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Der Angeklagte wird kosten- und auslagenpflichtig wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren
verurteilt.
Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
- §§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; 25 Abs. 3 EStG; 53, 56 StGB -
G r ü n d e
2(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
3I. Prozessgeschichte
4Die Staatsanwaltschaft Bochum hat am 03.11.2008 Anklage wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen gegen den Angeklagten erhoben und ihm zur Last gelegt, in den Jahren 2002 bis 2007 Steuern dadurch verkürzt zu haben, dass er gegenüber dem zuständigen Finanzamt für die Jahre 2001 bis 2006 unvollständige Angaben im Rahmen der jeweiligen Steuererklärungen gemacht hat.
5Mit Beschluss vom 02.12.2008 hat die Kammer die Anklage der Staatsanwaltschaft bezüglich der Taten aus den Jahren 2003 bis 2007 (Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2006) zugelassen und das Hauptverfahren insoweit eröffnet. Hinsichtlich der Tat aus dem Jahr 2002 (Einkommensteuer für das Jahr 2001) ist die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Verjährung des entsprechenden Tatvorwurfs abgelehnt worden.
6Unter dem 30.12.2008 hat die Staatsanwaltschaft Bochum ihre Anklage gemäß dem Eröffnungsbeschluss der Kammer neu gefasst.
7II. Feststellungen zur Person
8Der heute 65-jährige Angeklagte wurde am 00.00.0000 in S am Niederrhein als jüngerer von zwei Brüdern geboren. Sein Vater starb in den sechziger Jahren, seine Mutter verstarb Mitte der neunziger Jahre. Beide Eltern waren erfolgreich in dem von ihnen gegründeten Handelsunternehmen – Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Lebensmitteln - tätig.
91950 wurde der Angeklagte altersgerecht in die Volksschule eingeschult und wechselte nach vier Jahren auf ein Gymnasium in Moers, welches er im Jahr 1963 mit dem Abitur abschloss. Danach begann der Angeklagte das Studium der Betriebswirtschaftslehre - Schwerpunkt Marketing, Treuhand- und Revisionswesen - in Münster. Sein Studium beendete er 1969 erfolgreich mit dem Diplom. Die folgenden zwei Jahre verbrachte der Angeklagte in den USA und besuchte dort die Wharton School of Business Administration in Philadelphia, wo er zusätzlich den Master of Science (US-amerikanisches Äquivalent zum Diplom der Betriebwirtschaftslehre) erlangte. Bereits 1969 hatte der Angeklagte parallel hierzu seine Promotionsarbeit an der Universität Münster begonnen, der er sich allerdings erst ab 1971 intensiv widmete. 1973 schloss er seine Promotion erfolgreich mit dem Titel Dr. rer. pol. ab.
10Anschließend war der Angeklagte beratend sowie begleitend und auch nicht maßgeblich im elterlichen Betrieb tätig, den sein Bruder bereits Ende der sechziger Jahre übernommen hatte. In dieser Zeit – nämlich 1973/1974 – fiel die Entscheidung, die elterliche Unternehmensgruppe an den S1-Konzern zu veräußern. Aus dem nicht unerheblichen Verkaufserlös erhielt der Angeklagte seinen Anteil ausgezahlt. Der Angeklagte verfügte spätestens ab diesem Zeitpunkt über ein im Laufe der Jahre stetig anwachsendes beträchtliches Vermögen.
11Zum weiteren beruflichen Werdegang des Angeklagten:
121974 wurde er als Berater bei der US-Unternehmensberatung N in Düsseldorf und New York angestellt. Bereits 1979 stieg er zum Partner von N Deutschland auf und erlangte schließlich im Jahre 1984 die Funktion des Director und Mitglieds der weltweiten Geschäftsführung von N. Im gleichen Jahr übernahm er die Beratung des Großversandhauses R AG. In der Zeit von Juli 1985 bis Februar 1986 wurde er aufgrund seiner vorangegangenen erfolgreichen Beratertätigkeit als Vorstand für Sonderaufgaben und Unternehmensentwicklung der R AG berufen. Nachdem der Angeklagte ab Februar 1986 für ein Jahr mit den Aufgaben des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der R AG betraut worden war, ernannte man ihn im Februar 1987 zum Vorstandsvorsitzenden der R AG. Diese Funktion übte er bis Juni 1989 aus. Aufgrund seiner beruflichen Leistungen wurde dem Angeklagten schließlich im September 1989 die Position des Vorstandsvorsitzenden der E übertragen. In der Folgezeit gelang es ihm, aus der defizitären Behörde ein erfolgreiches wirtschaftliches Unternehmen zu entwickeln, obwohl zu den bereits vorhandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Integration der DDR-Staatspost aufgrund der Wiedervereinigung Deutschlands bewerkstelligt werden musste. Letztendlich gelang dem Angeklagten die Umwandlung der finanziell angeschlagenen Staatsbetriebe in ein Milliardengewinne erzielendes Wirtschaftsunternehmen.
13Dabei wurden zunächst die bereits vorhandenen unterschiedlichen Sparten (Postdienst, Telefondienst und Postbank) in drei tatsächlich voneinander getrennte Unternehmen ausgegliedert, die C, die U und die Q. Im Zuge der weiteren Umstrukturierung wurde die C in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und der Angeklagte übernahm 1995 den Vorstandsvorsitz der E1. Ab Januar 1999 übertrug man ihm ferner die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden der E2 AG. Neben weiteren Aufsichtsratsmandaten bei der B AG, B1 (vormals L) AG, C1 AG, M AG, U1 AG und der US-amerikanischen Investmentbank N1 war er seit März 2003 auch als Aufsichtsratsvorsitzender der E2 AG tätig. Damit war der Angeklagte auf höchster Ebene in alle drei Unternehmen der ehemaligen C eingebunden.
14Nebenbei fungierte der Angeklagte als Berater der Bundesregierung in wirtschaftlichen Angelegenheiten und war als solcher sowohl für die ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder als auch die derzeitige Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützend tätig. Diese begleitete er jeweils mehrfach zu Wirtschafts- und Regierungstreffen etwa nach Japan oder China. Die Tätigkeit des Angeklagten war dabei Ausfluss der weltweiten Anerkennung seiner Leistungen im Zusammenhang mit der Privatisierung der E zu einem der weltweit größten und erfolgreichsten internationalen Logistik-Konzerne.
