinne des § 53 StGB dazu – eine versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (§§ 142, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB) zum Nachteil des Zeugen C2 verwirklicht.
431Eine Rechtfertigung der insoweit getätigten Äußerungen der Beschuldigten gegenüber T2 zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB kommt angesichts der jeweiligen Wortwahl und des Kontextes der Äußerungen nicht in Betracht. Die Geschädigte hat rechtzeitig Strafantrag gegen die Beschuldigte gestellt, § 194 Abs. 1 StGB.
432Die Kammer hat auch geprüft, ob die Beschuldigte von dem Versuch der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen C2 freiwillig im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB zurückgetreten ist. Dies hat sie im Ergebnis verneint. Es handelt sich um einen Fall des fehlgeschlagenen Versuchs, bei welchem ein strafbefreiender Rücktritt des Täters nicht mehr möglich ist.
433Aus Sicht der Beschuldigten lag ein beendeter Versuch noch nicht vor, da sie nach der letzten Ausführungshandlung – dem Anfahren mit dem Pkw und der Kollision mit dem Zeugen – erkannte hatte, dass sie den Zeugen C2 weder verletzt noch ihm Schmerzen zugefügt hatte. Sie erkannte, dass aufgrund ihrer bisherigen Tathandlung eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung des Zeugen C2 im Sinne des §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht eingetreten war.
434Der Versuch war jedoch aus Sicht der Beschuldigten fehlgeschlagen mit der Folge, dass ein (strafbefreiender) Rücktritt nicht mehr in Betracht kommt. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende subjektive Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (BGH, Beschluss vom 11.03.2014 − 1 StR 735/13, NStZ 2014, 396). Dies ist hier der Fall.
435Die Beschuldigte ging, nachdem der Zeuge C2 zur Seite gesprungen und auf den Gehweg ausgewichen war, davon aus, dass sie ihn aufgrund seines Zurückweichens und des für sie unbefahrbaren Gehwegs nicht erneut – jedenfalls nicht ohne umständliche, auch ein zwischenzeitliches Rückwärtsfahren bedingende Fahrmanöver – anfahren und ihm deswegen nunmehr mit ihrem Pkw weder Verletzungen noch Schmerzen würde zufügen können. Wegen des aus ihrer Sicht objektiv nicht mehr möglichen Erfolgseintritts, sah sie von weiteren Versuchen, auf den Zeugen C2 zuzufahren, ab.
4362.
437Unter Berücksichtigung der bereits in der Hauptverhandlung erfolgten Teileinstellungen und der erteilten rechtlichen Hinweise – insbesondere den Übergang in das Strafverfahren betreffend – sowie auf der Grundlage der danach verbleibenden Anklagevorwürfe hat sich die Beschuldigte (als Angeklagte) – das Strafverfahren betreffend – nach den unter Ziffer III. 2. – 18. getroffenen Feststellungen wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beleidigung, (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, Sachbeschädigung in drei Fällen, Diebstahls, Urkundenfälschung und Beleidigung schuldig und strafbar gemacht,
438Vergehen, strafbar gemäß §§ 185, 194, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 230, 242 Abs. 1, 248a, 263 Abs. 1, Abs. 4, 267 Abs. 1, 303, 303c, 52, 53 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG.
439Im Einzelnen:
440a)
441Nach den zu Ziffer III. 2. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zum Nachteil der Zeugin T gemäß §§ 223 Abs. 1, 185, 194, 52 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie die Zeugin T zunächst als „Hurensohn“, dann – korrigierend – als „Hurentochter“ und „Fotze“ bezeichnete und der Zeugin T sodann mit der Faust gegen das Kinn schlug sowie ihr mit ihrem – mit einem Turnschuh beschuhten – Fuß gegen das linke Schienbein trat.
442Soweit der Beschuldigten durch den Tritt mit dem beschuhten Fuß eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 StGB vorgeworfen wurde, hat die Kammer das Vorliegen der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB letztlich nicht zu bejahen vermocht. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass es für die Frage, ob der Schuh am Fuße als ein gefährliches Werkzeug im Sinne der Norm anzusehen ist, auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, z. B. auf die Beschaffenheit des Schuhs oder mit welcher Heftigkeit und gegen welchen Körperteil mit dem beschuhten Fuß getreten wird. Für die Beurteilung maßgebend ist insoweit, ob der Gegenstand nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. So ist nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ein Straßenschuh von üblicher Beschaffenheit regelmäßig als gefährliches Werkzeug anzusehen, wenn damit, mit welcher Stelle des Schuhs auch immer, einem Menschen in das Gesicht getreten wird, ohne dass dies näherer Begründung bedarf.
443Vorliegend war der Fuß der Beschuldigten jedoch mit einem – regelmäßig über eine weiche Gummisohle verfügenden – Turnschuh der heute üblichen Art beschuht, sodass sich eine Qualifizierung als gefährliches Werkzeug im Sinne der Norm nicht bereits allein oder wesentlich auf die äußere Beschaffenheit des Schuhs stützen lässt. Sie lässt sich vorliegend nach Auffassung der Kammer aber auch nicht auf die konkrete Art der Verwendung des Turnschuhs zurückführen. Die Beschuldigte traf die Zeugin T an deren Unterschenkelinnenseite links, was zwar schmerzhaft war und eine erhebliche Verletzung nach sich zog, jedoch keine Verletzung an einem besonders empfindlichen Körperteil darstellt.
444Eine Rechtfertigung der jeweiligen Äußerungen der Beschuldigten gegenüber der Zeugin T zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB kommt angesichts der jeweiligen Wortwahl und des jeweiligen Kontextes der Äußerungen nicht in Betracht.
445Die Geschädigte hat rechtzeitig Strafantrag gegen die Beschuldigte gestellt, §§ 194 Abs.1, 230 StGB.
446b)
447Nach den zu Ziffer III. 3. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wiederum wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zum Nachteil der Zeugin C3 gemäß §§ 223 Abs. 1, 185, 194, 52 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie die Zeugin C3 als „fette Hure“ bezeichnete, ihr mit der flachen Hand auf die Wange sodann mit den Händen mehrfach ins Gesicht und gegen den Brustkorb schlug sowie mit dem – mit einer alltagsüblichen Stiefelette beschuhten – Fuß mehrfach gegen das Schienbein und den Knöchel trat.
448Soweit der Beschuldigten auch bezüglich dieser Tritte mit dem beschuhten Fuß darüber hinaus eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zur Last gelegt wurde, hat die Kammer – unter Berücksichtigung der soeben unter VI. 2. a) ausgeführten Grundsätze – eine gesteigerte Gefährlichkeit weder bereits allein oder wesentlich auf die Beschuhung des Fußes noch auf deren konkrete Art der Verwendung zurückführen können und insoweit die Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB abermals nicht als erfüllt angesehen.
449Eine Rechtfertigung der in Rede stehenden Äußerung der Beschuldigten gegenüber der Zeugin C3 zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB kommt angesichts der Wortwahl und des Kontextes der Äußerung nicht in Betracht.
450Die Geschädigte hat rechtzeitig Strafantrag gegen die Beschuldigte gestellt, §§ 194 Abs. 1, 230 StGB.
451c)
452Nach den zu Ziffer III. 4. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin C4 gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie der Zeugin C4 mehrfach mit einem Gurkenglas von oben auf den Kopf schlug.
453Bei dem Glas handelt es sich auch um ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Zwar hat die Kammer im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGH NStZ 2007, 95 zu Schlägen mit einem Ledergürtel bei leichten Hautrötungen) berücksichtigt, dass es nicht ausreichend ist, dass ein Werkzeug – wie hier das Gurkenglas – nur grundsätzlich geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr erst dann ein gefährliches Werkzeug, wenn er nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2002, 88 m. w. N.). Dies ist hier jedoch der Fall.
454Das (handelsübliche) Gurkenglas verfügte nach seiner objektiven Beschaffenheit über einen dicken, stabilen Glasboden, welcher allein bereits als festes Schlagwerkzeug geeignet ist; darüber hinaus verfügt es über zerbrechlichere Glasseiten, die im Falle des Einsatzes als Schlagwerkzeug zerbrechen können und ihrerseits – insbesondere durch Schnitte im Kopf- und Halsbereich – zu erheblichen Verletzungen führen können (vgl. hierzu LG Aachen, Urteil vom 05.12.2011 - 71 Ns-1 Js 218/08-61/11). Indem die Beschuldigte das Glas mehrfach von oben auf den Kopf der Zeugin schlug, verwendete sie es in eben dieser konkreten Art in einem empfindlichen Körperbereich.
455Zwar führte die Beschuldigte der Zeugin durch die Schläge mit dem Glas nur geringfügige Verletzungen zu, jedoch war die konkrete Verwendung des Werkzeugs – also die Schläge mit dem Gurkenglas auf den Kopf – potentiell gefährlich, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Davon, dass die Beschuldigte diese erheblichen Verletzungsfolgen auch herbeiführen wollte, ist bereits im Hinblick auf die konkrete Art und Verwendung des Werkzeugs auszugehen.
456d)
457Nach den zu Ziffer III. 5. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie die Reifen des Fahrrads mit einer Schere zerstach.
458Soweit sie auch ein mit Urin gefülltes Glas gegen die Eingangstür der Anschrift T4-straße 16 in I warf, blieb der in dem Glas befindliche Urin zwar an der Tür haften und zog er auch in den auf dem Fußboden verlegten Teppich ein. Eine Beschädigung oder Zerstörung der Tür und des Teppichs sowie eine Veränderung des Erscheinungsbildes i.S.d. § 303 StGB hat die Kammer hierin jedoch nicht erkannt. Sowohl Tür als auch Teppich konnten kurzfristig gereinigt werden.
459Der Berechtigte hat rechtzeitig Strafantrag gegen die Beschuldigte gestellt, § 303c StGB.
460e)
461Nach den zu Ziffer III. 6. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte ebenfalls wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie die Klingel- und Gegensprechanlage mit Kot verschmierte, der derart in die Anlage eindrang, dass hierdurch zumindest vorübergehend die bestimmungsgemäße Nutzung ausschlossen war.
462Zwar wurde die Substanz der o.g. Anlage durch die Verunreinigung nicht (dauerhaft) verletzt, denn letztlich konnte sie nach aufwendigen Reinigungsmaßnahmen wieder vollständig eingesetzt werden. Jedoch ist nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung eine solche Substanzverletzung auch nicht notwendig. Vielmehr ist ein Beschädigen i.S.d. § 303 StGB auch dann gegeben, wenn die Einwirkung auf eine Sache diese so verändert, dass deren bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unwesentlich gemindert ist und sie sich deswegen – jedenfalls vorübergehend – nicht mehr in vollem Umfang ihrer Funktion (Widmung) entsprechend nutzen lässt. Dies ist vorliegend gegeben. Die Anlage musste erst durch mehrere Stunden andauernde Reinigung gesäubert werden, um – schon allein im Hinblick auf die Gegensprechfunktion der Anlage – wieder genutzt werden zu können.
463Der Berechtigte hat rechtzeitig Strafantrag gegen die Beschuldigte gestellt, § 303c StGB.
464f)
465Nach den zu Ziffern III. 7., 8., 10. und 11. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte jeweils wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig und strafbar gemacht, indem sie jeweils mit ihrem PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen 000-00 000, im öffentlichen Straßenverkehr fuhr, obwohl ihr zuvor – wie sie auch wusste – die Fahrerlaubnis mit Ordnungsverfügung vom 22.01.2020, vollstreckbar seit dem 23.01.2020 und unanfechtbar seit dem 24.02.2020, durch die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Herne entzogen worden war und sie deshalb zum Führen des Pkw nicht (mehr) berechtigt war.
466g)
467Nach den zu Ziffer III. 9. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wegen Betruges in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 4, 248a, 52 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig und strafbar gemacht, indem sie ihren PKW VW Golf an der Selbstbedienungstankstelle mit Benzin betankte und sodann – ohne das Benzin bezahlen zu wollen oder zu bezahlen – vom Tankstellengelände mit ihrem o.g. Pkw herunterfuhr. Die Fahrerlaubnis war ihr – wie bereits ausgeführt und der Beschuldigten bewusst – zuvor entzogen worden.