15Dementsprechend erhielt der Angeklagte auch in Deutschland diverse Auszeichnungen. 1993 wurde ihm aufgrund seiner besonderen Verdienste um Deutschland das Verdienstkreuz erster Klasse (Leistungen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung) und im Jahre 2001 das große Bundesverdienstkreuz (Erfolg der Postreform) verliehen. Es folgte 2002 der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. 2003 wählte ihn das Managermagazin zum Manager des Jahres.
16Unmittelbar nach der Durchsuchung seines Wohnhauses am 14.02.2008, worauf unten näher eingegangen wird, ist der Angeklagte von seinem Vorstandsvorsitz bei der E1 zurückgetreten. Bis zum 31.12.2008 hat er seinen Aufsichtsratsvorsitz sowie sämtliche weitere Aufsichtsratsmandate niedergelegt. Er befindet sich nunmehr im Ruhestand.
17Die von dem Angeklagten und seiner Familie in Deutschland bewohnte Villa ist angemietet. Er ist allerdings Eigentümer einer 800 Jahre alten Burg am Gardasee, welche er vor zehn Jahren erworben und renoviert hat. Der heutige Verkaufswert beläuft sich auf 5 Mio. €. Ferner besitzt der Angeklagte Aktien, Fonds und Beteiligungen im Wert von ca. 8 Mio. €. Sein Nettoeinkommen für das Jahr 2009 beziffert der Angeklagte mit etwa 600.000,- €.
18Der Angeklagte verfügt über zwei hochklassige Fahrzeuge und eine Motorjacht am Gardasee.
19Der Angeklagte ist seit 37 Jahren verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Sein erster Sohn verstarb vor 32 Jahren im Säuglingsalter, die weiteren zwei Kinder sind derzeit 28 und 29 Jahren alt.
20Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
21III. Feststellungen zur Sache
221. Tatgeschehen
23Wie oben geschildert stammt der Angeklagte aus wohlhabenden Verhältnissen und erbte nach dem Tod seines Vaters sowie dem späteren Verkauf der elterlichen Handelsgruppe einen nicht unerheblichen Anteil des Familienvermögens. Da er selbst aufgrund seiner erfolgreichen beruflichen Tätigkeit über ein beträchtliches monatliches Einkommen verfügte, waren der Angeklagte und seine Familie zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht auf das ererbte Vermögen angewiesen. Der Angeklagte beschloss daher, seine Erbschaft zumindest in Teilen gewinnbringend anzulegen.
24Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt Ende 1985 / Anfang 1986 fand ein Treffen des Angeklagten mit seinen Finanzberatern statt. Im Laufe der Gespräche wurden neue Anlagemöglichkeiten diskutiert, welche einerseits möglichst profitabel, andererseits auch wenig kostenintensiv waren. Hierbei thematisierten die Finanzberater des Angeklagten u.a. die Möglichkeit, dass bei ausländischen Geldanlagen der Anfall der deutschen Einkommensteuer (Einkommen aus Zins- und Fonderträgen sowie Kapitaleinkünften) durchaus vermieden und damit der Gewinn maximiert werden könne. Der Vorschlag wurde seitens der Finanzberater damit begründet, dass man nicht zwangsläufig bereits versteuerte Gelder und Einnahmen ein zweites Mal versteuern müsse. Selbst wenn dies vielleicht nicht konkret angesprochen wurde, so war sämtlichen Beteiligten und insbesondere dem Angeklagten dennoch bewusst, dass eine Besteuerung der im Ausland erzielten Mehreinkünfte nur dann vermieden werden kann, wenn die entsprechenden Gewinne im Rahmen der jährlichen Einkommensteuererklärung nicht angegeben werden.
25Nachdem der Angeklagte in der Folgezeit die Vor- und Nachteile einer derartigen Vermögensanlage sowie der unterschiedlichen ausländischen Standorte (wie etwa die Schweiz, Luxemburg oder Liechtenstein) und die jeweiligen bestehenden Risiken gegeneinander abgewogen hatte, entschied er sich für eine Geldanlage in Liechtenstein. Gleichzeitig beschloss er, die hieraus erzielten Einnahmen gegenüber dem deutschen Fiskus nicht zu erklären, um keine weitere Einkommensteuer abführen zu müssen. Dem Angeklagten war dabei allein aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse und Stellung – ohne dass es eines entsprechenden Hinweises seitens seiner Berater bedurfte – bewusst, dass es sich hierbei um strafrechtlich relevantes Verhalten in Form von Steuerhinterziehung handelte.
26Um das Risiko einer Entdeckung der beabsichtigten Einkommensteuerhinterziehung zu minimieren, fiel die Wahl des Angeklagten auf eine liechtensteinische Familienstiftung, welche - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt - den Höchstgrad der zu erreichenden Anonymisierung bietet.
27Den Auftrag zur Einrichtung einer solchen Stiftung erteilte er mit Schreiben vom 14.03.1986 der in Vaduz/Liechtenstein ansässigen M AG. Dort wurde am 20.03.1986 über eine Treuhandgesellschaft, die (vormals C1 und heutige) M1 AG – beides Tochtergesellschaften der M2 –, die E3 in Vaduz/Liechtenstein gegründet. Hierbei handelt es sich um eine nach Liechtensteiner Personen- und Gesellschaftsrecht verselbständigte Vermögensmasse. Handelndes Organ ist allein der Stiftungsrat, während der Stifter selbst nicht als Organ der Stiftung gilt und somit keine entsprechenden organschaftlichen Verwaltungsrechte besitzt. Die Eintragung in das liechtensteinische Öffentlichkeitsregister wird im Falle einer Familienstiftung durch Hinterlegung der Stiftungsurkunde ersetzt. Die entsprechenden Daten sind für Dritte nicht ohne weiteres einsehbar. Die Person des oder der Begünstigten wird in der Regel in gesonderten Statuten oder Beistatuten festgesetzt, welche nicht hinterlegt werden müssen. Hierdurch bleibt die Person des Stifters und Begünstigten, wobei insoweit in der Regel Personenidentität besteht, auch im Falle eines Rechtsstreits unbekannt.
28Die hohe Anonymität des Angeklagten als Stifter und Erstbegünstigten wurde ferner dadurch gewährleistet, dass er namentlich nicht in der Gründungsurkunde erwähnt ist. Vielmehr ließ er sich gemäß den Anweisungen in seinem Auftragsschreiben bei der vertraglichen Stiftungsgründung durch die entsprechend konzessionierte C1 Aktiengesellschaft, der jetzigen M1 AG, vertreten. Das Stiftungskapital betrug 30.000,- Franken, die Herren S1 und C2 von der C1 AG wurden zu Stiftungsräten bestellt.
29Die Statuten der E3 vom 20.03.1986 wurden nach Genehmigung durch den Angeklagten ebenfalls treuhänderisch von der C1 AG unterzeichnet. Darin heißt es u.a.:
30"§ 1
31Stiftungsname
32Unter dem Namen E1 besteht eine Stiftung mit selbständiger juristischer Persönlichkeit im Sinne der Art. 552 ff. des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR).
33§ 2
34Stiftungsorgan
35Das oberste und einzige Organ der Stiftung ist der Stiftungsrat. …
36§ 4
37Stiftungsvermögen
38Das der Stiftung gewidmete Stiftungskapital beträgt Fr. 30.000.—(in Worten: Franken dreissigtausend). Es kann durch weitere Zuwendungen des Stifters oder von dritter Seite beliebig erhöht werden und zwar auch durch Schaffung eines Reservefonds.
39§ 5
40Stiftungszweck
41Der Stiftungszweck besteht in der Erhaltung, Sicherung und Vermehrung des Stiftungsvermögens, der Bestreitung und Sicherung des standesmässen Lebensunterhaltes, der Erziehung und Ausbildung, sowie überhaupt der Unterstützung der Stiftungsbegünstigten. Das Stiftungsvermögen ist sachgerecht anzulegen und zu verwalten.
42§ 6
43Aufgaben des Stiftungsrats
44Der Stiftungsrat hat die Geschäfte der Stiftung nach Massgabe der Statuten zu führen und den Stiftungszweck nach bestem Vermögen zu erfüllen. Ausserdem nimmt er die ihm besonders übertragenen Aufgaben wahr. Der Stiftungsrat vertritt die Stiftung nach aussen.
45§ 10
46Bestimmung von Stiftungsbegünstigten
47Stiftungsbegünstigte und der Umfang einer Begünstigung können jederzeit vom Stifter oder vom Stiftungsrat mit Zustimmung des Stifters bestimmt werden. …."
48Unter dem 11.02.1998 wurden neue Statuten der E1 verabschiedet, wobei sich die Änderung im Wesentlichen auf eine sprachliche Neufassung beschränkte. Lediglich die Wahl und Zusammensetzung des Stiftungsrates sowie dessen Entscheidungsbefugnisse wurden abweichend bestimmt.
49In dem Beistatut der E1 vom 04.07.1986, dessen Regelungen unverändert beibehalten wurden, trafen die damaligen Stiftungsräte – wiederum nach vorangegangener Abzeichnung durch den Angeklagten – in Artikel I folgende Vereinbarungen über die Begünstigung von Personen:
50(1) Solange der Stifter lebt, sind Drittpersonen nicht begünstigt.
51(2) Im Falle des Todes des Stifters ist alleinige Begünstigte die Gattin des Stifters, Frau A, geb. T, geb. 00.00.0000.
52(3) Nach dem Tode des Stifters und seiner Frau A sind deren Kinder, nämlich
53- O, geb. 00.00.0000
54- B2, geb. 00.00.0000
55zu gleichen Teilen nach Stämmen begünstigt.
56(4) Im Falle des Todes eines Begünstigten ohne Hinterlassung von Nachkommen geht der freiwerdende Begünstigtenanteil auf den verbleibenden begünstigten Stamm über.
57(5) Im Falle des Todes alles Begünstigten von Ziff. I (2) bis Ziff. I (4) ist
58- Herr A1, geb. 00.00.0000, wohnhaft in D-#### N, O #
59zum Begünstigten bestellt.
60Hinsichtlich der Kontakthaltung zum Angeklagten heißt es unter Artikel III:
61Der Stiftungsrat hat sicherzustellen, dass wenigstens einmal innerhalb 12 Monaten, beginnend vom Gründungstage, Kontakt mit dem Stifter bzw. den dannzumal Begünstigten zustande kommt. Ueber diese Kontakte ist ein Kurzprotokoll anzufertigen.
62In Artikel IV wurde das Innenverhältnis zum Stiftungsrat wie folgt geregelt:
63Der Stifter behält sich zeitlebens das Recht vor, diese Bestimmungen zu ändern. Nach dem Tode des Stifters haben die jeweils dannzumal Begünstigten das Recht, diese Bestimmungen einstimmig zu ändern.
64Damit sicherte sich der Angeklagte die Möglichkeit der nachträglichen Einflussnahme auf die Stiftung selbst und insbesondere das Stiftungsvermögen, welche bei anderen ausländischen Stiftungen grundsätzlich nicht besteht.
65Somit diente das Stiftungsgebilde ausschließlich dem Zweck der Verschleierung von Vermögenswerten zugunsten des wirtschaftlich Berechtigten und damit des steuerpflichtigen Angeklagten.
66Das eingebrachte Vermögen des Angeklagten wurde in der Folgezeit durch die Stiftungsräte gewinnbringend überwiegend in Obligationen, sprich in festverzinsliche Wertpapiere, Festgelder, Aktien aber auch kurzfristige Anlagen sowie Fonds angelegt.