468Indem sie im Rahmen des Tankvorgangs als Kundin auftrat und sich wie eine solche verhielt, brachte sie – der Wahrheit zuwider – durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck, dass sie das Benzin nach dessen Erhalt bezahlen werde, obgleich sie selbst keineswegs vorhatte, den anfallenden Kaufpreis zu entrichten. Die Beschuldigte handelte insoweit vorsätzlich und in der Absicht, sich letztendlich durch den Erhalt des letztlich nicht bezahlten Treibstoffs einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
469Die insoweit angesichts der nach neuerer obergerichtlicher Rechtsprechung zur maßgeblichen Wertgrenze von 50 Euro vorliegend (gerade noch) gegebenen Geringwertigkeit des entstandenen Schadens hinsichtlich des Betruges gemäß § 263 Abs. 4 StGB i.V.m. § 248a StGB geforderten besonderen Strafverfolgungsvoraussetzungen sind erfüllt, da jedenfalls die Strafverfolgungsbehörde eine Strafverfolgung wegen der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen für geboten hielt. Denn durch die Aufnahme des Vorwurfs in einer Antragsschrift bzw. eine diesbezügliche Erhebung der Anklage hat die Staatsanwaltschaft zumindest konkludent das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht, da sich aus den Umständen – insbesondere aus der vorliegenden Antragsschrift selbst – nichts anderes ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.1954 – 3 StR 869/53 – zitiert nach juris).
470h)
471Nach den zu Ziffer III. 12. und 13. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte zunächst (III. 12.) wegen Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 248a StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie die amtlichen Kennzeichen eines anderen Pkw abschraubte und an sich nahm, um diese unter dauerhaftem Ausschluss des Berechtigten zumindest vorübergehend wie ein Eigentümer für eigene Zwecke zu verwenden.
472Auch insoweit sind die angesichts der gerade noch anzunehmenden Geringwertigkeit des (unter der Wertgrenze von 50 Euro liegenden Werts des) in Rede stehenden Diebesguts gemäß § 248a StGB geforderten besonderen Strafverfolgungsvoraussetzungen erfüllt, da jedenfalls die Strafverfolgungsbehörde eine Strafverfolgung wegen der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen für geboten hielt. Diesbezüglich wird auf die obigen (unter VI. 2. g) gemachten) Ausführungen Bezug genommen.
473Desweiteren (III. 13.) hat sich die Beschuldigte sodann wegen Urkundenfälschung in der Variante des Gebrauchmachens einer unechten zusammengesetzten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie die zuvor entwendeten Kennzeichen an ihrem eigenen Pkw, für den die amtlichen Kennzeichen – wie sie wusste – nicht ausgegeben waren, anbrachte und ihren Pkw dann im öffentlichen Verkehrsraum parkte.
474i)
475Nach den zu Ziffer III. 14. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wegen Urkundenfälschung in der Variante des Gebrauchmachens einer unechten zusammengesetzten Urkunde in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß §§ 267 Abs. 1 Alt. 3, 52 StGB, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG schuldig und strafbar gemacht, indem sie ihren PKW, an dem sich die zuvor entwendeten und nicht für diesen PKW ausgegebenen amtlichen Kennzeichen 000-0 0000 befanden, im öffentlichen Straßenverkehrs bewegte und in Höhe der C1-straße 133 in I abstellte. Die Fahrerlaubnis war ihr – wie bereits ausgeführt und ihr bekannt – zuvor entzogen worden.
476j)
477Nach den zu Ziffer III. 15. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie eine Wasserflasche an der Sicherheitstür zerschlug, wodurch Kratzer am Türblatt und ein reparaturbedürftiger Holzbruch an der Türzarge hervorgerufen wurden.
478Der Berechtigte hat rechtzeitig Strafantrag gegen die Beschuldigte gestellt, § 303c StGB.
479k)
480Nach den zu Ziffer III. 16. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte wegen Beleidigung gemäß §§ 185, 194 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie den Zeugen PK T1 unter anderem als „scheiß Rassist“ und „scheiß rassistischer Polacke“ bezeichnete und ihm gegenüber äußerte, er sähe „aus wie ein Polacke“.
481Eine Rechtfertigung der jeweiligen Äußerungen der Beschuldigten gegenüber dem Zeugen T1 zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB kommt angesichts der jeweiligen Wortwahl und des jeweiligen Kontextes der Äußerungen nicht in Betracht. Der Geschädigte hat rechtzeitig Strafantrag gegen die Beschuldigte gestellt bzw. durch seinen Dienstvorgesetzten stellen lassen, § 194 Abs. 1, Abs. 3 StGB.
482l)
483Nach den zu Ziffer III. 17. und 18. getroffenen Feststellungen hat sich die Beschuldigte jeweils wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeuginnen D und K1 gemäß § 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig und strafbar gemacht, indem sie jeweils ein gefülltes Gurkenglas in Richtung des Kopfs bzw. Oberkörpers der Zeuginnen warf, um sie zu treffen und körperlich zu verletzen, die Zeuginnen jedoch – jeweils nur einem glücklichen Zufall geschuldet – in beiden Fällen knapp verfehlte.
484Bei dem Glas handelt es sich jeweils auch um ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Dabei hat die Kammer – wie zuvor bereits näher ausgeführt – ihrer Würdigung zugrunde gelegt, dass ein Gegenstand erst dann ein gefährliches Werkzeug ist, wenn er nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen.
485Das jeweils verwendete (handelsübliche) Gurkenglas verfügte nach seiner objektiven Beschaffenheit über einen dicken, stabilen Glasboden und über zerbrechlichere Glasseiten. Bei Einsatz eines solchen Glases als Wurfgeschoss besteht die potentielle Gefährlichkeit darin, das Zielobjekt – insbesondere mit dem stabileren Glasboden – zu treffen sowie darin, dass das Glas an dem Zielobjekt zerbricht und die Scherben ihrerseits – insbesondere im Kopf- und Halsbereich eines Menschen – zu erheblichen Verletzungen führen. Indem die Beschuldigte jeweils das Glas in Richtung der Zeuginnen D und K1 warf, bestand diese potentielle Gefährlichkeit. Davon, dass die Beschuldigte diese erheblichen Verletzungsfolgen auch herbeiführen wollte, ist bereits im Hinblick auf die konkrete Art und Verwendung des Werkzeugs auszugehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beschuldigte auch in Richtung des Kopfes der Zeuginnen warf.
486Insoweit kam jeweils ein freiwilliger Rücktritt der Beschuldigten vom jeweiligen Versuch der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 24 Abs. 1 StGB schon deshalb nicht in Betracht, weil in beiden Fällen eine Tatbestandsverwirklichung sowohl objektiv als auch subjektiv nicht mehr möglich und der jeweilige Versuch bereits fehlgeschlagen war. Das Gurkenglas hatte das Angriffsopfer jeweils verfehlt und war in einer für die Beschuldigte nicht ohne Weiteres erreichbaren Sphäre zu Boden gegangen bzw. bereits zerbrochen. Dass die Beschuldigte bei dieser Sachlage ihren ursprünglichen Plan, die Zeuginnen mit den Gläsern zu treffen und zu verletzten, ohne zeitliche Zäsur bzw. ohne weitere wesentliche Zwischenschritte nicht mehr verwirklichen konnte, hatte sie ebenfalls erkannt.
487m)
488Die Beschuldigte handelte in sämtlichen Fällen rechtswidrig. Die Taten stehen zueinander in Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB.
489VII.
490Das Tatgeschehen zu Ziffer III. 1 betreffend war die Beschuldigte infolge einer wahnhaften Störung (ICD-10: F 22.0) krankheitsbedingt sicher erheblich in ihrer Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt. Sie handelte insoweit überdies nicht ausschließbar in einem Zustand krankheitsbedingt aufgehobener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht ihres Handelns und somit der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB.
491Im Rahmen des jeweiligen Tatgeschehens zu Ziffern III. 2. bis 18. handelte die Beschuldigte jeweils schuldhaft. Sie war insoweit allerdings – bei jeweils sicher vollständig erhaltener Einsichtsfähigkeit – wiederum jeweils infolge einer wahnhaften Störung (ICD-10: F 22.0) krankheitsbedingt sicher erheblich in ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt.
4921.
493Nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie / Forensische Psychiatrie Priv.-Doz. Dr. M aus E leidet die Beschuldigte unter einer wahnhaften Störung (ICD-10: F 22.0). Hierunter fielen Störungen, bei denen ein lang andauernder einzelner Wahn bzw. mehrere aufeinander bezogene Wahninhalte das einzige oder wesentliche klinische Charakteristikum ist bzw. sind, und die nicht als organisch, schizophren oder affektiv klassifiziert werden können. Aufgrund dieser Störung sei die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten hinsichtlich der vorliegend unter Ziffern III. 2. – III. 18. festgestellten Taten sicher erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB gewesen. Betreffend das Tatgeschehen vom 30.10.2019 (Ziffer III. 1.) sei hingegen bereits die Einsichtsfähigkeit sicher erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB gewesen, nicht ausschließbar sei insoweit sogar eine Aufhebung ihrer Einsichtsfähigkeit und mithin das Vorliegen einer Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB.
494Der Sachverständige Dr. M hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, er habe erstmals im März 2017 im Rahmen eines Begutachtungsauftrages aufgrund eines zuvor an die Strafverfolgungsbehörden erfolgten Hinweises der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen auf psychische Auffälligkeiten der damals dort einsitzenden Beschuldigten Kontakt zu dieser gehabt, allerdings ein Explorationsgespräch mit der Beschuldigten wegen ihrer damals verweigernden Haltung nicht führen, sondern ausschließlich eine Beurteilung nach Lage der ihm damals verfügbaren Akten vornehmen können. Daraus sei damals ersichtlich gewesen, dass ein für die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen tätig gewordener Konsiliarpsychiater der Beschuldigten eine „hysterische Persönlichkeit“ attestiert habe. Auch habe sich aus einem im Rahmen eines bezüglich der Beschuldigten durchgeführten Betreuungsverfahrens des Amtsgerichts Herne eingeholten Gutachten des Sachverständigen H vom 17.11.2015 die Diagnose einer „impulsiven Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen Zügen“ ergeben. Augenfällig sei nach damaliger Aktenlage gewesen, dass von Fachleuten wie von Laien im Umgang mit der Beschuldigten durchgängig eine vorhandene leichte Erregbarkeit mit überschießender Wut und Aggressivität bzw. ein anderen Menschen gegenüber übergriffiges und distanzloses, teilweise bereits ritualisierend und perseverierend wirkendes Verhalten der Beschuldigten beschrieben worden sei, wobei als Ausgangspunkt zumeist unauffällige normale Alltagssituationen angegeben worden seien.
495Aus dem soeben erwähnten Gutachten des Sachverständigen Dr. H sei zudem ersichtlich gewesen, dass andere Fachärzte (insbesondere des St. N1) in den Jahren zuvor an die Entwicklung einer atypischen schizophren-psychotischen Erkrankung der Beschuldigten gedacht hätten. Vor diesem Hintergrund sei damals aus seiner Sicht der aktenkundig gemachte Umstand auffällig gewesen, die Beschuldigte habe sich während ihres Aufenthalts in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen offenbar „speziell beobachtet“ gefühlt.
496Wenngleich im damaligen Begutachtungszeitpunkt des Jahres 2017 bereits über lange Zeiträume hinweg immer wieder eingetretene affektive Entgleisungen der Beschuldigten und deren offenbar vorhandene vollständige Distanzlosigkeit einen Hinweis darauf abgegeben hätten, dass bei der Beschuldigten eine affektiv-psychotische Grunderkrankung vorliegen könnte (z.B. gereizte Manie), habe er schon seinerzeit darauf hingewiesen, dass die weiter aktenkundigen Anamnesedaten nicht übersehen werden dürften. Schließlich hätten der – bereits damals in Rede stehende – ritualisiert wirkende Einsatz von Urin, eine möglicherweise ritualisiert wirkende Nutzung von Notrufnummern ohne tatsächlich bestehende Gefahr und die Tatsache einer von der Beschuldigten im Strafvollzug empfundenen „speziellen Beobachtung“ schon zum damaligen Zeitpunkt insgesamt die Vermutung nahegelegt, dass bei der Beschuldigten „mehr als eine affektive Grunderkrankung“ vorliege. Die letztgenannte Symptomatik habe für ihn seinerzeit eher auf das Vorliegen einer endogenen psychotischen Grunderkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis hingedeutet. Hierzu habe auch der aktenkundige Lebensstil der Beschuldigten ohne erkennbare nennenswerte psychosoziale Kontakte außerhalb des Familienkreises gepasst.