67Hinsichtlich der Fondsanlagen ist zwischen den sog. nicht registrierten oder auch intransparenten (früher schwarzen) sowie den registrierten bzw. transparenten (früher weißen) Fonds zu unterscheiden. Bei Letzteren handelt es sich um ausländische Fonds, die in Deutschland zum Vertrieb zugelassen worden sind oder an der deutschen Börse gehandelt werden (daher registrierte oder transparente/weiße Fonds). Ihre Besteuerung ist grundsätzlich unproblematisch. Als nicht registrierte oder intransparente/schwarze Fonds bezeichnet man demgegenüber die ausländischen Geldanlagen, welche im Inland eben nicht registriert sind und bei denen weder ein inländischer Vertreter bestellt ist noch die Besteuerungsgrundlagen nachgewiesen werden (deswegen intransparent bzw. früher schwarze Fonds). Die Besteuerungsberechnung ist insoweit sowohl in steuerlicher als auch in steuerstrafrechtlicher Hinsicht strittig. Hierauf wird unten (Punkt 2. Tatnachverhalten) näher eingegangen.
68Die Investition der Einlage des Angeklagten erfolgte sowohl in nicht registrierte (intransparente/schwarze) als auch registrierte (transparente/weiße) Fonds.
69Die Depotverwaltung nahm die M AG wahr. Das Gründungsvermögen wuchs im Laufe der Zeit durch die Kapitalzuflüsse aus den Erträgen stetig an. Gelegentlich entnahm der Angeklagte in den Folgejahren aber auch Gelder.
70Sofern der Angeklagte persönlich nach Liechtenstein reiste, ließ er sich von seinem Fahrer mit dem Dienstwagen der E AG nicht vor Ort abholen. Es wurde vielmehr ein Treffen andernorts z.B. in Grenznähe bei Bludenz oder Feldkirch vereinbart. Auf diese Weise sollte vermieden werden, dass persönliche Fahrer zu einem späteren Zeitpunkt Angaben über die Besuche in Liechtenstein machen konnten. Auch die grundsätzlich detailliert erstellten Wochenpläne im Sekretariat des Angeklagten ließen keine Rückschlüsse auf die Besuche in Liechtenstein zu. Den Stiftungsräten wurden hinsichtlich etwaiger Kontaktaufnahmen dezidierte Vorgaben seitens des Angeklagten gemacht. Es sollte lediglich einmal im Jahr Kontakt zum Angeklagten aufgenommen werden. Eine Namensnennung am Telefon hatte unter allen Umständen zu unterbleiben. Darüber hinaus wurden - für den Fall der Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten - Codewörter vereinbart, die eine Identifizierung des Angeklagten erschweren sollten.
71Im Laufe der Jahre wuchsen die Geldanlagen zu erheblichen Vermögensbeträgen in mehrfacher Millionenhöhe an.
72Die ausländischen Depot- und Vermögensbewertungen bei der M AG wiesen für den hier in Rede stehenden Zeitraum unter der Kontonummer ###### nebst Unterkonten jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres die nachfolgenden Guthaben auf:
73für das Jahr 2002: 8.967.258,13 €,
74für das Jahr 2003: 9.708.385,68 €,
75für das Jahr 2004: 10.255.517,76 €,
76für das Jahr 2005: 11.280.176,52 €,
77für das Jahr 2006: 11.893.007,71 €.
78Aus diesem Gesamtvermögen bezog der Angeklagte in den Jahren 2002 bis 2006 Einkünfte aus Kapitalerträgen sowie aus nicht registrierten (intransparenten/schwarzen) Fonds und registrierten (transparenten/weißen) Fonds. Ferner erlangte er in den Jahren 2004 bis 2006 weitere Mehreinnahmen aus Kapitalerträgen/Halbeinkünften. Abzüglich der anzurechnenden Werbungskosten ergaben sich für jedes einzelne Jahr Kapitalmehreinkünfte, welche er in den Jahren 2003 bis 2007 im Rahmen der jeweiligen Einkommensteuererklärung bewusst und gewollt nicht deklarierte. 2004 sowie 2006 erzielte der Angeklagte darüber hinaus Spekulationseinkünfte, die er in den Folgejahren ebenfalls gegenüber dem Finanzamt vorsätzlich nicht angab.
79Im Einzelnen ergeben sich diesbezüglich folgende Berechnungen:
80Zinserträge aus festverzinslichen Wertpapieren, Aktien sowie Festgeldanlagen, welche der Angeklagte aus dem angelegten Vermögen erzielte, wurden gem. § 20 Abs. 1 EStG in folgender Höhe ermittelt:
Jahr | Kapitalerträge | Kapitalerträge Halbeinkünfte |
2002 | 471.475,97 € | |
2003 | 412.405,25 € | |
2004 | 384.133,68 € | 897,23 € |
2005 | 384.942,95 € | 1.158,82 € |
2006 | 373.684,34 € | 2.932,34 € |
Gesamt: | 2.026.642,19 € | 4.988,25 € |
Bei den nicht registrierten (intransparenten/schwarzen) Fonds handelte es sich um eigene Fonds der M AG. Die Besonderheiten bei der diesbezüglichen Besteuerungsberechnung werden wie erwähnt unten im Zusammenhang mit dem Tatnachverhalten näher erläutert. Für die strafrechtliche Berechnung hat die Kammer insoweit zugunsten des Angeklagten die tatsächlichen Erträge pro Anteil berücksichtigt, die sich aus einem für die schweizerischen und österreichischen Anleger erstellten sog. Erträgnisausweis ergeben. Es lassen sich daraus folgende Fondserträge errechnen:
Jahr | Fondserträge |
2002 | 14.297,00 € |
2003 | 15.672,00 € |
2004 | 14.814,94 € |
2005 | 18.843,30 € |
2006 | 3.381,00 € |
Gesamt: | 67.008,24 € |
Die Zinseinnahmen aus Ausschüttungen bei registrierten (transparenten/weißen) Fonds belaufen sich jeweils auf:
Jahr | Fondserträge |
2002 | 10.294,00 € |
2003 | 12.869,40 € |
2004 | 19.641,95 € |
2005 | 31.552,72 € |
2006 | 36.794,55 € |
Gesamt: | 111.152,62 € |
Die gem. § 9 EStG abzugsfähigen Werbungskosten, die zum Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Zinserträge dienten, wurden wie folgt berücksichtigt:
Jahr | Werbungskosten |
2002 | 23.356,53 € |
2003 | 28.319,53 € |
2004 | 43.437,51 € |
2005 | 58.686,59 € |
2006 | 70.618,99 € |
Gesamt: | 224.419,15 € |
Insgesamt ergeben sich somit für die Jahre 2002 bis 2006 nachfolgend aufgeführte nicht erklärte Kapitaleinkünfte sowie innerhalb der Spekulationsfrist durch den Kauf- und Verkauf von Depot- bzw. Fondanteilen erzielte Spekulationsgewinne (Spekulationseinkünfte nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG):
Jahr | Kapitaleinkünfte | Spekulationseinkünfte |
2002 | 472.710,00 € | |
2003 | 412.627,00 € | |
2004 | 376.050,00 € | 19.871,00 € |
2005 | 377.811,00 € | |
2006 | 346.173,00 € | 17.246,00 € |
Gesamt: | 1.985.371,00 € | 37.117,00 € |
Diese Gesamteinkünfte aus der E3 hat der Angeklagte wie oben ausgeführt bewusst und gewollt in den Jahren 2003 bis 2007 im Rahmen seiner jeweiligen Jahreserklärung nicht angegeben, um die ansonsten insoweit entstehende Einkommensteuer nicht an das zuständige Finanzamt Köln-Süd abführen zu müssen.