497Mit Blick auf den Umstand, dass trotz der seinerzeit dokumentierten, bereits erheblichen Auffälligkeiten der Beschuldigten über Jahre hinweg noch wenig krankheitsbezogene Anamnesedaten aktenkundig gewesen seien, sei er in seinem damaligen Gutachten vom 30.03.2017 letztendlich jedoch nicht zu einer ganz eindeutigen abschließenden diagnostischen Einschätzung gelangt und davon ausgegangen, dass „mit eher größerer Wahrscheinlichkeit“ bei der Beschuldigten „ein Mischbild aus affektiver Psychose und endogener Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis“ vorliege. Wörtlich habe er damals ausgeführt: „Diese Erkrankung wäre als schizoaffektive Psychose zu bezeichnen.“ Er habe jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich insoweit allenfalls um eine – lediglich nach Aktenlage gebildete – „Arbeitshypothese“ handele.
498Seinerzeit habe man aber bereits generell feststellen können, dass eine „massive psychische Erkrankung der Untersuchten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt“, welche die Ebene einer bloßen Persönlichkeitsstörung übersteige und als krankhafte seelische Störung aufzufassen sei. Er – der Sachverständige Dr. M – sei daher abschließend im Jahre 2017 zur sicheren Annahme einer krankheitsbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten gelangt. Ob es an ihrer grundsätzlichen Einsichtsfähigkeit, Straftaten zu unterlassen, fehle, habe er jedoch damals ausdrücklich nicht hinreichend sicher feststellen können, sondern lediglich allgemein eine grundsätzliche Eignung der Erkrankung zu einer Beeinträchtigung (auch) der Einsichtsfähigkeit – in welchem Ausprägungsgrad auch immer – konstatiert.
499Vor diesem Hintergrund sei er (der Sachverständige Dr. M) „mehr als verwundert“ gewesen, als er im Rahmen des vorliegenden Gutachtenauftrags, den er Ende Mai 2020 von der Staatsanwaltschaft Bochum erhalten habe, gelegentlich des Aktenstudiums festgestellt habe, dass unter Bezugnahme auf seine angeblich dahingehende gutachterliche Einschätzung im März 2017 nachfolgend über Jahre hinweg offensichtlich eine Vielzahl strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte „wegen Schuldunfähigkeit“ eingestellt worden seien.
500Der Sachverständige Dr. M hat weiter ausgeführt, er habe im Rahmen des im vorliegenden Verfahren erteilten Gutachtenauftrags in zwei verschiedenen Sitzungen im August 2020 – nämlich am 14.08.2020 und am 21.08.2020 – die Beschuldigte (erstmals) persönlich explorieren können. Das zweite Explorationsgespräch sei dabei erforderlich geworden, nachdem die Beschuldigte im Rahmen des ersten Gesprächs immer wieder die Gesprächsführung an sich gerissen und „über Stunden monologisiert“ habe, wobei sie „ohne Punkt und Komma“ ausschweifend berichtet, teilweise „in videographischer Genauigkeit und Breite“ insbesondere die angeblichen Missstände in der Klinik dargestellt und ihm „einen ganzen Stapel vorbereiteter Unterlagen vorgelesen“ habe, sodass er über breite Strecken des ersten Gesprächstermins kaum dazu gekommen sei, seine Fragen zur Anamnese zu stellen bzw. beantwortet zu bekommen. Im Rahmen des zweiten Gesprächstermins sei es ihm dann – nach einem anfänglichen „neuerlichen Redeschwall“ der Beschuldigten, in dem diese ihn wegen der angeblich „langen Wartezeit seit dem ersten Gespräch zunächst massiv angegangen“ sei – aber gelungen, die erforderlichen Anamnesedaten zu erheben.
501Die Beschuldigte sei während der Untersuchungstermine – wie auch in der Hauptverhandlung – in allen Qualitäten (örtlich, zeitlich und zur eigenen Person) allseits orientiert gewesen. Der formale Gedankengang sei prinzipiell beschleunigt gewesen, aber in sich schlüssig und kohärent. Die kognitive und konzentrative Leistungsfähigkeit der Beschuldigten sei uneingeschränkt gewesen. Das Sprachverhalten sei – insbesondere am ersten Explorationstag – über weite Gesprächssequenzen logorrhoeisch und ihre Stimmung sei indifferent gewesen, wobei eine affektive Modulationsfähigkeit nicht habe beobachtet werden können.
502Nach seinem persönlichen Eindruck von der Beschuldigten, dem Studium des vorliegenden Aktenmaterials und der durchgängig erfolgten Teilnahme an der Hauptverhandlung im vorliegenden Verfahren habe er (der Sachverständige Dr. M) sich nunmehr von seiner damaligen „Arbeitshypothese“ einer schizoaffektiven Psychose gelöst und sei stattdessen zur Diagnose einer wahnhaften Störung (ICD-10: F 22.0) gelangt. Dabei handele es sich um ein seltenes Krankheitsbild, welches besonders schwierig zu behandeln sei, weil die Patienten – krankheitsimmanent – zumeist keine oder allenfalls rudimentäre Krankheitseinsicht hätten und daher in der Regel eine unbedingt erforderliche Medikation ablehnen würden. Das Krankheitsbild bei der Beschuldigten sei ausgeprägt, wirke stark chronifiziert und sei bislang noch nicht behandelt worden. Erschwerend hinzu komme der Umstand, dass der (derzeit noch im Ausgangspunkt verharrende) weitere Behandlungsverlauf bei wahnhaften Störungen genauestens zu beobachten sei, weil eine wahnhafte Störung in Ausnahmefällen auch eine noch schwerwiegendere psychiatrische Erkrankung überdecken könne. Insoweit sei einmal mehr ein besonders sorgsamer und behutsamer Umgang mit der Beschuldigten unbedingt vonnöten, um in psychiatrischer Hinsicht „nichts noch Gravierenderes zu übersehen“.
503Eine wahnhafte Störung sei durch die Entwicklung eines einzelnen Wahns oder mehrerer aufeinander bezogener Wahninhalte, die im Allgemeinen lange, manchmal lebenslang, andauern würden, charakterisiert. In diesem Sinne leide die Beschuldigte nicht an einem einzelnen, zentralen Wahnthema, sondern an mehreren Wahninhalten, wobei Wahn in diesem Zusammenhang ein seelischer Zustand sei, der von starker Ichbezogenheit und falschen Urteilen über die Realität geprägt sei und so zu unkorrigierbaren Überzeugungen führe. Die Beschuldigte lebe also – im Hinblick auf die Feststellungen zu ihrer Person und ihrer bisherigen Delinquenz bereits seit 15 Jahren und damit chronifiziert – in einer ausschließlich subjektiv wahrgenommenen – gleichsam „ihrer eigenen“ – Realität, ohne Reaktionen, Verhaltens- und Handlungsweisen, mögliche Intentionen von außenstehenden Personen zu sehen oder wahrzunehmen. Dies gelte gleichermaßen für ihr – wenngleich nur flüchtig – bekannte Personen (wie z.B. die Person ihres Vermieters) wie auch für ihr gänzlich fremde Dritte. Die Beschuldigte besitze keine Selbstreflexion und sehe sich allein stets im Recht. Absichten, Bedürfnisse, Erlebnisse und Wahrnehmungen anderer Personen nehme sie nicht zur Kenntnis. Ihre Kritikfähigkeit sei deutlich herabgesetzt.
504Im Rahmen der Verhaltensbeobachtung zeige sich – bei der wahnhaften Störung typisch – eine subjektive Sicht der Beschuldigten auf die Welt und die Realität, in der sie keinen Anteil an Dingen und Geschehnissen trage, mithin eine externale Kontrollattributierung. Aus ihrer Sicht erscheine als Realität nur das, was sie wahrnehme; diese subjektive Realität sei für die Beschuldigte stets wahrnehmungs- und handlungsbestimmend. Hierbei komme es – zumeist ohne feststellbaren äußeren Anlass – vermehrt zu Realitätsverkennungen, die zu aggressiven Gewaltausbrüchen führten.
505Die Beschuldigte habe zwar auch im Explorationsgespräch die mit ihr erörterten Tatvorwürfe bereits teilweise geständig eingeräumt. Ohnehin schlössen sich Wahnhaftigkeit und Intelligenz gerade nicht aus. Die Beschuldigte sei ohne Zweifel intelligent genug, (gegebenenfalls nach juristischer Beratung) zu verstehen, welches Verhalten im Verfahren für sie möglicherweise günstiger sei. Dennoch mache sie im Hinblick auf ihre strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen stets äußere Ereignisse oder andere Personen, von ihr oftmals diskreditierend beschrieben, verantwortlich. Deutliche Externalisierungstendenzen hätten sich beispielhaft darin gezeigt, wie sie im Rahmen des Explorationsgesprächs die (aus ihrer Sicht bestehende) „Schrecklichkeit des Klinikalltags“ – hier insbesondere die vermeintlich gänzlich fehlende Hygiene ihrer Mitpatienten und die Ausdünstungen der Toilette – in allen Nuancen beschrieben habe, während sie – wie der für die therapeutische Behandlung der Beschuldigten im Rahmen der einstweiligen Unterbringung zuständige Sachverständige Zeuge Diplom-Psychologe I4 in der Hauptverhandlung ausgeführt habe – selbst aufgrund der hygienischen Zustände in ihrem Patientenzimmer in die Gefahr einer Eigengefährdung gelange. Soweit ihr vorgehalten worden sei, sich am Fenster ihres Krankenzimmers stehend entblößt zu haben, um die Patienten der gegenüber liegenden Männerstation sexuell aufzureizen, habe sie diesen Vorwurf unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass ein Pfleger „ein Auge“ auf sie geworfen habe und dieser „bestimmt dahinter stecke“. Sie habe kein Interesse an Männern oder irgendwelchen sexuellen Handlungen, schließlich sei sie stolz darauf, eine „muslimische Jungfrau“ zu sein.
506Die vorhandene Störung sei – im Sinne des ICD-10 F 22.0 – auch nicht als organisch, schizophren oder affektiv zu klassifizieren: Zwar seien bei der Beschuldigten – mit den Worten des Sachverständigen im Sinne eines „kurzzeitigen Aufblitzens“ – immer wieder auch paranoide Züge dahingehend zu beobachten, dass andere Personen sie beeinträchtigten oder sich speziell auf sie bezögen. Wenngleich diese Ideen in Richtung einer paranoiden Wahrnehmung ihrer Umwelt gingen, so beherrschten sie doch gleichwohl nicht ihr Denken. Der jeweilige Wahninhalt bei der Beschuldigten sei grundsätzlich nicht bizarr und somit als schizophrenieuntypisch einzuschätzen. Ihre Wahnhaftigkeit wirke beinahe Ich-synton und es fehle auch an weiteren schizophreniformen Symptomen, insbesondere bestehe keine formale Auflockerung oder gar Zerfahrenheit; ihr Gedankengang sei vielmehr geordnet, schlüssig und kohärent.
507Hingegen seien eine Reihe maniformer Symptome bei der Beschuldigten zu beobachten. So sei der formale Gedankengang beschleunigt; sie verhalte sich logorrhoeisch bei gehobenem Antrieb und überaus „buntem äußeren Erscheinungsbild“. Allerdings seien diese Symptome – so prominent sie einem auch ins Auge fielen – nicht ausgeprägt genug, um eine Manie oder manische Phase zu belegen.
508Die vorliegende wahnhafte Störung (ICD-10: F 22.0) der Beschuldigten sei eine krankhafte seelische Störung im Sinne des Eingangsmerkmals des § 20 StGB. Diese Erkrankung führe in sämtlichen vorliegend abgeurteilten Fällen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer erheblichen Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB, aber sicherlich nicht zu deren Aufhebung.
509Die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten in das Unrecht ihres Verhaltens sei in diesen Fällen – anders als in dem besonders gelagerten und abweichend zu bewertenden, sogleich näher zu betrachtenden Tatgeschehen zu Ziffer III. 1. – keineswegs forensisch relevant beeinträchtigt, also weder erheblich reduziert noch gar ausgeschlossen. So habe die Beschuldigte beispielsweise mit Blick auf die Taten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis jeweils genau gewusst, dass man ohne Führerschein nicht mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen dürfe und dass sie selbst aufgrund der vorangegangenen Entziehung ihrer Fahrerlaubnis nicht mehr über eine solche verfüge. Auch habe sie die Taten im Zusammenhang mit den als Schlagwerkzeug oder Wurfgeschoss zum Einsatz gebrachten, mit Urin oder anderen Flüssigkeiten gefüllten Gurkengläsern jeweils gezielt geplant, vorbereitet und so konstelliert, um Verletzungen anderer hervorzurufen oder Sachschaden anzurichten. Sie habe sich insoweit im Vorfeld der Tat jeweils „regelrecht präpariert“. Gleichermaßen habe sie auch die Tatsituationen im Zusammenhang mit den übrigen, zu Ziffern III. 2. – 18. im Einzelnen festgestellten Taten jeweils selbst konstelliert und planmäßig durchgeführt.