91Die jährlichen Hinterziehungsbeträge berechnen sich wie folgt:
92Neben den oben geschilderten Geldanlagen in Liechtenstein hatte der Angeklagte weiteres Vermögen bei einer deutschen Großbank in Wertdepots, registrierte (transparente/weiße) Fonds etc. investiert. Die hieraus resultierenden Einkünfte hatte er in den Jahren 2003 bis 2007 im Rahmen seiner jeweiligen Einkommensteuererklärung wie aus nachfolgender Übersicht erklärt:
Jahr | Eingang der Steuererklärung | Datum des Erstbescheides |
2002 | 11.09.2003 | 09.10.2003 |
2003 | 21.06.2004 | 09.08.2004 |
2004 | 02.09.2005 | 17.10.2005 |
2005 | 08.06.2006 | 21.07.2006 |
2006 | 22.06.2007 | 07.08.2007 |
Die einzelnen Rückforderungsbeträge aus den auf seine Erklärungen hin ergangenen Einkommensteuerbescheiden für 2002 bis 2006 (Betrag vor Prüfung) glich der Angeklagte jeweils zeitnah aus.
95Demgegenüber ergeben sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Kapitalmehreinkünfte aufgrund der neu berechneten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2006 nunmehr abweichende jährliche Erstattungsansprüche des Finanzamts (Betrag nach Prüfung). Von den neu errechneten Erstattungsansprüchen (Betrag nach Prüfung) sind die für das jeweilige Jahr ursprünglich festgesetzten Beträge (Betrag vor Prüfung) zu subtrahieren.
96Entsprechendes gilt für den Solidaritätszuschlag.
97Somit ergeben sich konkret die folgenden Hinterziehungsbeträge:
98Einkommensteuer:
Jahr | Betrag nach Prüfung | Betrag vor Prüfung | hinterzogene Einkommensteuer |
2002 | 267.384,00 | 38.134,00 | 229.250,00 |
2003 | 247.706,00 | 47.578,00 | 200.128,00 |
2004 | 250.164,00 | 72.269,00 | 177.895,00 |
2005 | 201.155,00 | 42.821,00 | 158.334,00 |
2006 | 235.593,00 | 83.839,00 | 151.754,00 |
Gesamt: | 1.202.002,00 | 284.641,00 | 917.361,00 |
Solidaritätszuschlag:
Jahr | Betrag nach Prüfung | Betrag vor Prüfung | hinterzogener Solidaritätszuschlag |
2002 | 14.503,03 | 1.894,28 | 12.608,75 |
2003 | 13.522,32 | 2.515,28 | 11.007,04 |
2004 | 13.657,41 | 3.873,19 | 9.784,22 |
2005 | 10.962,10 | 2.253,73 | 8.708,37 |
2006 | 12.856,21 | 4.509,74 | 8.346,47 |
Gesamt: | 65.501,07 | 15.046,22 | 50.454,85 |
Zusammenfassend ergibt sich das aus nachfolgender Übersicht ersichtliche Zahlenwerk:
2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | Gesamtsumme | |
Vermögen bei LGT Bank insg. | 8.967.258,13 | 9.708.385,68 | 10.255.517,76 | 11.280.176,52 | 11.893.007,71 | |
Kapitalerträge | 471.475,97 | 412.405,25 | 384.133,68 | 384.942,95 | 373.684,34 | 2.026.642,19 |
Kapitalerträge/Halbeinkünfte hälftiger Betrag | 897,23 | 1.158,82 | 2.932,19 | 4.988,25 | ||
Fonderträge n. registriert | 14.297,00 | 15.672,00 | 14.814,94 | 18.843,30 | 3.381,00 | 67.008,24 |
Fonderträge registriert | 10.294,00 | 12.869,40 | 19.641,95 | 31.552,72 | 36.794,55 | 111.152,62 |
Zwischensumme aus Erträgen | 496.066,97 | 440.946,65 | 419.487,80 | 436.497,79 | 416.792,08 | |
abzgl. Werbungskosten | 23.356,53 | 28.319,53 | 43.437,51 | 58.686,59 | 70.618,99 | 224.419,15 |
Kapitalmehreinkünfte insg. | 472.710,00 | 412.627,00 | 376.050,00 | 377.811,00 | 346.173,00 | |
Spekulationseinkünfte | 19.871,00 | 17.246,00 | ||||
hinterzogene Einkommensteuer | 229.250,00 | 200.128,00 | 177.895,00 | 158.334,00 | 151.754,00 | 917.361,00 |
hinterzogener Solidaritätszuschlag | 12.608,75 | 11.007,04 | 9.784,22 | 8.708,37 | 8.346,47 | 50.454,85 |
Der Angeklagte hat somit für die Jahre 2002 bis 2006 einen Gesamtbetrag in Höhe von 967.815,85 € dem deutschen Fiskus vorenthalten.