510In den Fällen zu Ziffern III. 2. – 18. sei vor diesem Hintergrund jeweils von einem strukturierten Wahn einer intelligenten und uneingeschränkt einsichtsfähigen, allerdings jeweils in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich geminderten Person auszugehen. Die Taten zu Ziffer III. 2. – 18. stünden damit ausnahmslos in einem symptomatischen Zusammenhang zu ihrer Erkrankung, da sie ausnahmslos ihren Ausgangspunkt in ihrem subjektiven (wahnhaften) Realitätserleben haben.
511Allein mit Blick auf das Tatgeschehen zu Ziffer III. 1. stelle sich die Beurteilung der Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten abweichend dar. Insoweit handele es sich um einer Art „psychotische Mini-Episode“, welche die Beschuldigte in dieser besonderen Ausnahmesituation nicht ausschließbar „psychotisch überflutet“ habe. Die dem Tatgeschehen zum Nachteil C2 und T2 zugrunde liegende Situation habe die Beschuldigte gerade nicht – wie die übrigen Taten betreffend – konstelliert. Vielmehr sei sie – aus ihrer Sicht – gleichsam überfallartig in diese, sie psychisch überfordernde Situation geraten und habe im weiteren Geschehensablauf lediglich reagiert statt agiert. Das primäre Interesse der Beschuldigte habe sich darauf bezogen, der – aus ihrer Sicht ungerechtfertigten – Konfrontation und der sich daraus unkontrolliert entwickelnden Situation zu entkommen. Das gesamte Verhaltensmuster der Beschuldigten in diesem Zusammenhang wirke derart „skurril, realitätsfremd und bizarr“, dass aus Sicht des Sachverständigen in diesem besonderen Fall – unter ergänzender besonderer Berücksichtigung der Erkenntnisse zu einer erst wenige Wochen vor dem Tatzeitpunkt erfolgten vorübergehenden einstweiligen Unterbringung der Beschuldigten nach PsychKG im Hinblick auf eine akute psychotische Phase – sicher von einer erheblichen Verminderung der Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten ausgegangen werden müsse und überdies nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass die Fähigkeit der Beschuldigten zur Unrechtseinsicht in diesem Augenblick vorübergehend im Sinne des § 20 StGB gänzlich aufgehoben gewesen sei.
5122.Die Kammer schließt sich den oben (unter 1.) dargestellten, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des forensisch äußerst erfahrenen und der Kammer aus einer Vielzahl weiterer Verfahren als besonders zuverlässig bekannten Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. M nach eigener Sachprüfung aufgrund eigener Überzeugungsbildung – insbesondere unter ergänzender Berücksichtigung des von der Beschuldigten gewonnenen persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung, den durch die Zeugen und dem Sachverständigen Zeugen Diplom-Psychologe I4 zusätzlich vermittelten Verhaltensauffälligkeiten der Beschuldigten und der Feststellungen zu ihrer Person – insgesamt an.
513Die festgestellten Taten der Beschuldigten sind auf dem Boden der psychiatrischen Erkrankung der Beschuldigten nachvollziehbar; sie standen damit in einem Symptomzusammenhang, denn sie beziehen sich jeweils auf ihre subjektive (Fehl-) Wahrnehmung der Realität.
514Die Kammer bewertet – ebenfalls in Übereinstimmung mit den dahingehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M – die durch die wahnhafte Störung in jedem einzelnen vorliegend zur Aburteilung gelangenden Fall (namentlich die unter Ziffer III. 2. - III. 18. festgestellten Taten betreffend) verursachte Minderung der Steuerungsfähigkeit nach der eigenen Überzeugungsbildung als erheblich. Gleiches gilt für die – das festgestellte Tatgeschehen zu Ziffer III. 1. betreffend – krankheitsbedingt jedenfalls sicher verursachte Minderung ihrer Einsichtsfähigkeit.
515VIII.
516Soweit die Beschuldigte als Angeklagte nach insoweit erfolgtem Übergang vom Sicherungsverfahren in das Strafverfahren betreffend die unter Ziffer III. 2. – 18. festgestellten Taten schuldig gesprochen worden ist, hat die Kammer im Hinblick auf die jeweilige Festsetzung der insoweit zu verhängenden Strafen zunächst die Strafrahmenwahl getroffen (sogleich 1. und 2.), sodann die jeweiligen Einzelstrafen verhängt (nachfolgend 3.) und abschließend eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet (abschließend 4.).
5171.
518a)
519Bei der jeweiligen Strafzumessung betreffend die Tat zu Ziffer III. 2. zum Nachteil der Zeugin T und die Tat zu Ziffer III. 3. zum Nachteil der Zeugin C3 hat die Kammer im Ausgangspunkt zunächst – unter Anwendung der Regelung des § 52 Abs. 2 S. 1 StGB – jeweils den Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
520b)
521Bei der jeweiligen Strafzumessung betreffend die Tat zu Ziffer III. 4. zum Nachteil der Zeugin C4, die Tat zu Ziffer III. 17. zum Nachteil der Zeugin D sowie die Tat zu Ziffer III. 18. zum Nachteil der Zeugin K1 ist die Kammer jeweils im Ausgangspunkt zunächst vom Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB ausgegangen, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
522(1)
523Die Anwendung des für die Annahme eines minder schweren Falles eröffneten Strafrahmens gemäß § 224 Abs. 1 a.E. StGB, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, war insoweit jeweils – auch nicht unter im nachfolgenden Schritt zusätzlich erfolgter Berücksichtigung gesetzlich vertypter Strafmilderungsgründe – im Ergebnis nicht veranlasst.
524(a)
525Ein minder schwerer Fall im Sinne der genannten Vorschrift ist vorliegend nach jeweils gesondert vorgenommener Gesamtwürdigung von Tat und Täter für keine der insoweit in Rede stehenden Taten (Ziffern III. 4., III. 17. und III. 18.) gegeben. Anhaltspunkte für eine etwaige vorangegangene Provokation durch eines der späteren Tatopfer lagen nicht vor. Im Rahmen der hinsichtlich der Prüfung eines etwaigen minder schweren Falles – für jeden der insoweit in Rede stehenden Fälle gesondert – erfolgten umfassenden Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls weicht das jeweilige Gesamtgeschehen nach Art und Schwere nicht vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit nach unten ab, dass die jeweilige Anwendung des Normalstrafrahmens unangemessen erschiene. Vielmehr werden zur Überzeugung der Kammer die sogleich im Einzelnen näher auszuführenden strafmildernden Gesichtspunkte jeweils zumindest kompensiert durch die jeweils zu Lasten der Beschuldigten zu berücksichtigenden Umstände:
526Im Rahmen der jeweils gesondert für jeden einzelnen der oben genannten Fälle vorzunehmenden Gesamtwürdigung hat die Kammer im Wege einer separaten Betrachtung der Umstände des Einzelfalles zunächst jeweils nachhaltig zu Gunsten der Beschuldigten berücksichtigt, dass sie sich vollumfänglich geständig eingelassen hat und – soweit es die Taten zu Ziffer III. 4. und 18. betrifft – auch gegenüber den Tatopfern eine Entschuldigung formuliert hat, die die Zeuginnen C4 und K1 jeweils auch angenommen haben.
527Darüber hinaus hat die Kammer gesehen, dass die Taten zum Nachteil der Zeuginnen D und K1 jeweils im Versuchsstadium geblieben sind und auch im Übrigen die bei der Zeugin C4 eingetretene Verletzung nicht besonders schwerwiegend war.
528Weiter war für alle drei in Rede stehenden Fälle zu sehen, dass die Beschuldigte im jeweiligen Tatzeitpunkt krankheitsbedingt in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen ist. Die Kammer hat insoweit die seit Jahren äußerst schwierige Lebenssituation der Beschuldigten ebenso berücksichtigt wie ihre allgemeine psychische Verfassung im jeweiligen Tatzeitpunkt wie auch in der Gegenwart. Insbesondere vor dem Hintergrund ihrer wahnhaften Störung hat die Kammer auch zu ihren Gunsten gewürdigt, dass die Hauptverhandlung in ruhiger, sachlicher und störungsfreier Atmosphäre geführt werden konnte.
529Darüber hinaus war nicht außer Acht zu lassen, dass sich die Beschuldigte seit etwa sechseinhalb Monaten in vorläufiger Unterbringung gemäß § 126a StPO befindet, wenngleich sie bereits über Strafvollzugserfahrung verfügt.
530Ferner hat die Kammer zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass hier – worauf noch näher einzugehen sein wird – zusätzlich zu der Verhängung einer Strafe auch die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anzuordnen war, woraus sich bereits neben der Strafe erhebliche zusätzliche Belastungen der Beschuldigten ergeben.
531Eine solche (weitere) zusätzliche Belastung hat die Kammer auch in der zusätzlich erfolgten – ebenfalls noch später näher auszuführenden – Anordnung der Einziehung ihres Kraftfahrzeugs einschließlich der dazugehörigen Fahrzeugpapiere, -kennzeichen und -schlüssel gesehen und dies ebenfalls zu ihren Gunsten berücksichtigt.
532Zuletzt hat die Kammer auch zu ihren Gunsten gewertet, dass des Weiteren – wie ebenfalls noch näher auszuführen sein wird – eine isolierte Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a StGB verhängt worden ist, was sich ebenfalls als eine zusätzliche Belastung der Beschuldigten darstellt.
533Demgegenüber hatte die Kammer zu Lasten der Beschuldigten zu sehen, dass sie bereits vielfach, mitunter auch einschlägig, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und bereits rund eineinhalb Jahre ihres noch jungen Lebens in Strafhaft verbracht hat. Soweit Ermittlungs- und Strafverfahren in der Vergangenheit eingestellt worden sind, hat die Kammer die diesen Verfahren zugrundeliegenden Tatvorwürfe dabei ausdrücklich nicht berücksichtigt.
534Nachhaltig war zu Ungunsten der Beschuldigten in sämtlichen in Rede stehenden drei Fällen zu würdigen, dass die Beschuldigte im Ausgangspunkt die jeweilige Tatsituation bewusst konstelliert hat, indem sie – ohne jeden äußeren Anlass – gleichsam wahllos die ihr persönlich überhaupt nicht oder allenfalls flüchtig bekannten, bei (versuchtem) Betreten der Räumlichkeiten zufällig in ihr Blickfeld gelangten Personen – für diese völlig überraschend – unvermittelt derart körperlich attackierte.
535Hinsichtlich der Taten zu Ziff. III. 17. und III. 18. war überdies zu sehen, dass sie sich in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang ereigneten, was – wie die Kammer ergänzend zu ihren Gunsten gesehen hat – allerdings nicht allein für eine besondere kriminelle Gesinnung, sondern auch für eine infolge der unmittelbar zuvor begangenen Tat herabgesunkenen Hemmschwelle sprechen kann. Diese beiden Taten zum Nachteil der Zeuginnen D und K1 zeigten dabei auch ein identisches Tatbegehungsmuster, bei dem die Beschuldigte äußerst planmäßig und zielgerichtet vorging. Insgesamt offenbart sich in den jeweiligen Tatausführungen nach Auffassung der Kammer vor allem wegen des festzustellenden Planungsgrades eine erhebliche kriminelle Energie der Beschuldigten.
536Alle drei Adressaten der körperlichen Angriffe seitens der Beschuldigten wurden durch die Taten nachhaltig beeindruckt und hatten – neben erheblichem Ekelgefühl aufgrund der jeweils über ihren Körper ergossenen Flüssigkeiten – jedenfalls vorübergehend mit psychischen Belastungen zu kämpfen, wenngleich sie – was die Kammer wiederum ausdrücklich zugunsten der Beschuldigten gewertet hat – allesamt keine (betreffend die Zeuginnen D und K1) bzw. keine schwerwiegenden (betreffend die Zeugin C4) Verletzungen davontrugen. Letztlich war ein etwaiger Eintritt und das etwaige Ausmaß von Verletzungen der seitens der Beschuldigten auf die festgestellte Weise angegangenen Opfer von der Beschuldigten jedoch – einmal zum Wurf bzw. Schlag mit dem Gurkenglas angesetzt – nicht mehr steuerbar, weshalb es angesichts der durch die objektiv gesteigerte Gefährlichkeit der jeweiligen Verletzungshandlung letztlich nur einem glücklichen Zufall zu verdanken ist, dass die Geschädigten keine schwerwiegenderen Verletzungen zu beklagen hatten.
537(b)
538Auch unter einer in einem zweiten Schritt – sämtliche o.g. Fälle betreffend – vorgenommenen ergänzenden Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) kam nach jeweils zusammenfassender – wiederum für jeden Einzelfall gesondert vorgenommenen – Gesamtwürdigung aller vorgenannten Umstände die Annahme eines minder schweren Falls im Ergebnis jeweils nicht in Betracht.
539(c)
540Gleiches gilt, soweit die Kammer hinsichtlich der Taten zu Ziffer III. 17. und III. 18. in einem dritten Schritt zusätzlich – wiederum für jeden Fall gesondert – ergänzend den vertypten Strafmilderungsgrund des Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 StGB in die Gesamtabwägung eingestellt hat, da sich auch bei kumulativer Berücksichtigung beider vertypten Milderungsgründe angesichts der obigen Ausführungen jeweils kein wesentliches Überwiegen der strafmildernden Gesichtspunkte ergab.
541(2)
542Die Kammer hat jedoch sodann vor dem Hintergrund des insoweit jeweils gegebenen Versuchs die Taten zu Ziffer III. 17. und III. 18. betreffend gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB insoweit eine (erste) Strafrahmenverschiebung vorgenommen, sodass sich ein gemilderter Strafrahmen ergab, der von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu sieben Jahren und sechs Monaten reicht.
543c)
544Bei der jeweiligen Strafzumessung betreffend die Tat zu Ziffer III. 5. zum Nachteil S, die Tat zu Ziffer III. 6. zum Nachteil der Anwaltkanzlei L bzw. der Zahnarztpraxis W sowie die Tat zu Ziffer III. 15. zum Nachteil der Anwaltskanzlei Dr. T6 pp. hat die Kammer jeweils den Strafrahmen des § 303 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
545d)
546Bei der jeweiligen Strafzumessung betreffend die Taten zu Ziffer III. 7., III. 8., III. 10. und III. 11. hat die Kammer jeweils den Strafrahmen des § 21 Abs. 1 StVG zu Grunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht.
547e)
548Bei der Strafzumessung betreffend die Tat zu Ziffer III. 9. hat die Kammer – unter Anwendung der Regelung des § 52 Abs. 2 S. 1 StGB – den Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
549f)
550Bei der jeweiligen Strafzumessung betreffend die Taten zu Ziffer III. 13. und III. 14. hat die Kammer – hinsichtlich der Tat zu Ziffer III. 14. unter Anwendung der Regelung des § 52 Abs. 2 S. 1 StGB – jeweils den Strafrahmen des § 267 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
551g)
552Bei der Strafzumessung betreffend die Tat zu III. 12. hat die Kammer den Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt, der ebenfalls Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
553h)
554Bei der Strafzumessung betreffend die Tat zu Ziffer III. 16. hat die Kammer sodann schließlich den Strafrahmen des § 185 StGB zu Grunde gelegt, der Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht.
5552.
556Jeweils ausgehend von den oben genannten Strafrahmen hat die Kammer sodann in sämtlichen Fällen (Ziffern III. 2. – III. 18.) vor dem Hintergrund der jeweils erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB eine Strafrahmenverschiebung vorgenommen und insoweit schlussendlich nachfolgende (mitunter nochmals) gemilderte Strafrahmen zugrunde gelegt:
557- betreffend die Taten zu Ziffer III. 2. und III. 3.:
558einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu drei Jahren und neun Monaten oder Geldstrafe,
559- betreffend die Tat zu Ziffer III. 4.:
560einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu sieben Jahren und sechs Monaten,
561- betreffend die Taten zu Ziffer III. 17. und III. 18.:
562einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu fünf Jahren und sieben Monaten und zwei Wochen,
563- betreffend die Taten zu Ziffer III. 5., III. 6. und III. 15.:
564einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu einem Jahr und sechs Monaten oder Geldstrafe,
565- betreffend die Taten zu Ziffer III. 7., III. 8., III. 10. und III. 11.:
566einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu neun Monaten oder Geldstrafe,
567- betreffend die Tat zu Ziffer III. 9.:
568einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu drei Jahren und neun Monaten oder Geldstrafe,
569- betreffend die Taten zu Ziffer III. 13. und III. 14.:
570einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu drei Jahren und neun Monaten oder Geldstrafe,
571- betreffend die Tat zu Ziffer III. 12.:
572einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu drei Jahren und neun Monaten oder Geldstrafe,
573- betreffend die Tat zu Ziffer III. 16.:
574einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) bis zu neun Monaten oder Geldstrafe.
5753.
576Bei der Festlegung der konkreten Einzelstrafen – der Strafzumessung im engeren Sinne – hat die Kammer sodann unter jeweiliger Zugrundelegung der vorerwähnten – jeweils mindestens einfach zugunsten der Beschuldigten verschobenen – Strafrahmen ausgehend von der Schuld der Beschuldigten die Gesamtheit der inneren und äußeren Seiten der Taten jeweils erneut gewürdigt und neben den in § 46 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkten jeweils sämtliche der bereits oben – unter IX. 1. b) – im Zusammenhang mit der vorgenommenen Strafrahmenbestimmung aufgeführten, für und gegen die Beschuldigte sprechenden Umstände erneut vollumfänglich berücksichtigt und gegeneinander abgewogen.
577Zugunsten der Beschuldigten sprachen zunächst deren vollumfängliches Geständnis sowie die hiermit im Zusammenhang stehende aktive Mitwirkung der sich überwiegend authentisch zeigenden Beschuldigten. Besonders gewürdigt hat die Kammer insoweit die hierdurch objektiv bewirkte erhebliche Verkürzung der Dauer der Hauptverhandlung, die in ruhiger und sachlicher Atmosphäre geführt werden konnte, durch Vermeidung einer – weitergehenden – zeitintensiven Beweisaufnahme. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass sich die Beschuldigte dem Grunde nach unrechtseinsichtig und zur Übernahme von Verantwortung für ihr Verhalten bereit gezeigt hat, wenngleich die ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrer psychiatrischen Erkrankung geschuldeten Tendenzen zur Externalisierung von Verantwortlichkeit im Verlauf der Hauptverhandlung immer wieder zutage traten.
578Weiter zu Gunsten der Beschuldigten war die von ihr in der Hauptverhandlung jedenfalls gegenüber den zeugenschaftlich vernommenen Geschädigten C2, C3, T, L, C5, C4 und K1 formulierte Entschuldigung für ihr Verhalten zu bewerten, welche von den Adressaten auch jeweils angenommen wurde.
579Darüber hinaus hat die Kammer hinsichtlich der Taten zu Ziffern III. 2., III. 3., III. 4., III. 17. und III. 18. gewürdigt, dass jeweils keine bzw. keine derart gravierenden körperlichen Schäden bei den Tatopfern zu beklagen sind, die auch gegenwärtig noch andauern würden, wenngleich insoweit einschränkend zu sehen war, dass die jeweiligen Tatopfer – insoweit mit Ausnahme der Taten zu Ziffer III. 2. und III. 3. – im Hinblick auf die in den jeweiligen Gurkengläsern enthaltenen und über sie ergossenen (Körper-) Flüssigkeiten ein massives Ekelempfinden durchlitten haben.
580Die Kammer hat schließlich nicht außer Acht gelassen, dass in den Tatgeschehen zu Ziffern III. 5., III. 6. und III. 15. der jeweils entstandene materielle Schaden vergleichsweise gering ausgefallen ist. Gleiches gilt die Tat zu Ziffer III. 9. betreffend hinsichtlich der Höhe des eingetretenen, als (noch) geringwertig im Sinne der §§ 263 Abs. 4, 248a StGB qualifizierten Vermögensschadens bzw. mit Blick auf die Tat zu Ziffer III. 12. hinsichtlich des ebenfalls als (noch) geringwertig im Sinne des § 248a StGB anerkannten Wertes des Diebesguts.
581Zudem war mit Blick auf die Tatgeschehen zu Ziffern III. 2. und III. 3. der seit jeweiliger Tatbegehung bereits eingetretene Zeitablauf von etwa einem Jahr zu berücksichtigen, wenngleich Anhaltspunkte für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung erkennbar nicht vorgelegen haben und hinsichtlich der übrigen festgestellten Fälle lediglich eine Zeitspanne von etwa sieben bis zehn Monaten zwischen jeweiliger Tatbegehung und Verurteilungszeitpunkt gegeben ist.
582Ebenfalls nachhaltig in den Blick genommen wurde, dass die Beschuldigte infolge ihrer bereits seit vielen Jahren bestehenden, chronifizierten wahnhaften Störung in sämtlichen Tatzeitpunkten im Zustand der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit gehandelt hat und die Erkrankung durchweg in symptomatischen Zusammenhang mit den begangenen Straftaten stand. Die Kammer hat diesem Aspekt im Rahmen der Festlegung der Einzelstrafen besonderen Wert beigemessen.
583Weiterhin zugunsten der Beschuldigten zu berücksichtigen war zudem, dass sie sich – wenngleich bereits hafterfahren, so doch aufgrund ihrer bestehenden Erkrankung besonders haftempfindlich – in diesem Verfahren insgesamt bereits seit rund sechseinhalb Monaten in einstweiliger Unterbringung befindet.
584Auch war der Umstand der zugleich mit dieser Verurteilung erfolgenden Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB nachhaltig zu würdigen, da sich hieraus erhebliche zusätzliche Belastungen der Beschuldigten ergeben.
585Nicht außer Acht zu lassen war insoweit zudem der weitere Umstand der verhängten zweijährigen isolierten Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a StGB und der erfolgten Einziehung des im Eigentum der Beschuldigten stehenden Kraftfahrzeugs der Marke VW Golf.
586Hinsichtlich der Tat zu Ziffer III. 12. hat die Kammer ergänzend berücksichtigt, dass das Diebesgut hat sichergestellt und mutmaßlich an den Berechtigten wieder ausgehändigt werden können.
587Demgegenüber fiel straferschwerend in sämtlichen Fällen besonders nachhaltig ins Gewicht, dass die Beschuldigte bereits vielfach – auch einschlägig – vorbestraft ist und sich bereits für verschiedene Strafverfahren über etwa eineinhalb Jahre hinweg in Strafhaft befunden hat. Wenngleich die Kammer ausdrücklich die Vielzahl der seit dem Jahr 2017 eingeleiteten und wegen vermeintlicher Schuldunfähigkeit eingestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren – unter besonderer Beachtung der auch insoweit geltenden Unschuldsvermutung – ausdrücklich nicht straferschwerend berücksichtigt hat, so ist hieran doch jedenfalls ablesbar, dass die Beschuldigte auch in dem den vorliegend festgestellten Straftaten vorausgehenden Zeitraum vielfach wegen einschlägiger Tatvorwürfe in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gelangt ist.
588Mit Blick auf die jeweiligen Taten zu den Ziffern III. 7. bis III. 14. hat die Kammer weiter – und mit zunehmendem Gewicht – straferschwerend die Beharrlichkeit gewertet, mit der die Beschuldigte trotz im Laufe der Ereignisse wiederholt erfolgten Einschreitens der Polizei und der stückweise intensivierten polizeilichen Zwangsmaßnahmen ihre Bemühungen zur Ermöglichung einer weiteren Nutzung ihres Fahrzeugs erweitert und ihre Tatbegehung fortgesetzt hat. Dieses Verhalten offenbart eine hinsichtlich der Straßenverkehrsdelikte deutlich erhöhte kriminelle Energie und eine Ignoranz bzw. Unbelehrbarkeit der Beschuldigten gegenüber polizeilichen Maßnahmen, welche allerdings in der Vergangenheit – wie die Kammer einschränkend gewürdigt hat – nicht ausschließbar auch dadurch gefördert worden sein mag, dass jeweils gegen die Beschuldigte eingeleitete Strafverfahren seit dem Jahre 2017 ausnahmslos einer Einstellung zugeführt worden sind.