105Demgegenüber hat er im gleichen Zeitraum Steuern von rund 8 Mio. € an das Finanzamt abgeführt.
1062. Tatnachverhalten
107Im Zuge von umfangreichen Ermittlungen wurde auch der Name des Angeklagten als einer von hunderten Anlegern bei der M AG den deutschen Behörden bekannt.
108Am frühen Morgen des 14.02.2008 sollten Durchsuchungen der Wohn- und Arbeitsräume des Angeklagten stattfinden. Obwohl die Maßnahme unter strenger Geheimhaltung eingeleitet worden war und durchgeführt werden sollte, drangen entsprechende Informationen auf bislang unbekanntem Wege an die Medien. Dies führte dazu, dass bereits bei Eintreffen der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlungsbeamten und der Steuerfahndung die ersten Journalisten, Fotografen und Fernsehteams vor Ort waren. Im Laufe des Vormittags sammelten sich vielzählige Medienvertreter vor der Villa des Angeklagten. Gegen Mittag sollte der Angeklagte zur richterlichen Vernehmung nach Bochum gebracht werden. Aufgrund der enormen Medienpräsenz konnte nicht vermieden werden, dass der Angeklagte beim Verlassen der Villa in Begleitung seines Verteidigers und der ermittelnden Staatsanwältinnen von diversen Kamerateams gefilmt wurde. Diese Aufnahmen wurden anschließend weltweit verbreitet. Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die bis dahin nur vermuteten Vergehen des Angeklagten über das übliche Maß hinaus geweckt. Bis heute werden die damals gefertigten Bildmaterialien im Zusammenhang mit Steuervergehen, auch ohne tatsächlichen Bezug zum Angeklagten, in den Medien verwandt. Ferner wurden der Angeklagte sowie seine gesamte Familie mehrfach bedroht und insbesondere telefonisch belästigt. Infolge der umfangreichen Berichterstattungen wurden sogar touristische Stadtrundfahrten an der Villa des Angeklagten vorbeigeführt.
109Noch am Tag der Durchsuchung legte der Angeklagte vor dem Ermittlungsrichter in Bochum über seinen Verteidiger eine geständige Einlassung ab. Ferner überwies er an das Finanzamt Köln-Süd einen Betrag von 4 Millionen Euro, welcher als Sicherheit und zur Begleichung der Steuerschuld bestimmt war. Tatsächlich verrechnete das Finanzamt Köln-Süd diesen Betrag mit den für die Jahre 1996 bis 2006 angefallenen, noch nicht beglichene Steuerschulden nebst Zinsen in Höhe von etwa 3,9 Mio. €. Damit ist nicht nur die dem Angeklagten strafrechtlich vorgeworfene Hinterziehungssumme, sondern der insgesamt steuerrechtlich geschuldete Betrag ausgeglichen worden.
110In diesem Zusammenhang ist die oben bereits angesprochene Problematik der Besteuerung bzw. Berechnungsgrundlage bei nicht registrierten (intransparenten/schwarzen) Fonds zu erwähnen. Die Frage, ob und wenn ja in welcher Form eine Besteuerung bzw. deren Berechnung vorzunehmen ist, wird sowohl in steuer- als auch steuerstrafrechtlicher Hinsicht unterschiedlich beurteilt. Insoweit werden in der Rechtsprechung und im Schrifttum diverse abweichende Meinungen vertreten. Streitpunkt ist dabei unter anderem die möglicherweise vorliegende Europarechtswidrigkeit der angewandten Vorschriften. Höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Thematik liegen bislang nicht vor. Aber auch die von der Kammer zu Gunsten des Angeklagten verwendete Berechnungsgrundlage ist nicht unumstritten. Vor dem Hintergrund dieser schwierigen und unklaren Rechtslage haben der Angeklagte und seine Verteidiger dennoch die oben zu Grunde gelegte Berechnung anerkannt und akzeptiert. Gleiches gilt für die abweichende, nach dem Auslandsinvestmentgesetz bzw. Investmentsteuergesetz vorgenommene Besteuerung durch das Finanzamt Köln-Süd. Aufgrund dieser abweichenden Berechnungsweise lagen die vom Finanzamt ermittelten Mehreinnahmen aus nicht registrierten (intransparenten/schwarzen) Fonds um ein Vielfaches (im Schnitt etwa um das zwanzigfache) höher als die oben zu diesem Punkt von der Kammer berücksichtigten Einkünfte. Die vom Finanzamt berechnete Steuerschuld hat der Angeklagte auch insoweit vollumfänglich beglichen.
111Des Weiteren übergab der Angeklagte im Verlauf des Ermittlungsverfahrens drei Leitzordner mit Kontounterlagen und weiteren Dokumenten der E3 aus Liechtenstein. Diese Unterlagen waren bis dahin nicht Gegenstand des Verfahrens und hätten ohne Mithilfe des Angeklagten im Zweifelsfall nicht beigebracht werden können. Die oben dargestellten Berechnungen der Mehreinkünfte beruhen vollumfänglich auf diesen Urkunden. Ohne deren Vorliegen hätten Schätzungen vorgenommen werden müssen.
112Die E3, Vaduz, besteht auch weiterhin in Liechtenstein.
113IV. Beweiswürdigung
114Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten sowie der sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergebenden Verlesung und Erörterung von Urkunden.
115Der Angeklagte hat sich vollumfänglich geständig im Sinne der getroffenen Feststellungen eingelassen. Hierbei hat er nicht nur seine Angaben aus der Verteidigererklärung im Rahmen der richterlichen Vernehmung wiederholt, sondern persönlich weitergehende Angaben zum Sachverhalt gemacht. Seine Einlassung ist in sich stimmig und widerspruchsfrei. Sie wird gestützt und belegt durch den Inhalt der verlesenen Urkunden.
116V. Rechtliche Würdigung
117Der Angeklagte hat sich gemäß den getroffenen Feststellungen der Einkommensteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO schuldig gemacht.