589Auch die Taten zu Ziffern III. 4., III. 17. und III. 18. betreffend hat die Kammer das planvolle und zielgerichtete Vorgehen, namentlich die zuvor erfolgte Vorbereitung der Tat durch Präparieren und Ansichnehmens des gefüllten Gurkenglases und die hieraus ersichtliche erhöhte kriminelle Energie gewürdigt. Die Beschuldigte hat auch insoweit jeweils die Tatsituation von sich aus konstelliert, weshalb es sich keineswegs um klassische Spontantaten handelt.
590Hinsichtlich der Taten zu Ziffern III. 2., III. 3., III. 9. und III. 14. wirkte sich darüber hinaus zulasten der Beschuldigten aus, dass sie jeweils tateinheitlich zwei Strafgesetze verwirklicht hat.
591Schließlich waren die – jedenfalls vorübergehenden, teilweise selbst im Zeitpunkt der Zeugenvernehmung noch spürbaren – psychischen Belastungen der Geschädigten C3, C4, D, C5 und K1 im jeweiligen Tatnachgang nicht außer Acht zu lassen. Insoweit war auch zu sehen, dass das Sicherheitsgefühl der Tatopfer – auch wenn gravierendere körperliche Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen ausgeblieben sind – zuweilen durch die Taten derartig beeinträchtigt worden ist, dass beispielsweise – wie vorliegend durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. T6 pp. – weitergehende Sicherungsmaßnahmen zur Eingangskontrolle durch Anbringung einer Kameraüberwachung vorgenommen wurden und der Zeuge Rechtsanwalt L über Monate hinweg davon absah, bestimmte Geschäfte in der I Innenstadt aufzusuchen, die aus seiner Sicht auch nur die Gefahr eines zufälligen Zusammentreffens mit der Beschuldigten bergen könnten.
592Nach Abwägung all dieser Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer auf folgende Einzelstrafen als unrechts-, schuld- und sühneangemessen erkannt:
593Taten zu Ziffer III. 2. und III. 3.: jeweils Freiheitsstrafe von 10 Monaten
594Tat zu Ziffer III. 4.: Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten als Einsatzstrafe
595Taten zu Ziffer III. 5. und III. 6.: jeweils Freiheitsstrafe von 3 Monaten
596Tat zu Ziffer III. 7.: Freiheitsstrafe von 4 Monaten
597Tat zu Ziffer III. 8.: Freiheitsstrafe von 5 Monaten
598Tat zu Ziffer III. 9.: Freiheitsstrafe von 8 Monaten
599Tat zu Ziffer III. 10.: Freiheitsstrafe von 6 Monaten
600Tat zu Ziffer III. 11.: Freiheitsstrafe von 7 Monaten
601Taten zu Ziffer III.12. und III. 13.: jeweils eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten
602Tat zu Ziffer III. 14.: Freiheitsstrafe von 8 Monaten
603Tat zu Ziffer III. 15.: Freiheitsstrafe von 3 Monaten
604Tat zu Ziffer III. 16.: Freiheitsstrafe von 5 Monaten
605Taten zu Ziffer III.17. und III. 18.: jeweils Freiheitsstrafe von 1 Jahr
606Nach der sicheren Überzeugung der Kammer war die erfolgte Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe hinsichtlich der Taten zu Ziffern III. 5., III. 6., III. 7., III. 8., III. 15. und III. 16. jeweils zur Einwirkung auf die Beschuldigte und zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB. Nach vorgenommener Gesamtschau der Taten und der Persönlichkeit der Beschuldigten lassen insbesondere die Vielzahl der – teilweise einschlägigen – Vorstrafen und die auf sie offenbar ohne bleibenden Eindruck gebliebene Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren insgesamt ein zwingendes Bedürfnis nach einer Einwirkung auf die Täterin deutlich zutage treten, welche allein durch die Verhängung entsprechender – kurzer – Freiheitsstrafen ermöglicht werden kann. Der festzustellenden Verfestigung einschlägiger krimineller Verhaltensweisen der offensichtlich bislang unbelehrbaren Beschuldigten könnte mit der bloßen Verhängung einer Geldstrafe nicht einmal mehr ansatzweise wirkungsvoll begegnet werden. Bei einer derartigen Sachlage wird nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt OLG Hamm, 1. Strafsenat [1 RVs 82/14], Urteil vom 21.10.2014 – zitiert nach juris) die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe im Sinne des § 47 StGB daher auch als regelmäßig naheliegend angesehen.
6074.
608Bei der Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 54 StGB hat die Kammer nochmals alle im Zusammenhang mit der Bemessung der Einzelstrafen maßgebend gewesenen Umstände gegeneinander abgewogen. Insoweit hat sie zugunsten der Beschuldigten insbesondere erneut maßgeblich deren vollumfänglich geständiges Einlassungsverhalten gewertet sowie ihre jeweilige krankheitsbedingte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB berücksichtigt. Zu ihren Gunsten hat die Kammer zudem den zuweilen zeitlichen und situativen engen Zusammenhang der einzelnen Straftaten gewürdigt.
609Zu Lasten der Beschuldigten fielen demgegenüber vor allem nachhaltig die Vielzahl der Taten sowie die Tatfrequenz ins Gewicht. Hier war besonders zu beachten, dass die Beschuldigte nicht nur eine Vielzahl an Taten, sondern auch eine Vielzahl an verschiedenen Tatbeständen aus verschiedenen Kriminalitätsbereichen – (versuchte) gefährliche Körperverletzung, vorsätzliche Körperverletzung, vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Betrug, Diebstahl, Urkundenfälschung, Sachbeschädigung und Beleidigung – verwirklichte. Wenngleich diese Tatbestände teilweise, was die Kammer keineswegs verkannt hat, eher dem Bereich der sogenannten Kleinkriminalität zuzuordnen sind, so ist in einigen Fällen – was insbesondere hinsichtlich der Taten zu Ziffern III. 2, III. 3., III. 4., III. 17. und III. 18. deutlich wird – die Schwelle zur sogenannten mittelschweren Kriminalität bereits überschritten.
610Zu berücksichtigen war ferner die vielfach auffällige Gleichförmigkeit der strafbaren Handlungen der Beschuldigten, da ein Teil der vorliegend festgestellten Sachverhalte nahezu austauschbar ist mit den Feststellungen früherer Verurteilungen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang zudem, dass die Auseinandersetzung der Beschuldigten mit ihrer Vergangenheit und ihren Taten sich weitestgehend – mit Blick auf das vorliegende Krankheitsbild nachvollziehbar – darauf beschränkt, dass sie die Schuld für ihre persönliche Misere und ihre wiederholte Straffälligkeit in erster Linie bei anderen sucht, seien sie ihr persönlich bekannt oder lediglich zufällig begegnet. Sie erscheint insgesamt trotz ihres vollumfänglichen Geständnisses im Ergebnis weitgehend uneinsichtig und unbelehrbar. Solange die bestehende Erkrankung der Beschuldigten nicht wirksam behandelt, sondern ungelöst ist, vermag die Kammer (worauf sogleich noch näher einzugehen sein wird) eine weniger düstere Zukunftsprognose leider nicht zu zeichnen, insbesondere da die Frage, mit welchen konkreten Behandlungsschritten innerhalb eines konkret zu bestimmenden Zeitfensters der Beschuldigten wirksam geholfen werden könnte, aufgrund ihrer bereits im Grundsatz – von der Kammer ausdrücklich nicht straferschwerend gewürdigten – therapieablehnenden Haltung in der Hauptverhandlung weitgehend unbeantwortet bleiben musste. Die Beschuldigte gibt vor, für sich selbst am besten zu wissen, was ihr im Rahmen einer Behandlung ihres – allenfalls ansatzweise als gegeben anerkannten – Krankheitsbildes hilft und meint – krankheitsbedingt – hierbei auf jedwede Medikation verzichten zu können, verkennt jedoch zur sicheren Überzeugung der auch insoweit sachverständig durch den forensisch erfahrenen Gutachter Dr. M beratenen Kammer insoweit die Reichweite ihrer Erkrankung und Behandlungsbedürftigkeit völlig.
611Die Kammer hat nach alledem unter äußerst maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten Freiheitsstrafe und nochmaliger Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte auf eine
612Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten
613erkannt, die sie für unrechts-, schuld- und sühneangemessen sowie zur Einwirkung auf die Beschuldigte unbedingt erforderlich, aber auch ausreichend erachtet hat.
614Wegen der mit insgesamt 17 Taten bereits beachtlichen – und eine zunehmende Verfestigung krimineller Verhaltensweisen in der Persönlichkeit der Beschuldigten offenbarenden – Vielzahl der vorliegend in die Gesamtwürdigung einzubeziehenden Straftaten aus unterschiedlichen Bereichen der Kriminalität hat die Kammer zudem bei der Bildung der Gesamtstrafe zugunsten der Beschuldigten die weiteren fünf Tatvorwürfe, die die Beschuldigte weit überwiegend ebenfalls dem Grunde nach geständig eingeräumt und hinsichtlich derer die Kammer das jeweilige Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt hat, ausdrücklich unberücksichtigt gelassen.
615IX.
616Darüber hinaus hat die Kammer die Maßregel der Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.
617Nach dieser Vorschrift ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat und die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten ist und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
618Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
6191.
620Aufgrund der oben unter III. getroffenen Feststellungen hat die Beschuldigte – das Strafverfahren betreffend – die rechtswidrigen Taten der gefährlichen Körperverletzung, der versuchten gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beleidigung, des (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, der Sachbeschädigung in drei Fällen, des Diebstahls, der Urkundenfälschung und der Beleidigung jeweils im Zustand der sicher erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sowie – das Sicherungsverfahren betreffend – zusätzlich die rechtswidrigen Taten der versuchten gefährlichen Körperverletzung und der versuchten vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung im Zustand der sicher erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB, darüber hinaus der nicht ausschließbaren Einsichtsunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB begangen. Insoweit wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – auf die bereits oben unter VII. gemachten Ausführungen Bezug genommen.
621Abgesehen davon, dass es ausweislich der Regelung des § 63 S. 2 StGB einer besonderen Erheblichkeit der vorgenannten Anlasstaten nicht bedarf (vgl. Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 63 Rn. 8; MüKo-StGB-van Gemmeren, 4. Auflage 2020, § 63 Rn. 15), handelt es sich vorliegend insoweit um Straftaten, die nach Art und Schwere – jedenfalls hinsichtlich der festgestellten vorsätzlichen Körperverletzungen und der (versuchten) gefährlichen Körperverletzungen – bereits dem Bereich der wenigstens mittleren Kriminalität zuzuordnen und gerade nicht als im Sinne des § 63 S. 2 StGB lediglich geringfügige Anlasstat zu qualifizieren sind.
6222.
623Die festgestellten Anlasstaten sind auch jeweils Folge des zur verminderten Schuldfähigkeit bzw. (das Tatgeschehen zu III. 1. betreffend) nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit führenden Zustands. Der insoweit im Rahmen des § 63 StGB positiv festzustellende (vgl. MüKo-StGB-van Gemmeren, a.a.O., § 63 Rn.47) ursächliche bzw. symptomatische Zusammenhang ist vorliegend jeweils gegeben. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die bereits oben unter VII. in Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M gemachten Ausführungen Bezug genommen.
6243.
625Eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Beschuldigten und der sich aus den Feststellungen zu III. ergebenden Taten, die – wie bereits ausgeführt – jeweils ihre Ursache in der Krankheit der Beschuldigten haben, ergibt, dass von der Beschuldigten in Folge ihres fortdauernden Zustands mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Die Beschuldigte ist deshalb für die Allgemeinheit gefährlich.
626Bei den zukünftig zu erwartenden Taten muss es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH (4. Strafsenat), Beschluss vom 27.02.2019 (4 StR 419/18) m.w.N. – zitiert nach juris) um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und die damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Die insoweit notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Täter in Folge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei sind neben der konkreten Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung auch die auf die Person des Täters und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können, einzustellen (BGH, a.a.O.).
627Die Kammer stützt ihre Gefährlichkeitsprognose vorliegend ebenfalls in erster Linie auf das Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M. Der Sachverständige hat den Akteninhalt studiert, die Beschuldigte an zwei unterschiedlichen Tagen exploriert und der Hauptverhandlung beigewohnt. Aufgrund der hieraus gewonnenen Erkenntnisse hat er die bisherige Entwicklung ihres psychischen Zustands – wie bereits oben (unter VII.) eingehend erörtert – detailliert aufgezeigt und diese unter Einschluss der im Rahmen der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse sorgfältig veranschaulicht und nachvollziehbar dargestellt.
628Er hat hierbei insbesondere nachvollziehbar und aus Sicht der Kammer überzeugend ausgeführt, dass das bei der Beschuldigten diagnostizierte Krankheitsbild der wahnhaften Störung (ICD:10 F22.0), welche sich als in der forensischen Psychiatrie eher seltene, schwerwiegende Erkrankung darstelle, bereits seit vielen Jahre bestehe und inzwischen chronifiziert sei. Die Krankheitsentwicklung sei – zunehmend einhergehend mit strafrechtlicher Delinquenz, mehrfach erfolglosen Versuchen der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung bis hin zu einer vorübergehenden einstweiligen Unterbringung nach PsychKG wenige Wochen vor dem vorliegend (III. 1.) festgestellten ersten Tatgeschehen – über einen Zeitraum von mittlerweile deutlich mehr als einem Jahrzehnt schleichend verlaufen, weshalb ihr jetziger Status „verfahren und konfrontativ“ sei. Die Beschuldigte lebe krankheitsbedingt in ihrer subjektiven Realität, die für sie wahrnehmungs- und handlungsbestimmend sei. Eine fachgerechte psychiatrische Behandlung habe im Vorfeld ihrer einstweiligen Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus in dieser Sache bislang noch nicht stattgefunden. Stattdessen sei es im Laufe der Jahre – seit 2017 mit zunehmender Frequenz, allerdings wegen der seitens der Strafverfolgungsbehörden fehlerhaft interpretierten Ausführungen in seinem Gutachten vom 30.03.2017 für die Beschuldigte letztlich jeweils ohne Konsequenz – zu zahlreichen Handlungen der Beschuldigten gekommen, welche zur Einleitung einer ganzen Reihe von Ermittlungsverfahren wegen solcher Tatvorwürfe geführt hätten, die in den Jahren zuvor zu strafrechtlichen Verurteilungen der Beschuldigten geführt hätten und auch nunmehr teilweise verfahrensgegenständlich seien. Diese ununterbrochenen, sich im Laufe der Jahre noch intensivierenden Auffälligkeiten bildeten einen weiteren Beleg für seine Prognose, dass von der Beschuldigten – in Freiheit befindlich – alsbald mit überaus hoher, nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere Straftaten zu erwarten seien.
629Nach den weitergehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M ist es der wahnhaften Störung der Beschuldigten immanent, dass eine natürliche – behandlungsunabhängige – Heilung ausgeschlossen ist. Eine langfristige und kontrollierte Medikation mit dem Neuroleptikum Olanzapin – wenngleich nach seiner Einschätzung lediglich in einer vergleichsweise geringen Dosierung von 2,5 mg – sei im Rahmen der erforderlichen Behandlung ebenso unabdingbar wie das bereits im Rahmen der einstweiligen Unterbringung verordnete Amilsoprid / Soljan 400 mg, gerade weil ihr krankheitsbedingt noch mehrere kritische Phasen mit Depressionen bevorstünden. Wenngleich die Beschuldigte derzeit sprachlich und kommunikativ erreichbar und zugänglich sei, lehne sie aktuell jedoch jedwede Medikation mangels ausreichender Krankheitseinsicht ab. Die Medikation sei jedoch von essentieller Bedeutung, eine Krankheitseinsicht zu begründen und zu fördern. Sobald sie sich darauf einlasse, könne es bereits zügig zu Lockerungen im Maßregelvollzug kommen. Es sei zwar aus aktueller ärztlicher Sicht eine längerfristige stationäre Behandlung der Beschuldigten vonnöten; ein „vieljähriger Verbleib“ der Beschuldigten im Maßregelvollzug sei allerdings keineswegs zwangsläufig. Die Beschuldigte benötige insoweit ein fortwährendes, sich ständig erneuerndes Gesprächs- und Beziehungsangebot im klinischen Alltag, auch betreffend die Frage der unabdingbaren Medikation. Nach seiner Einschätzung sei die Maßregelvollzugsklinik Herten mit den dortigen Therapieangeboten aus ärztlicher Sicht überaus geeignet für eine Durchführung der nach seinem Dafürhalten unabdingbaren Behandlung der Beschuldigten im Maßregelvollzug. Ein wichtiger Therapieinhalt werde insoweit das Erlernen von Beziehungsgestaltungen – sowohl auf kommunikativer als auch verhaltensmäßiger Ebene – sein.
630Die – auch gegenwärtig im Rahmen der einstweiligen Unterbringung der Beschuldigten deutlich werdende – Symptomatik würde sich aus ärztlicher Sicht allerdings umgehend und drastisch wieder massiv verschärfen, wenn die Beschuldigte unbehandelt und ohne Medikation aus der Klinik entlassen würde. In diesem Fall sei mit hoher, nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kurzfristig – in gleichermaßen beliebigen wie belanglosen sozialen Alltagssituationen – wieder mit mindestens den Anlasstaten vergleichbaren oder noch gravierenderen Aggressionsdelikten zu rechnen. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass sich die bereits wiederholt unter Zuhilfenahme entsprechender, als Schlag- oder Wurfwerkzeug verwendeter Gegenstände seitens der Beschuldigten vorgenommenen Körperverletzungshandlungen gleichermaßen gegen ihr flüchtig bekannte Personen wie auch gegen ihr vollkommen unbekannte Personen gerichtet hätten. Insoweit sei mit Blick auf das Wahnerleben der Beschuldigten weder ein bestimmter Auslöser noch ein bestimmter Adressat ihrer Tathandlung im Vorfeld näher eingrenzbar, was die Gefährlichkeit der Beschuldigten für die Allgemeinheit erhöhe, zumal nach den bisher zu beobachtenden Erfahrungen mit der Beschuldigten bei psychischer Dekompensation der Beschuldigten im Alltag auch das – jedenfalls partielle – Entstehen einer neuerlichen „psychotischen Mini-Episode“ mit entsprechenden Auswirkungen auf die Einsichtsfähigkeit der Beschuldigten für möglich gehalten werden müsse.
631Die bei fehlender Behandlung mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Taten der Beschuldigten seien – wie auch die vorliegend in Rede stehenden Anlasstaten – in jedem Fall symptomatisch auf ihre Erkrankung zurückzuführen. Die Beschuldigte sei aufgrund ihrer Erkrankung daher nach wie vor als gefährlich einzustufen.
632Ein sozialer Empfangsraum, der der Beschuldigten im Falle einer Entlassung aus der Klinik Halt und Struktur gewähren könne, sei nicht ersichtlich. Über Freundschaften verfüge die Beschuldigte, die – durchaus typisch für das diagnostizierte Krankheitsbild – seit ihrem Auszug aus dem elterlichen Haushalt völlig zurückgezogen lebe, nicht. Auch der Kontakt zu ihren Familienangehörigen habe in der Vergangenheit nicht einmal ansatzweise eine stabilisierende Wirkung zu entfalten vermocht. Es sei nicht erkennbar, dass dies vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesundheitlichen Situation der Beschuldigten zukünftig anders sein könnte. Auch eine berufliche Perspektive lasse sich nicht aufzeigen.
633Soweit die Beschuldigte die Anlasstaten geständig eingeräumt und sich bei einer Reihe von Tatopfern in der Hauptverhandlung entschuldigt habe, zeige dies ihre grundsätzliche Erreichbarkeit, beispielsweise durch die Beratung ihres Verteidigers. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Taten oder gar eine Distanzierung von derartigen Verhaltensweisen sei der Beschuldigten jedoch krankheitsbedingt – jedenfalls derzeit – nicht möglich. Insofern dürfe aus dem aktuell geständigen Einlassungsverhalten der Beschuldigten keineswegs auf eine etwaige Reduzierung der Gefahr zukünftiger weiterer Straftaten geschlossen werden.
634Dieser insgesamt von großem fachspezifischen Erfahrungswissen getragenen wissenschaftlich begründeten Einschätzung des Sachverständigen schließt sich die Kammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung insgesamt an. Sie wird darüber hinaus von dem die Beschuldigte im Rahmen der bisherigen vorläufigen Unterbringung gemäß § 126a StPO behandelnden Therapeuten, dem Sachverständigen Zeugen Diplom-Psychologen I4, nachdrücklich bestätigt.
635Dieser hat insbesondere ebenfalls betont, dass die Beschuldigte des stark strukturierten Rahmens des § 63 StGB bedürfe. Eine Krankheitseinsicht sei noch nicht vorhanden. Sie befinde sich vielmehr noch immer im ersten Stadium, der sog. „Motivationsphase“. Sie bedürfe aus seiner therapeutischen Sicht zu einer Stabilisierung und schrittweisen Besserung ihres Zustands unbedingt einer geregelten Medikation durch das im Rahmen der einstweiligen Unterbringung verordnete Amilsoprid 400 mg. Insbesondere die seit einigen Monaten insoweit gänzlich fehlende Medikamentencompliance wirke sich aus seiner Sicht äußerst prognoseungünstig aus. Außerhalb des gesicherten Settings des Maßregelvollzugs werde es aus seiner Sicht ohne eine langfristige therapeutische und medikamentös gestützte Behandlung der Beschuldigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit äußerst schnell zu (wahnbedingt) weiteren verbal und körperlich aggressiven Übergriffen mindestens in dem in den vorliegenden Anlasstaten zum Ausdruck kommenden Umfang kommen. Auch diesen überzeugenden gutachterlichen Ausführungen ist die Kammer nach eigener Sachprüfung insgesamt gefolgt.
636Auch im Verlauf ihrer Befragung durch das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung hat die Beschuldigte wiederholt ihre noch nicht ausreichend vorhandene – allenfalls vordergründig demonstrierte – Krankheitseinsicht offen zutage treten lassen und ausdrücklich betont, keinerlei Notwendigkeit für die Einnahme einer antipsychotischen bzw. neuroleptischen Medikation zu sehen. Darüber hinaus hat sie beispielsweise – nach dem persönlichen Eindruck der Kammer in der Hauptverhandlung in erheblichem Maße innerlich angespannt wirkend – die seitens ihres Verteidigers an den Sachverständigen Dr. M im Rahmen der Gutachtenerstattung gerichtete Frage nach einer eventuellen Möglichkeit eines Konzepts einer ambulanten Behandlung der Beschuldigten einhergehend mit einer freiwilligen Medikation lautstark protestiert, ihr Missfallen zum Ausdruck gebracht und mit Nachdruck bekundet, sie werde keine Medikamente einnehmen – „niemals“.
6374.
638Durch die nach alledem infolge ihrer fortdauernden Erkrankung bzw. ihrer derzeit fehlenden Krankheitseinsicht bzw. Medikamentencompliance von der Beschuldigten ohne Anordnung der Maßregel des § 63 StGB mit dem beschriebenen hochgradigen Wahrscheinlichkeitgrad zu erwartenden neuerlichen Taten würden schließlich auch die zukünftigen Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden.
639Dies folgt zur Überzeugung der Kammer bereits aus dem Umstand, dass – wie oben schon näher ausgeführt – jedenfalls den unter III. festgestellten Taten gleichartige Taten zu erwarten sind und insoweit insbesondere mit weiteren Gewalt- und Aggressionsdelikten, namentlich Körperverletzungshandlungen zu rechnen ist, die – wie auch die jeweils unter III. 2., III. 3., III. 4., III. 17. und III. 18. festgestellten Anlasstaten – den Tatbestand des § 223 StGB bzw. der §§ 223, 224 StGB erfüllen. Insbesondere durch die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung i.S.d. § 224 StGB wird der Rechtsfrieden in erheblichem Maße gestört, was bereits an dem für dieses Delikt grundsätzlich vorgesehenen Regelstrafrahmen, welcher von Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren reicht, ablesbar ist.