118Indem er in den Jahren 2003 bis 2007 im Rahmen der Steuererklärung für die Jahre 2002 bis 2006 seine Einkünfte aus den unterschiedlichen Kapitalanlagen der E3 in Vaduz jeweils nicht anzeigte, hat er gegenüber den Finanzbehörden unvollständige Angaben über steuerlich relevante Tatsachen gemacht. Ihm war dabei bewusst, dass er grundsätzlich verpflichtet war, auch diese Einnahmen aus ausländischen Geldanlagen gegenüber dem deutschen Finanzamt als Einkünfte zu deklarieren. Es kam ihm darauf an, diese Einnahmen nicht gegenüber dem Fiskus zu erklären, um keine weitere Einkommensteuer abführen zu müssen.
119Die einzelnen Tathandlungen der Jahre 2003 bis 2007 stehen zueinander in Realkonkurrenz nach § 53 StGB.
120VI. Strafzumessung
121Die Kammer ist im Rahmen der Strafzumessung vom Strafrahmen der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, welcher Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht, ausgegangen.
122Die Annahme eines besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO a.F. kam demgegenüber nicht in Betracht, da unter Berücksichtigung der nachfolgenden konkreten Strafzumessungsgründe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Angeklagte grob eigennützig i.S. von § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO a.F. Steuern verkürzt hat. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass über einen sehr langen Zeitraum Steuern in erheblichem Umfang hinterzogen wurden. Die Motivlage beim Angeklagten lässt dennoch nicht darauf schließen, dass er sich bei seinem Verhalten von dem Streben nach eigenem Vorteil in einem besonders anstößigen Maße hat leiten lassen. Vielmehr ging der Wunsch des Angeklagten, sein Vermögen zu vermehren, nicht wesentlich über das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben hinaus. Aber auch wenn man vorliegend grob eigennütziges Handeln des Angeklagten annehmen würde, wäre ein besonders schwerer Fall zu verneinen, da das Tatbild auf Grund einer Gesamtabwägung von Tat und Täter nicht die erforderliche Schwere erreicht und die Indizwirkung des Regelbeispiels für die Annahme eines besonders schweren Falles durch die Gesamtumstände entkräftet wird. Denn bei einer Gesamtwürdigung der Taten und der Täterpersönlichkeit sowie der die jeweilige Tat begleitenden Umstände weichen die abzuurteilenden Taten vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle des besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung in einem so erheblichen Maß ab, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens als unangemessen hart erscheint.
123Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hatte die Kammer folgende für und gegen den Angeklagten sprechende Umstände umfassend zu würdigen und in ihre Entscheidung einzustellen:
124Zugunsten des Angeklagten waren die nachfolgenden Aspekte zu berücksichtigen:
125Der Angeklagte ist nicht vorbestraft, er ist bereits fortgeschrittenen Alters und hat sein Leben bislang beanstandungsfrei geführt. Darüber hinaus ist die anzuerkennende Lebensleistung, welche sich zweifelsfrei aus seinem beruflichen Werdegang ergibt, zu nennen.
126In ganz entscheidendem Maße war das glaubhafte, von Einsicht und Reue getragene Geständnis des Angeklagten zu bedenken. Der Angeklagte hat bereits im Rahmen seiner Festnahme, und damit zum frühstmöglichen Zeitpunkt, ein Geständnis abgegeben. Im weiteren Ermittlungsverfahren wirkte er durch Übergabe der wesentlichen Kontounterlagen aktiv und maßgeblich an der Sachverhaltsaufklärung mit. Aufgrund dieser Dokumente war eine genaue Steuerberechnung für den Tatzeitraum möglich. Insoweit ist ferner hervorzuheben, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Einlassung über den strafbefangenen sowie steuerrechtlich relevanten Zeitraum hinaus weitergehende Angaben gemacht und damit eine Steuerhinterziehung auch für die vorangegangenen zwei Jahrzehnte eingeräumt hat. Darüber hinaus hat er von Beginn an die durchaus strittige Steuerberechnung der nicht registrierten (intransparenten/schwarzen) Fonds sowohl im Steuer- als auch im Steuerstrafverfahren, anerkannt. Im Rahmen der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sodann umfassende, detaillierte und auch auf Nachfrage weitere erläuternde Angaben gemacht sowie diese ergänzt. Demzufolge hat der Angeklagte nicht nur das eingeräumt, was bereits bekannt war und ohnehin hätte festgestellt werden können. Vielmehr hat er vollumfänglich und in wesentlichem Maße zur Sachaufklärung beigetragen. Somit handelt es sich um ein gehaltvolles und keinesfalls wertloses Geständnis, was dementsprechend Berücksichtigung finden musste.
127Aufgrund des Einlassungsverhaltens des Angeklagten konnten daher umfangreiche Ermittlungen und eine langwierige Beweisaufnahme vermieden werden. Er hat somit zu einer wesentlichen Verfahrensverkürzung beigetragen.
128Ferner hat der Angeklagte im Rahmen seiner Einlassung die von ihm begangenen Taten nicht beschönigt. Er hat sein Bedauern bzgl. seiner Tathandlungen und deren Folgen nicht nur für sich und seine Familie, sondern auch für seine ehemaligen Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht. Angesichts des von dem Angeklagten in der Hauptverhandlung insgesamt gewonnenen Eindrucks geht die Kammer davon aus, dass es sich hierbei nicht um ein von versierten Verteidigern angeratenes Zweckgeständnis handelt, sondern der Angeklagte sein Fehlverhalten ehrlich eingesehen und eingeräumt hat und zu den gemachten Angaben steht.
129Im Übrigen hat er den zu berücksichtigen Steuerschaden, welcher weit über den strafrechtlich maßgeblichen Hinterziehungsbetrag hinausgeht, insgesamt vor Beginn der Hauptverhandlung ausgeglichen. Auch insoweit hat der Angeklagte die streitigen und für ihn nachteiligen Berechnungen hinsichtlich der nicht registrierten (intransparenten/schwarzen) Fonds ohne Zögern hingenommen.
130In diesem Zusammenhang war ebenfalls zu berücksichtigen, dass der hinterzogene Betrag im Verhältnis zu den tatsächlich gezahlten Einkommensteuern eher gering war und der Angeklagte damit zum überwiegenden Teil steuerehrlich gewesen ist.