640Die Kammer hat insoweit nicht verkannt, dass es im Zusammenhang mit der wiederholt erfolgten Begehung der in Rede stehenden Anlasstaten jeweils nicht zu schweren Verletzungen der Tatopfer gekommen ist. Allerdings ist dieser Umstand – wie bereits an anderer Stelle ausgeführt – lediglich dem Zufall zu verdanken, dass das von der Beschuldigten als Wurf- oder Schlagwerkzeug verwendete Gurkenglas entweder sein Ziel knapp verfehlt hat oder im Rahmen des Schlages nicht zerbrochen ist und insoweit keine gefährlicheren (Schnitt-)Verletzungen verursacht hat. Ein die Realität wahnhaft verkennender Täter, der mit Gegenständen gegen den Kopf seines Opfers schlägt oder wirft, setzt zumindest im Ausgangspunkt ein objektiv gefährliches Geschehen in Gang, dessen Ausgang – insbesondere hinsichtlich Art und Umfang etwaiger Verletzungen des Opfers in einer hochgradig empfindlichen Körperregion – regelmäßig vom Zufall oder der Reaktion des jeweiligen Opfers abhängt und daher einer weitergehenden Kontrolle des Täters gerade entzogen ist. Hinsichtlich der Schäden der zu erwartenden neuerlichen Straftaten genügt daher bereits eine allgemeine abstrakte Gefährlichkeit (vgl. MüKo-StGB-van Gemmeren, a.a.O., § 63 Rn. 50a m.w.N.).
641Ebenfalls im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nicht aus dem Blick verloren werden darf nach Auffassung der Kammer der Umstand, dass der durch die Maßregel des § 63 StGB bezweckte Schutz der Allgemeinheit vor neuen – im vorgenanntem Sinne erheblichen – Straftaten insbesondere dann erforderlich ist, wenn sich die zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Taten – wie vorliegend – gegen zufällig, gleichsam willkürlich ausgewählte Opfer richten, die ohne objektiv erkennbaren Grund attackiert werden. In derartigen Fällen sind nämlich – allgemein empirisch belegt und vorliegend insbesondere mit Blick auf die von den Zeugen C3 und D beschriebenen Tatfolgen festgestellt – sehr häufig erhebliche psychische Beeinträchtigungen (Angst, Verunsicherung) die Folge, insbesondere, wenn es sich um sehr junge, sehr alte oder psychisch labile Personen handelt. Derartige Verletzungsrisiken darf der Rechtsstaat – gerade mit Blick auf den hohen Stellenwert des Rechtsguts des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit – seinen Bürgern nicht zumuten (vgl. MükO-StGB-van Gemmeren, a.a.O., § 63 Rn. 54).
6425.
643Weniger einschneidende Maßnahmen (§ 62 StGB) als die Maßregel nach § 63 StGB bieten – insoweit ebenfalls in Übereinstimmung mit den dahingehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M und des Sachverständigen Zeugen Diplom-Psychologen I4 – keinen zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit der Beschuldigten. Die Kammer hat sich auch diesen Ausführungen nach eigener Sachprüfung angeschlossen. Die Unterbringung der Beschuldigten gemäß § 63 StGB war deshalb zwingend anzuordnen; sie ist nach Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere angesichts der Schwere der o. g. Anlasstaten und der andernfalls zu erwartenden erheblichen weiteren rechtswidrigen Taten nicht unverhältnismäßig.
644Die Einrichtung einer Betreuung ist demgegenüber nicht geeignet, den Zweck der Maßregel sicherzustellen. Sonstige Formen der Unterbringung reichen ebenfalls nicht aus. Eine Unterbringung nach dem PsychKG NRW darf grundsätzlich höchstens sechs Wochen dauern, auch im Fall ihrer Verlängerung darf sie insgesamt höchstens drei Monate betragen (§ 13 Abs. 1 PsychKG NRW i.V.m. § 333 Abs. 1 S. 1 und S. 4 FamFG). Eine Unterbringung nach Betreuungsrecht, die unter Umständen sogar mehr als vier Jahre dauern kann (§ 329 Abs. 2 S. 2 FamFG), ist nur zum Wohl des Betreuten zulässig, nicht aber zum Schutz der Allgemeinheit (vgl. § 1906 Abs. 1 BGB).
645Sonstige mildere Maßnahmen bieten unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M und des Sachverständigen Zeugen Diplom-Psychologen I4 zu Schwere und Ausmaß des Krankheitsbildes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine ambulante Behandlung der Beschuldigten sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs erfolgversprechend. Die Beschuldigte brauche zunächst einen stationären Rahmen ihrer Behandlung mit festen äußeren Strukturen, die sie zur Zeit innerlich noch nicht habe. Derlei Struktur sei nach Art und Intensität allein im Rahmen der vollzogenen Unterbringung nach § 63 StGB als therapeutisch einzig gangbarer Weg gewährleistet. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Die Kammer ist diesen Ausführungen auch insoweit nach eigener Sachprüfung insgesamt gefolgt.
646Vor diesem Hintergrund kommt insbesondere auch ein seitens der Verteidigung der Beschuldigten angestrebtes – von der Beschuldigten nach eigenen Angaben allerdings ebenfalls nicht akzeptiertes – Modell des Betreuten Wohnens oder ein anderweitiges ambulantes Behandlungskonzept derzeit nicht in Betracht. Ohnehin ließe sich die erforderliche kontinuierliche Medikation der sich der Therapie widersetzenden Beschuldigten in einem derartigen Modell – jedenfalls unter den derzeit gegebenen Voraussetzungen – gerade nicht sicherstellen.
6476.
648Die angeordnete Maßregel konnte gemäß § 67b Abs. 1 S. 2 StGB schon allein deshalb nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Beschuldigte noch eine Gesamtfreiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
649X.
650Die Beschuldigte hat sich durch die Taten zu Ziffer III. 7. – III. 11., III. 14. als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, wobei diese charakterliche Ungeeignetheit auch heute noch fortbesteht, weshalb ergänzend eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach den §§ 69, 69 a StGB anzuordnen war:
651Bei den von der Beschuldigten begangenen Taten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Ziffern III. 7. – III. 11., III. 14.) handelt es sich um eine typische Verkehrsstraftat, in der regelmäßig die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zum Ausdruck kommt. Dabei ist es unerheblich, dass dieses Delikt nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB genannt ist. Denn wem die Erlaubnis fehlt, mit dem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, der verletzt, wenn er es trotzdem tut, eine typische Pflicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs – Teilnahme am öffentlichen Verkehr nur mit Erlaubnis – in besonders augenfälliger Weise (BGH NStZ-RR 2007, 40). Dabei kann im Einzelfall, bei besonderen Umständen, eine andere Beurteilung in Betracht kommen. Solche besonderen Umstände konnten vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Im Gegenteil zeugt es von einer besonderen rechtsfeindlichen Einstellung, die einen Fahrzeugführer von der Teilnahme am fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugverkehr disqualifiziert, wenn diesem Fahrzeugführer – wie hier der Beschuldigten – eine in der Vergangenheit erworbene Fahrerlaubnis zuvor rechtskräftig entzogen wurde.
652Die für die Tatzeit festzustellenden und durch die Taten selbst zum Ausdruck kommende charakterliche Ungeeignetheit der Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen besteht auch heute noch fort. Zwar liegen keine Hinweise dafür vor, dass die Beschuldigte seit den – hier gegenständlichen – Taten erhebliche weitere Verkehrsverstöße oder gar Straftaten im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen begangen hat. Jedoch liegt dies vor allem daran, dass ihr Fahrzeug am 31.03.2020 sichergestellt wurde und sich die Beschuldigte seit dem 18.05.2020 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ununterbrochen in einstweiliger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet. Davon abgesehen würde die zwischen der letzten Tatbegehung und dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung liegende Zeitspanne für sich allein ohnehin nicht die Annahme rechtfertigen, dass die durch die Tat zutage getretene charakterliche Ungeeignetheit nunmehr entfallen wäre.
653Dagegen spricht auch, dass sich die Charaktermängel der Beschuldigten vorliegend gleich sechsfach in den hier abzuurteilenden Taten zu Ziffern III. 7. – III. 11. und III. 14. gezeigt haben, in deren Verlauf – im Wege einer abgestuften Verhältnismäßigkeitsprüfung – zur Vermeidung von Tatwiederholungen zunächst der Fahrzeugschlüssel, sodann (nach gleichwohl bekannt gewordener neuer Tatbegehung) die amtlichen Fahrzeugkennzeichen, der Zweit-Fahrzeugschlüssel und die Fahrzeugpapiere und schließlich (im Gefolge der sechsten, vorliegend festgestellten Tat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis) das Fahrzeug selbst beschlagnahmt wurden. Über die jeweils vorangegangenen milderen Maßnahmen in diesem Sinne hat sich die Beschuldigte wiederholt hinweggesetzt, indem sie – und auch das zeigt ihre charakterlichen Mängel i.S.d. § 69 StGB – zuletzt sogar fremde amtliche Kennzeichen durch weitergehende strafbare Handlungen in ihren Besitz brachte und diese an ihrem eigenen Fahrzeug anbrachte, um ihre geplanten Fahrten fortzusetzen. Dadurch hat sich gezeigt, dass bei der Beschuldigten – ungeachtet ihrer Erkrankung – eine tief sitzende, den wesentlichen Regeln für die Teilnahme am Straßenverkehr gegenüber feindliche Grundhaltung vorliegt und dass der gegebenenfalls über eine längere Zeit einsetzende Prozess der Einsicht in ihr unrechtmäßiges Verhalten noch nicht eingesetzt hat, geschweige denn abgeschlossen ist.
654Da die Beschuldigte nicht mehr im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist, war gemäß § 69a Abs. 1 S. 3 StGB eine isolierte Sperre anzuordnen. Hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis hat das Gericht diese nach den Gesamtumständen – insbesondere mit Blick auf die Vielzahl der insgesamt in Rede stehenden Straßenverkehrsdelikte – auf zwei Jahre festgesetzt. Besondere Umstände, die nach § 69a Abs. 2 StGB die Ausnahme von bestimmten Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperrfrist rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
655XI.
656Ferner hat die Kammer das Kraftfahrzeug der Marke VW Golf, amtl. Kennzeichen 000-00 000, Fahrzeugidentifizierungsnummer 00000000000000000, auf das sich die festgestellten Taten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beziehen, einschließlich der dazugehörigen Fahrzeugpapiere, -kennzeichen und -schlüssel gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 StVG eingezogen. Die Voraussetzungen der Einziehungsentscheidung liegen vor, da die Beschuldige das in ihrem Eigentum stehende vorgenannte Fahrzeug zu den jeweiligen Tatzeitpunkten geführt hat, obwohl ihr die Fahrerlaubnis entzogen war. Die Regelung des § 21 Abs. 3 StVG ist insoweit die gegenüber der Regelung des § 74 StGB speziellere Norm (vgl. OLG Nürnberg, NJW 2006, 3448 f.).
657Die Kammer hat das ihr gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 StVG eingeräumte Ermessen betreffend die Vornahme einer Einziehungsentscheidung unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgeübt. Unter Beachtung der durch die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Nürnberg, NJW 2006, 3448 f.; MüKo-StGB-Joecks/Meißner, 4. Auflage 2020, § 74f Rn. 6 m.w.N.) diesbezüglich aufgestellten Grundsätze erschien die Einziehung des Tatfahrzeugs vorliegend nicht unverhältnismäßig.
658Im Rahmen der insoweit vorgenommenen Gesamtbetrachtung hat die Kammer zunächst gewürdigt, dass die Beschuldigte vorliegend für insgesamt sechs begangene Taten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis jeweils zu – wenngleich mitunter kurzen – Freiheitsstrafen verurteilt worden ist. In diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, dass sie ihre Tatbegehungen trotz im Verlauf der Ereignisse schrittweise erfolgter Sicherstellung von Fahrzeugschlüsseln und -kennzeichen weiter fortgesetzt und in besonderer Weise eine rechtsfeindliche Gesinnung hat zutage treten lassen. Darüber hinaus war der aktuelle Restwert des in Rede stehenden, am 12.04.2000 erstmals auf einen der früheren Vorbesitzer zugelassenen und somit rund 20 Jahre alten Fahrzeugs äußerst gering. Mit Blick auf das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Beschlagnahme am 31.03.2020 – die Karosserie wies weitläufig Kratzer und Schrammen auf – dürfte sich selbst bei großzügiger Schätzung allenfalls ein Restwert von 500 Euro ergeben, sodass sich die Einziehung auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beschuldigte nicht über Vermögen verfügt und in der Vergangenheit von staatlichen Unterstützungszahlungen zum Lebensunterhalt gelebt hat, nicht existenzbedrohend auswirken wird.
659XII.
660Gründe, von der nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB grundsätzlich gebotenen Anrechnung der erlittenen einstweiligen Unterbringung abzusehen, sind nicht ersichtlich.
661XIII.
662Dem Urteil ist keine Verständigung im Sinne des § 257c StPO vorausgegangen.
663XIV.
664Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.