131Schließlich musste sich die Situation anlässlich der Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten sowie die Umstände seiner Festnahme und Verbringung nach Bochum strafmildernd auswirken. Die zu diesem Zeitpunkt bestehende öffentliche Aufmerksamkeit hatte ein Ausmaß erreicht, welches weit über das Übliche – und von einer Person des öffentlichen Lebens hinzunehmende – hinaus ging. Insoweit sind auch die negativen Folgen aus dieser übermäßigen Medienpräsenz für die Familie des Angeklagten anzuführen. Klarstellend sei diesbezüglich angemerkt, dass damit nicht die Berichterstattung bis zur Verurteilung insgesamt angesprochen ist, da der Angeklagte diese grundsätzlich als Person der Zeitgeschichte zu akzeptieren hat.
132Schließlich sind die beruflichen Konsequenzen für den Angeklagten zu erwähnen, auch wenn er diese selbst zu vertreten hat. Er ist unverzüglich von seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender zurückgetreten und hat letztendlich alle weiteren sämtlichen Ämtern und Aufsichtsratsposten niedergelegt.
133Demgegenüber wirkten sich die folgenden Gesichtspunkte strafschärfend aus:
134Hierbei ist zunächst der lange Tatzeitraum von fünf Jahren anzuführen. Darüber hinaus hatte der Angeklagte seine Einnahmen aus den ausländischen Anlagen auch in den vorangegangenen 16 Jahren - und damit über einen Zeitraum von insgesamt 21 Jahren - nicht gegenüber den Finanzbehörden angegeben. Auch wenn eine Aburteilung der vor 2003 liegenden Taten wegen Verjährung nicht mehr in Frage kam, so war diese enorme Zeitspanne dennoch im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.
135Maßgeblich war ferner der mit fast 1 Mio. € beträchtliche Gesamthinterziehungsbetrag. Aber auch die auf die einzelnen Taten und damit Jahre bezogenen Hinterziehungssummen von rund 229.000 (2002) bis 150.000 (2006) Euro sind nicht unerheblich.
136Aufgrund seiner Berufsausbildung war der Angeklagte sich des Umfangs und der Konsequenzen seiner Taten vollumfänglich bewusst. Der Angeklagte kann sich daher nicht dadurch entlasten, dass er lediglich dem Rat seiner Finanzberater gefolgt sei. Insofern kann ihm lediglich zu Gute gehalten werden, dass der Anstoß zur Tatausführung nicht von ihm selbst kam, sondern ihm dies von seinen Beratern unterbreitet wurde. Den Entschluss zur Umsetzung fasste der Angeklagte nach umfassender Abwägung jedoch eigenständig, ohne finanzielle Not und im vollen Bewusstsein der strafrechtlichen Relevanz seines Tuns. Er persönlich traf letztendlich die Entscheidung, wo, in welcher Form, welchem Umfang und in welcher konkreten Ausgestaltung die Geldanlage erfolgen sollte. Dementsprechend handelte er im Rahmen der konkreten Tatausführung – wie sich schon aus der Wahl des höchsten Grades der Anonymisierung ergibt – planvoll, akribisch, dauerhaft, mithin mit krimineller Energie. Dies zeigt sich nicht nur in der Wahl der liechtensteinischen Familienstiftung, sondern auch in der weiteren Ausgestaltung der Kontakthaltung und Besuche in Liechtenstein.
137Damit ist er der von ihm selbst auch angestrebten Stellung in der Gesellschaft sowie seiner Position bei den von ihm geleiteten Wirtschaftsunternehmen und der sich hieraus ergebende Vorbildfunktion nicht gerecht geworden und hat damit die angesprochene auf beruflich, wirtschaftlicher Ebene sicherlich anerkennenswerte Lebensleistung deutlich geschmälert.
138Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer auf folgende Einzelstrafen als tat- und schuldangemessen erkannt:
Steuerhinterziehung 2002 | 1 Jahr 3 Monate Freiheitsstrafe |
Steuerhinterziehung 2003 | 1 Jahr 3 Monate Freiheitsstrafe |
Steuerhinterziehung 2004 | 1 Jahr Freiheitsstrafe |
Steuerhinterziehung 2005 | 1 Jahr Freiheitsstrafe |
Steuerhinterziehung 2006 | 1 Jahr Freiheitsstrafe |
Bei der Gesamtstrafenbildung hat die Kammer unter nochmaliger Abwägung der vorgenannten Strafzumessungsgründe die Person des Täters und die einzelnen Strafen zusammenfassend gewürdigt (§ 53 Abs. 1 S. 3 StGB). Hierbei fielen insbesondere nochmals das vollumfängliche Geständnis des Angeklagten und die umfassende Schadenswiedergutmachung über den strafrechtlich relevanten Betrag hinaus ins Gewicht.
141Die Kammer hat danach unter Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
142zwei Jahren
143als tat- und schuldangemessen erkannt.
144VII. Bewährung
145Die Vollstreckung der verhängten Strafe konnte gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Angeklagte auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs künftig keine Straftaten mehr begehen wird, da er durch das hiesige Strafverfahren augenscheinlich hinreichend beeindruckt ist. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und hat bislang ein beanstandungsfreies Leben geführt. Es kann ihm insoweit eine günstige Sozialprognose gestellt werden.
146Darüber hinaus liegen besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vor, welche eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen. Zunächst hat der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren in wesentlichem Maße an der Aufklärung der abgeurteilten Taten mitgewirkt. Er hat das Unrecht seiner Taten erkannt und umfassend gestanden. Sein Geständnis war von Reue und Einsicht geprägt. Ferner hat er sich für sein Fehlverhalten entschuldigt und als Konsequenz des öffentlich Werdens seiner Tathandlungen umgehend sämtliche Posten und Ämter aufgegeben. Des Weiteren ist von dem Angeklagten noch vor Beginn der Hauptverhandlung der im strafrechtlich sowie steuerrechtlich maßgeblichen Zeitraum entstandene Schaden vollumfänglich ausgeglichen worden.
147VIII. Kosten
148Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.